akademischen Jugend in Punkto der Kriecherei zu erwarten war, ist bekannt. Und in den Turuvereinen, wo früher einmal der freiheitliche Geist rege er­halten wurde, kommandiren Turnlehrer, die städtische Beamte sind; und auch von denen gilt, was bereits oben über die Beamten ausgeführt wurde.

In den Turnvereinen aber find Arbeiter gar nicht, Handwerker auch nur sehr vereinzelt vertreten. Junge Kaufleute und Kaufmannslehrlinge bilden das Gros, auch verschiedene Beamte spielen dort eine Rolle. Lauter junge Leute, die ihr Licht der Fackeln nicht unter den Scheffel stellen, und ihre Kunst nicht nur vor dem Kaiser, sondern auch vor dem großen Haufen zeigen wollten. Sie betrachten alles vom Standpunkt des Vergnügens; diesmal aber um so mehr, als ein allgemeiner Jur" und die Vertilgung einer Anzahl Seidel Bier die Schlußpointe bildete. Arbeiter, wirkliche Arbeiter, waren nur in den ,, Kriegervereinen" vertreten, die zum Theil, soweit sie aus Breslau sind, bei der Ankunft des Kaisers Spalier bildeten. Die Kriegervereine aus der Provinz halten am Sonntag Vorstellung. Mancher kann es nicht begreifen, wie die Arbeiter sich dazu gebranchen lassen, und doch ist die Sache sehr erklärlich. Zunächst find dort die kleinen Handwerksmeister vertreten. Auch sie treten diesen Vereinen meist der wirklichen oder der in Zukunft zu erwartenden Kund­schaft wegen bei. Die städtischen Nachtwächter und Feuerwehrleute stellen auch ein großes Kontingent. Der Branddirektor, ein gewesener Haupt­mann, hält die Leute dazu an, und um des lieben Brotes willen macht man es mit, zumal den Leuten allen der Kasernendienst noch in den Knochen steckt. Den übrigen Theil der Kriegervereine bilden diejenigen Leute, welche nach ausgestandener Militärzeit in der großen Stadt bleiben, um sich als Haushälter, Fabrikarbeiter u. s. w. ihr Brot zu verdienen. Die Kriegervereine verdanken ihre Existenz dem unbestreitbaren Organi­sationstalent der deutschen Militärverwaltung. Die vom Militär ent­lassenen Proletarier finden darin insofern einen gewissen Sammelpunkt, als ihnen bei Krankheits- und Sterbefällen eine Unterstützung zu Theil wird, und ihnen auch bei Todesfällen ein Grabgeleite mit zum Theil militärischem Schaugepränge ficher ist. Man mag sagen was man will, die Proletarier fühlen gerade bei dem Gedanken an ihr Begräbniß, bei welchem die Arbeiter in den meisten Fällen ohne jede Begleitung hinaus­geschleppt werden, ihre Isolirtheit in der Gesellschaft am meisten und suchen dem zu entgehen, indem sie den Kriegervereinen beitreten. Auf dem Lande, wo die Gutsbesitzer, meist Militärs der Reserve oder Land­wehr, ihren Einfluß für diese Vereine geltend machen und wo für Kranken­und Sterbekassen gar nicht gesorgt ist, finden die Kriegervereine am meisten Antlang. Man muß diese Leute gesehen haben, mit welcher Wichtigkeit sie einherschritten, als sie im Sonntagsstaate mit der schwarz- weißen Binde am Arm Spalier bilden mußten. Sie schritten einher, nicht Kraft ihres Amtes sondern Kraft der schwarz- weißen Binde, als die ersten, die das Schaugepränge in Augenschein nehmen konnten, und glaubten, daß die Wucht der ganzen Welt auf ihren Schultern ruhe. In der Stadt find die Leute berichtet, das geht schon daraus hervor, daß sowohl am Tage der Ankunft des Kaisers als auch später, als die Arbeiter in ihren Restaurationen beisammen waren, fie fich gegenseitig fragten: Was meinst du, wenn der Wilhelm wüßte, wie viel Rothe in den Reihen der Kriegervereine gestanden haben?"

Die Breslauer Patrizier, unter denen viel reiche Juden, haben sich gegenseitig überboten, die hohen" Herrschaften zu beherbergen. Daß dabei mancher auf Orden und Titel spekulirt, ist selbstredend. Die Juden aber haben sich, eingedenk der Judenheze, vor allen dabei hervorgethan. Ob die Judenhatz deshalb von oben her eingedämmt werden wird, bleibt abzuwarten, ist aber nicht anzunehmen. Die reichen Juden haben übrigens, obgleich sie keine Freunde von Schweinefleisch sind, von jeher verstanden, mit der Wurst nach der Speckseite zu werfen.

Jm Uebrigen hat sich bei dem ganzen Rummel der Klassenunterschied so recht geltend gemacht, infofern das Magnatenthum, d. h. diejenigen, die ihre Stammbäume bis auf die gemeinsten Strauchritter und Wege­lagerer zurückführen können, im Landschaftsgebäude ein Fest gaben; der kleine Adel aber im Provinzialmuseum ein solches veranstaltete, während das Bürgerthum, d. h. die städtische Obrigkeit, ein solches im Stadttheater von Stapel ließ. Der vierte Stand, d. h. die Proletarier, bildete die Staffage als Hurrah- Schreier auf den Straßen. Daß man das Provinzial­museum, die Stätte der Kunst, dazu ausersehen hat, ein Ballfest darin abzuhalten, wobei die Kunstschätze entfernt und ungeheure Kosten für Baulichkeiten und Umbau gemacht werden mußten, zeigt so recht deutlich, wie die Leute die Kunst zu schäzen wissen.

Allerdings Blumenhändler, Kränzebinder, Tapezierer und Dekorateure u. s. w. haben bei der Geschichte unbestreitbar verdient. Wenn sich Privatleute Ausgaben machen oder machen müssen, so mag das immerhin ihnen überlassen bleiben, es ist das Sache des Einzelnen. Es ist aber nicht zu vergessen, daß sowohl die Kreis- als auch die Stadtvertretung Ausgaben, natürlich in geheimer Sigung beschlossen haben, die einige hunderttausend Thaler betragen werden; und daß das dicke Ende sozusagen erst hintennach kommt, werden die Steuerzahler nächstens an der Verdoppelung der Kreis- und städtischen Steuer schon merken. Neben den Festberichten fallen die Polizeiberichte in den Breslauer Zeitungen insofern auf, als Majestätsbeleidigungen und Widerstand gegen die Staatsgewalt die meisten Ver haftungen herbeiführten. Natürlich, wer den Anordnungen der Polizei nicht auf den Wink folgt, oder ein Wort über die maßlose Verschwendung fallen läßt, zieht sich die Verhaftung wegen obigem Vergehen zu. So macht man heutzutage Loyalität"!

Aus England.

London , 15. September 1882. Allgemeine Wonne ist die Signatur des Tages. Glorreicher Sieg!" Große Niederwerfung der Rebellen!" so tann man auf allen Zeitungs­plakaten in großen Buchstaben lefen. Die Zeitungen selbst sind voll von prahlerischen Leitartikeln. Englands Ansehen ist auf's Neue hergestellt. Garnet Wolseley ist ein Held. Die Daily News" sagte in ihrem Leit­artikel ,,, er habe sich würdig gezeigt, neben Carnot und Moltke gestellt zu werden". Die dickköpfigen Jingo's"( Bezeichnung für die Nationalitäts­lümmel in England. Anm. d. Red.) jauchzen über das muthige Dreinhauen unserer Truppen. Ja, das Dreinhauen von Schlächtern.

Eine Korrespondent vom Kriegsschauplatz schreibt, daß die überraschten Egypter, noch schlaftrunken und halb bewaffnet, unfähig oder zu erschrect waren, Widerstand zu leisten; er habe Mitleid mit ihnen gefühlt, als sie ge­tödtet wurden, wie Ratten in ihrem Nest von einem Dachshund( Daily Chronicle"). Der Korrespondent des ,, Daily Telegraph " sagt, daß sich unter den Getödteten eine große Zahl von Kindern und Greisen" befand. Welcher Muth muß dazu gehört haben, diese Unglücklichen zu

tödten!

Die königliche Familie fühlte sich so gehoben, daß sie am Mittwoch Abend allen Anstand vergaß. Die Königin, der Herzog und die Herzogin von Albany, die Herzogin von Connaught*) und Prinzeß Beatrice tranken vor Schloß Balmoral zu Ehren des Sieges mehrere Gläser echten Lochnay oder Whisky.( Siehe Daily Chronicle.") Welche noble Handlung, welch' großes Schauspiel! Viktoria Welf, selbst Wittwe, trinkt Schnaps vor Wonne darüber, daß Hunderte ihrer egyptischen Geschlechtsgenossinnen zu Wittwen gemacht wurden! Viktoria Welf, selbst Mutter, trinkt und lacht auf den Gräbern von armen unschuldigen Knaben und Mädchen, die von gemietheten Messerhelden brutal niedergemetzelt wurden! Die Königin von England, das Haupt der englischen Kirche, die Vertreterin auf Erden des Friedensfürst", dessen, der gesagt: Gesegnet find die *) Eine geborene Hohenzollern ! Aum. des Sezers.

Barmherzigen, denn sie werden Gnade erlangen", billigt es, daß man Kinder und Greise ohne Gnade niederhaut! Schande über das Weib, das Derartiges vermag!

Das Königthum hat stets am Krieg seine Freude gehabt, und in Augen­blicken wie der jetzige zeigt es sich in seiner wahren Gestalt. Es lüftet sich der Schleier, die Maske fällt, und der Tiger zeigt seine fletschenden Zähne. Der Krieg ist ein Spiel, bei dem die Könige und ihre Schma­rozzer sich mästen, während er stets ein Fluch für das Proletariat ist, bis wir anstatt uns ein ander zu bekämpfen, anstatt daß der Engländer den Egypter umbringt, der Deutsche den Franzosen niedermacht, unsere Waffen gegen unsern gemeinsamen Feind, gegen Königthum, Landdiebe und Kapitalisten kehren. Halbe Maßregeln nützen da nichts. Das heutige System muß von Grund aus zerstört werden, bis wir etwas Gutes an seine Stelle setzen können.

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17. September.

Vor einigen Jahren war hier eine lebhafte Agitation dafür im Gange, daß unsere Gemälde- Galerien 2c. Sonntags geöffnet werden. Bisher waren es die Mucker, welche dagegen opponirten, aber als die Frage in der letzten Session im Parlament zur Sprache kam, war es Herr Broadhurst, der die Opposition führte. Dieser Broadhurst ist ein Maurer, ein zwar wenig begabter aber schlauer Mensch, der von den Liberalen als Arbeitervertreter" ins Parlament hineinbefördert wurde, um als Vertreter der Arbeit das Volk zu ergößen. Nun, dieser Herr veranlaßte das Haus, uns die Gelegenheit, unser Eigenthum" zu besich­tigen, abzuschlagen, indem er behauptete, daß die Masse der arbeitenden Klaffen dagegen sei. Das ist eine grobe Lüge, und Niemand weiß das besser als Broadhurst. Seit er diesen Ausspruch gethan, sind in fast allen Gewerk- und politischen Arbeitervereinen des Landes -seine eigene Branche inbegriffen-Resolutionen, die ihn verurtheilen, angenommen worden. Ich erwähne das nur, um den Genossen auf dem Festlande zu zeigen, wer dieser Mann ist, und daß, wenn er als Poli­tiker im Namen der englischen Arbeiter spricht, er keinen Auftrag dazu hat.

Es wird die Leser des Sozialdemokrat" intereffiren, zu erfahren, daß das populärste Londoner Abendblatt ", das Echo", seinen Besitzer wech­selt. Das Echo" hat in den letzten zwei Jahren durch seine Opposition gegen die Zwangsmaßregeln in Irland und gegen den Krieg in Egypten, eine sehr gute Wirkung ausgeübt, in anderen Fragen war es dagegen ziemlich matt. Es lag das zweifelsohne an seinem Besitzer und Redakteur, Herrn Edwards, Abgeordneten für Salisbury , der sein Blatt schrieb, wie er sich im Parlament aufführte, d. h., wenn er gegen die Regierung und seine Prinzipien zu stimmen hatte, Beides im Stich ließ und vor der Abstimmung aus dem Saal verschwand. Im neuen Besitzer, Herrn J. Storey, Abgeordneter für Sunderland, haben wir einen Mann aus ganz anderem Guß. Ein Freund des bedeutendsten englischen Demokraten, des ehrlichen Joseph Cowen( New- Castle), theilt er dessen Unerschrockenheit und Furchtlosigkeit. Als vor Kurzem der Königliche Bettelsack geschwungen, und um eine höhere Apanage für den skorbutischen Jüngling, der fich Herzog von Albany nennt, ge­beten wurde, da donnerte er, ohne Rücksicht auf das Geheul, Gejohle und das thierische Gebrüll der Aristokraten, gegen die Monarchie und das ganze Regierungssystem in einer Rede, die kein einziges Londoner Tage­blatt und nur zwei Wochenblätter zu bringen wagten. Herr Storey ist ein energischer Verfechter des allgemeinen Stimmrechtes, der Unabhängig­keit Jrlands, der Nationalisation des Landes, sowie der Abschaffung von Königthum und Oberhaus. Sicherlich hat er das Echo" gekauft, um darin seine Prinzipien zu verfechten, und so können wir eine gründliche Aenderung in der Haltung desselben erwarten.

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Mit großem Schmerz lasen wir letzten Freitag im Proletaire" die Nachricht vom Tode Bebels, und um so mehr hat es uns gefreut, als die Nachricht widerrufen wurde. Wir haben nicht viele Führer von der Fähigkeit und Beredtsamkeit Bebels, daß wir den Verlust eines solchen Mannes verschmerzen könnten, und der Redakteur des genannten Blattes hätte diese Nachricht nicht veröffentlichen sollen, ohne sich von ihrer Wahrheit erst zu überzeugen.

Es vergeht kaum ein Tag, ohne daß nicht ein oder mehrere Personen auf den Straßen Londons buchstäblich Hungers sterben. Jede Woche sterben Dutzende aus demselben Grunde in den elenden Höhlen, die sie bewohnen. In unseren Arbeitshäusern 2c. gibt es 2,000,000 Paupers und fast die doppelte Zahl lebt in einer Lage, die hart an Pauperismus ( gänzliche Verarmung) streift.

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Der Herzog von Westminster hat ein Einkommen von 2000 Pfund Sterling( 20,000 Mart) pro Tag der Landarbeiter erwirbt im selben Zeitraum einen Schilling( 1 Mark). Die Baronin Burdett Couth weiß nicht, was sie mit all ihrem Gelde anfangen soll die Näherinnen in London verdienen bei täglich achtzehn­stündiger Arbeit 2, Shilling per Woche. Es ist für 35 Prozent der unverheiratheten Frauen Londons absolut unmöglich, nur von ihrer Arbeit zu leben, sie müssen sich der Prostitution ergeben.

Der Reichthum, der im Vereinigten Königreich jährlich erzeugt wird, ist ein ungeheuerer, aber nicht die Arbeiter sind es, denen er zu Gute kommt. Es geht wie in der alten Geschichte der Reichthum wird durch eine Leiter gefiebt; was hindurchfällt, gehört dem Kapitalisten, aber der, der ihn hervorbringt, erhält, was an den Sproßen sizzen bleibt. pmidd Man schätzt den jährlich im Vereinigten Königreich erzeugten Reichthum auf 12 Millionen Pfund, das würde auf den Kopf 40 Pfund, oder auf die Familie von 5 Personen 200 Pfund( 4000 Mark) betragen. Wir haben nun 6 Millionen wirkliche Produzenten, d. h. Arbeiter, und wenn die ungeheuere Summe unter fie vertheilt würde, so kämen auch 200 Pfund jährlich auf Jeden; wie steht es aber heute in Wirklichkeit? Die Löhne machen nur 200 Millionen aus, so daß auf jeden der 6 Millionen Arbeiter nur 35 Pfd. 6 Shill. 4 Pence( Mt. 666. 66) jährlich fommen. Und doch ist der Arbeitslohn nach der Ansicht der Kapitalisten noch nicht niedrig genug, deshalb schreien sie nach der billigen Chinesen- Arbeit, um die Löhne herabsetzen zu können.

Und all' das in Uebereinstimmung mit den Lehren der Nationalökonomie. Genossen, es ist hohe Zeit, daß dieser Lehre und ihren Verkündigern der Garaus gemacht werde! Hat nicht ihr Hohepriester, Adam Smith , behauptet, daß der Arbeiter keinen Anspruch hat auf den Ertrag seiner Arbeit, sondern nur auf den Theil des Ertrages, der genügt, um seine äußersten Bedürfnisse zu befriedigen"?! Das, Freunde, ist der ganze Sinn und Inhalt der Nationalökonomie, das ist die Seele des infamen Systems, unter dem wir leben und welches Dank der mit jedem Tag fortschreitenden Verbesserung der arbeitsparenden Maschinen immer härter und härter wird, bis das Proletariat von dem kapitalistischen Berge erdrückt ist.

Außerßen Bebiirfnisse zu befriebigen"?! 1 Das, Freunde, ist der ganze

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Es ist die gebieterische Pflicht der Arbeiter aller Nationen, sich zu ver­einigen und diesem System ein Ende zu bereiten. Das Leben ist nicht nur da zum Arbeiten, ebensowenig als nur zum Genießen. Es hat ein Jeder die Pflicht zu arbeiten und Jeder das Recht zum Genießen. Nie­mand hat das Recht, seinen Mitmenschen irgend eines seiner Rechte zu berauben. Der Kapitalist, der, indem er meine Bedürftigkeit ausnutzt, mich zwingt, so viel Stunden zu arbeiten, daß ich an Ueberarbeit zu Grunde gehe, und der so meinen vorzeitigen Tod verursacht, ist ein Mörder. Es gibt Tausende solcher Schufte in den zweihundert und etlichen Quadratmeilen Stein und Mörtel, die man London nennt. Wie viel gibt es in der ganzen Welt? Ch. J. Garcia.

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Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 27. September 1882.

Ein Gedenktag. Der Tag, an welchem diese Nummer in die Presse geht, ist ein in der Geschichte der Arbeiterbewegung höchst denk­würdiger. Vor 18 Jahren, am 28. September 1864, tagte in St. Martins Hall in London ein öffentliches Meeting zu Gunsten der pol­nischen Insurrektion, an welchem Engländer, Deutsche , Franzosen, Polen , und Italiener zahlreich vertreten waren. Dieses Meeting, auf dem Ein­stimmigkeit und Enthusiasmus herrschte, war die Geburtsstätte der Internationalen Arbeiterassoziation .

Unsere polnischen Genossen in Paris haben zu Ehren dieses Tages eine Versammlung arrangirt, zu welcher sie die Arbeiter aller Nationalitäten einladen, damit der Gedanke der internationalen Solidarität der Ar­beiter auf's Neue bekräftigt werde.

Wir senden ihnen zu diesem Vorgehen unsere besten Glückwünsche. Die Internationale Arbeiter- Assoziation , in fast allen Ländern der zivilifirten" Welt verboten, lebt trozzalledem fort. Sie ist heute stärker als sie je war, denn ihr Gedanke ist der gesammten modernen Arbeiter­bewegung in Fleisch und Blut übergegangen. Wo nur Arbeiter zusammen­treten, die Ausbeutung zu bekämpfen, da thun sie es unter dem Rufe, den der Vorsitzende jener Versammlung 17 Jahre früher im ,, Kommu­nistischen Manifeft" hatte erschallen lassen, und der der Schlachtruf der Internationale wurde:

Proletarier aller Länder vereinigt Euch!

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3ur Unparteilichkeit der Richter. Der Prozeß unseres Genossen Loges wegen Majestätsbeleidigung" ist den Lefern des Sozialdemokrat" in frischem Gedächtniß. Loges wurde be­fanntlich vom Landgericht in Hannover zu viermonatlichem Gefängniß verurtheilt, weil er durch Wiedergabe eines von Bebel gebrauchten Ausdruckes über das Sozialistengesetz, welcher nach dem Ausdruck des Dresdener Landgerichts keine Majestätsbeleidigung involvirte, eine Majestätsbeleidigung verübt haben sollte. Die Herren Richter nahmen nämlich an, das Sozialistengesetz sei von dem Kaiser unterzeichnet( be­kanntlich wurde es in Wirklichkeit von dem Kronprinzen unter zeichnet), es werde sonach durch die Majestät des Kaisers gedeckt, und das Sozialistengesetz schmähen, heiße folglich den Kaiser schmähen, eine Majestätsbeleidigung begehen.

Wohlan, vor demselben Landgericht, welches das haarsträubende Urtheil gegen den Sozialdemokrat Loges fällte, stand vor einigen Tagen der Redakteur eines Welfen blattes genau unter der gleichen Anklage wie Loges. Ueber den Prozeß und deffen Verlauf berichtet der Hannöver'sche Courier" wie folgt:

" Wegen Majestätsbeleidigung ist der Redakteur der Deutschen Volkszeitung", Karl Welge, angeklagt. In einem in Nr. 2802 genannter Zeitung erschienenen Artikel vom 25. Juni 1882, worin die gegen Mtommsen und Bebel gefällten Strafurtheile wegen Be­leidigung des Fürsten Bismarck und des deutschen Bundesrathes besprochen werden, soll eine Majestätsbeleidigung enthalten sein. Der Artikel beginnt mit den Worten: Aus der Frankfurter Zeitung " entnehmen wir c.", und der Angeklagte behauptet, daß nur der Abdruck des Artikels aus genannter Zeitung erfolgt und kein selbst­ständiges Wort hinzugefügt sei. Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Fischer II, schlägt den Expedienten der Deutschen Volkszeitung", Schack, als Zeugen vor, der im Zuschauerraum sich befinde und die Aussage des Angeklagten bekräftigen fönne. Der Staatsanwalt hält ein solches Zeugniß nicht für vollständig ausreichend, weil der Zeuge unmöglich den ganzen Inhalt solch eines langen Artikels im Ge­dächtniß tragen fönne. Der Gerichtshof hält die Herbeischaffung der " Frankfurter Zeitung " für wichtig und entschließt sich für die Ver­tagung der Verhandlung, für welche auf Fischer's Antrag eine halbe Stunde Zeit angesetzt wird. Inzwischen wird die betreffende Num mer der Franks. 3tg." herbeigeschafft, in welcher am 21. Juni, also drei Tage vor dem Erscheinen in hiesiger Volkszeitung", der betreffende Artikel bekannt gegeben ist. Durch den Gerichtshof wird zunächst der Inhalt verglichen und in beiden Zeitungen gleichlautend befunden. Der Staatsanwalt begründet darauf einen Strafantrag und hebt hervor, daß der Angeklagte mit dem Abdruck des Artikels sich auf denselben Standpunkt gestellt, auf welchem der wirkliche Autor stehe, wodurch er sich strafbar gemacht, denn in demselben sei der Kaiser sowie der Kronprinz, der das Sozialistengesetz ale Stellvertreter unterzeichnet, beleidigt. Er beantragt eine acht monatliche Gefängnißstrafe. Der Vertheidiger macht geltend, daß der Artikel in vielen Zeitungen Deutschlands gestanden und nirgends verfolgt sei. Wenn auch die betreffenden Gesetze darin getadelt feien, so könne man damit doch nicht annehmen, daß der Kaiser, der nicht Produzent dieser Gesetze sei, habe beleidigt werden sollen. Er bestreitet das Vorhandensein des Dolus und beantragt die Freisprechung seines Klienten, der darauf noch selbst das Wort ergreift und dem Gerichtshof zu bedenken gibt, daß die Deutsche Volkszeitung" in Betreff der Sozialdemokratie fon servativ gesinnt sei und solche bekämpfe. Der Ge richtshof fällt ein freisprechendes Erkenntniß, weil der Angeklagte mit dem Abdruck des Artikels wohl eine Kritit bestehender Geseze ausgeübt, eine Beleidigung des Kaisers oder des Kronprinzen aber damit weder bezwedt noch ausgeübtsei. Die un Kosten des Verfahrens werden der Staatskaffe überwiesen." Dies der Sachverhalt.

Der Fall Loges und der Fall Welge sind vollkommen analog. Loges hat einen Artikel unverändert abgedruckt, der über eine Kritik des Sozialistengesetzes referirte; und Welge hat einen Artikel unver­ändert abgedruckt, welcher über eine Kritik des Sozialistengeseges referirte. Die Worte, welche die Majestätsbeleidigung enthalten sollten, waren im Fall Loges dieselben wie im Fall Welge. Beim größten Aufwand von Scharffinn wird man in beiden Anklagen keinen wesentlichen Unterschied

entdecken können.

Trotzdem wurde Loges verurtheilt, und Welge wurde frei­gesprochen.bi

Bei Loges nahmen die Richter an, die beleidigende Kritik eines vom Kaiser( oder Kronprinzen) unterzeichneten Gesetzes sei eine Majestät 8- beleidigung.

Bei Welge nahmen die Richter, welche Loges verurtheilt hatten, an, die beleidigende Kritik eines vom Kaiser( oder Kronprinzen) unterzeich neten Gesetzes sei keine Majestätsbeleidigung.

In der Sache ist bei beiden Prozessen kein Unterschied. Ein Unter­schied ist nur in den Personen.

Loges ist Sozialdemokrat. Welge ist Welfe und konservativ.

Und da bestreite man noch, daß Loges blos deshalb verur­theilt worden sei, weil er Sozialdemokrat ift!

Durch die Freisprechung Welge's hat das Landgericht in Hannover sich selber schuldig erklärt, gegen Loges einen Tendenz­prozeß geführt, an Loges ein Justizverbrechen verübt zu haben!

-Professorenserbilität. Auf der diesjährigen Naturforscher­versammlung in Frankfurt a. M. hielt Professor Bardeleben aus Jena einen Vortrag über Verbrechergehirne, an welchen sich eine Diskussion knüpfte. Das Resulat, zu welchem Herr Bardeleben tam, war nach dem uns vorliegenden Bericht, daß zwar das Hirn der Gewohnheitsverbrecher anormal zu sein pflegt, daß aber an den Gehirnen von Personen, die ein einmaliges Aufsehen erregendes Verbrechen be­gangen haben, wie Hödel, Nobiling, Guiteau, ein besonderer pathologisch- anatomischer Befund( Krankhaftigkeit) der Hirmmaterie nicht nachzuweisen ist."

Nun hat aber bekanntlich die preußische Regierung die Erlaubniß zur

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