Untersuchung der Gehirne von Höbel und Nobiling verweigert, und zwar weil sie befürchtete, der Irrsinn der beiden Individuen würde festgestellt, und damit die politische Ausbeutung der Atten­tate vereitelt werden. Um die preußische Regierung, speziell den Fürsten Bismarck zu entlasten, ligt also der Herr Professor.

Was die Untersuchung des Guiteau'schen Hirns betrifft, so fand dieselbe unter dem Einfluß eines so starken Vorurtheils statt, daß an eine Un­befangenheit nicht zu glauben ist. Die Konstatirung der unzweifelhaften Frrfinnigkeit Guiteau's hätte den amerikanischen   Behörden nicht blos, son­dern auch dem amerikanischen   Volke, das fanatisch auf der Hinrichtung bestanden hatte, zu große Gewissensbisse verursacht.

War Darwin   ein Gottesgläubiger? Auf dem Eisenacher Naturforscherkongreß verlas Herr del bekanntlich folgenden Brief Darwin's an einen Studenten, der ihn um seine Ansicht über die chriftliche Offenbarungslehre befragt hatte:

" Down, 5. Juni 1879. Lieber Herr! Ich bin sehr beschäftigt, ein alter Mann und von schlechter Gesundheit, ich kann nicht Zeit gewinnen, Ihre Frage vollständig zu beantworten, vorausgesetzt, daß fie beantwortet werden kann. Die Wissenschaft hat mit Christus nichts zu thun, ausgenommen(!) insoferne, als die Gewöhnung an wissenschaftliche Forschung einen Mann vorsichtig macht, Beweise anzuerkennen. Was mich selbst betrifft, so glaube ich nicht, daß jemals irgend eine Offenbarung ftattgefunden hat. In Betreff eines zukünftigen Lebens muß Jedermann für sich selbst die Entscheidung treffen zwischen widersprechenden unbestimmten Wahr­scheinlichkeiten. Ihr Wohlergehen wünschend, bleibe ich, lieber Herr, Ihr hochachtungsvoller Charles Darwin  .

"

Ist dieser Brief schon ein Zeichen, daß der größte Forscher unseres Jahrhunderts vom ganzen Bibelkram nichts hielt- das ausgenommen" sagt mehr als Mancher im ersten Augenblicke dahinter sucht, so können wir als Zeichen von Darwin's Standpunkt in Punkto Religion noch ein unseres Wissens bis jetzt in Europo gänzlich unbekannt gebliebenes Faktum mittheilen, welches seinerzeit unser Newyorker Parteiorgan, die dortige ,, Volkszeitung", veröffentlichte. Darwin hat bis zu seinem Tode ein in Boston   erscheinendes Organ ausgesprochen atheistischer Tendenz nicht nur gehalten, sondern auch materiell unterstüt!

Allerdings ist Darwin nie Profeffor gewesen.

Wie, Barbaren  " Krieg führen. Ein Korrespondent des tonservativen Londoner  , Standard" schreibt neuerdings über Arabi Pascha, den ehrgeizigen, grausamen und hinterliftigen" Rebellen:

,, Als von Tantah die Kunde von der Massen- Niedermetzelung der dortigen Christen anlangte, sandte Arabi Truppen dahin und ließ 12 der Rädelsführer des Pöbels hängen. Er ließ auch im ganzen Lande an­befehlen, daß die Christen bei Todesstrafe nicht behelligt werden dürften. Er belohnte auch Achmed Bey, welcher die dem Massacre in Tantah   entkommenen Flüchtlinge schütte. Beim Empfang von Tewfit's Dekret, welches Arabi absetzte, entschied die Notab einkammer, daß nur der Sultan Arabi als Rebellen proklamiren tönnte. Die Notabeln telegraphirten demgemäß dreimal nach Kon­ stantinopel  , erhielten aber keine Antwort. Da man einen Angriff von Ismailia   aus erwartete, wurde in einem am 5. August abgehaltenen Kriegsrathe beschlossen, den Suezkanal zu zerstören. Es wurde viel darüber diskutirt, ob der Kanal sofort zerstört werden sollte oder ob es beffer wäre, irgend einen Akt der Feindseligkeit in dieser Richtung abzuwarten. Inzwischen wurden sofort Ingenieure mit Torpedos nach Kantara, Sera­peum und Chaluf gesandt. Mahmud Fehmi drang energisch auf die fofortige Zerstörung des Kanals, a ber dieser Vorschlag wurde von Arabi Pascha bekämpft, als Herr Lesseps die Neutralität des Kanals garantirte und so den Kanal ficherlich vor beträchtlicher Beschädigung rettete. Die Torpedomannschaften wurden erst 10 Stunden vor der Ankunft Wolseley's in Jsmailia zurück­gezogen. Am 21. traf die Nachricht von der britischen Besetzung von Ismailia   ein, und sofort wurde ein Adjutant abgesandt, um eine Unter­redung mit Herrn von Lesseps   zu pflegen; aber der Versuch, dies zu thun, mißglückte."

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Wie man sieht, ist Arabi ein Opfer seiner Loyalität geworden. Hätte er die Neutralität des Suezkanales nicht respektirt, hätte der Mohame daner den Worten des Christen Lesseps nicht getraut, so wäre es ihm vielleicht gelungen, die Engländer, wenn nicht aus dem Lande hinauszu­schlagen, so doch solange hinzuhalten und ihnen durch Sperrung des Suezkanales soviel Schaden zuzufügen, daß sie sich doch schließlich veran­laßt gesehen hätten, mit ihm Frieden zu schließen. Arabi vergaß eben, баб um mit dem Figaro" zu reden wer Eierkuchen bereiten will, auch Eier zerschlagen muß. Die Engländer verstanden das beffer, ste haben sich den Teufel um Herrn Lesseps und die Neutralität des Suez­Kanals gefümmert; und da sie die Verletzung derselben zu einem edlen Zwecke verübten, nämlich im Intereffe des Coupons, der sich nicht nur in den Händen der Rothschild's befindet, sondern über den auch mancher Hof­und Leibbankier Auskunft geben könnte, so verziehen ihnen auch sämmtliche chriftlichen Regierungen Europa's  .

Anerkannt ist ferner die anständige Behandlung, welche der Barbar" den Kriegsgefangenen zu Theil werden ließ. Wie aber wird umgekehrt verfahren? Im ersten Augenblicke prahlten die Engländer freilich in den Regierungsblättern von Milde und Großmuth; dann aber besannen sich die Herrschaften schnell eines andern und überlieferten die Rebellen dem ,, rechtmäßigen Herrscher", dem Khedive aus, der sofort eine Kriegs­gerichtskomödie angeordnet hat. Wer den orientalischen Despotismus tennt, weiß, was davon zu halten ist. Wie das Urtheil formell auch ausfallen mag, von dem Augenblick an, da die Rebellenführer Gefangene des Khediven sind, ist ihr Schicksal besiegelt.

- Ein preußischer Musterbeamter. De mortuis nil nisi bene, von Todten nichts, wenn nicht Gutes, sagt ein altes

lateiniſches Sprichwort. Was soll man aber sagen, jo schvent attes

ein Genoffe aus Litthauen, wenn unser be- rüchtigter Landsmann, Geheimer Regierungsrath Schlott in Lugano   in der Schweiz  am Herzschlag gestorben ist? Wir können nichts sagen als die Wahrheit, und wenn die nichts Gutes über den Mann berichtet, so ist das nicht unsere Schuld. Wir können dem Verstorbenen nur nach­rühmen, daß er Reaktionär ohne Gedanken war, daß er die unter de Grahl berüchtigte Ostpreußische Zeitung", die fich ihren Ruf auch unter anderer Redaktion erhalten hat, gründen half, daß er im Verwaltungs­rath dieses Blattes saß, daß er Vorstand der ländlichen Feuerversicherungs­gesellschaft für Oft- und Westpreußen   war, brillant dafür wohnte, gut honorirt wurde und den armen Bauern die Versicherung unsinnig theuer machte. Besonders verdient" hat sich Schlott aber durch seine sagen wir: russische   Verwaltung des Seebades Krang gemacht. Als seine Schweinereien ans Licht gebracht wurden, ging der Bursche gegen die Männer, die solches gethan, mit unerhörter Frechheit vor. Prozesse schwebten Jahre lang, wurden indeß von der Regierung plößlich niedergeschlagen, als ein von Schlott Ver­flagter den Beweis der Wahrheit antreten wollte, da inzwischen die Ober- Rechnungsfammer mehr als 100 Monita gezogen hatte. Schlott aber bekam als Pflaster für die ausgeftandene Angst einen Orden, sowie bei seinem Dienstjubiläum Geschenke und Lobsprüche seiner vorgesetzten Behörde. Und jetzt heißt es von ihm in dem Nachrufe ber Ostpreußischen Zeitung":" So hat denn ein treues Herz, das in rückhaltlosester Hingebung an König und Vaterland hing, zum tiefsten Leidwesen aller derjenigen, die mit ihm eines Sinnes waren, zu schlagen aufgehört!" Was will man vom preußischen Muster­

staat mehr?

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Die Spigelei hat in Berlin   eine solche Ausdehnung erreicht und wird mit solcher Unverschämtheit betrieben so schreibt man uns, daß auch die bürgerlichen Kreise in Mitleidenschaft gezogen zu werden anfangen. So ist es vor Kurzem einem der Sozialdemokratie gauz fernstehenden Geschäftsmann passirt, daß er auf Schritt und Tritt verfolgt wurde, weil man ihn im Verdacht hatte, er verkehre mit Sozial­demokraten.

In einem anderen Falle ist es vorgekommen, daß die Polizei das Dienstpersonal eines höheren Verwaltungsbeamten durch Beftechung zur Ueberwachung des Letzteren zu bestimmen suchte. Dieses skandalöse Treiben, das genau an die Petersburger Polizei­wirthschaft( Ueberwachung durch die Hausknechte) erinnert, hat begreif licherweise in den betroffenen Kreisen sehr unangenehm berührt und dürfte zu scharfen Remonftrationen geführt haben.

Es ist recht gut, daß auch unseren Gegnern die Lieblichkeiten der Polizeiwirthschaft und des Sozialistengesetes ad hominem  , an ihrer eigenen Person demonstrirt werden.

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Alberner Klatsch. Dem Fränkischen Kourier" wird aus Fürth   geschrieben und von vielen deutschen   Blättern, darunter auch der " Frankfurter 3tg.", nachgedruckt:

,, Wie aus gut informirter Quelle verlautet, beabsichtigt demnächst der bekannte sozialdemokratische Agitator Gabriel Löwenstein nach Amerika   auszuwandern und im Staate Cincinnati   die Herausgabe einer Parteizeitung zu übernehmen. Als Grund wird angegeben, daß die sozial­demokratische Parteileitung nur noch schwer die Mittel für ihre Agita­toren aufbringen könne, da die vorhandenen Fonds kaum zur Dotirung der Reichstagsabgeordneten aus reichen, und daß ferner während der Herrschaft des Sozialistengesetzes von einem erfolgreichen Wirken Löwenstein's im Bezirke Erlangen- Fürth keine Rede sein könne."

An dieser Notiz ist nur wahr, daß unser Genosse Löwenstein allerdings die Absicht hat, auf einige Monate nach Amerika   zu reisen, nicht aber auszuwandern. Was über die angeblichen Motive Löwenstein's, speziell in Bezug auf die Finanzverhältnisse unserer Partei gesagt wird, ist alberner Klatsch. Löwenstein hat nie von den Mitteln der Partei" gelebt und nie davon leben wollen. Die sozialdemokratische Partei ist trotz des Sozialistengesetzes im Stande, die nöthigen Fonds für Agitation 2c. aufzubringen. Von einer Dotirung der sozialdemo tratischen Reichstagsabgeordneten zu reden, kann nur Jemand einfallen, der von der Organisation unserer, auf dem Gleichheitsprinzip stehenden Partei teinen Begriff hat. Unsere Reichstagsabgeordneten haben vor den übrigen Parteimitgliedern nichts voraus. Während sie im Reichstag für die Partei thätig sind, erhalten sie, gleich jedem anderen für die Partei thätigen Mitgliede, Tagegelder, welche nur für die Tage der Anwesenheit in Berlin   bezahlt werden und sehr niedrig bemessen sind, nämlich auf 3 Mark pro Tag nebst Vergütung für Logis. Eine Bevor­zugung der Reichstagsabgeordneten findet also keineswegs statt und ist von keinem derselben jemals beansprucht worden.

-Prügelweisheit. Deutsche   Zeitungen berichten aus Chem- nig, daß ein Dienstknecht Namens Niederwerfer daselbst wegen Brandstiftung zu 5 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden ist. Der Mann erklärte vor Gericht, er sei stellenlos gewesen, und um sich Versor gung und Obdach zu verschaffen, habe er die Handlung begangen, welche ihn in's Zuchthaus führen werde. Und das hat sie denn auch, wie man sieht, richtig gethan.

Verschiedene Zeitungen bemerken dazu: Ob er den Wunsch, in's Zuchthaus zu kommen, auch gehegt haben würde, wenn seiner dort nicht blos die Versorgung", sondern auch ein Willkommgruß" in Gestalt einer Tracht Prit gel harren würde?"

Je nun, vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte die Furcht vor einer Tracht Prügel ihn veranlaßt, ruhig Hungers zu sterben, und das wäre jebenfalls nach dem Geschmack dieser Brügelweisheit, für welche es nur eine homöopathische Kur gibt durch den von ihr als Uni­versalheilmittel vorgeschlagenen gesellschaftsretterischen Prügel.

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- Ein Nachspiel des Hambacher Jubiläum's spielte fich am 23. September vor dem Schwurgericht in 3 weibrüden ab. Unsere Genossen Schmidt und Heller sollen durch Verbreitung des Offenen Briefes  " von Johann Philipp Becker   verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander aufgereizt" haben. Der Staatsanwalt behauptete es, die Herren Bourgeoisgeschworenen erklärten, daß sie es ihm glauben, und der hohe Gerichtshof brummte den Misse­thätern drei Wochen Gefängniß auf. Und der Staat war wieder einmal gerettet.

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Bitteres Unrecht haben wir in voriger Nummer Herrn Adolph Wagner   gethan, und wir stehen nicht an, unser Vergehen reumüthig einzugestehen. Wir haben den Mann, der vor den Reichs­tagswahlen die Redensart vom" Patrimonium der Enterbten" in Schwung brachte und sich überall auf seine Konferenzen mit Bismarck  berief, nur für einen Dupe", für einen hinters Licht Geführten, gehalten, der, nachdem er zur Erkenntniß gekommen, sich mit Entrüftung weigere, noch fernerhin an dem schnöden Spiel theilzunehmen. Diese Rolle hätte zwar gerade nicht von hoher politischer Intelligenz gezeugt, die indeß wohl auch Niemand bei dem Herrn Professor vermuthet hat, aber doch von einer ge­wissen Ehrlichkeit, der man Manches zu Gute hält. Aber weit gefehlt! Die edle Aufwallung des Herrn Professor war nur die Wuth des ent­larvten Mitschuldigen, der Verdruß über den Fußtritt, den ihm Herr Bindter in dem berüchtigten Artikel der Nordd. Allgem." versetzt hatte. Jm nächsten Augenblicke schon befann sich der Herr eines Besseren, und mit einer Geschmeidigkeit, um die ihn ein Kautschuckmann beneiden könnte, tritt er jegt trotz alledem als konservativer Regierungskandidat für Spandau   auf.

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den 45ten nota­

Jm Jargon der chriftlich sozial- konservativen Freunde des Herrn Wagner nennt man das: echt deutsche Charakterfestigteit. -Ungezieferto d. Bismarck, der jüngst sein 20 jähriges Jubiläum als preußischer Minister feierte, hat einen neuen Orden- bene erhalten, und zwar einen japanesischen. Derselbe führt den Titel Chrysanthemum Orden  . Für Leute, die nicht wissen, was Chrisanthenum ist, und es soll deren sogar in Schlawe   und Rummelsburg   geben, bemerken wir, daß das ein Gewächs aus der Klasse der Composite Corymbiferæ ist, zu welcher auch das bekannte Pyrethrum gehört. Aus diesem aber fabrizirt man das beliebteste Insektenpulver.

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Sozialistische Presse und Literatur. Unser wackeres Bruderorgan, die Toekomst  "( Zukunft) in Gent  , wird, Dank der un­ermüdlichen Thätigkeit und Opferwilligkeit unserer flämischen Genoffen vom 1. Januar 1883 an wöchentlich zweimal erscheinen. Bravo! In Ravenna   hat ein neues sozialististisches Blatt Il sole del avvenire"( die Sonne der Zukunft) das Licht der Welt erblickt. Der Titel soll an das Wort Garibaldi's" Die Internationale   ist die Sonne der Zukunft" erinnern. Glückauf!

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Genosse Dramard sendet uns eine von ihm verfaßte Abhandlung Transformisme et Socialisme" zu. Dieselbe behandelt auf 103 Seiten Die Uebereinstimmung der hauptsächlichsten Forderungen des heutigen Sozialismus mit den Folgerungen der Entwickelungslehre." Das hübsch ausgestattete Buch ist im Verlage des Proletaire" erschienen und zum Preise von 1 Franken zu beziehen.

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Aus Rußland   liegen einige Nachrichten vor, die, wenn sie sich bewahrheiten, jeden Freund der Freiheit mit Frende erfüllen müssen. Einer ganzen Anzahl von Revolutionären soll es gelungen sein, sich den Armen der russischen Henker durch die Flucht zu entziehen. So soll Myschkin  , der wegen seines überaus geschickt angelegten Ver­

suches, Tschernischewsky zu befreien, und seiner berühmten Vertheidigungs­rede im Brozeß der 193 zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurtheilt war, entflohen sein, ebenso mehrere Angeklagte aus dem Strelnikoff­Prozeß*) u. s. m.

Auch Netschajeff soll aus der Festung Schlüsselburg   ent tommen sein.

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aus=

In Odessa  , in Kiew   und in Finnland   sind dagegen Massen­verhaftungen von des Nihilismus Verdächtigten vorgenommen worden. Von einer Riesenestorte umgeben, hat der kühne Mann von Gatschina endlich auf der von 3000- soviel werden offiziell zugestanden gesuchten Leibkosaken bewachten Petersburg- Moskauer Eisenbahn die Reise nach Moskau   riskirt, sich in der altrussischen Hauptstadt von seinen Polizisten und den berüchtigten Moskauer   Metzgern anhochen lassen und ist dann, vergnügt darüber, daß er ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln nicht doch noch in die Luft geflogen, nach Petersburg   zurückgekehrt. Wie viel Verdächtigen" diese Vergnügungsfahrt des Zaren Freiheit und Existenz gekostet, darüber schweigt die Geschichte vorläufig.

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Amerita. Ueber die großartige Demonstration, welche die vereinigten Gewerkschaften am 5. September in New York  abhielten, und über welche der Telegraph bereits berichtete, liegen uns jetzt die Originalberichte unserer amerikanischen Parteiblätter vor. Wir eutnehmen denselben folgende Einzelheiten:

Die Demonftration hatte den Zweck, den Kapitalisten von New- York  einmal zu zeigen, mit welchem Gegner fie es zu thun haben, und um die Disziplin und Entschlossenheit der Organisationen der Zentral­Labor Union( Vereinigter Arbeitsbund die Vereinigung der New- Yorker Gewerkschaften) auf die Probe zu stellen. Sie hatte einen großartigen, den Mitgliedern selbst unerwar teten Erfolg.

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25,000 Mann nach ungefährer Schätzung die Berichte der Gegner schwanken zwischen 10,000 und 40,000 nahmen in Reih' und Glied daran Theil. Eine Schilderung des Zuges, in dem jede Sektion ihre Fahnen und Transparente hatte, müssen wir uns leider mit Rücksicht auf den beschränkten Raum unseres Blattes versagen; doch wollen wir einige Transparentinschriften die englischen in deutscher Uebersetzung- wenigstens wiedergeben: 1991

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Advance- Labor- Club: 3ahlt teine Rente!

Bigarrenmacher:

Acht Stunden als gesetzlicher Arbeitstag! Weniger Arbeit und mehr Lohn!

Zimmerleute:

Arbeiter haltet zusammen!

Das Land gehört allen Menschen! Die Arbeit erzeugt alle Werthe! Agitirt! Erzieht! Organisirt! Möbelarbeiter:

Nieder mit den Straffoder- Gesetzgebern! Wir verlangen Büreau's für Arbeitsstatistik! Maschinisten und Schmiede:

Freiheit durch Einigkeit!

Die Arbeiter müssen sich durch die Stimmurne befreien! " In gemessenem Schritt, unter den Klängen der Marseillaise  , ab­wechselnd mit rasselndem Trommelwirbel und lustigen populären Märschen und Weisen, bewegte sich die kompakte Arbeitermasse, welche nach sach­verständiger Abschätzung 20,000-25,000 Mann ftark war, den Brodway hinauf, welcher in seiner ganzen Länge von Park Place bis zum Union Square mehr als eine Stunde lang für Fuhrwerke gesperrt war. In allen Läden, Shops und Fabriken, welche sich in dieser großen Geschäfts­ader New- Yorks   befinden, eilten die Arbeiter und Arbeiterinnen, Buchhalter und Verkäufer an die Fenster und vor die Thüren, und mit sichtlichem Erstaunen, gemischt mit zaudernder Freude oder lautem Jubel, blickten die Laden- und Geschäftssklaven und Sklavinnen auf ihre marschirenden Brüder hinab, die ihnen mit Hüten und Händen zuwinkten und sie be­gritßten.

Die Fenster der großen Kleidergeschäfte in der Nähe von Broome­Str., Kanal- Str. Grand- Str. waren von Hunderten von Nähterinnen besetzt, welche ihre Taschentücher schwenkten und hier und da Kußhände warfen. Die Trottoirs waren von einer undurchdringlichen Menschen­menge besetzt, unter welchen die dicken und satten Gestalten der Prinzi­pale und Ausbeuter eine verschwindende Minorität bildeten. Es war urkomisch, die überraschten, verduzten Visagen dieser geschwollenen Menschensorte zu betrachten, die immer noch nicht zu ahnen scheint, daß das Ende ihrer Herrschaft sich mit Riesenschritten nähert.

Am Union Square angelangt, bog der Zug rechts nach der 14. Straße ein, marschirte nach dem Everett House und passirte dann am Revue­Punkte vorbei, wo eine Anzahl bekannter Freunde der Arbeitersache und Vertreter auswärtiger Organisationen, die Vorbeimarschirenden begrüßten. Vom Union Square ging der Marsch durch die 17. Straße und 5. Ave­nue bis zum Reservoir Part, um sich daselbst aufzulösen.

Nachmittag fand im Elm Park ein Monstre- Picnic statt. Die Fest­reden hielten John Swinton  , Henry Appleton, H. Brück­mann, R. Bartholome, Robert Blissert, Louis Post, P. J. Mc. Guire, Wm. Hanson, H. König und J. Daily. Dieser Aufzug  ", schreibt die New- Yorker Volkszeitung", ist der erfte in seiner Art gewesen, indem er die Verbrüderung englisch  - redender mit deutschredenden Genossenschaften zur Schau stellte. Jeder folgende wird noch zahlreicher und eindrucksvoller werden. Das Eis der wechsel­seitigen Entfremdung unter den Arbeitern ist gebrochen. Die Nothwen­digkeit einer allgemeinen Verbrüderung der Werthschöpfer gegenüber den Werthräubern wird schon in weiten Kreisen begriffen, und eine solche Boltsbewegung ist ansteckend. Das ganze Auftreten dieser Arbeitermassen, welche erklären, als selbständige Arbeiterorganisationen an den Stimm fasten appelliren zu wollen, war achtunggebietend und erzwang sich Achtung. Es war ein Schauspiel neuer Art für das geschäftige Volk der Metropole Amerikas  , welches viel zu denken und für alle ehrlichen Arbeiter nichts zu fürchten gibt. Die guten Folgen davon können nicht ausbleiben."

*) Von einem Augenzeugen der Hinrichtung des Bluthundes Strelnikoff ist uns eine Schilderung derselben zugegangen, die wir dem­nächst veröffentlichen werden.

Barteigenossen! Vergeßt der Verfolgten pund Gemaßregelten nicht!

Korrespondenzen.

Chemnitz  , 17. September. Versammlungsbericht. Sonnabend, den 16. September, fand nach fast vierjähriger Ruhepause eine von einem hiesigen bekannten Genossen einberufene öffentliche Ver­sammlung statt. Trotzdem dieselbe weder durch Plakate noch Annoncen bekannt gemacht gewesen, war der Besuch derselben nichtsdestoweniger ein großartiger. Da die hiesige Bolizeibehörde den Einberufer für eine Ueberfüllung des Saales verantwortlich gemacht hatte, so war der Zutritt zur Versammlung nur gegen Einlaßkarten à 10 Pfg. zulässig. Dieselben waren, 1000 an Zahl, schon Tags vorher vollständig vergriffen.

Die Tagesordnung lautete: Bedeutung und Umfang des Welthandels. Referent war unser Reichstagsabgeordneter Bruno