St. Etienne oder Roanne ?

I.

Der Kongreß der französischen sozialistischen Arbeiterpartei hat nicht den Verlauf genommen, den wir gewünscht, er hat zu einer definitiven Spaltung der noch so jungen Partei geführt: wir haben heute von zwei Kongressen derselben zu berichten. Jn St. Etienne tagt die Mehrheit, in Roanne die Minderheit der Delegirten des sechsten nationalen Kongreffes der französischen Arbeiterpartei. Die bis jetzt fast ausschließlich auf Paris und seine Umgebung beschränkten Differenzen sind nun auch auf die Provinz ausgedehnt worden.

Um über die Vorgänge, welche sich am 25. und 26. September in St. Etienne abspielten, unseren Lesern ein richtiges Urtheil zu ermög lichen, halten wir es für nöthig, in allgemeinen Umrissen die Vorgeschichte derselben zu erörtern. Wir werden uns dabei streng an die Thatsachen halten und die persönlichen Momente soviel als möglich in den Hinter­grund drängen.

Die den blutigen Ereignissen des Jahres 1871 folgende Ruhepause in der französischen Arbeiterbewegung war für eine Anzahl theils im Aus lande, theils in Frankreich lebender französischer Sozialisten keine ver­gebliche gewesen. Bis zum Jahre 1871 hatten die Sozialisten Frankreichs in ihrer Mehrheit unter dem geistigen Einfluß der von Widersprüchen wimmelnden Schriften Proudhon's, des Vaters des Anarchismus, gestan­den, so daß in den Kämpfen der Internationale auch die Mehrzahl der Franzosen auf der Seite der Anarchisten zu finden war. Erst als die durch diese Kämpfe verlängerte Aufregung sich gelegt hatte, wurden eine Anzahl der intelligentesten unter den französischen Genossen inne, daß die Werte Proudhon's durchaus nicht auf der Höhe der sozialistischen Wissen­schaft standen; das rapide Anwachsen der deutschen Sozialdemokratie machte sie auf diese aufmerksam und in weiterer Folge auf deren geistige Borkämpfer, auf Marx und Lassalle.

Zu denjenigen Franzosen, welche mit dem meisten Verständniß die Lehren des deutschen Sozialismus in sich aufnahmen, gehört abgesehen von Paul Lafargue , dem Schwiegersohne Karl Marx 'unzweifelhaft Jules Guesde , ein Mann von großer schriftstellerischer und rheto­rischer Begabung und leidenschaftlichem Temperament. Er war es, der im Frühjahre 1878 in der von ihm gegründeten ,, Egalité" diese Lehren in so unerschrockener Weise verkündete, daß die Hyäne Dufaure das Blatt bereits nach mehreren Monaten verbot. Ihm folgte mit mehr Vorsicht Benoit Malon in seinem im selben Jahre gegründeten ,, Socialisme progressif", der während des Jahres 1879 einging und der in Lieferungen erscheinenden Geschichte des Sozialismus" Platz machte. Jm Jahre 1880 nahm Guesde die Herausgabe der Egalité " wieder auf und wirkte vermittelst derselben vorwärts treibend auf die in Fach­vereinen organisirten Arbeiter, welche als Organ den Proletaire" ge­gründet hatten. Daß es da nicht ganz ohne Reibereien abging, ist wohl begreiflich. Um Guesde sammelte sich eine Gruppe begeisterter Elemente, zum Theil der studirenden Jugend angehörig, während damals die An­hänger des Proletaire" von letteren Elementen nichts wissen wollten. Bereits auf dem Kongreß von Marseille ( 1879) hatte die Majo­rität der Delegirten einer kollektivistischen Resolution zugestimmt, es galt nun, für die zu gründende sozialistische Arbeiterpartei ein Programm zn entwerfen, mit welchem sie in die Wahlen eintreten konnte.

Zu diesem Behuse trat Guesde mit den in London lebenden großen Theoretikern des deutschen Sozialismus, Mary und Engels, in Ver­bindung und arbeitete mit ihnen zusammen ein Programm aus, welches später als Programm- Minimum" von den einzelnen Sektionen der Arbeiterpartei wie von dem Kongreß in Havre ( Herbst 1880) mit Be­geisterung akzeptirt wurde. Es ist ein bekanntes Geheimniß, daß die sog. " Considérants"( Erwägungen) dieses Programmes von Marr sind, und da dieselben bei dem jüngsten Konflikt eine gewiffe Rolle spielten, so taffen wir sie in Nachstehendem folgen.

Sie lauten:

" In Erwägung,

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,, daß die Befreiung der produktiven Klaffe diejenige aller mensch­lichen Wesen ohne Unterschied des Geschlechtes und der Rasse ist; ,, daß die Produzenten nur dann frei sein können, wenn sie im Besitz der Produktionsmittel find;

,, daß es nur zwei Formen gibt, unter denen ihnen die Produk­tionsmittel gehören können:

1) Die individuelle Form, die niemals als allgemeine That­sache bestanden hat und die durch den industriellen Fortschritt immer mehr ausgemerzt wird.

2) Die tollettive Form, deren materielle und geistige Elemente durch die Entwickelung der kapitalistischen Gesellschaft selbst erzeugt werden.

In Erwägung,

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daß diese kollektive Besizergreifung( appropriation) nur aus der revolutionären Thätigteit der als selbstständige politische Partei organisirten produzirenden Klasse des Proletariats hervor gehen fann; ,, daß eine solche Organisation mit allen Mitteln betrieben werden muß, über welche das Proletariat verfügt, inbegriffen das allge­meine Stimmrecht, welches so aus einem Mittel der Täuschung, das es bisher gewesen, ein Mittel der Befreiung wird; haben die französischen sozialistischen Arbeiter, indem sie als Ziel ihrer Bestrebungen auf wirthschaftlichem Gebiete die Rückkehr aller Produktionsmittel in den Besitz der Gesammtheit aufstellen, beschlossen, als Mittel zur Organisation und zum Kampfe mit folgendem Programme in die Wahlbewegung einzutreten:" ( Folgen die Forderungen.)

Uns gehen hier nur die Considérants" an, von denen man mit Fug und Recht behaupten kann, daß sie, was Knappheit der Form bei voller Klarheit des Inhalts, dieses Haupterforderniß jedes Programmes, anbe­trifft, bis jetzt noch von keinem sozialistischen Programm übertroffen worden sind. Es ist ein Programm, würdig des Verfaffers des Kommunistischen Manifestes.-

Noch vor dem Kongreß von Havre war die Amnestie eingetreten, die exilirten und deportirten Kommunards waren nach Frankreich zurückgekehrt, begeistert empfangen von den inzwischen zu Sozialisten herangebildeten Arbeitern des Heimathlandes.

Aber unter diesen ehemaligen Kommunards brachte eine große Anzahl ihre früheren Anschauungen mit, die zum Theil nur in einem sozialistisch angehauchten Radikalismus, zum Theil aber in allerhand blanquistisch­anarchistischen Vorstellungen bestanden. Diese nahmen natürlich Anstand, ein Programm zu unterschreiben, welches ihrem bisherigen so schroff widersprach. Und dadurch, daß man diesen Elementen, nachdem der Willkommensjubel verrauscht war, mit der Aufforderung: Unterschreibe unser Programm oder Du gehört zu unseren Gegnern", geradezu die Pistole auf die Brust setzte, ist, wie es scheint, ein großer Fehler begangen worden, dessen Nachwirkungen zu den heutigen Wirren viel beigetragen haben.

Ein zweiter Fehler bestand darin, daß Guesde die Egalité " und Malon die Revue socialiste" eingehen ließen und ohne jede reelle Basis, nur auf bloße Versprechungen hin, in Lyon ein tägliches Blatt, die Emanzipation", gründeten. Die Versprechungen wurden nicht ge= halten, zum Theile unter dem Vorwande, daß Jules Guesde zu schroff vorgehe.

Als dann im Sommer 1881 die Arbeiterpartei zum ersten Male mit dem Programm- Minimum in den Wahlkampf eintrat, entspann sich der Streit, ob die bei Gründung der Emanzipation" abgegebene Erklärung, keine Kandidatur bei den nächsten Wahlen anzunehmen, da das Blatt inzwischen wieder eingegangen, noch giltig sei oder nicht. Angesichts des

Kandidatenmangels entschieden sich Guesde und seine Freunde schließlich

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für letztere Auffassung, Malon und Brousse dagegen erklärten, es sei Wortbruch, wenn sie eine Kandidatur annähmen. Das gab zu sehr gereizten Kontroversen Veranlassung, die bis zu einer latenten Feindschaft führten. Bei den Wahlen hatte die Arbeiterpartei, angesichts ihrer verhältniß­mäßig schwachen Organisation, ihrer Unerfahrenheit im Wahlkampfe und drittens der nicht zu unterschätzenden Thatsache, daß ihren Kandidaten in den sozialistischen Radikalen( Richtung Clemenceau De Lanessan) sehr ge­fährliche Gegner gegenüberstanden, nur sehr geringe Erfolge zu verzeichnen. Bald darauf( November 1881) fand der Kongreß von Reims statt, zu dem Malon bereits eine Agitationsreise mit dem bestimmten Ziele gemacht hatte, eine vernichtende Majorität gegen Guesde zusammenzu­bringen. Und in der That sahen sich Guesde und seine Freunde einer kompakten Majorität gegenüber, die alle Anträge, welche von ihnen aus­gingen, ablehnte, die dagegen von dem Programm- Minimum in einer Resolution erklärte:

,, daß es nur unvollständig den verschiedenen(!) Bestrebungen der Arbeiter entspreche;

,, daß es der Arbeiterpartei und besonders den Arbeiterkandidaten mehr Arbeiter entfremdet als gewonnen habe;

,, daß die Arbeiter in den verschiedenen Departements oder Arron­dissements verschiedene(!) Bestrebungen haben" 2c. 2c. Wohlgemerkt, es handelt sich da nicht nur um die einzelnen praktischen Forderungen, sondern auch um die oben abgedruckten ,, Considérants." In dem Bericht der Kommission, in der die Anhänger von Malon- Brousse die Majorität hatten, heißt es sogar, daß mehrere Mitglieder durch­schlagende Bestätigungen von den schädlichen Wirkungen dieses Programms liefern konnten, das von Widersprüchen wimmelt und dessen allge­meine Prinzipien in formellem Widerspruch mit den Tendenzen der sozialistischen Partei wären." ( ,, Proletaire" vom 19. November 1881.)

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 4. Oktober 1882.

Die Schmarozer am Staatssäckel. Ich habe Ihnen neulich Einiges über die Bourgeois- Spizbuben geschrieben", schreibt uns unser Berliner Korrespondent ,,, welchen die Staatsanwälte bei ihren Ganne­reien nicht gerne in die Quere kommen, sowie über den Urgreis auf dem Throne. Jch will Ihnen heute Einiges über die hochadligen Spizbuben schreiben, die diesen altersschwachen Urgreis am Gängelbande haben. Da sind zunächst die Chefs des kaiserlichen Militär- und Ziviltabinets, die Flügel­adjutanten, die zu persönlichen Dienstleistungen kommandirten Generäle, Offiziere und Hofräthe. Diese Leute beziehen alle bei ihrer angenehmen Lebensweise einen enormen festen Gehalt. Leibarzt v. Lauer z. B. hunderttausend Mark, der Chef des Militärkabinets, General­Lieutenant von Albedinsky, sogar noch mehr, außer bedeutenden Wohnungszuschüssen, Fouragegeldern zc. Aber trotz ihrem kolossal hohen Gehalt liquidiren diese noblen Herren durch die Bank noch enorme Extra­gebühren in der frechsten Weise für alles Mögliche und Unmögliche für Ausgaben, die nie gemacht, und Dinge, die nie benutzt sind, oder, wenn sie einmal wirklich Auslagen hatten, in der drei- bis vierfachen Höhe. Diese Diebstähle am Staatssäckel, ausgeführt von Beamten, von welchen das arbeitende Volk in den wenigsten Fällen Nußen hat, sind so kolossal,

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Wer erinnert sich nicht noch des übermüthigen Wortes jenes Napoleo nischen Marschalls des zweiten Empire? L'armée s'ennuie

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qui faut- il tapir?"( Die Armee langweilt sich? Auf wen muß man Klappsen?) Diese Klappssucht könnte auch einmal an­dere Armeen erreichen, die sich langweilen." Wohlan, in der gesperrt gedruckten Stelle hat unsere Staatsanwalt­schaft eine Majestätsbeleidigung entdeckt. Logik: Unter den flappsüchtigen Armeen, die sich einmal langweilen könnten, ist offenbar die deutsche Armee verstanden die deutsche Armee wird von dem Kaiser kommandirt, der natürlich ihr ganzes Denken und Sinnen be­herrscht. Die angebliche Klappsüchtigkeit könnte nicht in der Armee vorhanden sein, wenn sie nicht im Kaiser steckte.

Der Vorwurf der Klappsüchtigkeit ist aber ein beleidigender; und finte­malen wer die deutsche Armee der Klappsüchtigkeit zeiht, den deutschen Kaiser der Klappsüchtigkeit beschuldigt, so enthält der angezogene Bassus eine Majestätsbeleidigung.

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Diese Logik war indeß dem Landgericht doch etwas zu genial wies die Anklage auf Majestätsbeleidigung zurück, weil nicht die deutsche , sondern die russische Armee gemeint sei, und beschloß die Freigabe der konfiszirter Nummer. Dieser heroische Beschluß hat aber Mühe und harte innere Kämpfe gekostet. Lesen Sie nur das famose Schriftstück, welches in der beiliegenden Nr. 2789 der Deutschen Volkszeitung" ab­gedruckt ist. Man sieht ordentlich, wie die Herren Richter, servile Alt­preußen mit der landesüblichen Rückenverkrümmung, fich demüthig vor dem Väterchen" in Berlin verneigen und hört site unterthänigst winseln: " Herr vergib uns unsere Schuld! Wir hätten den ver- Reichsfeind von Herzen gern verdonnert, wie dies unsere Pflicht als gehorsamst unter­thänige unabhängige Richter ist allein, beim besten Willen und unter Aufwendung aller juristischen Hirngymnastik gings diemal wirklich nicht. Wir werden die erste Gelegenheit benützen, dem Hundsstern unsere Treue und Unterthänigkeit in doppeltem Glanz leuchten zu lassen! Gnade Gott dem Reichsfeind, der uns das nächste Mal unter die Finger geräth. Wir werden uns revanchiren und mit Eflat revanchiren. Für dies­mal aber verzeihft du uns, allmächtiges Väterchen, wir flehen Dich darum an in Demuth ersterbend."

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Nun sie haben ihren stillen Schwur gehalten. Der nächste, der ihnen unter die Finger kam, war Loges, und er hat für den Redak­teur der Deutschen Volkszeitung", Welge, mitbüßen müssen.

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Uebrigens ist Welge, der damals so gut davon kam und vor 14 Tagen freigesprochen wurde, nicht immer so glücklich gewesen. Voriges Jahr hatte er einen recht bösen Prozeß. Zu jener Zeit zeichnete er außer der Deutschen Volkszeitung" auch noch das welfische Muckerblatt des Pastor Grote( ,, Unter dem Kreuze") als verantwortlicher Redakteur. In einem Artikel des letzteren, der vom Jahre 1866 handelte, sollte nun eine sehr schwere" Majestätsbeleidigung enthalren sein, obgleich der Kaiser, bezw. König gar nicht genannt war. Das Gericht ordnete die sofortige Verhaftung Welge's an und hielt ihn in Unter­suchungshaft, obgleich eine Raution von 5000 Mark angeboten wurde. In der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus Alles durch glaubhafte Zeugen bewiesen, daß Welge( der nur ein Schriftseter nud als solcher in der Offizin, welche die welfischen Blätter herstellt, be­schäftigt ist) den infriminirten Artikel gar nicht verfaßt, und daß er die betreffende Nummer nur aus Gefälligkeit gegen seinen Prinzipal, weil gerade keine andere Persönlichkeit zu finden war, gezeichnet hatte. Trotzdem beantragte der uns wohlbekannte Staatsanwalt Isenbiel eine Gefängnißftrafe von 5, schreibe fit nf Jahren, also das vom Strafgesetzbuch festgesetzte Maximum! Und das, obgleich

daß man sie gar nicht für möglich halten sollte, wenn sie nicht allgemein Welge vorher noch niemals bestraft war!

geübte Thatsache wären.

15 039 0 Wird da z. B. ein General, der in Berlin wohnt, nach Babelsberg zum Diner befohlen, so berechnet derselbe, auch wenn er ganz allein nach Potsdam gefahren ist, Hin- und Rückfahrt 1. Klasse für sich, dann für Burschen, Diener und Pferde, Trattament für Burschen und Diener und Fourage für die Pferde. Oder es bekommt der Flügeladjutant v. Albe­dinsky, während der Kaiser nach Wiesbaden fährt, Urlaub nach Karls­ bad , so gehen natürlich sein Gehalt, sein Wohnungszuschuß 2c. fort, außerdem berechnet dieser Biedermann aber noch, wiewohl er allein nach Karlsbad fährt, die ganze Zeit über für seine drei Pferde und Dienerschaft Fahrt und Trattament. Auch wenn derselbe zum Manöver nach Breslau und Dresden mitfährt, wo er natürlich vollständig freie Fahrt hat, wird dieselbe Rechnung eingezogen. Der Herr nimmt wohl auch einen Diener mit, aber während er für denselben M. 4 50 Trattament liquidirt, gibt er demselben eine Mart. Der Hund kann ja ſehen, wie er damit aus­kommt, im Hotel Bellevue in Dresden wird man ihn wohl nicht ver­hungern lassen.

Und diese Erzspit- en der Gesellschaft, die der gutmüthige Spieß­bürger und Kriegervereinler beim Einzug begeistert als die Stützen und Säulen des Landes anhocht, behandeln ihre Untergebenen und jeden nicht uniformirten Menschen in so hochfahrender und brutaler Weise, als ob dieselben nur ihre Hunde wären.

Freilich, das Beispiel steckt an. Wenn ein königlicher Prinz seinen Bedienten niederschießen kann, ohne daß ein Hahn danach kräht, so tann auch ein Albedinsky seine Untergebenen durch prügeln.

leber die verschiedenen Einzugstomödien, die dem Lande so toloffale Kosten verursachen, machen diese Burschen natürlich nur faule Wize. Als der Oberbürgermeister von Dresden , der Name ist mir entfallen*), beim Einzug daselbst die obligate Begrüßungsrede hielt, und es dabei nicht aufhörte zu regnen, sagte von Albedinsky seinem Nachbarn: Wie lange schwätzt denn der Kerl da noch im Regen?" Und wie sich diese Erz­spitzbuben erst über die gutmüthigen Militärvereinler luftig machten, die mit ihren sauer abgedarbten paar Mark die Reise nach Dresden gemacht hatten, um hier ihren" Kaiser anhochen und bei demselben vorbeimar­schiren zu können! Diese Aermsten, wenn sie nur eine Ahnung davon hätten, wie diese angeftaunten und vergötterten Heerführer feinen Schritt thun, für den fie nicht doppelt und dreifach liquidiren, wie dieselben in jeder Weise das Volk beftehlen, während sie selbst, nachdem sie die harte Dienstzeit überstanden haben, in ihren meist ärmlichen Verhältnissen aus ihren Taschen die Kosten aufbringen zu dem Zeitvertreib dieser Höflinge, die ihnen keinen Groschen geben, wenn sie in Noth find.

Möchten bald Andere, die noch Näheres über diese hohe, adelige Schmarozergesellschaft wissen, das auch dem Parteiorgane mittheilen, damit das Volk dieses Ungeziefer endlich satt bekommt!"

Wir können diese vortreffliche Anregung nur bestens empfehlen. Wenn uns die Genossen in dieser Beziehung nach Kräften unterstützen, dann soll die Rubrik, die Schmarozer am Staatsfäckel" gewissen Leuten bald so angenehm" werden wie ihren Freunden im Gerichtssaal und Polizei­wachtstube unser Verbrecher Album.

Recht und Gerechtigkeit in Neupreußen. Aus Hannover , Ende September, wird uns geschrieben: Von den Leistungen des hiesigen Landgerichts haben die Leser des Sozialdemokrat" sattſam gehört. Daß dieses Mustergericht aber nicht blos Sozialdemokraten, son­dern auch anderen Reichsfeinden" gegenüber mit großem Eifer und Behagen in Tendenzprozessen macht, das wird aus Nachstehendem erhellen.

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Sie erhalten gleichzeitig mit diesem Briefe die Nummer 2786 und 2789( vom 7. und 9. Juni d. J.) des in Hannover erscheinenden Welfen organs , Deutsche Volkszeitung". Die erstere Nummer wurde tonfiszirt wegen des darin enthaltenen Leitartikels, Petersburg und Berlin ". Ich bitte Sie, lesen Sie den Artikel genau durch.( Es ist ge­schehen. Red.) Es ist darin die Rede von dem Heranwachsen der Kriege und von der Kriegshezzerei und dem Säbelgeraffel in Ruß­ land . Unter anderem heißt es da:

*) Unser" Stübel.

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Das Landgericht konnte nun die Komödie der Milde spielen und zugleich sein Müthchen fühlen, und verdonnerte den armen Welge zu blos achtmonatlicher Gefängnißftrafe, die er auch ab­geseffen hat.

So waren alle Theile befriedigt, bis auf den unglücklichen Welge. Der Staatsanwalt hatte seinen Eifer bewiesen und die noch ungefüllten Knopflöcher seines Rockes an höchster Stelle" in Erinnerung gebracht, und das Gericht hatte seine Revanche und zugleich den Heiligenschein richterlicher Unparteilichkeit!

Man sieht, auch den Welfen wird hier übel mitgespielt.

Der neueste Prozeß Welge's, verglichen mit dem gegen Loges, hat uns aber den Beweis geliefert, daß immer noch ein Unterschied zwischen Reichsfeinden und Reichsfeinden" gemacht wird, und daß ein Welfe noch nicht so ganz und gar außerhalb des Rechtes und Gesezes gestellt wird wie ein Sozialdemokrat. Für die Ehre, die hierin liegt, sind wir Sozialdemokraten beiläufig sehr dankbar.

Während der Verhandlung des neuesten Prozesses gegen Welge kam ein Zwischenfall vor, den ich in meinem vorigen Briefe nicht erwähnt habe. Als Staatsanwalt funktionirte ein von Krobitsch. Dieser Streber entwickelte eine solche Gehässigkeit und äußerte sich so roh über die reichs­feindlichen Welfen, daß der Vertheidiger Welge's, der bekannte Rechts­anwalt Fischer II, einer der Hannover 'schen Welfenführer, dem Hrn. Staatsanwalt in scharfzüchtigenden Worten den Standpunkt klar machte. Der Staatsanwalt und der Vertheidiger geriethen hierauf so hart an­einander, daß der Präsident des Gerichtshofes interveniren mußte und tategorisch erklärte: Wenn diese Bemerkungen nicht aufhörten, müsse er dem Vertheidiger wie auch dem Staatsanwalte das Wort entziehen. Daß diese Rüge sich wesentlich gegen den Staatsanwalt richtete, Der saubere Staatsanwalt war ganz verdußt. liegt auf der Hand.

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Pfäffisches. Ein in Wiesbaden erscheinendes Muckerblätt chen, die Rheinische Traube" beiläufig eine äußerst wässrige Frucht hat die Unverfrorenheit, das Eisenbahnunglück, oder richtiger Eisenbahn­verbrechen von Hugstetten folgendermaßen für seine menschen­verdummenden Bestrebungen auszubeuten:

" Darf man sich wundern, wenn Gott solche Gerichte eintreten läßt, wie jenes Unglück im Mooswalde?" Nein, wundern muß man sich, daß Gott noch so gnädig und langmüthig ist, und nicht viel mehr solche Ereignisse geschehen läßt."

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Dieser Heuchlergesellschaft wäre es nämlich gerade Recht, wenn Gott " recht oft die sündige Welt mit Plagen heimsuchen würde. Je mehr die Welt ein Jammerthal für die übrige Menschheit, spekuliren diese Gottes­männer", um so bessere Geschäfte machen wir! Darum sind sie auch so leidenschaftlich darauf verseffen, der Entheiligung des Sonntags, d. h. der Benutzung dieses Erholungstages zu körperlicher und geistiger Erfrischung, entgegenzuwirken. Langweilen soll sich das Volk am Sonn tag, damit es aus Verzweiflung in die Kirchen laufe und sich dort das Denken austreiben laffe. Man höre nur:

Die Reden, welche die Herren Pastoren bei den Begräbnissen In hielten, waren recht gefühlvoll, aber keiner von ihnen hat auch nur sid mit einem Worte die Sünde der Sabbathschänderei erwähnt. Selbst Paftoren betrachten solche Sonntagsparthien als harmlose, erlaubte Dinge und haben daher nicht den Muth, frei und offen gegen die eingeriffene Entheiligung des Sonntages aufzutreten!" Aber wehe diesen Pflichtvergessenen"!

" Stumme Hunde nennt die heilige Schrift alle Diejenigen, welche Gottes Willen wiſſen und nicht predigen, die eine Gefahr sehen und nicht warnen."

Stumme Hunde"! Man sieht, die Gottesmänner find um Schimpf­worte nicht verlegen, besitzen sie ja im Worte Gottes " ein Buch, in dem es an recht bezeichnenden Kraftansdrücken nicht gerade fehlt.

Und in dieser Tonart geht es dann fort, auf jeder Zeile offenbart sich die hämische Genugthuung über den schrecklichen Tod von 60 Personen und die entseglichen Leiden von mehr als der doppelten Anzahl.

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