übrig geblieben? Wir haben, da wir uns nicht todtmachen lassen, und uns die Freiheit nehmen, zu leben, ob Sie es wollen oder nicht, wir haben uns eine Presse im Auslande zu schaffen gesucht. Dazu haben Sie uns gezwungen.

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Es ist hier bereits erklärt worden, daß, wenn wir ein Blatt als unser Organ anerkennen, das nicht bedeutet, daß wir für jedes Wort einstehen, welches darin steht, ebensowenig wie Ihre Minister für Alles, was in der Norddeutschen oder in der Provinzial- Korrespondenz steht, eintreten können. Aber daß unsere Presse, das Organ der Opfer des Sozialistengesetes, der Empörung, dem Zorn, der Wuth der mißhandelten Opfer in leiden­schaftlicher Weise Ausdruck gibt, das versteht sich einfach von selbst. Es ist die nothwendige Frucht des Ausnahme­gesetzes. Alsö nochmals: heben Sie das Ausnahmegesetz auf, dann werden wir ja ſehen, ob und wie die Sprache sich ändert. Ich habe Ihnen vorhin das Beispiel der englischen Trades Unions vorgeführt; wenn Sie sich ein Erempel daran nehmen, eine Lehre daraus ziehen wollen, nun, so brechen Sie mit der Ausnahmegesetzgebung. Wollen Sie dies aber nicht, so beschweren Sie sich wenigstens nicht über die Wirkungen Ihrer Ausnahmegesetze. Meine Herren, ich will in Bezug auf unseren Antrag nicht mehr in Details eingehen. Wir stehen auf dem Boden des Prinzips, wir verlangen, daß auch Sie sich darauf stellen; wer für den Antrag stimmt, bei dem ist der Grundsatz: justitia est fundamentum regnorum*) wirklich in Fleisch und Blut übergegangen; wer dagegen stimmt, in dem fönnen wir nur einen prinzipiellen Anhänger der Ausnahmegefeggebung erkennen. Stimmen Sie, mit diesen Worten, schließe ich, stim­men Sie, wie Sie es für gut halten; das Volt wird sehen, wer in Deutschland eine reformatorische Ents widlung will, und wer sie nicht will.

Sozialpolitische Rundschau..

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Zürich , 7. März 1883.

Geständnisse einer schönen Seele. Der Erziunter von Mirbach, Hauptführer der Agrarier, richtet von Nizza **) aus einen offenen Brief an das Deutsche Tageblatt", worin er der Welt seine Schmerzen, will sagen seine Gedanken" über die Steuer­debatte im Preußischen Landtage mittheilt. Wunderbar ist die Weisheit, die der eble Agrarier da zum Besten gibt.

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,, Meiner engeren Heimath, Ostpreußen ," erzählt er uns, wurde im vorigen Jahre eine recht reiche Ernte zu Theil, deren günstiger Einfluß sich nicht blos auf dem platten Lande, sondern auch in den Städten geltend gemacht hat. Welch' einen Aufschwung würde aber die Provinz nehmen, wenn das Brod theuer wäre, wenn die zum Theil recht niedrigen Getreidepreise um 50 Prozent höher ständen. Wie würde die erhöhte Kauftraft des Landmanns gerade der städtischen Arbeit und damit auch den städtischen Arbeitern zu gute tommen! Welche Unternehmungen würde sie in's Leben rufen, wie viele andauernde, gesicherte Arbeit bei dadurch nothwendig erhöhten Löhnen würde sie der arbeitenden Bevölkerung bringen!"

Hat man so etwas schon gehört? Wenn nur das Brod recht theuer wäre!" Nach dieser famosen Logik würde es für die Menschheit nichts Besseres geben fönnen als eine recht große Theuerung, und für das arbeitende Volt tein größeres Unheil als billiges Brod. Das lohnte sich allerdings von Nizza nach Berlin zu schreiben.

Aber wie kommt Herr v. Mirba ch zu dieser schlauen Entdeckung? O, die Sache ist ganz einfach. In Ostpreußen sind die Lebensmittel billiger als im Westen Deutschlands , und trotzdem strömen die Arbeiter von dem Often nach dem Westen. Und in den Jahren 1871/72, wo die Getreidepreise gleichfalls sehr hoch standen, blühten Handel und Industrie. Nichts näherliegend, wenigstens für einen junkerlichen Denkerschädel, als der Schluß, daß 1871/72 die Industrie blühte", weil das Getreide theuer war, und daß im Westen und Südwesten Deutschlands der Ar­beiter nicht ganz so schlecht gestellt ist wie im Osten, weil die Lehens­mittel im Osten zu billig sind. Diese Folgerung hat schon deshalb viel für sich, weil sie mit den Interessen des Edlen von Mirbach zusammen­ftimmt: für den Großgrundbesitzer find hohe Getreidepreise in der That ein wahrer Segen."

Aber diese Entdeckung hat noch eine weitere Schönheit zur Folge: fie zerstört die Forderung nach einer erhöhten direkten Steuer für die großen Einkommen als Ausgleich gegen die höhere Belastung des Volkes

*) Die Gerechtigkeit ist die Grundlage aller Staaten.

**) Dieser arme Landsflave muß sich wirklich für sein täglich Brod arg abgerackert haben, sonst brauchte er seine wenigen Sparpfennige doch nicht in dem zwar sehr schönen, aber auch recht theuren Nizza zu verzehren.

Feuilleton.

Die Kerker des Czaren.

In Nachstehendem veröffentlichen wir einen uns von Freundeshand zugehenden Brief, der ein grelles Streiflicht auf die in den russischen Gefängnissen herrschenden Zustände, insbesondere auf die schändliche Be­handlung politischer Gefangener und Untersuchungs­gefangener in Rußland wirft, der einen neuen Beitrag liefert zur Beant­wortung der Frage: wer hat in Rußland den Terrorismus hervor­gerufen?

Wohl den meisten Genossen dürfte die Affäre Trepoff- Bogol­juboff bekannt sein. Hat doch der Schuß der heldenmüthigen Wera Sassulitsch in ganz Europa Wiederhall gefunden, als bekannt wurde, daß das edle Mädchen sein Leben hauptsächlich deshalb auf's Spiel setzte, um die Mißhandlung politischer Gefangenen der ganzen Welt kundzuthun. Und doch wußte man damals noch nicht Alles, man hatte nur von der Auspeitschung Bogoljuboff's erfahren, nicht aber ven den sich an dieselbe knüpfenden Vorgängen im Untersuchungsgefängniß. Aber auch sie sind es werth, der Oeffentlichkeit mitgetheilt zu werden.

Ich befand mich damals im gleichen Gefängniß, in dem Bogoljuboff saß, und war gleichfalls Zeuge fener entsetzlichen Brutalität, welche Wera Saffulitsch den Revolver in die Hand drückte. Geftatten Sie mir, Ihnen Einiges über das zu erzählen, was mich und meine Mitgefangenen in jenem Augenblicke beseelte. Ein Schrei des Entsetzens und der tiefften Empörung ertönte in allen Zellen, siedend heiß tochte unser Blut, als man den unglücklichen Bogoljuboff unter den Fenstern der Frauenab­theilung zu peitschen begann. Man schlägt ihn! Man schlägt ihn mit Ruthen!" so flog der Schreckens- und Wuthschrei von Mund zu Mund, von Wand zu Wand, von einem Kerker zum andern.

Es war der schrecklichste Augenblick in meinem Leben und wohl in dem der meisten Gefangenen. Zusehen zu müssen, wie einer der Unsern mißhandelt wurde, zum ohnmächtigen Zuschauen verurtheilt zu sein, wo man keinen andern Gedanken trug als den, sich auf die Bestien zu ftürzen, die Bogolinboff mit Ruthen zerfleischten: es war entsetzlich. Man rannte wie wahnsinnig gegen Mauern und Thüren. Aber sie waren fest und start und spotteten unserer verzweifelten Anstrengungen.

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So jeder Möglichkeit beraubt, den besten und geachtetsten Freund aus den Händen der Henter befreien, ihn rächen zu können, das war in der That zum Rasendwerden. Der Eine rauste fich die Haare aus, ein Anderer schlug solange mit dem Kopfe gegen die Wand, bis er ohumächtig niederstürzte; noch Andere schlugen heftig gegen die Thüre und schrieen, man solle aufhören, Bogoljuboff zu schlagen. Wieder Andere zerbrachen Alles, was ihnen unter die Hände fam. Einige, die gerade zu dieser Zeit im Korridor waren, schlugen die Scheiben ein oder zertrümmerten ganze Fenster. Der Lärm war ungeheuer und dauerte lange. Erst als das Peitschen vorbei war, wurde es auch in den Zellen etwas ruhiger.

durch die indirekten Steuern, welche Forderung für Herrn v. Mirbach einen beinahe kommunistischen Beigeschmack" hat. Denn die Arbeiter müffen noch dankbar sein, wenn durch landwirthschaftliche 2c. Schutz­zölle ihre Bedürfnisse vertheuert werden. Es ist das voller Ernst, man höre nur:

Eine besondere Entschädigung hat also die arbeitende Be­völkerung keineswegs dafür zu beanspruchen, daß das System der indiretten Besteuerung bei uns jüngst wieder mehr ausgebildet worden ist. Im Gegentheil, das indirette Steuersystem liegt ge­rade im Interesse der arbeitenden Bevölkerung selbst, soweit die indirekten Steuern Schutzölle sind."

Was nach Herrn Mirbach's Logit bei 99 Prozent der Fall ist. Nun, was sagt Ihr dazu, Arbeiter? Werdet Ihr endlich einsehen, was für unwissende und unverschämte Patrone Ihr bisher gewesen? Unwiffend, weil Ihr Euch einbildetet, daß, wo hohe Löhne gezahlt wer­den, auch hohe Lebensmittelpreise zu ertragen find, daß lettere indeß nie die Ursache flotten Geschäftsganges gewesen sind, wohl aber die Folge eines solchen sein können, unwissend, weil Ihr wähntet, daß die indirekten Steuern, namentlich die Steuern auf die nothwendigsten Lebensmittel, auf Euch, auf der großen Masse lasten, während hört und staunt! auch diese Steuern vorzugsweise von den Reichen getragen werden, weil dieselben wagt es nicht, zu lachen! Dienstboten zu ernäh ren haben und häufig zahlreiche Gäste bewirthen!" Unverschämt aber wart Jhr, indem Ihr Eure Wohlthäter, die guten Agrarkonservativen, bekämpftet, anstatt ihnen blindlings zu folgen, daß Ihr Abschaffung der indirekten Steuern fordertet anstatt Erhöhung. Geht in Euch, arme, verblendete Proletarier!

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Vor Jahren sahen wir einmal eine Posse, in der ein jüdischer Trödler einer Anzahl Bauern auseinandersetzte, daß, wenn er verdiene, auch die ganze Welt verdiene. Hab' ich gekauft einen alten kupfernen Kessel und ihn laffen versilbern auf' ne neue Art, worauf ich ihn hab' verkauft für filbern. Ist die Familie, die daraus gegessen hat, krank geworden. Hat verdient der Arzt, hat verdient der Apotheker, hat verdient der Todtengräber hat verdient die ganze Welt!" Eine nette Logit, nicht wahr? Aber wenn man den obigen frommen Wunsch nach recht hohen Brodpreisen lieft, dann kommt es Einem doch vor, als ob zwischen ihr und der des Herrn von Mirbach eine gewaltige Aehnlichkeit besteht. Der Unterschied liegt nur darin, daß der schamlose Jude eine Schöpfung dichte rischer Phantasie war, Herr von Mirbach aber Mitglied des Herrenhauses und erster Vorsitzender des Vereins der Steuer- und Wirthschaftsreformer, eine Säule des christlich germanischen Antisemitismus ift.

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Wie wenig hohe Getreidepreise auf die Löhne der Arbeiter wirken, das zeigt eine uns eben in die Hände fallende Statistik der Löhne der belgischen Kohlenarbeiter von 1840 bis 1880 im Verhältniß zu den Getreidepreisen." Nach derselben betrug: Im Jahre der Jahreslohn eines Arbeiters der Preis für 100 k Weizen 1840 660 Franken 28, Franken

1850

505

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1860

782

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1865

774

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1870

830

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1875

1085

1878

756 752

20,95 31,15

"

"

23,11

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29,34

"

26,21

"

28,73

"

28,56"

1880 Nach der Logik des Herrn von Mirbach hätte 1860 und 1870 der Lohn am höchsten sein müssen, während er seinen höchsten Stand im Jahre 1875 hatte, wo die Getreidepreise erheblich niedriger als in den genannten Jahren waren. Zu sonstigen Schlüssen sind diese wenigen Zahlen nicht geeignet, aber sie genügen zur Abfertigung der famosen Theorie von dem Nutzen hoher Getreidepreise für die Arbeiter.

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Keine Ausnahmegese te. Ein Genosse aus dem Rheingau sendet uns eine längere Zuschrift, in der er gegen unseren Artikel in Nr. 5: Monarchische Wölfe und demokratische" Schafe" polemifirt, weil dieser für Frankreich ein Ausnahmegesetz gegen die Prinzen der ehemaligen Regentenhäuser befürwortet, wir aber prinzipielle Gegner aller Ausnahmegesetze sein müßten. Man wende", sagt der Einsender u. A., das gemeine Recht auf diese Leute an. Haben sie sich außerhalb desselben gestellt, so stelle man sie wieder darauf. Als Bürger sollen sie behandelt werden, sind sie teine, so ernenne man sie hiezu. In der Republik darf es keine Unterschiede in Bezug auf die Stellung gegenüber dem Gesetze geben. Konspiriren sie mit ihren Reichthümern gegen die Republik , so konfiszire man dieselben. Sind ihre Besitzungen ehemalige Domänen für Prinzen von Geblüt, so entziehe man ihnen diese. Man enthebe sie aller Aemter und militärischen Grade, wenn sie dieselben nicht vorschriftsmäßig

Plötzlich hörte ich aus einer entfernten Zelle einen heftigen Schrei, ich wußte nicht, was das zu bedeuten hatte, aber mir sollte bald Aufklärung werden. Nach kurzer Zeit hörte ich die Thüre der benachbarten Zelle auf­gehen, und gleich darauf einen rohen Lärm, aus welchem ich das laute Stöhnen meines Nachbars genau unterscheiden konnte. Jetzt war es mir flar, was der erste Schrei bedeutete, jetzt wußte ich, um was es sich handelte. Ma nübte Rache an uns. Ich hörte die Thüre der benach barten Zelle zuschlagen. Jetzt standen die Henker vor meiner Zelle, die Reihe war an mich gekommen. Ich war damals noch ganz gesund, ich hatte mein schweres Herzleiden noch nicht und war sehr start. Ich schaute mich nach etwas um, um mich vertheidigen zu können, fand aber nichts, denn außer Beit, Tisch und Stuhl war in der Zelle nichts vorhanden, was mir als Waffe hätte dienen können. Ich ergriff den Stuhl, die Thüre öffnete fich und die Gensdarmen erschienen. Mein Stuhl flog durch die Luft gegen den Kopf des Einen derselben, ich selbst warf mich auf den Nächsten; ich hätte sterben mögen, es war mir Alles gleich. Aber ich erlag, man warf mich auf den Boden und begann, auf mich loszu­schlagen. Man schlug mich auf die Brust, auf den Kopf, in's Gesicht, überallhin. Mein Gesicht blutete, aus meinem Munde floß Blut; die Hände der Henker waren roth von meinem Blute, aber sie hörten immer noch nicht auf. Wenn ich mich jetzt daran erinnere, so wundere ich mich selbst, daß ich lebend davon gekommen bin.

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Genug!" schrie endlich eine donnernde Stimme aus dem Korridor, führt ihn in den Karzer!" Zwei Gensdarmen hoben mich auf und trugen mich viele Treppen hinab in den Karzer; hinter mir ging ein Dritter und versetzte mir von hinten Schläge auf Kopf und Rücken. Vor dem Karzer angelangt, öffnete man die Thüre und warf mich hinein. Der Karzer war eine kleine, dunkle Zelle, ungefähr 3 Meter lang und 2 Meter breit, die auf eine eigenthümliche Art konftruirt war. Un­gefähr 2 Zoll von den Wänden waren im Innern der Zellen starte Drahtnetze aufgespannt und mit einer dicken Filzschichte beschlagen. Diese Einrichtung war getroffen, um die Gefangenen, welche hier eingesperrt wurden, zu verhindern, sich die Köpfe an der Wand zu zerschmettern, was früher zum Leidwesen unserer Beiniger oft der Fall gewesen. Damit man den Boden nicht zum Selbstmorde benutze, hatte die Regierung auf eine andere, ebenso abscheuliche wie schreckliche Weise gesorgt. Der Boden im Karzer war weich, aber nicht vom Filz, sondern die Haare werden Euch zu Berge stehen, Europäer, die Ihr mit der Grausamkeit der russischen Regierung und ihrer Kreaturen, mit den Eigenthümlichkeiten der Boden war der russischen Gefängnisse noch wenig vertraut seid!

weich von den Unreinlicheiten der Gefangenen! Es steht und stand im Karzer nichts für die Aufnahme der dem Körper nicht mehr nothwen­digen Stoffe, fie werden von jeher auf den Boden entleert. Der Boden schien mir lebendig zu sein: es trochen und wimmelten da Millionen von allerlei Würmern und Ungeziefern. Entsetzlich, wahrhaft pestilenzialisch war die Luft in dem kleinen Raum, dessen Wärme wohl 30-40 Grad betragen mochte; und für die Erhaltung dieser animalischen Wärme war in raffinirtester Weise gesorgt. Röhren, welche in der Wand angebracht waren, leiteten diese heiße Luft. Es war unmöglich, fie einzuathmen. Ich

erworben haben. Man jage aber auch diejenigen Kreaturen aus Amt und Würden, welche vor diesen Abkömmlingen von Wegelagerern und Banditen in die Kniee sinken und sie anbeten. Fügen sich dann diese Leute noch nicht dem gemeinen Gesetz, wollen fie noch immer nicht als gewöhnliche Bürger behandelt sein und werden sie dann noch durch ihr Verhalten der Republik gefährlich, so bringe man sie einfach dahin, wo Schiller sagt, daß der Landvogt Geßler den Tell wollte bringen lassen, nämlich dahin, wo weder Sonne noch Mond sie bescheint."

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Wir haben darauf nur zu erwidern, daß die Mehrzahl der hier vor­geschlagenen Maßregeln auch nur auf Grund von Ausnahmegesetzen" möglich wären. So namentlich die uns sehr sympathische und von unsern Genossen in der Egalité" geforderte Konfiskation der dem Volke abge­preßten und abgeschwindelten Millionen, denn vor dem bürgerlichen Gesetz ist das Eigenthum heilig", gleichviel woher es fommt: la ré­cherche de la paternité est interdite"( die Nachforschung nach der Vaterschaft ist verboten), heißt es da. Auf Grund des gemeinen Rechtes ist den Prätendenten aber nicht beizukommen, da sie sich schlauestens hüten, in eigener Person gegen die Republik zu wühlen. Dafür haben sie eben ihre Ober- und Unteragenten. Und wenn man sie vor Gericht stellte, wo fänden sich bei der heutigen Gerichtsverfassung Frankreichs Richter, welche den Herren etwas zu Leide thäten? Nein, auf Grund des gemeinen Rechtes sind diese Intriguanten nicht zu fassen, und un­schädlich werden sie erst sein, wenn Frankreich nicht nur dem Namen, sondern auch dem Wesen, den Einrichtungen nach Republik sein wird. Bis dahin würde die Ausweisung noch die mildeste Maßregel sein, und mehr hat der Schreiber unseres damaligen Artikels auch nicht sagen wollen. Ein Thronprätendent aber ist kein Staatsbürger wie Andere.

Es lebe die Offizier sehre! Der Rechtsanwalt Kauff­mann in Berlin hat seinen Abschied aus der Armee er war Reservelieutenant erhalten, weil seine Thätigkeit als Vorsitzender des fortschrittlichen(!) Vereins Waldeck" und des Vereins für Rechtschutz und Justizreform" sich nicht mit der von einem Königlich Preußischen Lieutenant zu verlangenden patriotischen" Gesinnung ver­einigen läßt. So denten wenigstens die konservativen Blätter die Maß­regel, während die liberalen nichts sagen. Der Vorgang entzieht sich jeder öffentlichen Besprechung, da die Verabschiedung durch eine kaiser­liche Kabinetsordre erfolgt ist", heißt es in der Frankfurter Zeitung ".

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Nun ist die Entlassung aus einem Heere, dem ein Schuft wie Prinz Karl von Preußen zur Zierde gereichte, zwar kein großes Unglück, aber das ist hier Nebensache, die Hauptsache ist, daß Wilhelm der Gütige" einem Manne einen Schimpf wenigstens nach seiner Ansicht- anthut, der nichts verbrochen hat, als daß er einer gemäßigten bürger­lichen Oppositionspartei angehört. Daran erkennen wir den Kartätschenprinz!

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Oder sollte die Entlassung deshalb erfolgt sein, weil Dr. Kauffmann energisch dafür sorgte, daß der Juftizatord an dem Theologen Hansen verhindert und daß der schuftige schlesische Prügeljunker Roten han zur Verantwortung gezogen wurde? Wir halten es zum Mindesten für sehr wahrscheinlich. Wozu hieße Wilhelm sonst auch der Gerechte "! Wie dem nun auch sei, die famose preußische Offiziersehre wird durch diese allerhöchste Verfügung wieder glänzend charakterisirt! Arme Mädchen be­trügen, wehrlofe Untergebene schinden, sich für eine reiche Mitgift an irgend das erlaubt sie, aber für Ver eine alte Schachtel zu verkaufen fassung und Recht einzutreten, gesetzwidrigen Uebergriffen anmaßender Volksschinder entgegenzuwirken, das verträgt sich nicht mit hr in Preußen!

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3ur Sparig Affäre. Aus Nürnberg schreibt man uns: Das Erkenntniß in Sachen des Sparig ist heute noch nicht ge­sprochen werden; das Landgericht, welchem der Casus große Kopf­schmerzen zu verursachen scheint, hat die Fällung des Erkenntnisses aber­mals vertagt. Inzwischen haben wir hier eine Abschrift der famosen Brostriptionsliste erhalten ein Monument denunziatorischer Nieder­tracht, wie es klassischer nicht gedacht werden kann. Diese Liste, deren verworfener Zweck beim ersten Blick in die Augen springt, für einen dazu gehört in der That die Organisations plan" auszugeben

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ganze Unverschämtheit und Dummheit eines Sparig. Zur Charakteristik dieses Subjekts noch ein kleines Anekdötchen. Als er heut vor acht Tagen nach Schluß der Gerichtsverhandlung den Saal verließ, traf er an der Thüre mit seinem ehemaligen Freunde Weigand zusammen, der ihn soeben moralisch hingerichtet hatte. Jhu sehen, ihm freundlich auf die Schulter klopfen und die altgewohnte Frage an ihn richten: Wo kneipst Du? Wollen wir nicht ein Seidel zusammen­trinten?" war für den Sparig Eins. Ob es zu der gemeinsamen ,, Kneiperei" gekommen ist, weiß ich nicht. Der widerliche Vorgang zeigt aber recht drastisch, wie vollständig dieses Individuum alles Scham­und Ehrgefühle baar ist. In der guten alten Zeit mußte der Patient"

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legte mich auf den Boden, mit dem Kopfe gegen die Thüre; ich preßte meinen Mund an eine kleine Spalte, die zwischen der Schwelle und der Thüre war, und durch welche ein klein wenig frische Luft in die Zelle hineinströmte, und lag so, bis der Thürwächter fam, der mir ein Stück­lein Brod in den Karzer hereinwarf, wobei er seine Nase mit dem Finger zudrückte. Ich hatte schrecklichen Durst; er quälte mich so stark, daß ich fürchtete, den Verstand zu verlieren. Als der Thürwächter mir das Brod brachte, bat ich ihn, mir ein wenig Wasser zu geben; aber statt Wasser bekam ich die Antwort: Es ist verboten, Dir heute Wasser zu geben!" " Freund", bat ich ihn, habe mit mir Erbarmen, bring' mir nur ein paar Tropfen!" Keinen einzigen, Du willst, daß ich Deinetwegen die Stelle verliere", antwortete er kurz und schloß rasch die Thüre. Drei Tage brachte ich in diesem Karzer zu. Ich lag die ganze Zeit in an der Thüre, beständig von Durste gequält. Am obenbeschriebener Weise an zweiten Tage brachte man zwar Waffer, aber nie so viel, daß ich mich fatttrinken konnte. Es war eine entsetzliche Folter, und ich wundere mich, daß ich dabei den Verstand behalten. Doch war diese Rißhandlung nicht Spurlos an mir vorüber gegangen. Vor diesem Ereigniß war ich stark und gesund, als ich aber aus dem Karzer herauskam, da war es aus mit meiner Gesundheit. Seitdem leide ich an einer unheilbaren Herz­frankheit.

Ich war nicht der Einzige, den man auf diese Weise behandelte; alle Karzer des Gefängnisses waren voll, und wenn uns nicht in Wera Saffulitsch ein Engel der Nache erschienen wäre, so hätte vielleicht die zivilisirte Welt bis jetzt noch nichts von der abscheulichen Mißhandlung der politischen Gefangenen erfahren. Der Schuß von Wera Sassulitsch , die Angabe der Motive, die sie zu ihm veranlaßten, die Freisprechung durch die Geschwornen hatten ein so großes Aufsehen gemacht, daß es der Regierung nicht mehr möglich war, die an Bogoljuboff verübte Schandthat zu verheimlichen.

In den russischen Gefängnissen aber ist es nicht beffer geworden. Es gehen darin nach wie vor die schrecklichsten Dinge vor sich, wie z. B. Folterung; aber diese werden wahrscheinlich nie in vollem Umfange an die Oeffentlichkeit gelangen. Die Regierung sorgt dafür, daß die Opfer, welche der Folter unterworfen werden, nie wieder das Tageslicht zu sehen bekommen."

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Soweit der Brief. Bedarf er noch eines Kommentars? Wir denken, nein!

Aber eine Frage wollen wir an ihn knüpfen, deren Beantwortung wir namentlich den guten Seelen anempfehlen, die mit so großer Ent­rüftung von revolutionären Greuelthaten" reden: Hat jemals eine Revo­lutions- oder Befreiungspartei ihren Feinden gegenüber Dinge verübt, die an raffiniter Scheußlichkeit auch nur annäherud Dem gleich kämen, was hier verübt wurde von Vertretern der staatlichen Ordnung" im Intereffe von Religion und Moral"?

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