Bezug auf diese von den Universitäten sagen dürfen, was Platen von den Klöstern so treffend sagte:

Jetzt streuen sie aus Dummheit und Verderb, einst streuten sie Wissen und Geist aus.

20 010

Wer's nicht glaubt, dem empfehlen wir die Vorlesungen des Herrn Profeffor Boretius in Halle an der Saale .

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,, Alle Beweise für das Dasein Gottes, mit der sich eine gutmeinende Philosophie ein Jahrtausend hindurch gebläht hat, find durch den Scharfsinn Imanuel Kant's als Trugschlüsse entlarvt, und er hat dargethan, daß die Vernunft vergeblich ihre Flügel ausspanne, um über die Sinnenwelt( d. h. die Welt, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen) durch die bloße Macht der Spekulation( Grübeln nach dem Ueberfinnlichen) hinauszukommen."

Wo mag dieser Satz wohl stehen? Nirgends anders als im ,, Christlich- sozialen Korrespondenzblatt", dem offiziellen Organ der drei Kirchenlichter Stöcker, Hapte und Distelkamp, und zwar in einem Artikel: Wissen und Glaube" betitelt. In diesem Artikel heißt es an anderer Stelle:

" Jede echte Wissensgewißheit kann jedem Menschen, der im Wahr­nehmen und Denken geübt ist, zur zweifellosen Gewißheit gemacht werden durch den Zwang seiner eigenen Wahrnehmungs- und Denk­apparate."

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Zuerst muß jeder Wahrnehmungs- und jeder Dentakt mit sich selbst übereinstimmen, d. h. sie müssen sich immer als dieselben er­geben, sie müssen wiederholt daraufhin geprüft werden. Eine Wahrnehmung, die nur ein Einzelner einmal gemacht hat, ein Denkprozeß, den nur ein Mensch einmal durchdacht, tann niemals(!) eine Wissensgewißheit sein. Jede Wahrnehmung und jeder Denkatt muß aber zweitens auch mit ande­ren Wiffensgewißheiten übereinstimmen, darf ihnen nicht widersprechen, da wir widersprechende Gewißheiten nicht zu fassen im Stande find. Drittens müssen die einzelnen Beobachter und Denker unter sich übereinstimmen, denn niemals tann eine Sache Wissensgewißheit werden, worüber sich wider­sprechende Aussagen gemacht werden. Alle Wahrnehmungen und Dentakte diesen drei Prüfungen zu unterziehen und sie von allen Widersprüchen zu befreien, ist Sache der Wissenschaft." Welch' ein Spaßvogel, werden unsere Leser fragen, hat den frommen Herren denn dieses Kukuksei in's Neft gelegt? Oder sollten diese selbst über Nacht Freidenker? Nichts da, weder Kukuksei noch Freidenkerei, die Sache ist vielmehr wohlüberlegt. Alle diese schönen Sätze haben nur den Zweck, den Arbeitern, die dem Pfaffengeschwätz nicht mehr trauen, weil der Widerfinn der biblischen Schöpfungsgeschichte 2c. auf offener Hand liegt, klar zu machen, daß gerade weil man ihnen die Existenz Gottes absolut nicht beweisen kann, sie an dieselbe blind zu glauben haben. Obigen Sätzen zum Trotz sollen sie an die Wahrnehmungen glauben, die vor 4 Jahrtausenden irgend ein unwissender Jude ge­macht zu haben glaubte oder behauptete. Ja, sie sollen auch den Evangelien glauben, obwohl diese durchaus nicht mit einander übereinstimmen, denn Glauben und Wissen haben gar nichts miteinander zu thun. Daß aber der Glaube viel mächtiger sich geltend macht als das Wissen, gehe schon aus der Thatsache hervor, daß viel mehr Menschen bereitwilligst sich für ihren Glauben haben tödten laffen als für ihr Wissen. Wer da getödtet hat, ob die Männer der Wissenschaft oder die Män­ner des Glaubens, auf diese Frage hütet sich der Verfasser wohlweislich einzugehen. Ueber diese Seite des religiösen Fanatismus schweigt er sich vielmehr echt ,, christlich"-demüthig aus. Es ist ein Schlaufuchs, der sein Metier versteht. Daß er es aber mit all' seiner ,, Wissenschaftlichkeit" fertig bringen werde, die Berliner Arbeiter wieder zu gläubigen Schafen glaubt er wohl selbst nicht. zu machen, das

Madai's, Arbeiterfreundlichkeit" hat sich wieder ein­mal in ihrem schönsten Lichte gezeigt. Seit längerer Zeit gehen die Berliner Fachvereine mit der Jdee um, eine Zeitung zu gründen, welche unabhängig von allen politischen Parteien die Interessen der Arbeiter verfechten solle. Dazu sind natürlich gemeinsame Berathungen der be­treffenden Vereine oder mindestens der Vorstände derselben erforderlich. Was thut aber Madai? Er erläßt einen Ukas, in welchem die gewerk­schaftlichen Vereine für politische erklärt werden und demgemäß auf Grund des§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes die gemeinschaftliche Berathung der Einzelvorstände untersagt wird.

Die notorisch politischen Handwerksmeistervereine dürfen aber unbe­helligt mit einander tagen und berathen, da kräht kein Hahn danach. Denn die Handwerker dieser Vereine sind Bismärcker, und die Arbeiter find Arbeiter.

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Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, den biederen ,, Reichs­boten" auf seine fortgesetzten Verdrehungen und Verdächtigungen, ins. besondere aber auf seine Flunkereien in der Nummer vom 2. Dezember über die Berliner Gewerkschaftsbewegung gebührend zu antworten. Es ist eine infame Lüge, daß die Berliner Gewerkschaftsbewegung den sozialdemo­fratischen Führern ein Dorn im Auge" sei, nur bestimmt, die Arbeiter gegen die natürlichen Vertreter ihrer Interessen zu verhetzen. Die fozialdemokratischen Führer" find vielmehr sehr damit einverstanden, daß die Berliner Arbeiter fich tüchtig regen, und nicht so beschränkt, daß fie ihnen zumuthen, der Polizei die Handhabe zur Auflösung ihrer Ver­eine zu liefern. Ebensowenig aber sind sie darüber besorgt", welche Stellung dereinst die Berliner Arbeiter in politischen Fragen einnehmen werden, und wie unmöglich sie sich in der Bewegung gemacht" haben, auf diese feige weil die Widerlegung eine Denunziation der Gewert­schaften wäre Unterschiebung werden der Reichsbote" und seine Zu­träger eher als ihnen lieb sein dürfte, die gebührende Antwort erhalten. Das dem Vergolder Ewald von dieser Seite gespendete Lob spricht zwar nicht gerade für denselben, läßt indeß zu deutlich den frommen Wunsch", ihn zu fapern, herauserkennen, als daß es auf uns irgend­welchen Einbrud machen sollte. Personenfragen sind für die Sozial­demokratie ftets untergeordnete gewesen, vor wie nach geht die sozia­listische Arbeiterbewegung über die Körner, Finn und sonstige Judasse zur Tagesordnung über.

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Da ist's in Preußen doch schöner. Ans London kommt die Nachricht, daß der Minister Kimberley auf Grund Berichtes der Untersuchungskommission den Kolonialfetretär und den Boli­zeidirektor zu Gibraltar ihres Amtes enthoben und einen ernsten Tadel des Verhaltens des Magiftrats und der Polizei von Gibraltar ausgesprochen hat wegen-man höre! Auslieferung entflohener tubanischer Revolutionäre an die spanische Regierung.( Bei­läufig waren die Flüchtlinge nicht direkt ausgeliefert, sondern aus Gi­ braltar heraustransportirt, und an der Grenze von spanischen Grenz­beamten verhaftet worden.)

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In Preußen hätten die betreffenden Beamten Orden und Beförderung erhalten, in England jagt man fie fort! Glückliches Preußen! Außerdem hat die englische Regierung von der spanischen die Wieder­herausgabe der Flüchtlinge es waren Revolutionäre gegen die spanische Regierung; verlangt und auch durchgesetzt. Als sie nicht genug Energie dabei zu entwickeln schien, wurde sie im Parlament durch die Kon­servativen Lord Churchill gerüffelt.

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Nein, da ist's in Preußen doch schöner! Nicht wahr, Herr von Madai?

- Ausbeutung. Vor Kurzem brachte das Leipziger Tageblatt ", der Gothaer Zeitung" entnommen, nachstehende Notiz beiläufig nicht im rebattionellen Theil, der solche Standalosa gewissenhaft todtschweigt, sondern im handelspolitischen-:

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" Das sogenannte" Trudsystem" der Fabrikanten Bezahlen der Arbeiter mit Waaren, anstatt mit baarem Gelde scheint im Meiningischen Wahlkreise Sonneberg wieder zum

Vorschein gekommen zu sein, wenigstens sieht sich der dortige Land­rath veranlaßt, auf die eine solche Praxis verbietenden Bestimmun­gen der Gewerbeordnung zur Nachachtung aufmerksam zu machen." Das Verweisen auf die Gewerbeordnung wird wenig nügen. Jm Sonneberger Kreise, dessen Zustände in der Sar' schen Schrift: Die Hausindustrie in Thüringen " sehr gut gekennzeichnet sind, ist die von Vielen noch nicht in ihrer ganzen Abscheulichkeit und Verderblichkeit er­tannte Haus industrie allgemein dominirend und hat eine ökonomische Sklaverei der Arbeiter erzeugt, welche durch keine Vorschriften und Verordnungen gemildert werden kann. Ohne eine vollständige Beseitigung der Grundlagen, auf welchen die Hausindustrie beruht, das heißt, ohne daß die Arbeiter aus den Klauen der Pri vatunternehmer( Großfabrikanten, Kaufleute, Faktoren u. 5. w.) geriffen werden, ist an ein Ende dieser grauenvollen Sklaverei nicht zu denken. Man lese blos das erwähnte Werkchen, das ein photographisches Bild gibt. Die Kapitalhyäne ist unersättlich; um sie unschädlich zu machen, bedarf es wirksamerer Mittel als landräthliche Ermah­nungen!

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Aus Leipzig , 30. November, schreibt man uns: Habemus papam!" Wir haben einen Polizeidirektor: den Chemnitzer Staatsanwalt Bretschneider, einen Freund und Kollegen des Richter. Das sagt genug. Außer diesem und dem Oberstaatsanwalt Hofmann, der aber in letzter Stunde zurücktrat, weil er glaubt, als Staatssozialist und Wirthschaftsreformer" ein befferes Geschäft machen zu können, hatten fich noch zwei Staatsanwälte gemeldet, einer aus Bautzen und einer von hier. Dieser Zudrang von Staatsanwälten zum Polizeidienst ist sehr charakteristisch er beweist, weß Geistes Kinder unsere Herren Staats­anwälte find. Also vivat Bretschneider! Und sein Nachfolger gleich auch schon mit!

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Der brave Sparig hatte gestern auch hier eine Wiederholung seines bekannten Prozeßchens. Die fortschrittliche Bürgerzeitung" hatte die Prostriptionslistennotiz abgedruckt und muß dafür 100 Mart Strafe und 100 Mark Schmerzensgelder bezahlen. Es wurde auch die famose Epistel des Ministers Nostiz- Wallwitz verlesen, des Inhalts, daß von Sparig teine Prostriptionsliste eingereicht worden sei. Was wahr ist, aber nicht ausschließt, daß Sparig eine solche Liste angefertigt, öffentlich vorgezeigt, und öffentlich angekündigt hat, er werde sie dem Minister des Innern überreichen. Die Redaktion der Bürgerzeitung", gleich der der " Frankfurter ", hatte es versäumt, sich um Beweismaterial an die richtige Schmiede zu wenden. Amüsant war es, daß Sparig das Denunziren mit fittlicher Entrüstung für etwas Ehrloses erklärte. Das hatte freilich blos zur Folge, daß ihm ein Brief in's Gedächtniß gerufen wurde, den er vor einigen Jahren an die Brockhaus'sche Buchhandlung geschrieben, um die Entlassung eines als notorischer Sozialdemokrat von ihm denunzirten Schriftsetzers zu erwirken. Wegen der Erwähnung dieses Briefes will er die Bürgerzeitung" ein zweites Mal verklagen. Wohl bekomm's!

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Jm hiesigen Tageblatt" finde ich folgende Notiz:

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" In einer am Sonntag stattgefundenen außerordentlichen Versammlung der Weber Jnnung in Glauchau wurde folgender Antrag an­genommen: Die Versammlung verpflichtet sich, irgend welche in Glau­ chauer Geschäften vorkommende, die Gesammtheit schädigende Uebelstände und Vorkommnisse dem Gesammtausschuß wahrheitsgetreu mitzutheilen, damit derselbe in die Lage gesetzt werde, bei den betreffenden Firmen um eine Abstellung derselben einkommen zu können." Nächstdem ge­langte noch nachstehende Resolution zur Annahme: Die heutige Ver­sammlung weiß die Bereitwilligkeit des hiesigen Rathskollegiume und des Herrn Bürgermeisters Martini, sowie die für uns werthvolle und for rekte Intervention deffelben bei Gelegenheit der Regelung unserer Lohn­und Arbeitsverhältnisse mit den Herren Fabrikanten und insbesondere die überaus taktvolle unparteiische Leitung der Verhandlung durch genannten Herrn vollkommen zu würdigen, und beauftragt den Vorstand, den Dank der Weber Jnnung mit der Bitte um ferneres Wohlwollen abzustatten."

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Und die armen Teufel, die da ihren Dank demüthig abstatten, find mit allen ihren Forderungen was sage ich? Wit nschen abgeblitzt! Der satte Bauch hat über den hungrigen mit Hohn triumphirt! Und da bittet man noch um ferneres Wohlwollen"! Freilich, der Hunger thut weh, und wer ein gutes Beefsteat im Magen hat, hat leicht Muth predigen.

Desterreich. Aus dem Lande der Korruption und Niedertracht. Unser Bruderorgan, der in Brünn erscheinende, vortreffliche redigirte Volksfreund" schreibt: dodatsdi

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, Es ist uns nicht mehr möglich, alle Haussuchungen und Ver­haftungen zu registriren, die im Zeitraum eines jeden halben Monats vor sich gehen, da man thatsächlich oft in Verlegenheit kommt, wo früher anzufangen ist. So viel steht fest, daß, falls wir ein Tage­blatt hätten, wir täglich über Derarti ges zu berichten in der Lage wären. So wurde z. B. abermals gehaussucht in Brünn , Prag , Wien , Gmunden , inhaftirt in Wien , Prag , Lemberg und ausge­wiesen in Wien und Mariaschein. Auch zwei Gasthausbesitzern in Rosenthal wurden dte Konzessionen entzogen, weil gegen dieselben von der Prager Staatsanwaltschaft die Anklage wegen Geheimbündelei er hoben wird".

Am 4. Dezember begann in Prag der Prozeß gegen 50 Partei­genossen. Als Vertheidiger werden für die deutschen Angeklagten, die Dr. Glaser und Wolf- Epinger, beide aus Wien , für die slavischen An­geklagten Dr. Stransky aus Brünn fungiren.

Jn Graz und Innsbrud haben Schuhmacherversammlungen stattgefunden, in denen gegen die gehässige Haltung des anarchistischen Schuhmacherfachblattes protestirt wurde.

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- Italien . Unser in vorletzter Nummer ausgesprochener Wunsch daß der italienische Sozialismus den von ihm gelegentlich seiner jüngsten ersten Theilnahme an den Wahlen erzielten Erfolg, die gelungene Wahl eines energischen sozialistischen Vertreters in das Parlament, ganz und voll ausnüße, geht erfreulicherweise in Erfüllung. Die sozialistischen Wähler des Genossen Cofta haben ihren Vertreter aufgefordert, sich an der albernen Eideskomödie nicht zu stoßen, sondern im Parlament zu bleiben, um dort ununterbrochen die herrschenden Klaffen be­kämpfen und die Grundsätze des Sozialismus predigen zu können. Und alle erfolgver sprechenden Mittel anzuwenden seien, daß man heute den Stimmzettel und die Parlamentstribüne mit demselben Rechte benützen müsse, wie morgen die Flinte und die Barrikade diese Ueberzeugung beschränkt fich nicht nur auf die Romagna, sondern gewinnt immer allgemeiner die Oberhand unter unsern italienischen Genoffen.

bie Ueberzeugung, daß zur Förderung unserer bach gu

Hievon konnte fich u. A. Vollmar bei seiner jüngsten Anwesenheit in Mailand persönlich überzeugen. Die lombardischen Sozialisten haben unsern Genoffen mit größter Brüderlichkeit aufgenommen und ihren Sympathien für die deutsche Sozialdemokratie, sowie den Gefühlen der Solidarität beredten Ausdruck gegeben. Vollmar sprach an zwei Abenden im Versammlungshaus des Circolo operajo"( Arbeitervereins), und zwar das erftemal über die Nothwendigkeit einer einheitlichen, wohlge­gliederten Arbeiterpartei, wobei er die italienischen Genoffen zu den be­reits gemachten Anfängen und den im Wahlkampfe errungenen Erfolgen beglückwünschte. Am zweiten Abend hielt Vollmar auf Berlangen eine Konferenz über die gegenwärtige politische und soziale Lage in Deutsch­ land und die Stellung der Sozialdemokratie zur Entwickelung der Dinge. Die Vorträge unseres Genossen erregten lebhaftes Interesse, das sich u. A. in zahlreichen an Vollmar gerichteten Interpellationen bethätigte. Insbesondere besprachen sich die italienischen Genossen mit Vollmar ein­

gehend über ihre Stellung zu der bürgerlich- republikanischen Partei, sowie über Organisationsfragen. Sie erklärten, daß ihre Hauptarbeit jetzt ber Bildung einer starken Organisation gelte, und beauftragten Vollmar, den deutschen Sozialdemokraten die Mittheilung des Gehörten sowie ihre Brüdergrüße zu übermitteln.

Wir handeln sicher im Sinne aller Genossen, wenn wir die solidarischen Grüße unserer italienischen Brüdern herzlichst erwidern und ihnen unsere besten Wünsche für die Entwickelung einer träfägen italienischen Arbeiter­partei senden.

Amerika . Ueber den Ausfall der jüngsten Kongreß- 2c.-Wahlen erhalten wir von einem Arbeiter, Genossen Schumann in Cincinnati , einen längeren Brief, in dem es u. A. heißt:

,, Es ist hiermit der Beweis geliefert, daß das amerikanische Volt nicht rückwärts geht. Man bedenke nur, daß der unterlegenen Partei das ganze Heer der Angestellten zur Verfügung stand und sie ihren Einfluß auch rüdsichtslos ausnußte. Die Mitglieder der Administration, selbst der Finanzminister und der Präsident, griffen persönlich in den Wahl­tampf ein.

Das Volk hat am 7. November sein Urtheil über die republikanische Partei gesprochen, die Frage ist jetzt: Was nun?

Das Volt hat noch nicht gesagt, was es wolle, sondern nur, was es nicht wolle, das positive Losungswort muß erst kommen. Nun geht zwar durch das ganze Land ein dem Kapital feindlicher Zug, aber alle betreffenden Elemente auf ein Programm zu vereinigen, geht nicht so schnell, als Mancher glaubt.

Da sind z. B. die Antimonopolisten, die gerne die Eisenbahnfürsten demüthigen möchten. Aber wie? Das Aeußerste, wozu sie sich versteigen, ist die Verstaatlichung der Eisenbahnen, von Arbeiterforderungen wollen. fie dagegen nichts wissen. Zu politischen Reformen, z. B. Abschaffung des Präsidentenamtes sind die Arbeiter nicht zu bringen; es ist schon als ein großer Fortschritt zu betrachten, daß auf dem demnächst abzuhaltenden nationalen Gewerkschaftskongreß die Schutzzollfrage zur Verhandlung tommt. Biel Erfolg verspreche ich mir indeß nicht, doch dürften die letzten verlorenen Streits die Erkenntniß der Arbeiter soweit gefördert haben, daß im Jahre 1884 eine auf Grund eines Programmes vereinigte große Arbeiterorganisation zu bewerkstelligen sein wird. Nun ist in Massa­ chusetts General Butler auf Grund des demokratischen Tickets( Wahl­liste) gewählt worden; Butler ist ein scharfsinniger, energischer Politiker, auch kann man ihm nicht nachsagen, daß er je an einem Schwindel be­theiligt war. Im Kriege war er einer der energischsten Generale. Die Südlichen hassen ihn; wer weiß, wie er sich mit ihnen abfinden wird? Sicher ist, daß Butler in der Legislative immer im Interesse der Ar­beiter gewirkt hat, und diesen verdankt er auch seine Wahl. Darum ist es auch nicht unmöglich, daß Butler etwa im Jahre 1884, Republi­fanern und Demokraten zum Trotz, als Arbeiterkandidat zur Präsidenten­wahl auftreten wird.

Soviel steht fest, die Arbeiterfrage wird jetzt Sache der großen Politik, aber unsere großen Politiker werden den Geist, den sie rufen, nicht wieder zu bannen vermögen. Auch stehen wir am Vorabend einer großen Krisis; schon jetzt herrscht Arbeitslosigkeit. Sollte 1884 die demokratische Partei ihren Präsidenten durchsetzen, so wird es sicher der letzte sein, denn fie hat kein Programm und, was noch viel schlimmer ist, ebenfalls sehr viele Aemterjäger.

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Die neue Partei wird das Recht auf Arbeit proklamiren, aber nicht von oben, sondern nach dem Gesetze der Evolution( Entwicklung), das mögen sich unsere Sozialrevolutionäre merken. Die deutsche Einwande­rung von 1870 bis jetzt wird den Sauerteig dieser Bewegung bilden. Es wird ein Kampf der Ideen, und er wird Männer hervorbringen, würdig der größten Männer von 1860( die den Sklavenbefreiungskampf kämpften). Uns Sozialisten aber ziemt es, mündlich und schriftlich klares Denken in die Arbeitervereine zu tragen, mit Phrasen ist es da nicht gethan. Also vorwärts im neuen Jahr!"

Korrespondenzen.

Elberfeld , Anfang Oktober. Nachdem die Vorführung der Elberfelder Polizeibilder einen so allgemeinen Beifall gefunden haben, wollen wir damit fortfahren und heute einen etwas höher gestellten Ordnungswächter beleuchten.

Der Herr Polizeiinspektor Hahne ist ein recht stattlicher Mann, und wenn lediglich eine imposante Figur erforderlich wäre, das ihm übertragene Amt auszufüllen, so würde er sicher die geeignetste Per­son sein; doch gehört zu dem Amte außer dem nöthigen Fleiß und Eifer für die Sache auch wohl etwas Direktions- und Organisationstalent. Aber das geht dem Herrn vollständig ab.

Für den nicht Eingeweihten ist es schwer begreiflich, wie ein solcher Mensch, dessen Schädel so hohl wie eine leere Tonne, und dessen Dumm­heit nur übertroffen wird von seiner Arroganz und pfauenartigen Eitelkeit, ein Amt bekleiden kann, welches von unseren weisen Stadtvätern mit wenn wir richtig unterrichtet sind- über viertausend Mart dotirt ist. Wer indeß mit der Geschichte Elberfeld's vertraut ist, den nimmt das weniger Wunder.

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Der Herr Jnspektor hat es beim Militär nur zum Sergenten gebracht, soweit kann man ja auch mit geringem Gehirn kommen. In richtiger Erkenntniß aber, daß er auf der höchsten Stufe seiner militärischen Lauf­bahn angelangt sei, heirathete er eine frühere Freundin" des Herrn von Diergardt- Viersen und avancirte als glücklicher Ehemann vom Sergenten gleich zum Kommissar. Später tam er durch den Schwa­ger Diergardt's, Herrn von der Heydt, den damaligen Regenten von Elberfeld , hierher, zuerst auch als Kommissar, bald aber wurde er zum Inspektor ernannt. Der Polizeikommissar Grunow, ein sehr tüchtiger, humaner und intelligenter Mann, wurde umgangen und der Mann der Freundin" des Herrn von Diergardt trug den Sieg davon. Da wir jetzt wissen, wodurch er sein Amt erhalten hat, wollen wir weiter fehen, wie es mit der Führung deffelben aussieht.

Jeden Morgen, etwa um 10 Uhr, kann man den Herrn den Weg von erhoben, so daß man nur einen Stock vor ihn hinzulegen braucht, um seiner Wohnung zum Rathhause machen sehen, die Nase hoch in die Luft ihn ftolpern zu laffen. Aus meiner Dienstzeit weiß ich, daß jeder anstän­bige höhere Offizier von Weitem abwinkt, wenn die Soldaten vor ihm stille stehen und Front machen; doch der ehemalige Sergent läßt die armen Polizisten stehen und sich die Ehren" bezeugungen erweisen, bis vorübergegangen ist. Eine etwaige Meldung seiner" Untergebenen wird mit abgewandtem Gesicht entgegengenommen; keines Blickes werden diefelben gewürdigt. Kein Gruß eines Birgers wird erwidert, sie werden einfach nicht bemerkt.

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Beffere Augen aber hat der Herr Inspektor, falls er Leuten von Stand oder vollem Geldbeutel begegnet. Mit einer leichten Neigung des Hauptes und einer Grimasse, die Lächeln bedeuten soll, werden diese begrüßt. Auf dem Rathhause angelangt, wo die Polizisten meistens über eine Stunde auf den Bascha gewartet haben, beginnt die Die schwere Amts­thätigkeit" deffelben, nämlich das Unterschreiben der von anderen Leuten aufgesetzten Schriftstücke. Auf dem Pulte steht ein großer Spiegel, und wenn Jemand eintritt, kann der Herr gleich sehen, wer der Ankömmling ift. Ist es nur ein gewöhnliches Menschenkind, so wird die Unterhaltung derart geführt, daß der Abgehende das geistreiche Geficht des Herrn In­spettors gar nicht einmal zu sehen bekommen hat.

Nach ein- bis anderthalbstündiger Anwesenheit ist der Herr dann von seiner hochgeistigen Arbeit so erschöpft, daß er schleunigst in seine Kneipe gehen muß; Nachmittags von 5-6 Uhr hat er dann eine gleiche An­ftrengung auszuhalten. Dieses aufreibende Dasein beschließt Abends ein Gang in die Gesellschaft Erholung", wo der ehemalige Sergent im Kreise von höheren Beamten, Doktoren und Mitgliedern der besseren" Bürger­tlassen sich angenehm unterhält."

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Alle paar Jahre erscheint hier ein Buch, welches eine Zusammenstellung von Polizei- Vorschriften und Verordnungen enthält. Trotzdem nun der Herr Juspektor bei allen Rapporten 2c., die er abzufassen hat, in stetem Kampf mit der Grammatik liegt, ist er doch unter die Schriftsteller