fich bei dem Henker bedanken, der ihm seine ordnungsgemäße Tracht Prügel verabreicht. Jedenfalls wollte der biedere Sparig, dieser guten alten Einrichtung eingedent, sich bei seinem ehemaligen Freunde bedanken, daß dieser ihn nicht bloß moralisch geprügelt, sondern sogar todtgeschlagen hatte. Und wo kann man sich besser bedanken, als in der Kneipe, beim

Blas Bier? o fann man sich beffer

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Nachschrift. Meine obige Mittheilung ist insofern zu ergänzen, als die Urtheilsaussetzung in der ausgesprochenen Abficht erfolgte, um dem Beklagten die Möglichkeit zur Beschaffung weiteren Materials gegen den Sparig zu geben. Auf Antrag des Vertheidigers werden der Amts­Hauptmann und der Kreishauptmann als Zeugen geladen werden. Das wird diesen beiden Beamten und ihrem Chef", dem biederen Noftiz­Wallwitz, der so eifrig dem Sparig ein Tugendzeugniß ausgestellt hat, burchaus nicht angenehm sein. Daß der Sparig wie der ſächſiſche Minister und Edelmann ihm bezeugt ,, dem Ministerium" die famose Prostriptionsliste nicht eingereicht" hat, kann wohl richtig sein; gewiß ist aber, daß die Prostriptionslifte in die Hände derjenigen sächsischen Verwaltungsbeamten gelangt ist, für welche sie bestimmt war. Uebrigens hat der Sparig seinen denunziatorischen Verkehr mit der Leipziger Amts- bezw. Kreishauptmannschaft hier vor Gericht ein­gestanden, indem er sich durch seine Dummheit zur Aussage ver­leiten ließ: Wenn mir ein Sozialdemokrat" oder sonstiges Blatt mit besonders revolutionärem Inhalt zuging, überschickte ich die betreffende Nummer mit Randfirichen allerdings an den Herrn Kreishauptmann allein, fügte er im aufdämmernden Bewußtsein seiner Niedertracht hinzu, das war doch keine Denunziation!" Und seinem Exfreund Weigand gegenüber hatte er vorher erklärt, der Leipziger Kreishauptmann sei bei ihm gewesen."

Vermuthlich wird Herr Noftiz Wallwitz das Erscheinen des Amts­und des Kreishauptmanns vor dem hiesigen Gericht zu verhindern, und dahin zu wirken suchen, daß die beiden Beamten bloß schriftlich von einem Dresdener Richter vernommen werden was sehr bequem wäre, da die Dresdener Richter fich vortrefflich auf die Behandlung heitler Prozesse verstehen( Beweis: Prozeß" Schmidt!). Hoffentlich gelingt es jedoch, derartige Winkelzüge zu vereiteln.

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Im Moment, wo ich schließen will, erhalte ich aus Leipzig die Nachricht, daß das Dresdener Oberlandesgericht den Beschluß des Leip­ziger Landgerichts, welches in dem dem Prozesse Sparig Löwenstein paral­lelen Prozesse Sparig Perls den Antrag auf Zeugenvernehmung des Amts- und des Kreishauptmanns von Leipzig zurückgewiesen hatte, aufgehoben und die Vernehmung der genannten Beamten angeordnet hat. Der Sparig wird also das Glück haben, ver­schiedene Male hingerichtet zu werden. Nun doppelt genäht, hält gut. Und dreifach auch. Freilich, die späteren Hinrichtungen finden nur noch an einem Cadaver statt.

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3wei nette Gesellen. Dem Reichstag liegt eine von fitt­licher Entrüftung triefende Petition gegen die Spielhölle von Monaco vor. Die braven und tugendhaften Patrioten, welche die Petition unter­zeichneten, würden vielleicht weniger Eifer entwickelt haben, wenn sie bedacht hätten, daß unter den zwei Haupteigenthümern der Spielhölle Monaco fich ein Fürst Radzywill befindet, d. h. ein Hohenzoller! Der zweite Hauptaktionär ist beiläufig ein Sohn des berüchtigten Pariser . ,, Mordpeters", also ein Vollblut Bonaparte. Wenn es gilt, die famose Marime des suum cuique rapere*)( Jedem das Seine nehmen) zu verwirklichen, dann sind sie alle einig, die Hohenzollern und die Bonaparte.

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Aus Bajuvarien. Die in München bisher erschienene demo­tratische Süddeutsche Post" ist von der Regierung von Oberbayern verboten worden. Gründe: Loyale Handhabung des Sozialisten­gesetzes".

Genosse Triebel, der nicht einmal das Glück hat, deutscher Reichs­angehöriger zu sein, sondern Schweizerbürger ist, wurde, weil er in einem Gasthof einem Andern ein Gedicht vorgelesen, ohne An­rechnung zweimonatlicher Untersuchungshaft zu einem Monat Gefängniß verurtheilt. Das hoch verrätherische Gedicht heißt: Der Ausgewiesene." Wie konnte der Mann auch sich darüber nicht flar sein, daß in Deutschland die Boefte unter polizeilicher Aufsicht steht! Ein Saupfaff. Ein nettes Bild von der Kultur eines Distriktes, wo die Herrschaft der Pfaffen unbestritten ist, liefert der Prozeß des Pfarrers Parzinger von Ottenbühl( Oberbayern ) gegen die Bauersfrau Anna Hofstetter. Dieselbe hatte ihrem Manne gegen­über den Mann Gottes einen Saupfaffen genannt, weil dieser dem Ersteren gerathen hatte, sie zu prügeln. Der Bauer hatte den priester­lichen Rath wiederholt befolgt und, als die Frau auf den Saupfaffen schimpfte, diesem sofort den Schimpf" berichtet. Und der ehrenwerthe Verkünder der chriftlichen Liebe ging hin und verklagte die Frau, die auch richtig zu 10 Mark Geldbuße verurtheilt wurde. Aber Recht hat sie doch, der Kerl ist ein Saupfaff. Der Hieb

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hat gesessen! Jn Kaufbeuren wurde am 1. März bei mehreren unserer Genossen gehaussucht. Man schnüffelte nach Nr. 6 des Sozialdemokrat", in der die Beamtenwirthschaft beim Bau der Heilanstalt Jrsee gekennzeichnet wurde, fand aber leider kein Exemplar der fatalen Nummer vor. Der betr. Artikel selbst hat ganz ge­waltig eingeschlagen, so daß jetzt schon das Kaufbeurer Anzeigeblatt" berichten muß, daß Untersuchung eingeleitet sein soll. Der gebrandmartte " Bauführer" Becker aber ist so außer sich vor Wuth, daß er der­selben durch ein poetisches" Eingesandt in besagtem Blättchen Luft zu machen suchte, das an unfreiwilliger Komit seines Gleichen sucht. Zur Belustigung unserer Leser sei es hier mitgetheilt:

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daffo

bisiso, esb An die UZER in Irseelbas Motto: Nicht ziemen sich mehr ritterliche Waffen, sobald man nach Kotzebue " mit Tiger und Affen

Ingiloquisdie zusammmengepfercht ist,

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gegen

solch vierbeinig Gefindel ift allein noch berechtigt der Ruthenbündel!

Euch Herren sei hiermit in's Gedächtniß gerufen: ,, Als seinerzeit Götter sich Ebenbilder schufen,

Gab's d'runter auch Pfuscher, die vom Erschaffen nichts ver­allijsgramming lofasini oched standen,

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Und Biecher statt Menschen auf den Erdenball sandten; Ja unter Viechern ward noch Unterscheidung gemacht Und schuf der Herr Teufel zur Hantirung bei Nacht-" Die Kröten, und Schlangen, und was sonst ohne Bedeutung; Und als deren Organ eine sozialistische Zeitung!"

Becker, Bauführer der Heil- und Pflegeanstalt Irsee ."

Bom Teufel geschaffen, und Organ für Kröten und Schlangen und was sonst ohne Bedeutung" der hat's uns einmal gegeben!

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In

Aus dem Reichsfüllhorn. In S Stuttgart wurde Ge­noffe Franz Steiner aus Feldmoching ( Bayern ) wegen Verbreitung bes, Sozialdemokrat" zu 1%, Monaten Gefängniß verurtheilt. Breslau wurde bei verschiedenen polnischen Genossen gehaussucht, fogar einen 80jährigen Greis suchten die Spürhunde heim. Ein Arbeiter Czarnecki, bei dem einige Nummern des Przedswit" sowie

*) Schon vor länger als hundert Jahren ergänzten so die Polen den Hohenzollernspruch.

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mehrere sozialistische Schriften gefunden wurden, wurde sofort verhaftet. Aus Elberfeld und Köln werden gleichfalls Haussuchungen und Verhaftungen gemeldet. Der Schuhmacher Szimmath, der o der Verruchtheit! einer geheimen Verbindung angehört und sich auch Sonstiger Schandthaten, Verbreitung verbotener Schriften 2c., verdächtig gemacht haben soll, hat es vorgezogen, der Luft des herrlichen deutschen Kaiserreiches Ade zu sagen Ueber eine luftige Spitelgeschichte, die sich jüngst im Rheinland abspielte, in nächster Nummer.

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- Schweiz . Es tracht an allen Eden!" schreibt der Grütlianer"." Das Seidengeschäft Bavier und Kompagnie in Zürich hat mit 20 Millionen Passiven die Zahlungen eingestellt. In Baar that dasselbe die Müllerfirma Weber und Jäger. Dieser Sturz riß wieder andere mit, ſpeziell in Zürich . Müller Bünzli in Niederuſter schädigt mit seinem Konkurs auch viele Leute des Mittelstandes. Ver­muthlich aus ökonomischen Gründen erschoß sich der Müller Barthol. Müller in Auw( Freiamt ). Dasselbe that der Käsehändler Lehmann in Lotzwyl, durch deffen Ruin zugleich verschiedene unteremmenthalische Käsereien schwer in Mitleidenschaft gezogen werden. Wirth Rüegsegger in Thun ist mit Hinterlassung von falschen Wechseln und einer Masse Schulden verduftet. Wie gesagt, es fracht an allen Ecken!" fiet, te gejagt, es tracht an attend

-In Schaffhausen wurde nach hartnäckigem Wahlkampf im dritten Wahlgang der Kandidat der Arbeiter, portirt vom Grütliverein, in den Kantonsrath gewählt. Bürger Ad. Strub, Mechaniker, erhielt 814 Stimmen; das absolute Mehr betrug 771. Seine zwei Gegentan­didaten( Advokat Frauenfelder und Professor Bendel) blieben mit 400 und 237 Stimmen in Minderheit. Strub ist Mitglied des Grütlivereins. Vivat sequens!

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Desterreich. Auch im Lande der Korruption und Niedertracht tämpfen die reaktionären Parteien den famosen Kampf um den, armen Mann". Regierung, Rechte und Linke überbieten sich in Arbeiter­freundlichkeit". Regierung und Rechte beurkunden dieselbe durch zünft­lerisch- reaktionäre Maßregeln, die Linke durch Nachäffung von Bismard's ,, Sozialreform", die solchermaßen beglückten Arbeiter aber zeigen, wo sie nur zum Wort gelangen, deutlich, daß sie diesen guten Freunden" ins­gesammt nicht trauen, sondern ihnen in jeder Beziehung auf die Finger sehen, daß auch sie sich ihre guten Rechte nicht um ein Linsengericht ab­schwatzen lassen. Einen interessanten Beitrag zu diesem Thema liefert folgende, unserm Bruderorgan ,, Wahrheit" entnommene Mittheilung:

" Die österreichische Regierung hat vor einiger Zeit im Abgeordneten­hause einen Gesezentwurf in Betreff der Einführung von Gewerbe­Inspektoren eingebracht. Der Gewerbe- Ausschuß, dem der Entwurf zur Vorberathung zugewiesen worden war, veranstaltete eine Expertise, die am Montag stattfand und lud zu derselben auch die Arbeiter Gehrke ( der bekanntlich seit Jahren an der Spitze der Sattler- Bewegung steht), Höger( Schriftsetzer, Vorsitzender des Wiener Buchdrucker- Vereins) und Kretschmer ein. Von Seite der beiden zuerst genannten Ge­nossen wurde die Einführung von Gewerbe- Juspektoren unter gewiffen Bedingungen akzeptirt. Das Beispiel insbesondere Englands zeige indeß, daß die Beschränkung dieser Einrichtung auf Fabriken sich nicht em­pfehle, indem gerade in diesem Lande die Ausbeutung der jugendlichen weiblichen Arbeiter in sehr großem Maße zu beobachten sei. Gerade im Kleingewerbe zeigen sich vielfach Mängel und Schäden, deren Aufdeckung und Beseitigung dringend nothwendig wäre. Die Genossenschaften( unter Genossenschaften sind hier die zünstlerischen Fachorganisationen der Meister zu verstehen) aber können als ein geeignetes Organ zu einer solchen Beaufsichtigung nicht angesehen werden, wie denn überhaupt die Genoffen­Interessen des Gewerbes in geeigneter Weise wahrnehmen. Es würden schaften durchaus nicht in ersprießlicher Weise wirken und keineswegs die sich im Kreise der Genossenschaft kaum Persönlichkeiten finden, welche die Befähigung befäßen oder die erforderliche Zeit oder die Geneigtheit haben würden, die verschiedenen Gewerbe zu beaufsichtigen und das In­spektorat als ein unbezahltes Ehrenamt auszuüben.

Ferner erklären sie sich dagegen, daß die Ernennung der Juspet­Innern zustehen solle. Denn die Inspektoren sollen zum Schutze toren dem Handelsminister im Einvernehmen mit dem Minister des der Arbeiter eingeführt werden, und deshalb dürfen sie nur aus der Wahl der Arbeiter selbst hervorgehen. Ist dies der Fall, dann werden sie auch bestrebt sein, den Arbeiter zu schützen."

Man begreift, daß weder die feudalen, noch die börsenliberalen Arbeiter­freunde von dieser Auskunft erbaut waren.

Wie berechtigt aber das Mißtrauen der Arbeiter gegen ihre Freunde aus der guten" Gesellschaft ist, zeigt folgendes von der Schweizerischen Handelszeitung" unter dem Titel: Wie man in Oesterreich die Wittwen und Waisen plündert" mitgetheilte Faktum:

" Zu dem Skandalöseften, das wir kennen," schreibt dieses von einem noto­rischen Ehrenmann und aufrichtigem Republikaner redigirte Blatt, ge­hört der Desterreichische Eisenbahn Unterstützungs- Fonds."

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Seine wesentlichste Leistung ist: einer Anzahl vergnügungssüchtiger Eisenbahnbeamten die Möglichkeit zu bieten, sich alljährlich ein prächtiges Ballfest auf Kosten der öffentlichen Wohlthätigkeit zu arrangiren."

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Und nun berichtet das Blatt über das Wohlthätigkeits"-Ballfest des Jahres 1882, welches im Ganzen von 49 Beamten, 79 anderen Herren und 86 Damen besucht war, die zusammen 879 Gulden Entree bezahlten. Das Fest aber toftete die niedliche Summe von 4102 Gulden, ergab somit ein Defizit von 3223 Gulden. Anstatt, daß nun die ballgebenden 49 Beamten das Defizit unter sich vertheilt hätten, wobei auf jeden 653/4 Gulden gekommen wären ,, ein Opfer, das gewiß nicht unerschwinglich gewesen wäre, da sich unter den Herren, welche in wenigen Stunden 4102 Gulden vertanzten, schwerlich viele Weichen­wärter, Wagenschieber und Schaffner befunden haben dürften" sie es aus dem Ertrage einer aus Anlaß dieses Festes bei höchsten und allerhöchsten Herrschaften veranstalteten Kollekte, die zusammen 6853 fl. ergeben hatte, und wofür die wohlthätigen Herren die edlen Spender ,, im vorhinein des Dantes und der Segenswünsche der zahlreichen Un­giüdlichen, sowie der dankbarsten Verehrung und Hochachtung des Romites" versichert hatten. Wie zahlreich die Unglücklichen sind, erklärt das Blatt mit beißendem Spott, nicht zu wiffen, die freigebige Hand des Eisenbahn- Unterstützungsfonds öffnet sich aber für insgesammt 488 dar bende Wesen, die für ein langes Jahr pro Person 6 Gulden 10 Kr. erhielten, während unter den Balltoften als ,, Damenspende" 831 Gulden figuriren, d. h. pro tanzende Dame 9 Gulden 66 Kreuzer.

Wir nennen dies", schließt die Schweiz . Handelszeitg.", eine Schande sonder gleichen und hoffen, daß irgend eine Wiener Zeitung gründlich dafür sorgen werde, dieser schmachvollen Ausbeutung der öffentlichen Wohlthätigkeit und allen Eisenbahn- Bällen" für immer ein Ende zu machen."

Hiezu bemerkt unser Bruderorgan:

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Aus der Schlußbemerkung ersieht man wohl, daß der Herr Ver­faffer nicht in Wien lebt. Denn in diesem Falle müßte er wissen, daß um solchen Bettelgesindels willen unsere Breß- Biraten sich nicht der Gefahr aussetzen, vielleicht ein Dugend Abonnenten ihrer Wische zu ver­lieren."

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In Kracau und Lemberg haben zahlreiche Verhaftungen von polnischen Sozialisten im Ganzen 43! stattgefunden. Geschieht denselben ganz Recht, warum haben sie keine Trinkgelder" genommen wie der edle Graf Kaminski, und warum sind sie nicht bereit, die Rechte der österreichischen Bevölkerung abwechselnd an die höchstbezahlende Partei im Wiener Reichsrathe zu verkaufen, wie es die patentirten polnischen

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Patrioten" thun. Nicht umsonst lautet die österreichische Staats= hymne:

Ueb Korruption und Niedertracht

Bis an die fühle Gruft!

Dann wirst zum Ritter Du gemacht Und stirbst als Herr von Schuft.

Belgien . Die Affäre Metayer- Civo ct läßt die bel­gischen Polizeiesel nicht schlafen. Unsere Leser werden aus den Zeitungen bereits erfahren haben, wie die genannten Anarchisten oder vielmehr der Letztere dadurch in die Hände der Polizei gerieth, daß eine Dynamit bombe, welche Metayer in der Tasche(!) bei sich trug, explodirte und diesen tödtete. Civoct ist aus dem Lyoner Anarchistenprozeß bekannt, über den verstorbenen Metayer werden die abenteuerlichsten Vermuthungen laut. Sein Name soll nur fingirt sein.

Für wen die Bombe bestimmt war, wird man wohl schwerlich erfahren, wir enthalten uns daher jeder Meinungsäußerung. Im Allgemeinen aber müssen wir bemerken, daß die von gewiffer Seite genährte Sucht, ohne genügende Borkenntnisse, auf bloße Rezepte hin, mit Dynamit und ähn­lichen Sprengstoffen zu experimentiren, uns sehr albern vorkommt. Da verbrennen sich die guten Leute ihr Gesicht mit herumspritzender Säure, da explodirt Anderen der Apparat, weil sie ein Réaumurthermometer statt eines Celsius gebrauchen, und dergleichen mehr.c

Aber wie es scheint, gehört es auch zur Anarchie, auf's Geradewohl ,, revolutionäre Experimente" zu machen.

In Belgien und Holland hielt Genoffe Vollmar jüngst auf Einladung dortiger Gesinnungsgenoffen eine Reihe von Vorträgen über die Ziele des Sozialismus und den Kampf der Sozialdemokratie in Deutschland . Den Anfang der Versammlungen machte am 18. Februar ein Arbeiterfest in Antwerpen , das von den dortigen( aus Vlä­mingern und Deutschen zusammengesetzten) Broederboud" veranstaltet war und zu welchem belgische und deutsche Genoffen aus allen Theilen Belgiens herbeigekommen waren. Die auswärtigen Besucher wurden mit rothen Fahnen und Musik auf dem Bahnhof empfangen, worauf sich der große Zug über die Boulevards nach der Versammlung begab.

Am nächsten Tag sprach Vollmar auf einem vortrefflichen Arbeiterfest in Gent und wurde von den dortigen musterhaft organisirten Partei­genoffen auf das Wärmste empfangen. Am 21. sprach er in der hol­ländischen Hauptstadt Haag, wo Vollmar zuerst Gelegenheit hatte, die rührig thätige Sozialdemokratie der Niederlande kennen zu lernen; und am 22. in Amsterdam , wo die Versammlung namentlich sehr gut besucht war und zum ersten und einzigen Mal Vollmar ein Gegner in der Person eines Herrn Mayer aus Dortmund entgegentrat. Dieser machte den Versuch, die Hohenzollern als Glück des deutschen Volkes" darzustellen und der Risikoprämie, dem Militarismus und dem Sozia­listengesetz und dergl. ein Loblied zu fingen, legte aber damit bei der aus Holländern und Deutschen gemischten Zuhörerschaft sehr wenig Ehre ein. Schließlich hielt Vollmar noch in Lüttich eine deutsche Volks­versammlung ab, in welche sich einzumengen die Polizei nicht ganz laffen fonnte. D

Die Genossen an den genannten Orten, sowie wo er sich sonst noch aufhielt, empfingen Vollmar als den Vertreter der deutschen Sozialdemo tratie auf das brüderlichste und gaben überall ihre Sympathien mit unserer Partei kund. Die junge, aus sechs Sektionen bestehende sozia­listische Organisation in Holland hat sich auf dem neulichen Kongreß zu Rotterdam einheitlich gegliedert und macht der bisher alleinigen Arbeitervereinigung, dem schulze- delitzschen Werkmansbond", einen er­folgverheißenden Kampf. Ihr von dem unermüdlich thätigen Genossen Domela- Nieuenhuis herausgegebenes Organ Recht voor Allen" gewinnt immer mehr Leser und soll zum Behuf seines Druckes demnächst an die Gründung einer Genossenschaftsbuchdruckerei gegangen werden.

In Belgien fehlt es zwar nicht an überzeugten und entschlossenen Sozialisten, wohl aber fast vollständig an Organisation, so daß der Aus­druck sozialistische Partei Belgiens " eine Gesinnungsverwandtschaft, nicht ein zu praktisch politischen Zwecken gegliedertes Ganze bezeichnet. Die Folgen dieses Mangels zeigen sich u. A. in dem Rückgang der Propaganda und der Anhängerschaft in großen Landestheilen, z. B. in Borinage, sowie in der leidigen Thatsache, daß von den vielen früheren Arbeiterorganen( ohne Schuld äußerer Gewalt) heute nur mehr zwei übrig geblieben find: die in französischer Sprache in Verviers erschei­vende Sentinelle" und die vlämische Toekomst" in Gent . Eine Aus­nahme von dem herrschenden Organisationsmangel machen die in dieser Beziehung schon öfter erwähnten wackeren Arbeiter von Gent . Nament­lich haben dort die Weber eine mächtige Organisation und bilden den einen Haupthalt der Bewegung. Der andere liegt in der vortrefflichen Einrichtung der Genossenschaftsbäderei, welche durch Liefe­rung vorzüglichen und billigen Brodes die Arbeiter anziehen und dem Einfluß der Klaffenidee und sozialistischen Bewegung gewinnen, sowie zugleich organisatorisch wirken und Geldmittel zur Propaganda schaffen. Welche Entwicklung diese einer eingehenderen Studie werthe Einrich tung gewonnen hat, zeigt der Umstand, daß die direkt in den Händen der Partei befindliche Genossenschaftsbäckerei B oruit"( Vorwärts) binnen Kurzem schon nicht mehr mit Handarbeit, sondern mit vervoll­tommneten Maschinen( Knetmaschinen, Heißwasserofen 2c.) arbeiten wird und zum Zwecke ihres Betriebes eine fast in Mitte der Stadt liegende umfassende Gebäudeanlage auf 20 Jahre gemiethet hat, in welcher außer dem eigentlichen Geschäft noch Bibliothek, Versammlungslokale, Buch­handlung, Gastwirthschaft u. s. w. untergebracht werden, so daß dieselbe eine wahre Zentrale und Fefte der Partei wahren wird.

-Frankreich . In Frankreich ist es von lange her Sitte, daß der Staa oder auch die Gemeinden bei größeren Industrie- Ausstellungen Mittel zur Entsendung von Arbeitern nach den betreffenden Ausstellungsorten bewil­ligen. Da nun demnächst in Amsterdam eine große holländische Industrie- Ausstellung stattfindet, so hat bereits der Gemeindrath von Paris 5000 Franken zu diesem Zweck bewilligt, andere städtische Kollegien sind ihm gefolgt, und in der Kammer ist ein Antrag eingebracht worden, auf Bewilligung von 100,000 Franken. Die Pariser Arbeiter­Syndikatskammern( Fachvereine) haben bereits mehrfache Besprechungen über diesen Gegenstand gehabt, und am letzten Freitag beschloffen, die Ausstellung zu beschicken, die Unterstützung aber nur anzunehmen, wenn feinerlei Bedingung daran geknüpft wird. Die Delegirten sollen lediglich von den Fachvereinen ernannt werden. Ein Beweis, wie eifersüchtig die französischen Arbeiter auf die Wahrung ihrer Unabhängigkeit bedacht find.

In vielen Industriebranchen herrscht zur Zeit große Geschäftsstille. Tausende von Arbeitern laufen beschäftigungslos herum. Die Syndikats­tammer der Bautischler hat daher die Initiative ergriffen zur Ab­haltung einer großen Versammlung aller arbeitslosen Kollegen, welche nächsten Freitag den 9. März, Nachmittags 2 Uhr, vor der Esplanade der Jnvaliden unter freiem Himmel stattfinden soll. Wenn solche Ver­sammlungen im monarchischen England gestattet find", heißt es in der Einladung, so sehen wir nicht ein, warum sie in der Republik nicht sollen stattfinden dürfen."

Gegen den wackeren Forçat in Lille ist bereits der dritte Prozeß angestrengt worden, und zwar wiederum von einem in seiner Ehre getränkten Fabrikanten. Der Biedermann fordert neben der Bestrafung nur 3000 Fr. Entschädigung für sich.

Von unbekannter Hand geht uns ein Flugblatt der jeunesse démo­cratique( demokratische Jugend) zu, welches eine Art von politischem Programm enthält. Wenn es auch nicht durchgängig in unserem Sinne abgefaßt ist, so muthet es uns doch sehr sympathisch an. Es weht ein ganz anderer Geist aus diesem Manifest der Jugend des verkommenen"