sich auch mit der Großmutter manchmal gezankt und ihr auch Manches an ihrem Vermögen abgezwackt hatten, so hofften sie doch, daß diese jetzt ihnen helfen würde, mit ihrem Einfluß den Sohn zu bändigen, und ihn durch die Ehrwürdigkeit ihres Alters und ihr weißes Haar zur Beson­nenheit bringen werde. So riefen sie die Großmutter, Frau Ecclefia, genannt Kirche, zu Hilfe. Aber da hatten sie dem Topf den Boden ausgeschlagen.

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Kaum sah Bourgeois die Großmutter, so fiel ihm auch das Ueble ein, das sie ihm, nach seiner Ansicht, im Leben zugefügt. Wie sie ihm seine Jugendlust und Lebensfreude stets tadelnd vorgerückt, ihm manchen Ge­nuß verdorben, ihn mit Kasteiungen und Strafen belegt, seine Liebe zu einer schönen Jungfrau fie hieß Ideal ihm als Sünde und Ver­brechen vorgeworfen und dieselbe bei den Eltern angeschwärzt hatte. Dies und noch vieles Andere schoß Bourgeois beim Anblick der Großmutter durch den Kopf. Schäumend vor Zorn trat er der erschrockenen Alten entgegen, nannte sie sehr despektirlich eine alte Vettel, ein mißgünstiges, menschenfeindliches Weib, die ihre Freude daran habe, Anderen die Freude zu verderben, und die man am liebsten todtschlagen solle. Dabei griff er in seinem Zorn nach einem Degen, den ihm seine Angebetete, Jungfer Ideal, geschenkt er liebte das Fechten und führte eine gute Klinge und hätte jetzt unfehlbar die Großmutter erstochen, wenn ihm nicht die Nachbarn in den Arm gefallen wären und ihn beruhigt hätten. Diese Szene hatte seine Eltern so alterirt, daß sie bald darauf an einem schwülen Tage es war der 18. März 1848 und es gab ein arges Gewitter beide der Schlag traf. Frau Feudalia war mauſe­todt, aber Herr Absolutismus   lebte noch, er war nur vom Schlage ge­rührt und theilweise gelähmt. Das zwang ihn, seinen Sohn mit in die Leitung des Geschäftes zu nehmen, und er mußte es sich, wenn auch murrend gefallen lassen, daß dieser als der Jüngere und Gewandtere die Hauptleitung in die Hände bekam.

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Selbständig geworden dachte Bourgeois auch an's Heirathen, aber da war während der kurzen Zeit seiner Herrschaft eine merkwürdige Veränderung mit ihm vorgegangen. Er fand plötzlich, daß Jungfer Jdeal für ihn zu unpraktisch, daß sie leichtlebig sei und Neigung zur Verschwendung habe und daß eine solche Frau in einen soliden bürgerlichen Hausstand nicht paffe. Er nahm also ihr Geschenk, den Degen, packte ihn schön ein und schickte ihn nebst einem höflich gehaltenen Billet ihr wieder zurück, in dem er ihr in verbindlichster Form sagte: es thue ihm leid, er liebe sie noch in alter Weise, aber sein Vater sei gegen ihre Verbindung, und er als ge­horsamer Sohn halte für Pflicht, ihm zu gehorchen. Er heirathete eine bereits in den Jahren vorgeschrittene Wittwe, die sich Frau Realia Nüchtern nannte. Es war eine Vernunftehe, und die Folge war, daß zwar nicht die Liebe, aber das Geschäft blühte und der Reichthum Bour­geois' ganz riefig zunahm.

Aber einmal rächt sich Alles in der Welt, das sollte jetzt auch Herr Bourgeois erfahren. Höret!!

Seiner Ehe mit Frau Realia Nüchtern war ein gesunder kräftiger Junge entsprossen, der aber eine merkwürdige Aehnlichkeit mit der frühe­ren Geliebten seines Vaters, Jungfer Jdeal, hatte. Offenbar hatte Bour geois, als er die ehelichen Pflichten bei Frau Realia ausübte, sich in die Arme seiner früheren Geliebten geträumt, und so war das Unglück ge­schehen. Ein gewiffer Wolfgang Goethe   hatte, nach seinen Wahlverwandt­schaften, Aehnliches erlebt.

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Kurz und gut, der Junge gedich prachtvoll, er hatte alle guten Eigen­schaften seines Vaters und dessen ehemaliger Geliebten; aber er hatte auch einen Fehler, er war von Gemüth noch unbändiger, als früher sein Vater war, und das verursachte dem Alten viel Kopfschmerzen. Indeß Travailleur so hatte man ihn getauft, man französelte damals viel. schoß in die Höhe, ward groß und kräftig und entwickelte sich auch geistig ganz vorzüglich. Kaum zwanzig Jahre alt, stellte er aber an seinen Vater dasselbe Verlangen, was dieser erst mit 25 Jahren an den seinen gestellt hatte. Der Alte war außer sich, das hatte er nicht erwartet. Es gab heftige Szenen und Auftritte. Travailleur ward eingesperrt, dann wurde ihm allerlei Umgang untersagt. Bücher und Schriften, denen der Alte einen besonders ungünstigen Einfluß zuschrieb, wurden ihm zuletzt verboten. Aber Alles half nichts, der Junge wurde nur um so unge­stümer. Vor Verzweiflung wurde Bourgeois beinahe findisch, und so ver­fiel er auf die tolle Jdee, daß vielleicht bei seinem Sohne helfe, was bei ihm vergeblich angewandt worden war. Er erinnerte sich plötzlich der alten Großmutter, die, steinalt geworden, immer noch lebte und die er längst vergessen hatte. Sie war mittlerweile die Urgroßmutter seines Sohnes geworden, der sie freilich nie gesehen hatte. Er ließ sie rufen. Auf zwei Stöcke gestützt, trippelte die Alte herein, eine große, mit Horn eingefaßte Brille mit halberblindeten Gläsern auf der spitzen, habichtgekrümmten Nase. Bei diesem Anblick der Alten tamen Travailleur alle die alten Märchen von Heren und alten bösen Weibern, womit man ihn in seiner Jugend so oft einzuschüchtern versucht hatte, wieder in's Gedächtniß; er fing laut an zu lachen, lachte, daß die Wände dröhnten und die halbtaube Urgroßmutter sich die Ohren zuhielt, während der Vater vor Scham und Born in den Boden sinken wollte.

Soweit waren wir, lieber Leser, in unserer Geschichte gekommen, als unser Blick auf die vor uns liegende zweite Beilage des Leipziger Tageblatts" vom 17. Januar 1883 fiel, welche einen Artikel enthielt, betitelt:

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Die Gründung eines Kirchenbau Vereins für die Stadt Leipzig.".

Die Sozialdemokratie und die Börse.

Aus der Rede Kayser's im deutschen   Reichstage. ( Dem stenographischen Bericht entnommen.)

Meine Herren, es ist ja natürlich, daß wir als die Vertreter der deutschen Arbeiterpartei die Frage von einem ganz anderen Gesichtspunkt ansehen, als wie das bisher geschehen ist. Bisher ist die Frage vom Standpunkt der Geschäftsmänner aus beurtheilt worden, während wir hauptsächlich in dieser Frage einen sozialpolitischen Hintergrund sehen und meinen, daß, um die Sache richtig zu beurtheilen, es nothwendig ist, die Börse in ihrem ganzen Wesen zu beleuchten. Das eigent liche Wesen ist wohl von den Vorrednern gestreift worden, allein näher ist Niemand auf den Geist der Börse eingegangen. Wir, die Sozialdemo traten, haben außerdem noch Grund, hier Zeugniß abzulegen von unferer Stellung, auch gegenüber dem spekulativen Kapital, nachdem der soziale Prediger" der konservativen Partei draußen immerwährend be­hauptet, daß Sozialdemokratie und Börse in engem Zusammenhang stän den. Ich bedauere lebhajt, daß Herr Stöder heute nicht anwesend ist, damit er aus meinen Auslaffungen das Resultat ziehen könnte, in Zu­funft, wenn er wieder über meine Partei redet, die Wahrheit an verschiedenen Orten zu sagen.

Das bewirkt es eben, daß man im Volte sehr oft Börse und Schwindel für synonyme Begriffe hält. Ob man Recht hat, ist eine streitige Frage, aber die Volksstimmung ist eine solche, und zu einer Zeit, als der Herr Abgeordnete Lasker im Zenith seines Ruhmes stand, da hat auch er die Börse eine Akademie für Gesetzes­übertretungen" genannt.

( Heiterkeit! rechts.)

Meine Herren, von da an verblich sein Stern, weil ihn die höhere, die Börsen Bourgeoisie fallen ließ, und er wurde auch vom Dreiklassenwahl­recht verworfen und sitt nicht mehr im Abgeordnetenhause.

( Heiterkeit.)

Die damalige tönigliche Kommission", welche unsere Gründerverhält. niffe untersuchen sollte, hat leider Alles begraben, und bei diesem Be­gräbniß waren alle Parteien betheiligt.

Unsere Stellung zur Börse ist die, welche schon Lassalle in seinen Schristen dadurch bezeichnet hat, daß er die Börse, die reinste Erscheinung des Ausbeutungsprozesses der heuti

gen Zeit" nannte. Niemand zeigt mehr als die Börse, daß die Ver­mögensansammlungen nicht aus persönlichem Verdienst herkommen, son­dern daß die Vermögensansammlungen ein Produkt der objektiven Be­wegung der Gesellschaft sind, und daß es fremde Ereignisse find, welche die Frage des Mein und Dein des Individuums bestimmen. Ich muß aber bei dieser Gelegenheit doch auch das Verhältniß der Parteien zur Börse näher betrachten. Es ist für mich durchaus interessant, in dieser Frage den Ansturm gegen den Kapitalis­mu8 der Börsenstenerentwurf oder vielmehr der Geist desselben wird wenigstens draußen in den konservativen Agitationsversammlungen, was die Herren hier freilich nicht so scharf thun, so dargestellt gerade von der rechten Seite, d. h. auch zu einem Theil von den Ver­tretern der Aristokratie gemacht zu sehen; denn oft ist Aristokratie und Börse eng mit einander verbunden. In Oesterreich  3. B. genügt eine gelungene Börsenspekulation, um Jemanden zum Ritter" zu machen, und Ritter von Ofenheim und Ritter von Gold­schmidt find Aristokraten geworden in Anerkennung gelungener Börsen­operationen. Bei uns haben wir Baron von Bleichröder   und Barov von Landau, und ich weiß nicht, welche Namen noch.

( Zuruf.)

Herr von Minnigerode ruft: noch mehr". Warum auch nicht? Ich glaube nur, daß ihm und Herrn Stöcker diese Namenslaute in Verbin dung mit dem Adel ein gewisses Grauen einflößen müssen über die Ver­bindung, die da hergestellt ist zwischen Geburts und Geldaristokratie.

( Heiterkeit! links.)

Mich freut die Umkehr der Konservativen; die Umkehr ist anerkennens­werth. Hat doch hier einmal der Herr Handelsminister von Jhenpliz gegen Herrn Lasker erklärt, daß auch die Minister zuweilen spekuliren". Nun ist die Umkehr noch anerkennenswerther, weil seinerzeit, als Herr Dr. Perrot begonnen hatte, für die Kreuzzeitung" Artikel zu schreiben über die Aera Bleichröder Camphausen", und er auch den Herrn Reichstanzler in Verbindung gebracht mit der Börsenspekulation und dem Börsengetriebe, er als" Deklarant" ziemlich allein stand. Mich freut es aber, wenn Sie jetzt soweit in der Bekämpfung der Börse, des spekulativen Kapitals gehen, wie das neulich ein konservativer Wahl­aufruf in Neusalz an der Oder   gethan hat, daß man dort verlangte, das Eigenthum von Rothschild   und Bleichröder es ist ja durch Speku­lation erworben solle der Staat wegnehmen und ihnen eine Rente geben, was wir Sozialisten die Gewährung von Genußmittelannuitäten nennen würden.

( Heiterkeit.)

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Wir sind damit ganz einverstanden. Sie auf der rechten Seite sollten nur auch mit uns rufen: Fortsetzung folgt! Sie sollten anerkennen, daß dann auch die Vermögen der Fürst Hazfeldt, Herzog von Ratibor  , Stumm, Krupp und von Minnigerode zu tonfisziren sind,

( Heiterkeit)

denen dann ja auch, wenn die Wegnahme des Vermögens in friedlicher Weise sich vollzieht, Genußmittelannuitäten gewährt werden sollen. Ich muß überhaupt sagen, daß auf meine Partei die Bekämpfung des Kapi­talismus durch die rechte Seite einen merkwürdigen Eindruck macht. Uns erscheint der Kampf nur als ein solcher zwischen Bodenrente und mobilem Kapital. Wir begreifen um so weniger die Bekämpfung der Vermögenserwerbung durch Spekulation seitens des feudalen Sozia­lismus den ich wohl, historisch genommen, so nennen darf als er sich doch von diesen Spekulationen nicht fernhält. Schon im Jahre 1847 hat Rarl Marr ich zitire mit Vorliebe die Herren Marr und Laffalle, weil sie sonst von Herrn Stöcker dazu benützt werden, um die unwahre Thatsache zu behaupten, wir seien Anhänger der Börse über den feudalen Sozialismus gesagt:

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Und im gewöhnlichen Leben bequemen sie sich, allen ihren Reden zum Troß, die goldenen Aepfel aufzulesen und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schafswolle, Runkelrüben und Schnaps zu vertauschen.

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( Unruhe rechts.)

Meine Herren, diese Spekulations praris der Konservativen muß besonders betont werden, weil von diesen draußen im Volke bei den Agitationen die Börse und die Börsensteuer als eine Hauptgrundlage dafür benutzt wird, um zu sagen, wie die Konservativen den Kapitalis­mus bekämpfen und eintreten wollen für die ärmere Bevölkerung. Nun wird uns gesagt, die Börse müsse man schützen, denn sie sei in enger Verbindung mit der Spekulation. Wir haben Eingaben die Menge bekommen von Börsenverständigen aller Art, und alle haben uns gesagt, was die Börse Großartiges geleistet habe. Sie habe Eisenbahnen gebaut, Rabel gelegt, und an Allem, was jetzt an großen Fortschritten vorhanden ist, sei die Börse betheiligt. Meine Her­ren, die Börse hat das doch wahrhaftig nicht gethan, um der Welt da­mit einen großen Nutzen zu schaffen, die Börse that es wegen des Profits, den sie machte. Wenn ein Börsenunternehmen zum allge­meinen Nutzen" nichts einbringt, dann muß der Staat Zuschuß leisten, dann muß der Staat das ausbauen, was die Börse unfertig liegen läßt. Die Börse läßt, wie wir das bei der Berliner Stadtbahn  erlebt haben, wenn etwas verkracht ist, Alles verkracht und wüst daliegen, und der Staat, die Gesammtheit des Volkes, muß aus seinen Taschen das verkrachte Unternehmen weiterführen; die Börse opfert nichts, um eine solche Bahn, weil der Allgemeinheit nützlich, auch auszubauen. Wenn der Profit nicht mehr da ist, so läßt sie Alles liegen; ihr ist die Pro­duktivität gleichgiltig, fie will nur Rentabilität. Und trotzdem übt der heutige Staat die Rücksicht und richtet eine Station Börse" ein.

Nun aber, meine Herren, will ich den Vorrednern gern zu­geben, daß die Börse nothwendig ist gerade im Interesse des heuti gen Staates und zwar zur Unterbringung der Staatspapiere. Die Börse hat sich ja außerdem noch bemächtigt der Industriepapiere. Das halte ich für keinen Vortheil; denn ich weiß, wie außerordent lich der Lohn der Arbeiter mitunter gedrückt wird, um die Dividende ein klein wenig zu erhöhen, weil dann die erhöhte Dividende wieder bessere Kurstreibereien gestattet. Aber, meine Herren, man soll doch nicht vergessen, daß gerade der Staat durch die Staats­papiere der Börse mit ihren Spekulationen hauptsächlich Nahrung zuführt. Der Staat macht Schulden und muß die Schuld unterbringen, und dieses Schuldenmachen des Staates hat großentheils seine Grundlage in dem Militarismus, der ihn zwingt, große Schulden zu machen. Er muß an die Börse gehen und selbst bei solchen Transaktionen wie bei dem Ankauf der Eisenbahnen begibt er sich, um das Aktienkapital unterzubringen, in die Abhängigkeit von der Börse, und es hat gerade der Giftbaum" wie so schön einmal ein Minister die Börse nannte fehr viel goldene Früchte durch die Art der Geschäftsgebahrung gerade dieses Ministers auf sich wachsen sehen.

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Außerdem das sollte gerade Herr Sonnemann anerkennen führt ia das ganze Arbitragegeschäft zu einer Zentralisation der Börse, und der Zug aller Börsenleute geht außerordentlich nach Berlin  . Die Breslauer Börsenleute, die in Frankfurt   a. M. sagen: hier am Orte geht das Geschäft nicht mehr so gut; fie müssen an dem Orte sein, wo die Zentralisation der Täuschung und Kursmacherei ist,

( Heiterkeit rechts.)

um im richtigen Augenblick eingreifen und mitmachen zu können.

Meine Herren, das ist also unsere Stellung zur Börse. Es ist selbstverständlich, daß wir das spekulative Kapital durchaus für so aus­beutend halten als das Industriekapital, und daß wir auf dem Stand­punkte des tonservativen Wahlaufrufs von Neusalz   a. O. stehen, nur daß wir deutlicher sagen:" Her mit dem ganzen Kapital für die pro­duktiven Klaffen!"

Meine Herren, unser Standpunkt zum spekulativen Kapital und damit die Stellung der deutschen Arbeiter dazu wird am besten ausgedrückt durch den Say Laffalle's der Herr Präsident ist wohl so freundlich und erlaubt mir, daß ich ihn vorlese, der lautet:

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Der Rücken der Arbeiter ist also der selbstlose grüne Tisch, auf welchem Unternehmer und Spekulanten das Glücksspiel spielen, zu welchem die heutige Produktion geworden ist. Der Rücken der Ar­beiter ist der grüne Tisch, auf welchem fie die Goldhaufen einkaffiren, welche ihnen der günstige Coup der Roulette zuwirft, auf welchen schlagend fie fich für den ungünstigen Wurf mit der Hoffnung befferer Chancen für nächstens trösten."

So ist unser Standpunkt in theoretischer Beziehung vor ca. 20 Jahren von Lassalle   festgestellt worden, und so stehen wir noch heute.

Da ist zunächst als großer Mangel die Kontrole, das Re­gifterbuch, bezeichnet worden. Nun, wir billigen es nicht und halten es für nicht dem ftaatsbürgerlichem Recht angemessen, daß Einer immer­währenden Untersuchungen durch einen Beamten ausgesetzt ist, aber das feine Gefühl, welches Sie hier für die Börsenleute haben, sollten Sie auch für die armen Arbeiter haben,

( sehr richtig! links)

die durch das Ausnahmegesetz jeden Tag, jede Stunde ( Zuruf: Auch Nacht!)

nicht nur ihre Papiere und Bücher, sondern auch ihre Wäsche, Kleidungs­flücke, überhaupt Alles durcheinander werfen lassen müssen, weil nach Verdachtsgründen geforscht wird,

( sehr richtig! links)

und bei solchen Kontrolbüchern ist, wie beim Ausnahmegesez jeder Ar­beiter, jeder Börsenmann verdächtig.

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( Heiterkeit.)

Aussprechen muß ich es aber, daß eigentlich in der Furcht, daß das Geheimniß entdeckt werden könnte, doch wiederum etwas liegt, was deutlich den Mangel unserer ganzen Gesellschaftsordnung kennzeichnet. Meine Herren, ich bedauere, daß Alles das, was bei uns Wirthschaftszwede erreichen soll, wie die Börsensteuer

und

im Geheimen haben Sie auf der rechten Seite dabei doch einen Wirth­schaftszweck im Auge sich im deutschen Reiche auflöst in einen Steuerzweck, und der frühere Geheime Regierungsrath Wagener hat in seinen Blättern gar nicht Unrecht, wenn er neulich aussprach, daß man im deutschen Reiche, bei unserer Steuerpolitik, deshalb wohl vor­züglich den religiösen Sinn beleben wolle, damit alle Deutschen  nachher mit einer Art religiöser Begeisterung die Steuerlaften tragen.

( Heiterkeit! Sehr gut!)

Meine Herren, meiner Partei kann es ganz recht sein, wenn Sie den Kapitalisten das Leben etwas schwerer machen, durch sogenannte Kontrole, Steuerkontraventionsfurcht 2c. Ich hoffe, daß dann auch die Kapitalisten mürber werden und sich der Sozialdemokratie als einem nothwendigen Fortschritt der Gesellschaft geneigter machen.

( Rufe: Sehr gut! Heiterkeit.)

Meine Herren, nach meiner Ueberzeugung wird man der Börse unter den heutigen Zuständen niemals sehr wehe thun, denn der größte Theil der herrschenden Klassen, macht" in Papieren. ( Abgeordneter v. Wedell- Malchow ruft: Leider wahr!)

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Selbst auf Ihrer Seite( rechts) hat ein Unterzeichner dieses Antrages noch vor ganz kurzer Zeit ich meine den Herrn Abgeord­neten Ackermann Trintsprüche ausgebracht auf das Gedeihen der Fondsbörse, und erst, seitdem aus der Unter­zeichnung weitere Konflikte entstanden sind, scheint nun Herr Ackermann nicht mehr dieselbe Begeisterung für das Gedeihen der Fondsbörse, der Effektenspekulation und dergleichen zu haben

( Hört, hört! links)

und hat sein Syndikat niedergelegt.

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Meine Herren, ein Minister hat einmal die Börse einen Gift­baum genannt. Ich behaupte nun, daß dieser Giftbaum immanent ift der heutigen Wirthschaftsordnung, daß eben ein Giftbaum da wächst, wo auch ein Giftbaum ist.

( Sehr richtig! links)

Das mag der Minister als Konsequenz seiner Aeußerung in Betracht ziehen. Ich behaupte deshalb, daß das Uebel der Börse, das Uebel, welches uns zeigt, wie der Kapitalist nicht nur seinen Profit aus der Arbeit zieht, sondern wie noch ein großes Spiel mit dem Kapital­profit, der Bodenrente und dergleichen getrieben wird, und wie der Arbeiter dafür nur die Grundlage und der grüne Tisch ist, daß dies Uebel und alle, die damit im Zusammenhange stehen, nur aufgehoben werden können durch den sozialistischen   Staat.

( Sehr gut! links.)

Zum Kapitel von der freien Liebe.

Den Herren v. Puttkamer   und v. Nostiz- Wallwit gewidmet.

In seiner famosen Rede über die Nothwendigkeit, den kleinen Belage­rungszustand in Berlin  , Hamburg   und Leipzig   aufrecht zu erhalten, ge­brauchte Herr Puttkamer   wieder das alte Mittel, die Sozialdemokratie als die Untergrabung jeder Moral, insbesondere aber der ,, Heiligkeit der Ehe" hinzustellen, als die Verbreiterin der scheußlichen Theorie von der freien Liebe. Es ist dem Schwager und Handlanger Bismarc's von Genosse Grillenberger sofort in schlagender Weise heimgeleuchtet worden, es dürfte aber nicht unzweckmäßig sein, ihm sowie seinem verehrten" Freunde, dem nicht mit Revolutionären diskutirenden" sächsischen Mi­nister von Nostiz Wallwig, aus dem Bereiche des tleinen Belagerungszustandes ein Bild vorzuhalten, wie ihre nicht revolutionären, zur Ordnungspartei gehörenden Freunde über dieses Thema denken und handeln.

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In dem Städtchen Plag wit bei Leipzig   besteht schon seit zwei Jahren ein Verein unter dem geistreichen Namen: Mooskopftlub". Er hat sein Lokal im Gasthaus Insel Helgoland" und zählt zu seinen Mit­gliedern meist Fabrikanten, größere Geschäftsleute, Beamte, Gemeinde­räthe u. s. w. Ein Bekannter von mir, der auch für die Wahrheit des Gesagten einsteht, hatte im Oktober letzten Jahres die Ehre, von einem ihm naheftehenden größeren Geschäftsmanne, der dem Verein angehört, zu einer Abendunterhaltung eingeführt zu werden, und berichtet mir darüber Folgendes:

Der Vorsitzende dieses Klubs, auch Obermooskopf" genannt, ist der Direktor einer dortigen Papierfabrik. An dem betreffenden Abend waren ungefähr 14 Mitglieder mit ihren Frauen erschienen und ging es zunächst ganz solide, wie in einem gewöhnlichen Rauchklub, zu. Um halb 10 Uhr änderte sich jedoch die Situation, die Pfeifengeräthe wurden bei Seite gelegt und die Frauen nach Hause begleitet. Nach 10 Uhr waren die Mitglieder wieder erschienen und nach und nach trafen noch mehrere ein. Meinem Gewährsmann wurde nun von dem Vorsitzenden mitgetheilt, daß der Rauchklub geschloffen sei und nun die ungezwungene Unterhal tung" losgehe. Auf den Tisch wurde ein Aschenbecher gebracht, auf deffen Deckel das Sinnbild der Venus fichtbar war; andere Trinkgläser, mit den unfittlichsten Bildern bemalt, kamen zum Vorschein, und die neuesten Photographien und Karten auf dem Gebiete der Zote und Unfläthigkeit zirkulirten.

Der Vorsitzende hielt nun einen Vortrag über verschiedene Gebrauchs­weisen der Ehefrauen zur Genugthuung der Wollüftlinge. Mittlerweile wurde es 12 Uhr, der Vorsitzende verkündete, daß es jetzt losgehe". Zwei Mädchen wurden aus einem anliegenden Tanzsaale geholt und von den Mitgliedern in einer Weise empfangen, die zu schildern mir der Anstand verbietet. Als man nachher die beiden Frauenzimmer auf eine unmenschlich schändliche Art mißbrauchen wollte, widersetzten sich dieselben energisch und erklärten, sie seien zwar Freudenmädchen, aber zu einem unter der Menschenwürde stehenden Genusse gäben sie sich doch nicht her. Daraufhin wurden sie von den Herren entlassen" weil sie, wie der Vor­echt fizende bemerkte, kein Geld verdienen wollten" bourgeoismäßig gebacht!

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Jetzt wurde von dem Mitgliede H. ein hübsches 18jähriges Mädchen, das unter seiner Vormundschaft steht, hereingebracht. Dasselbe wußte von Allebem, was man mit ihm vorhatte, nichts; es wurde mit Champagner traktirt und schließlich in einen solchen Zustand gebracht, daß es fich von diesen Bestien zu allen Scheußlichkeiten gebrauchen ließ. Bald darauf