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- ,, Thinesische Naivität." Unter diesem Titel bringen die deutschen   Zeitungen eine angeblich in der" Betinger Zeitung" erschienene Verherrlichung des Kaisers von China  , wonach es dem Gebet dieses Beherrschers des Reiches der Mitte zu danken sei, daß nach langer Dürre ein befruchtender Regen Peking   und Umgebung erfreut habe. Kaum hatte sich unser erhabener Gebieter", soll es da heißen, ,, vor dem Bildniß dieses Gottes( des Schnee- und Regengottes) nieder­geworfen und zu beten begonnen, öffnete der Himmel auch schon seine Schleusen und schickte einen befruchtenden Regen auf die Erde herab. Es zeigt dies recht deutlich, wie beliebt unser Kaiser jetzt bei den Göttern ist und wie bereitwillig fie alle seine Wünsche erfüllen."

In der That, sehr naiv, diese Chinesen! Fast so naiv wie die Ange­hörigen des Reiches der Denker, welche zu Ehren ihres gottesfürchtigen Gebieters die schöne Redensart vom ,, Kaiserwetter" erfunden haben. Aber noch lange nicht so naiv wie die westpreußischen Damen der besseren Gesellschaft", welche die Vergötterung des halb schwindsüchtigen Brinzen Heinrich bei dessen Anwesenheit in Elbing   so weit trieben, daß fie sich, wie die Elbinger Zeitung" meldet ,,, von der prinzlichen Tafel Semmeln zur Erinnerung aufbewahrt haben und in Medaillons herumtragen."

Eigentlich hätten fich die hochgebildeten Gänse an den Kammerdiener des Prinzen behufs würdiger Andenken wenden sollen. Er hätte vielleicht ein Einsehen gehabt und ihnen eine Erinnerung verehrt an den- Dalai­Lamismus.

Und, wir wetten hundert gegen eins, fie wären sehr erbaut davon gewesen!

Wozu lebten wir sonst in Neu- Chinesien!

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Anständiger Zeitungsstil. Die Frankfurter Zeitung  ", unter Anderem in einer Reihe von die bei verschiedenen Gelegenheiten Artikeln nach Erlaß des Sozialistengesetzes unserer Presse den Vor­wurf gemacht hat, nicht anständig" zu schreiben, gerieth dieser Tage wegen einer fimplen Reporternotiz mit einem Lokal- Konkurrenzblatt in einen Streit und leistete folgende Stilprobe( S. das Morgenblatt der " Frankfurter 3tg." vom 5. Septbr. d. J.):

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Nach mündlicher Rücksprache mit unserem Mainzer?-Korrespon­denten können wir bezüglich der im Stadtanzeiger" erwähnten Revolver- Affäre jetzt mittheilen, daß unser Korrespondent die Sache genau so dargestellt hat, wie sie der Polizei gemeldet wurde und jetzt der zuständigen Behörde zur weiteren Veranlassung vorliegt. Da wir somit Gewißheit haben, daß die Wahrheit an den Tag tommen wird, so können wir den Ausgang in Ruhe abwarten und brauchen uns nicht mit den Pöbelhaftigkeiten des Frank­furter Journals" zu befassen, welche nachgerade den Charakter einer Manie annehmen, die, mag sie nun aus zurückgetre tener Reklamesucht oder aus dem Gefühl der eigenen erbärmlichen unzulänglichkeit entspringen, im Grunde nur das schlechte Gewissen einer obsturen Gesell schaft bezeugt. Kein Vernünftiger und Anständiger wird es uns verübeln, wenn wir uns um die Miasmen, die täglich aus dieser journalistischen Sentgrube aufsteigen, ferner nicht mehr fümmern."

Das ist anständiger Zeitungsstil". Wir geben gerne zu, daß die sozialdemokratische Presse diese Höhe der ,, Anständigkeit" nicht zu erreichen

vermag.

Da wir gerade mit der Frankfurter Zeitung  " zu thun haben, so sei hier des Spaßes halber noch erwähnt, daß dieses Organ des Kapitalis­mus neulich als sein und der Volkspartei" Programm das Streben bezeichnete, den Kapitalismus zu vernichten, den Klaffengegensatz zu besei­tigen und allmälig die soziale Gleichheit herzustellen. Also ganz sozialdemokratisch auf dem Papier. Vielleicht erklärt die " Frankfurter Zeitung  " uns einmal, warum sie und warum ihre ,, Volks­ partei  " trotzdem der Sozialdemokratie so spinnenfeind ist und ihr, wo es nur immer geht, etwas am Zeuge zu flicken sucht.

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Infam. In der gesammten Berliner   Presse, ob konservativ, ob fortschrittlich, finden wir ohne jeden Kommentar folgende Lokalnotiz:

" Daß man an öffentlichen Orten seine Zunge im Zaum halten soll, ist eine Mahnung, die nicht oft genug aus­gesprochen werden kann. Welche Unannehmlichkeiten ein Verstoß dagegen im Gefolge haben kann, hat der Schuhmachermeister K. an sich erfahren. Derselbe saß eines Tages mit einem fremden Herrn an einem Tisch in einer Restauration und bemerkte von dort aus, wie auf der Straße ein Schutzmann einen Kutscher notirte. Dieser Anblick regte ihn so auf, daß er zu seinem Nachbar sagte: Da schreibt der Kert schon wieder einen Kutscher auf; da könnte man ja gleich mit dem Knippel dreinschlagen!" Kaum war seinen Lippen das Wort entflohen, da präsentirte ihm der Fremde die bekannte Medaille der Kriminalbeamten und die Folge davon war, daß sich Herr K. wegen Beleidigung des betr. Schußmanns vor dem Schöffengericht zu verantworten hatte. Letzteres faßte jedoch die Sache milde auf und erkannte nur auf 10 Mark Geldbuße." Kein Wort der Entrüstung über das infame Spitzel- und Denun­ziantenwesen, über diese Unterdrückung jedes freien Wortes. Statt deffen wird die Bestrafung des Verbrechers" gegen die heilige Polizeiunfehl­barkeit noch als milde bezeichnet. Selbst in den unter dem Zwangs­gesetz stehenden Bezirken Irlands   würde es Niemand einfallen, wegen einer solchen Aeußerung des Unwillens Anklage zu erheben, in Preußen hält man das für selbstverständlich. Es ist infam!

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Aus Chemnitz   wird uns geschrieben: Der 20. Auguft war für unsere Genossen ein Freudentag. Mittelft Einladungskarten waren am Nachmittag über 800 Männer auf dem Hopperg in Rabenstein  erschienen, um im ungezwungenen Verkehr ihrer Meinung über die Zu­stände in Deutschland   offen Ausdruck zu geben. In größeren und kleineren Gruppen sprach man sich gegenseitig Muth und Ausdauer zu. Als plötzlich wie ein Lauffeuer sich die Kunde verbreitete, daß ein Genosse aus München  unter ihnen sei, wuchs die Begeisterung, die sich in Hochrufen und Ge­fängen Luft machte. Still ſah die Polizei, die in ziemlicher Anzahl anwesend war, dem Treiben zu, sie hielt es für gerathen, zu verschwinden, bevor noch die Versammelten den Heimweg nach der Stadt angetreten hatten. Männer, Frauen und Kinder bildeten nun in Reihen zu je pine. einen Riefenzug; zwei junge Arbeiter, die musizirten, an der Spitze. Mehrere rothe Lappen" wurden an Schirme gebunden und hoch als Fahnen geschwungen. Sehr interessant war es, die Gesichter der Herren Ausbenter zu betrachten, die, in behaglicher Karoffe nach ihren Villas fahrend, dem Zuge begegneten. Unter dem Gesang der Arbeiterlieder: Arbeiter, all' erwacht und Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will" u. s. w. wurden den Herren" die rothen Tücher vor die Augen gehalten, gleichsam fagend:" Seht Geldmenschen, trotz Eurer Ge­seze gegen die Rothen sind sie doch da und arbeiten unablässig weiter an der Beseitigung der Kapitalswirthschaft und der Ausbeuterprivilegien. Die Chemnitzer   Arbeiterfrauen haben auf den Schreiber dieses einen besonders guten Eindruck gemacht. Sie verstehen ihre Aufgabe. Daß sich die Genoffen in öffentlichen Lokalen zusammenfinden, wenn sie ihre Angelegenheiten zu besprechen wünschen, zeigt, daß sie sich von der heutigen Reaktion nicht in's Bockshorn jagen lassen. Anderseits macht es wiederum einen sehr guten Eindruck, daß sie nicht Jedem gegenüber vertrauensselig find. Sie fragen nach Legitimation, sehen sich den Fremden genau an und forschen ihn gehörig aus.

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Allgemein glaubt man in Chemnitz  , daß bereits anfangs des nächsten Jahres die Reichstagswahlen stattfinden werden und ist man darauf vorbereitet. Chemnitz   ist eine feste Burg für die gerechte Sache des arbeitenden Volkes, hier stehen unsere Bataillone feft und sicher für alle bevorstehenden Kämpfe."

- Die Herkunft des, Heldentaisers", schreibt man uns aus Sachsen  , hat die Servilität zu wahren Orgien aufgeftachelt und den Amtseifer unserer Polizei zu den tollsten Ausschreitungen getrieben. Durch Berichte aus Berlin angefeuert, wollte unsere Polizei mit aller Gewalt eine Verschwörung entdecken und ein Attentat, wo nicht mehrere, verhüten. Sie schnüffelte überall herum, fand überall Verdäch tige und machte und macht sich mit einer Todesverachtung lächerlich, die unsere vollste Anerkennung verdient. In Dresden   haben mehrere Haus­suchungen nach vermeintlichen Attentätern stattgefunden und natürlich nur zu einer Blamage der schnüffelnden Sicherheitsorgane geführt. Ganz unschuldige, der Politik fernstehende Leute sind in Verdacht gerathen und haben die wunderlichsten Polizeiabenteuer gehabt. Wenn wir hier keine Namen nennen und nicht in nähere Einzelheiten eingehen, so geschieht es nur, weil wir den betheiligten Personen keine Ungelegenheiten bereiten wollen. Wir haben zwar noch keine Nihilisten", im Uebrigen aber russische   Zustände"; und wird auch bei uns Niemand nach Sibirien  geschickt( weil wir kein Sibirien   haben), so ist doch Jeder, der das Mißfallen der Polizisten erregt, so gut wie vogelfrei.

Es versteht sich, die Zeitungen werden von dem Jubel berichten, mit welchem die gesammte Bevölkerung den Heldenkaiser" begrüßt. Die Furcht vor Attentaten ist die beste Kritik dieses Jubels; sie zeigt, daß selbst unsere Behörden weder an die Aufrichtigkeit noch an die Allge­meinheit dieses Jubels glauben und die Loyalität des Volkes äußerst gering anschlagen und da haben sie recht.

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Aus Leipzig  , 18. September, wird uns geschrieben: Wer soll Richter's Nachfolger sein? Das ist die Frage, welche jetzt unfere Stadtmagnaten in erster Linie beschäftigt. Die Frage läßt sich leicht lösen, da des Sozialistentödters Richter tragisches Ende etwas ab­schreckend wirkt. Es fehlt trotz des hohen Gehaltes( 10,500 Mark) an tauglichen Bewerbern um die erledigte Stelle; und in ihrer Verlegenheit haben verschiedene der Herren Stadträthe ihr Auge auf den bekannten voigtländischen Oberstaatsanwalt und Reichstagsabgeordneten Hart­mann gerichtet. Herr Hartmann beiläufig ein ,, Streber", wie er im Buche steht ist einer der eifrigsten, ich will nicht sagen Anhänger, aber Vertheidiger des Bismarc'schen Staatssozialismus. Und das ist's, was in unseren Stadträthen, die mit feinem Bourgeoisinstinkt den polizeilichen Charakter des Bismarck  'schen Staatssozialismus wittern, den Gedanken erweckt hat, Herrn Hartmann auf den Stuhl des Leipziger Polizeipräsidiums Pardon, der Leipziger Poliei direktion zu setzen.

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Wir zweifeln nicht, daß Herr Hartmann sich für den ihm zugedachten Posten vortrefflich eignen würde, und wollen wir nur wünschen, daß er sich durch anderweitige Aussichten nicht abhalten läßt, die Mission der Sozialistentödterei in Klein- Paris" zu übernehmen. Eine beffere re­ductio ad absurdum des Staatssozialismus können wir uns gar nicht denken.

Bebel ist seit gestern wieder in Borsdorf  . Er litt an einem akuten Magenkatarrh, von dem er wieder vollständig hergestellt ist. Die alberne Zeitungsnotiz, daß er in Zwickau   plöglich auf den Tod erkrankt gewesen sei, rührt von einem unglücklichen Zeitungsreporter her, der sich ein paar Groschen verdienen wollte und auch verdient hat.

Jn Borsdorf wird wieder viel, viel geschnüffelt, von Uniformirten und Nichtuniformirten. Daß Bebel und Liebknecht dort zusammen­wohnen und auch auf einige Tage zusammensein werden, will der Polizei gar nicht in den Kopf. Die Polizei ist von der Nichtswürdigkeit des herrschenden Systems so felsenfest überzeugt, daß sie, wenn zwei anständige Menschen zusammen tommen, sich nichts Anderes vorstellen kann, als daß dieselben kon­spirirten gegen Staat und Gesellschaft. Wir fühlen uns nicht berufen, der Polizei eine bessere Meinung von dem herrschenden System, das sie zu vertheidigen hat, beizubringen.

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Von Gottes Gnaden. In Konstanz  , wo man von dem bei Hugstetten   verübten Eisenbahn verbrechen denn von Unglück kann da nicht mehr die Rede sein nichts gehört zu haben scheint, ist zur Feier des Geburtstags des Großherzogs von Baden beim Böllerschießen ein Taglöhner erschossen und ein Wachtmeister ver­ftümmelt worden. Die Kaiserparade" in Breslau   hat einem jungen Manne das Leben, sowie verschiedenen Personen die gesunden Gliedmaßen gekostet. Bei den Sappeurmanövern in Is chora( Ruß land) stürzte nnmittelbar, nachdem der Zar sie verlassen, eine Pontonbrücke zusammen, wobei mehrere Personen, u. A. der Kriegs­minister Wannowski, schwer verlegt wurden. Da es tein von den bösen Nihilisten veranstaltetes Attentat war, so scherzte" der Zar­wie offiziös gemeldet wird im nächsten Augenblick darüber. In der That, sehr tapfer von den Gottesgnadenhelden.

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Paragraph 131. Wegen Bergehens gegen diesen, nachgerade zur Stütze der Ordnung im heiligen deutschen Reiche avancirten Para­graphen ist vom Landgericht zu Brieg   in Schlesien   Genosse Fel­tenberg zu 100 Mart Geldstrafe, eventuell 20 Tagen Gefängniß ver­urtheilt worden. Der Staatsanwalt hatte 3 Monate Gefängniß be­antragt. is

Feltenberg foll das Verbrechen in einer am 30. April d. J. in Ohlau  - stattgehabten Versammlung aller Tabat Jutereffenten in Ohlan" be­gangen haben. Näherer Bericht folgt.

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Die Hüter des Deutscthums" in Böhmen   machen dem deutschen Namen wirklich große Ehre, so daß es gar kein Wunder ist, wenn die Czechisirung des Landes Fortschritte macht. Eine servilere, niederträchtigere Gesellschaft als diese Träger der deutschen Kultur" ist gar nicht denkbar. Ihr ganzer Freisinn", denn sie sind natürlich liberal besteht in einer wahrhaft lächerlichen Verherrlichung Joseph II.  , des angeblichen großen Reformators, der aber in Wahrheit ein durchaus charakterloser Patron war. Erst neulich haben sie diesem zum edelsten und wohlthätigsten Monarchen" emporgeschwindelten Habsburger   in Reichenberg  ein notabene zweites Denkmal errichtet. Bei der Enthüllungsfeier haben die Herren auch begeisterte Freiheitsreden gehalten, wie die deutsche Kultur die wahrhafte Freiheitsidee verkörpere und ähnliche Phrasen mehr, aber keinem der freiheitsliebenden Herren ist es eingefallen, der in den Gefängnissen Reichenbergs unschuldig eingeferferten deutschen Ar­beiter zu gedenken. Dagegen find fie es, die jeder Erweiterung der Volks­rechte in Desterreich den beharrlichsten Widerstand entgegensetzen, denn das wäre eine Beeinträchtigung ihrer deutschen" Freiheit.

Schweiz  . Am 10. September feierte der deutsche Arbeiterverein Eintracht" in Zürich   sein 40jähriges Stiftungsfest. Ueber diese den Tendenzen des Vereins wie der Arbeiterbewegung in jeder Be­ziehung zur Ehre gereichende Feier entnehmen wir einem Bericht der " Arbeiterstimme" folgende Einzelheiten: ne mo

Ein stattlicher Festzug mit seinem Musikkorps und den Fahnen der theilnehmenden Vereine( Grütliverein Zürich, Deutsche   Vereine von Aarau  , Baden, Uster  ) an der Spize setzte sich Mittags 11% Uhr vom Vereins­lokale nach der Bauschanze in Bewegung, wo der Salondampfer Hel­vetia" zur Aufnahme der ca. 800 Festtheilnehmer bereit stand. Herrliches Wetter herrschte und trug die Fahrt die schönen Seeufer entlang mächtig zur gehobenen Stimmung der Festtheilnehmer bei, so daß in Horgen  neue Zuzügler( Grütli- und Deutsche   Vereine von Thalweil und Horgen  ) mit stürmischem Jubel begrüßt wurden. Bald nach der Ankunft auf der Insel Ufnau  , woselbst noch die Grütlivereine von Rapperswyl und Stäfa  ( Schwyz  ) freudigst empfangen wurden, herrschte ein reges Festleben. Dem Programm gemäß wurde die Feier mit dem Marsche Gruß an Zürich  " eröffnet, dem ein Lied," Der Freiheit Vaterland", gesungen von den Sängern des Deutschen Vereins Zürich, folgte. Alsdann hielt das

Vereinsmitglied Genosse Tauscher die Festrede. Redner gedachte zunächst unseres großen Landsmannes Ulrich Hutten  , des unermüd­lichen Kämpfers für Wahrheit und Recht, der arm, verlassen und ge­ächtet auf Ufnau seine Ruhestätte gefunden und ermahnte Alle, gleich ihm stets der Wahrheit die Ehre zu geben und in seinem Geiste zu wir­ten. Zur Geschichte des Vereins übergehend, dankte Redner allen Jenen, die während des 40jährigen Bestehens des Vereins innerhalb desselben gewirkt, insbesondere den wenigen noch vorhandenen Gründungsmitglie­dern, und gab dann einen Ueberblick über das Wirken des Gesammt­vereins und seiner Sektionen. Redner ermahnt dann die Mitglieder treu wie bisher zusammenzustehen und fortzuwirken im Interesse der Ar­beitersache und schließt mit warmen Dankesworten an die Mitglieder des Grütlivereins, deren Anwesenheit ein neuer Beweis für die inter­nationale Verbrüderung der Arbeiter sei. Reicher Beifall lohnte den Redner für seine Ausführungen.

Nun folgten Mufsit, Gesang, Deklamationen, Festspiele bis 4 Uhr, wo der Dampfer die Feftgäfte nach Rapperswyl überführte. Dort Be­sichtigung des Polendenkmals bis 5%, Uhr, worauf die Rückfahrt nach Ufnau   erfolgte und das Fest bei Musit, Gesang, begeisterten Reden von Mitgliedern der Grütlivereine Zürich   und Stäfa   bis 8 Uhr, der Stunde der Heimfahrt, fortdauerte. Nach der Ankunft in Zürich   ging es mit Musik in's Vereinslokal, wo noch die fröhlichste Stimmung herrschte.

Das schöne Fest hat gewiß alle Theilnehmer hoch befriedigt. Möge der demokratische Geist, in dem es gefeiert wurde, wach erhalten bleiben und der Deutsche   Verein Zürich   ferner wirken und gedeihen zum Wohle seiner Mitglieder und im Intereffe der Befreiung des arbeitenden Volkes!

Frankreich  . Vom 3. bis 12. September tagte in Bordeaux  ein sogenannter Arbeitertongreß, einberufen von den Schützlingen des Herrn Barberet, dem Direktor des Büreau der Fachvereine ( syndicats professionels) im Ministerium des Inneren. Es ist dies die Fraktion, welche auf dem Kongreß von Havre  ( 1880) die Sozialisten zu majorisiren suchte und dadurch eine Spaltung provozirte. Trotz oder beffer wegen der Protektion durch die repulikanische Bourgeoispresse war der Kongreß" nur von 17 Fachvereinen, darunter 13 in Bordeaux  , beschickt. Und sogar unter diesen fanden sich mehrere Delegirte, welche einem Anschluß an die Arbeiterpartei und einer Beschickung des Kongresses von St. Etienne das Wort redeten.

Uebrigens waren die Berathungen nicht uninteressant und die Beschlüsse, wenn auch nicht ausgesprochen sozialistisch, doch vom Geiste des Klassen­kampfes und der Unabhängigkeit beseelt. So finden wir unter den Be­schlüssen zur Frage Arbeit und Kapital" u. A. folgende:

Punkt 5. Berbot der Gründung von Fabrikhilfskaffen seitens der Arbeitgeber."

Punkt 6. Verbot, die Löhne durch Strafabzüge oder Vorweg­nehmungen zu reduziren."

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Punkt 8. Abschaffung aller indirekten Steuern, der städtischen Oktrois und Konsumabgaben.

Puntt 9. Einführung einer einzigen Steuer auf das fire Kapital". Ferner wurde unbedingte Konfeffionslosigkeit des Unterrichts verlangt, sowie Berbannung der Religion aus den Krankenhäusern, Asylen 2c. Von einer Veröffentlichung sämmtlicher Beschlüsse sehen wir angesichts des geringen Einflusses, den der Kongreß auf die Arbeiterbevölkerung Frankreichs   auszuüben vermochte, ab.

Mit größtem Intereffe sehen wir dagegen dem am 24. September in St. Etienne   beginnenden allgemeinen französischen  Arbeiterkongreß entgegen.

Er wird das Werk der Organisation der französischen   Arbeiter zu einer festen klassenbewußten Arbeiterpartei fortsetzen. Aus allen Theilen Frankreichs  , aus Paris   sowohl wie aus der Provinz, liegen bereits zahl­reiche Anmeldungen von Delegirten vor. Die Betheiligung wird voraus­sichtlich eine sehr starte sein.

Die Tagesordnung des Kongresses lautet: 1) Prüfung der Mandate.

2) Die Frage der Parteidisziplin.

3) Abgrenzung der Bezirksverbände.

4) Die Grundsätze des Parteiprogramms.

5) Die Parteiftatuten.

6) Datum und Tagesordnung des nächsten Weltkongresses.

7) Ueber die Eroberung der Verwaltung in den Gemeinden und der politischen Macht im Staate.

8) Ueber die Gewerkschaftskongresse.

9) Ueber Streiks.

Zulaffung zum Kongresse haben alle Arbeitervereine, welche mindestens 19 Mitglieder haben und länger als drei Monate bestehen. Die Vereine haben das Recht, für je 300 Mitglieder einen Delegirten zu ernennen. Wie man sieht, hat der Kongreß eine umfangreiche Tagesordnung zu bewältigen. Gleich der zweite Punkt wird Gegenstand lebhafter Erörte rungen werden, denn er wird wohl die in Paris   ausgebrochene Spal­tung betreffen. Wir können hier nur den Wunsch ausdrücken und wir glauben dies im Namen der deutschen Partei zu thun, daß es dem Kongreffe gelingen möge, diese unserer großen Sache so verderblichen Zwiftigkeiten beizulegen, und daß die beiden einander bisher bekämpfenden Gruppen alle persönlichen Motive des Konfliktes hintenansehen und nur die sachlichen Differenzpunkte zur Erörterung bringen. Dann wird, den guten Willen vorausgesezt, unserer festen Ueberzeu­gung nach die Schlichtung möglich sein.

In dieser Erwartung senden wir den in St. Etienne   zusammen­tretenden Delegirten des französischen   Proletariats unsern brüderlichen Gruß und Glückwunsch.

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten und Gemaßregelten nicht!

gortis elasid som

Korrespondenzen.

U. Fürth, im Auguft. Endlich hatten auch wir die Gelegenheit, den christlich- sozialen Voltsbeglücker Stöder aus Berlin   zu hören. Zwar war es teine Volksversammlung, in der Herr Stöcker seine Weisheit austramte, sondern ein Vortrag gegen Entree, trotzdem hatte die berich tigte Persönlichkeit ein sehr zahlreiches Publikum in den großen Saal des " Weißen Garten" gelockt, und auch wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, Stöcker in Person tennen zu lernen. Der Veranstalter des Vortrages war Privatier Ott; ein frommer Augenverdreher, ein Mann, der es durch die raffinirteste Ausbeutung armer Weber bereits zu einer Million gebracht hat und sich ganz gut denen anschließen kann, von denen Stöcker sagte, daß sie nicht arbeiten und in Maffe verdienen!" Auf einen ausführlichen Bericht über den Vortrag werden die Genoffen um so lieber verzichten, als es in der Hauptsache doch nur die alten be­kannten Phrasen sind, die von dem Hofprediger immer auf's Neue auf­gewärmt werden.

Stöcker beschäftigte sich hauptsächlich, wie dieses jetzt modern ist, mit der sozialen Frage, und ein Redner von uns hätte die gedrückte Lage des armen enterbten Mannes" nicht drastischer schildern können, als er. Ja, er dankte sogar den Sozialdemokraten, daß sie auf die mißliche Lage des Arbeiterstandes aufmerksam gemacht haben, als ob dieser fromme Heuchter nicht schon früher Gelegenheit gehabt hätte, in einer Stadt wie Berlin   und noch dazu in seinem Beruf, unsere empörenden Zustände tennen zu lernen!

Dem, armen Mann" muß natürlich geholfen werden, selbstverständlich mit Zuchthaus und Vertreibung von Haus und Familie. Schöne Hilfe