Nebenbei ist es geradezu lächerlich, zu sagen, daß noch in keiner Volks­bertretung der Welt solche Reden gehalten worden seien als die von Voll­mar und Grillenberger. So prinzipiell sozialistisch als im deut­ schen   Reichstage mag wohl bisher kaum gesprochen worden sein, was aber die Sprache der revolutionären Leidenschaft anbetrifft oder die Kraftaus­drücke, so mag das Sezessionistenblatt sich nur einmal die Parlaments­berichte aus seinem geliebten England kommen lassen, seine ästhetischen Nerven dürften da etwas erleben, von Frankreich   gar nicht zu reden.

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Und so Etwas nennt sich Rechtswahrer! In Berlin  pielte sich am 21. Dezember ein Prozeß gegen einen Theologen Franzen 5, der in mehr als einer Hinsicht für die Rechtszustände in Preußen­Deutschland charakteristisch ist. Franzen, ein harmloser Landstädter, hatte beim Brande der Hygiene- Ausstellung helfen wollen, wurde dafür von einem Polizeiwachtmeister verhaftet und auf der Wache grauenhaft miß­handelt, wie das bei der Polizei in Berlin   so üblich. Da er die Miß­handlungen abzuwehren gesucht hatte, wurde er obendrein wegen Beamten­beleidigung 2c. angeklagt und in erster Instanz, wo des Wachtmeisters Aussagen nur die seinen gegenüberstanden, auch verdonnert. Weil es sich um ein Mitglied der bessern" Gesellschaft handelte, so erregte der Fall Auf­sehen, es meldeten sich verschiedene Augenzeugen der Verhaftung 2c. des Franzen, und in zweiter Justanz wurde bis zur Evidenz festgestellt, daß der Wachtmeister, wie das in Preußen gleichfalls üblich, unverschämt ge­logen hatte. Und da tritt nach der Zeugenvernehmung der Vertreter der Staatsanwaltschaft, das heißt, der Mann, der dafür Sorge tragen soll, daß das Recht geschützt, das Unrecht bestraft werde, auf und erklärt mit dürren Worten, daß hier em Vorfall ,, weit über die Grenzen seiner Wichtigkeit" aufgebauscht worden sei. Franzen hätte ,, besser gethan, bei ruhiger Ueberlegung die Sache aus der Welt zu schaffen(!!) oder sich der Milde des Rich­ters zu empfehlen." Es frage sich nur, ob man dem Wachtmeister Mauer glauben könne oder nicht. Er seinerseits glaube demselben und halte ihn für einen pflichttreuen Beamten. Die Beweisaufnahme habe zu Gunsten des Angeklagten so gut wie nichts erbracht und er bitte, die Berufung lediglich zu verwerfen.

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Das war den Richtern denn doch zu arg, namentlich da es sich nicht um Sozialdemokraten handelte, sie glaubten dem Wachtmeister, der sich selbst widersprochen hatte, nicht und sprachen Franzen frei. Davon, daß Mauer nun wegen Meineides zur Verantwortung gezogen werde, hört man natürlich keine Silbe, er bleibt ein pflichtgetreuer Beamter", ein Ehrenmann, der bei nächster Gelegenheit wieder mit seinem Diensteid irgend ein Opfer seiner Brutalität zu verderben vermag. Darüber übrigens ein andermal. Heute interessirt uns nur der Mann des Rechtes", der einem bisher unbestraften Menschen zuruft, er hätte besser ge­than, bei ruhiger Ueberlegung die Sache aus der Welt zu schaffen- das heißt um Begnadigung zu betteln, wo er An­kläger zu sein das Recht hat. Das ist so niederträchtig, so infam, mit einem Wort so königlich preußisch, daß wir den Namen dieses firebsamen Herrn ganz besonders notiren wollen. Oppermann heißt der Ehrenmaun, der es in Preußen noch weit bringen dürfte.

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Ein echtes Pfaffenstück hat der schwäbische Staatsanwalt Pfaff in Ulm   gegen unsern Genossen Schön ausgeheckt, welches Diesen Justizhelden wieder einmal so recht als das kennzeichnet, als was er den Lesern des Sozialdemokrat" längst bekannt ist: als unverschämten Cölpel. Vor mehr als drei Jahren war unserem Freunde Schön bei einer Haussuchung seine Bibliothek von den Polizeilangfingern gestoh­len worden und hatte er dieselbe erst nach energischer Reklamation zurück­erhalten. Am 29. Oktober 1880 fand wiederum Haussuchung bei Schön statt, bei welcher Gelegenheit Schön's Bibliothek aufs Neue den schnüffelnden Polizisten zum Opfer fiel. Da zeigte sich", daß vier Broschüren, und zwar man denke verbotene, aus derselben fehlten, Bücher, deren Titel schon Hochverrath athmet: so z. B. der Braun­schweigische Volkskalender für 1879, Ed. Sad, Unsere Schulen im Dienst gegen die Freiheit und dergleichen.

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Auf diese Thatsache gestützt, erhebt Herr Pfaff jetzt nach zwei Jahren Anklage gegen Schön wegen Verbreitens verbotener Schriften, und erläßt gegen diesen, der Familienvater und inzwischen in der Schweiz   in Arbeit getreten ist, Verhaftsbefehl, weil er sich dem Verfahren durch die Flucht entzogen" habe.

Das Schönste aber ist, daß von den vier vermißten Broschüren eine, wie bereits damals festgestellt wurde, gar nicht Schön gehört hatte, sondern von diesem dem Eigenthümer zurückgestellt worden war, während die anderen drei Heftchen verlegt waren und sich später wieder fanden. Aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wenn Schön sie wirklich fortgegeben hätte, so hätte er damit noch immer sich teiner strafbaren Handlung im Sinne des Sozialistengesetzes schuldig gemacht, da nach einem Reichsgerichtserkenntniß das Weitergeben eines einzelnen Exemplars keine Verbreitung im Sinne des Sozialisten­gesetzes ist.

Alles das weiß der Pfaff, und doch erhebt er Anklage, nur um an Schön seine Rache zu befriedigen.

freilich nicht brevi manu*)

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zu Statten. Das Meiste schlichtete er durch die Gewalt seiner Fauft. Auch beim Gange zum Tode verleugnete er seine Angewöhnungen nicht. Das Geficht weinglühend(!) er hatte vor seinem Heimgange noch behaglich der Flasche zugesprochen die Cigarre im Mund ging er vom Rheinthor zur nächsten Bastion, wo die standrechtlichen Hinrichtungen stattfanden. Nur widerstrebend ließ er sich die Augen verbinden, entblößte sodann stehend die Brust und sant alsbald, von 10 Schüffen getroffen, an der Brüstung des Grabens zusammen. Eine Bewegung der Hand gegen die Brust, ein Zucken der Glieder, und das Leben war entflohen."

Daß Heilig Barbier gewesen, wird von anderer Seite bestritten, ift übrigens gleichgiltig. Recht albern ist die Notiz, daß Heilig mit, wein­glühendem Gesicht" zur Exekution marschirt sei. Er hatte von Natur eine sehr frische Gesichtsfarbe daß er nicht zu viel trank, dafür sorgten schon seine Henker. Es scheint, der Tagebuchschreiber hätte es lieber ge­sehen, Heilig wäre mit blassem Gesicht in den Tod gegangen. Daß er tapfer und furchtlos seinen Mördern die Brust bot, das wird übri­gens auch in obigem Bericht anerkannt.

Böning's Erschießung. Man hört jest viel von Heldengreisen, die, wenn man sie bei Lichte betrachtet, den Nimbus des Helden und die Ehrwürdigkeit des Alters verlieren. Ein echter Heldengreis war der alte Böning; und daß er es war, brachte ihm den Tod, denn es war ein nur mit Blut zu fühnendes Verbrechen in den Augen des Prinzen, der einst ein falscher Heldengreis werden sollte. Der todte Helden­greis an den lebendigen das wäre ein prächtiger Vorwurf für einen Dichter.

,, Nicht so gut( als einem gewissen Reiter, der, Schauspieler von Handwerk, auch in der Revolution uur geschauspielert hatte) nicht so gut", erzählt der Tagebuchschreiber ,,, erging es einem Genossen in seiner Haft, dem alten Böning. Uhrmacher und Kaffeewirth seines Gewerbes, hatte er die naffauische Heimath( Wiesbaden  ) im griechischen Befreiungs­friege verlassen, um gegen die Türken zu fechten. Sein wallender weißer Bart, sein freibenterisches(!) Aussehen war wohl Ursache, daß man ihn als Reisläufer aller Revolutionen bezeichnete, die seit jener Zeit aus­gebrochen waren. Er hat indeffen nur den Hecker'schen Zug und den Struve'schen Einfall mitgemacht, und war aus der Schweiz   herüber­gekommen, als die aufständische badische Regierung sich um Zuzüger aus dem Ausland für ihr Heer bewarb. Als er bei Basel   über die Rhein­brücke ging, mit dem Schleppsäbel und lange Reiterpistolen im Gürtel, soll ein Schusterjunge gerufen haben: Jetzt cha's drüben anghon, jetzt händ se de Alte".( Jezt kann's drüben angehen, jetzt haben sie den

*) Wörtlich: mit kurzer Hand, kurzer Hand-es sell das ein Wort­witz sein.

Aber die Rache ist ein Gericht, das kalt gegessen werden muß, Herr| unserer, wahrhaftig auf eigenes Conto schon zur Genüge Sündenbelasteten

Pfaff! Sie werden daher noch ein Biffel sich gedulden müssen.

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- Praktisches Christenthum. Aus Bant bei Bremen  wird dem Norddeutschen Wochenblatt" geschrieben:

,, Ein in Preußen, Regierungsbezirk Königsberg  , auf einem ade­ligen Gut geborener, über 70 Jahre alter Arbeiter, welcher seinen Kindern, die selbst Arbeiter sind, vor ungefähr andert­halb Jahren nach hier gefolgt war, kehrte, da er hier in Anbetracht seines Alters und seiner Schwächlichkeit nicht eristiren konnte, nach seiner Heimath zurück. Derselbe wird von seinem Gutsherrn mit Vorwürfen empfangen, daß er nicht zwei Jahre un­unterbrochen in unserer Gemeinde geblieben sei, weil er dadurch seinen Unterstützungswohnsitz bei ihm verloren und hier erworben hätte. Es wird diesem armen, alten, gebrechlichen Menschen eine monatliche Unterstützung von Mt. 1,50 angeboten, und da er im Tage von fünf Pfennigen nicht leben konnte, so stellte derselbe sich wieder in unserer Gemeinde ein." Der edle Krautjunker, der den abgerackerten Proletarier der fremden Gemeinde aufhalsen will, gehört zweifelsohne zu der Partei des ,, prak­tischen Christenthums". Praktisch sind die Herren in der That: Grund­steuerentlastung, Getreide- und Holzzölle, Spritausfuhrprämien und der­den gleichen fordern sie für sich, und für das Volk echt chriftlich Knippel. Vielleicht wird das Volk einmal so praktisch sein, den christlichen Knüppel selbst in die Hand zu nehmen und ihn diesen Christen zu Gute kommen zu lassen.

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68 Krankenkassenvorstände haben im Namen von über 17,000 Mit­gliedern von Chemnitz   und Umgegend die bekannte Petition von Ham­ burg- Altona   und Umgegend gegen Einführung des Reichskrankenkassenge­setzes innerhalb weniger Wochen unterschrieben. Bravo!

- O, herrliche Welt! Folgende Notiz läuft augenblicklich durch die Presse des Denkervolkes, leider ohne daß die Meisten, welche sie lesen, fich etwas dabei denken:

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, Ein Eldorado für Jäger. Man meldet der N. Fr. Pr." aus Dur in Böhmen  : Georg Graf Waldstein besitzt in einem 6000 Joch großen Thiergarten und 13,000 Joch geschlossenem Walde im Erzgebirge  einen Bestand an Hirschen  , Rehen und Dammwild in der Höhe von unge­fähr 1500 Stück, im duxer Fasanengarten 1200 Stück Fasanen, außer­dem aber große wohlgepflegte Reviere in der Umgebung von Dur. Der Graf hatte daselbst am 4., 5. und 6. d. M. große Jagden veranstaltet, die wohl zu den ergiebigsten dieses Jahres in Böhmen   gehören. Es wurden geschossen 2326 Hasen, 603 Kaninchen, 512 Fasanen und 229 Rebhühner, im Ganzen 3670 Stück Wild. Gemiethete Treiber waren 700, freiwillige Treiber 1200 beschäftigt. Verschossen wurden 9045 Patronen von 12 Schützen, von denen jeder in den 12 Stunden Jagdzeit zirka 750 Schüsse abgab; es entfielen also für jeden Schützen in der Stunde nahezu 70 Schüsse, eine Jagd, wie sie von den meisten Jüngern des heiligen Hubert wohl manchmal geträumt, niemals aber erlebt wird. 15 Forstbeamte, ebenso viele Adjunkten und Heger und ein Obertreiber leiteten die Jagden in vortrefflicher Weise".

In der That, ein wahres Eldorado- für Nichtsthuer. Ju un­mittelbarer Nähe aber quälen sich tagaus tagein Tausende fleißiger Arbeiter ab, aus den Bergwerken Kohlen und Erze heraufzuholen gegen einen Hungerlohn, der ihnen kaum das zum Leben Unerläßlichste gewährt. Und wenn diese armen gehezten Arbeitsthiere es wagen, menschliche Be­handlung zu fordern, wenn sie sich herausnehmen, eine Besserstellung ihrer Lage zu erstreben, dann zieht man, wie im letzten Frühjahr, uniformirte Treiber von Nah und Fern zusammen und läßt die Bestien" zusammen­schießen, wenn sie nicht sofort Ordre pariren. Oben das Eldorado, unten die Hölle! O herrliche Welt!

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Moderner Sklavenhandel. In sächsischen Zeitungen lesen wir: Bekanntmachung. Vergeben von Arbeitskräften betreffend. Bei der Landes- Strafanstalt Hoheneck bei Stollberg   sind die Arbeitskräfte einer größern Anzahl weiblicher Gefangener zu vergeben. Bewerbungen um dieselben(?) sind an die unterzeichnete Anstaltsdirektion zu richten. Landesanstalt Hoheneck am 25. November 1882. Die königliche Anstalts­direktion Behrisch." wohl Heiraths­

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Den wunderbaren Stil( Bewerbungen um dieselben anträge?) wollen wir keiner Kritik unterziehen, auch ohne ihn ist diese Annonce ein wunderbares Monument unserer Kultur. Zur Zeit, da in den amerikanischen   Südstaaten das moralische" Musterinstitut der Stlaverei bestand, konnte man in den dortigen Zeitungen ganz ähnlich lautende Anzeigen zu Dutzenden lesen: Angebote von Sklaven zum Kauf, Angebote von Stlaven zur Vermiethung ihrer Arbeitskräfte, ganz wie in Hoheneck. Die Agrarier und konservativen Sozialreformer, zu denen charakteristisch für beide Theile- auch der Direktor der fächsischen Strafanstalt zu Hohened gehört, wissen in ihren Zeitungen und Flugblättern nicht gräßlich genug die Gräuel der römischen Schuld. tomischerweise stlaberei zu malen, die sie mit den Sünden

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Alten.) Auch mannigfache großartige Räubereien werden ihm zugeschrieben. Kistenweise sollte er Erbeutetes an seine Frau übermacht haben. Das hat sich als unwahr herausgestellt.( Warum also es ers wähnen?) Wohl mochte er an Baarschaft etwas Erspartes" aus der Festung mitgenommen haben, allein das wurde ihm wieder abgenommen, als er in den Kasematten bis auf's Hemd visitirt wurde. Nur eine kleine Feile fand man später noch bei ihm verborgen und eine Brief­tasche mit einigen Loosen des Becker'schen Anlehens. Diese Brieftasche und eine Lorgnette hatten beim Angriff auf die verlorene Linie am Feder bache   eine preußische Kugel abgehalten, ihm in die Brust zu dringen. Wohl mochte der alte Mann in den letzten Stunden gewünscht haben, daß dieses Hinderniß des Todes auf dem Schlachtfelde nicht vorhanden gewesen wäre, damit er doch wenigstens der öffentlichen Hinrichtung ent­gangen wäre, wenn es schon sein Schicksal war, die wenigen Schritte zu seinem Lebensziele nicht auf dem von der Natur vorgeschriebenen Wege zurückzulegen. Während der Belagerung mit wenig zufrieden, war er der Abgott seiner Wirthin; der wilde Freischürler, der feindselige Sol­dat betrachteten seine graue Locken mit ehrerbietiger Scheu. Bei den Ver­handlungen über die Uebergabe hatte er in einer besonderen Klausel sein und seiner Gefährten Schicksal mildern wollen, da sie am Aufstand nicht Theil genommen, und das Land erst auf die Einladung einer allgemein anerkannten Regierung betreten hätten. Vergebens. Seine Betheiligung an den meisten Gefechten, sein Auftreten am Schreckenstage von Karls­ ruhe  , da Gewaltthat gegen die Stadt nur durch die Bürgerwehr verhin­dert wurde, genügten zu einem einstimmigen Todesurtheile. Er vernahm es mit Festigkeit, obwohl der durch Krantheit geschwächte Fuß zitterte. ( Er war noch fieberkrant, als man ihn vor das Standgericht schleppte!) Doch suchte er durch die Bitte um 48stündige Frist zu einer Unterredung mit seiner Frau vielleicht Rettung zu gewinnen, denn in diese Frist fiel der Einzug des Großherzogs in die Residenz, an welchen man die Hoff­nung knüpfte, daß dann kein Todesurtheil mehr vollstreckt werden würde. Als er die Gewißheit des Todes erhalten hatte, lehnte er die Tröftungen des Geistlichen mit den Worten ab, daß er mit seinem Gott vollständig im Reinen sei.

Festen Schrittes, die Zigarette rauchend, ging er zum Richtplatz, die Augen ließ er sich nicht verbinden und mit den Worten: Vater, ich tomme zu Dir, um Rache anzurufen gegen meine Mörder!" sant er, von Schüssen durchbohrt, zusammen.

,, Wie die Gestalt meist auf das Urtheil der Sterblichen einen Einfluß ausübt, so wurde in jenen Tagen der alte Böning und seine Schaar, die Schweizer   Flüchtlingslegion, als das Haupthinderniß einer friedlichen Lösung der Verhandlungen angesehen."

Der Tagebuchschreiber meint wahrscheinlich die Verhandlungen Bren­tano's, des ,, Diktators" von Baden, mit der großherzoglichen Regierung. Dieser traurige Revolutionsmann", der selbst zum Verrath nicht

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Freihändler und Manchestermänner in Zusammenhang bringen. Wir möchten wissen, was die philanthropischen Herren zu dieser Schuld­sklaverei sagen, welche von ihrem Herrn Kollegen so naiv vor aller Welt proklamirt wird. Es ist schlimm genug, einen Menschen seiner Freiheit zu berauben, ihn aber, weil er nach dem Gesetz eine Freiheits­Strafe verwirkt hat, seines Charakters als Mensch entkleiden, und zum Stück Vieh, zur lebendigen Wa are degradiren, die man ver­miethet, wie man ein Pferd vermiethet- das heißt der Bildung unseres Jahrhunderts ins Gesicht schlagen, und in die Barbarei der roheften, vormittelalterlichen Urzustände zurückkehren. Und das kennzeichnet unsere Presse! nicht ein Blatt findet ein Wort der Entrüstung, ja nur der Verwunderung über diese Schmach!

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-Oesterreich. Das Urtheil im Prager Monftreprozeß ist gesprochen, 45 der Angeklagten sind für schuldig erklärt worden, sich gegen die heilige Gesellschaftsordnung vergangen zu haben. Eine Kritik dieses die infamen Polizei- und Rechtszustände in Desterreich charakterisirenden Prozesses behalten wir uns für eine der nächsten Nummern vor, heute wollen wir nur die Strafen verzeichnen, welche die erhabene Justizia als Weihnachtsgabe mit freigebiger Hand auszutheilen geruhte: Wilhelm Ten­chert wurde wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung nicht schuldig erkannt, dagegen wegen Geheimbündelei zu drei Monaten ver­schärften Arrest verurtheilt. Wenzel Waicz, welcher sich bekannt­lich mit einem Chemiker wegen Erzeugung von Explosionsflaschen ins Einvernehmen gesetzt hatte, wurde wegen Verbrechens der versuchten öffentlichen Gewaltthätigkeit und wegen Geheimbündelei zu zwei Jah ren schweren Kerker verurtheilt. Außerdem wurden wegen Vergehens der Geheimbündelei verurtheilt: Franz Choura zu sechs Mo­naten, Franz Jahoda zu einem Monat, Franz Hlawacek zu drei Monaten, Joseph Sip zu zehn Wochen, V. Winter zu vier Monaten, Ferdinand Schwarz zu vier Monaten, Anton Behr und Franz König zu je sechs Wochen, Fr. Roscher zu einem Monat, Joseph Ulbrich zu zehn Wochen, Joseph Hanisch zu drei Monaten, W. Nezdara zu zehn Wochen, Wilhelm Kieswetter zu zehn Wochen, Jos. Schiller zn vier Monaten, Daniel För ster zu vierzehn Tagen, Eduard Zeller   zu fünf Monaten, K. Schmid zu sechs Wochen, Rud. Sommer zu vier Monaten, Vinzenz Walter zu vier Monaten, Adalbert Stejka, Ignaz Wondrich, Jos. Michel und Jos. My­narit ebenfalls zu je vier Monaten, Joseph Hortik zu fünf Monaten, K. Glaser zu vier Monaten, Wilhelm Weichenbahn zu fünf Monaten, Franz Neumann zu einem Monat, Anton Nase zu drei Wochen, W. Arimmel zu drei Wochen, K. Eger und Joseph Nobeil zu je sechs Wochen, Franz Prochaska aus Ladowitz zu einem Monat, Anton Musil zu vierzehn Ta gen, Jos. Geißler zu drei Monaten, Joh. Reich zu zwei Monaten, Gustav Feir zu drei Monaten, Fr. Hocke zu 14 Tagen, Emanuel Schornböck zu vier Monaten, Gottlieb Kaberna zu einem Monat, K. Wüsusil zu sechs Wochen und J. Pokorny zu einem Monat verschärften Arrest. Einige der Beschuldigten wurden nebstdem wegen Preßdelikten zu Geldstrafen von 5 fl. bis 50 fl. verurtheilt".

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Die überwiegende Mehrzahl der Verurtheilten sind Familienväter. Seit fünf Monaten fitzen sie in Untersuchungshaft, die ihnen natürlich nicht angerechnet wurde. Ja noch mehr. Fast alle Verurtheilten haben Be­rufung eingelegt, sie werden aber, da sie keine Theaterdirektoren sind, ruhig in Untersuchungshaft behalten. Und alles das wegen ,, Geheimbütn­delei", das heißt, weil sie abgesehen vielleicht von Waicz das ele­mentarste Recht des Staatsbürgers, mit Gleichgesinnten in Verbindung zu treten, angeblich geheim ausübten. Als ob es ihnen offen möglich gewesen wäre! Aber sie sind von Rechtswegen" verurtheilt worden.

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Aus Frankreich  . Der Prozeß gegen die Aufrührer" von Monceau les mines ist vor dem Schwurgericht von Niom ( Departement Puy de Dome   in der Auvergne  , der konservativsten Provinz Frankreichs  ) zu Ende geführt worden. Die Auvergnatischen Ge­schwornen haben indeß die Erwartungen der Reaktionäre nicht erfüllt: von 23 Angeklagten sprachen sie 14 frei, für die 9 Verurtheilten unter­So hart übrigens die Strafen dieser zeichneten sie ein Gnadengesuch.

9 Letztern an sich sind, so sind auch sie noch milde gegenüber den Anträ gen des Staatsanwaltes, der Bagno, Deportirung u. s. w. beantragt hatte. Die Hauptanklagepunkte: Verschwörung, Aufruhr behufs Zerstö rung und Plünderung 2c. wurden von der Jury verneint, die angeb­liche große internationale Verschwörung, womit man die Spießbürger nicht nur Frankreichs  , sondern von ganz Europa   in Schrecken jagen wollte, hat sich auf einen rein lokalen Tumult reduzirt.

Die Niederlage, welche die französische   Regierung, insbesondere das Justizministerium in Riom   erlitten hat, hindert sie natürlich nicht, nach dem alten System fortzuarbeiten. Seit mehr als 6 Wochen werden Ver haftungen über Verhaftungen von Sozialisten und Revolutionären aller Art vorgenommen, wiederum unter dem Vorwande internationaler Ver­schwörungen. Je mehr Verhaftungen aber erfolgen, um so weniger greif­bare Gestalt nehmen die in der Presse verbreiteten Gerüchte an. Die Polizei findet eben nicht, was sie sucht. Als sie schließlich in Thonon  ( Savoyen  ) Krapotkin verhaftete, da hätte man nach ihrem Geschrei meinen

die nöthige Energie besaß, fand seine Politik der Halbheit und der Schwäche allerdings durch die Flüchtlingslegion bei verschiedenen Gele­genheiten durchkreuzt. Indeß kann die Stelle fich auch auf die Ver­handlungen( Debatten) betreffend die Uebergabe von Rastatt   beziehen.

Was von angeblichen Räubereien( ,, Erbeutetem") Böning's gesagt wird, ist von A bis 3 erlogen. Der Herr Tagebuchschreiber gibt es selbst in der Hauptsache zu, kann sich aber doch nicht enthalten, dem Verdacht ein Hinterpförtchen zu öffnen. Das Ersparte", welches ihm in den Kase­matten abgenommen wurde, bestand einzig und allein in der erwähnten Brieftasche mit einigen Losen des Becker'schen Anlehens. Die so berühmten ( beiläufig sehr hübsch ausgestatteten) Anweisungen auf die künftige deutsche   Republik   repräsentirten aber kein Vermögen, sondern das Gegentheil davon: negatives Eigenthum, d. h. für die Sache der Revolution ausgegebenes Geld.

Die in dem Bericht erwähnten Karlsruher   Schreckenstage sind die ersten Tage des Juni, wo Brentano mit Hülfe der reaktionären Bürger­wehr der Residenz sich die revolutionären Elemente vom Halse schaffte. Damals wäre allerdings, wenn nicht von verschiedenen Seiten das Kritische des Moments verkannt worden wäre, die Bürgerwehr sammt ihrem Brentano in die Pfanne gehauen worden. Es fehlte weder an Lust, noch an der nöthigen Kraft. Damals war der Wendepunkt der badischen Revolution.

Die letzten Worte Böning's( der Obrist in der Flüchtlingslegion war) find ungenau wiedergegeben; er starb allerdings mit einem Fluch; aber er forderte die Rache nicht von einem Gott, an welchen er nicht glaubte. Und er schleuderte seinen Fluch gegen das Haus der Hohenzollern   und die übrigen Volksmörder und starb ein unvoll­endetes Hoch die Republik  ! auf den Lippen.

Böning's Erscheinung ist Jedem unvergeßlich, der ihn gesehen hat. Die hohe Gestalt, das ernste Antlitz, das graugelockte, über die Schultern wallende Haar und der schneeweiße Bart, der bis unten an die Brust reichte, das Alles machte einen so imposanten Eindruck, daß es für sich schon genügte, Böning einen außerordentlichen Einfluß zu verschaffen. Uebrigens benahm er sich im Feld und während der Belagerung sehr brav und tüchtig und bewies militärisches Talent.

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Wie gesagt, er starb, ehe er das Hoch die Republik  !" voll­enden konnte. Die Soldaten, welche ihn erschossen, vermochten sich dem Zauber seiner Persönlichkeit nicht zu entziehen. Mit Grausen erzählten fie, wie die langen weißen Haare seines Bartes, durch die Kugeln ab­gerissen, flockenweise im Morgenwind herumflogen, als der greise Freiheits­fämpfer schon am Boden lag, eine zuckende Leiche.

( Fortsetzung folgt.)