die Anrede per Ihr sich habe verletzt fühlen können; aber da hätte er fich in ruhigem Tone" die Anrede„ Sie" erbitten und sonst ein passendes Benehmen beibehalten sollen."
Fuhrmann hat nunmehr an das Bezirksverwaltungsgericht appellirt und hofft von demselben ein anderes Urtheil, bezw. Umstoßung des obigen, 3n erlangen.
Wollen's abwarten!
Aber schon hente können mir nicht umhin, unserer Genugthuung darüber Ausdruck zu geben, daß die Herren konservativen Volksfreunde so offen ihre wahre Gesinnung an den Tag gelegt haben. Die Herren glauben sich in der That schon fest im Sattel und können die Zeit nicht erwarten, wo sie ihren Herzenswünschen nach Belieben freien Lauf laffen können.
Nur immer weiter so, und schließlich werden auch dem Blödesten die Schuppen von den Augen fallen.
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Die Liberalen benutzen die Sache noch zu allerhand Betrachtungen über die preußische Selbstverwaltung und die Nothwendigkeit, letztere vor dem Ansturm der Konservativen zu schützen, die das Bezirksverwaltungsgericht durch Einschmuggelung des Regierungspräsidenten als Vorsitzenden 2c. erdrosseln wollen. Schöne Selbstverwaltung", in der That! Der famose Kreisausschuß ist ja auch eine Schöpfung derselben. Er ist die Jausgesprochenfte Klaffenvertretung, die man sich denken kann, blos daß an die Stelle der Gutsherrschaft die Herrschaft der Großgrundbesitzer im Kreise getreten ist. In dieser Beziehung hat sich eben Herr Fuhrmann geirrt: wir leben doch noch in der Feudalherrschaft, nur die Form ist eine andere, nicht die Sache. Die preußische Kreis- und Provinzialgesetzgebung ist eines der elendesten Kompromißprodukte, die es nur je gegeben; und wenn die Junker selbst dagegen anstürmen, dann müßte eine wirklich demokratische Partei mit einer kräftigen Gegenattake antworten. Aber das wäre von den Herren Liberalen und Fortschrittlern zu viel verlangt. Deren ganze Weisheit besteht darin, daß sie erklären, die liberalen Errungenschaften bewahren zu wollen, was dem Angreifer die tröstliche Aussicht gibt, daß er selbst im schlimmsten Falle gar nichts riskirt, sondern nur gewinnen kann.
Unsertwegen aber mag die ganze liberale Selbstverwaltung" zum Teufel gehen, sie hat von einer wirklichen Selbstverwaltung ja doch nur den Namen.
Wieder ein Opfer infamer Klassenjust i z. Genoffe Jul. Voigt, Weber in Greiz , stand am 7. März vor dem Schwurgericht in Greiz unter der Anklage des Meineid 8. Voigt hatte in einer Straftlage gegen den Weber Schreiber, welcher angeklagt war, andere Arbeiter durch Drohung und Ehrverlegung bei Gelegenheit des zweiten Greizer Streits von der Arbeit abgehalten zu haben, als Zeuge in Greiz vor dem Schöffengericht beschworen, daß dieses nicht der Fall gewesen, wider befferes Wissen, wie die Anklage lautete. Die Geschworenen bejahten von den vier Hauptfragen zwei mit schuldig des wiffentlichen Meineides, und der Gerichtshof verurtheilte unsern Genossen zu drei Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, dauernde Unfähigkeit als Zeuge vernommen zu werden, und Tragung der kosten. Voigt hatte, wie die Münchner „ Gerichtszeitung" meldet, den Urtheilsspruch mit Faffung aufgenommen und wurde bei dem Zurückführen in das Gefängniß von seiner Frau, seinem Bruder und einer Anzahl Freunde aus Greiz , welche im Zuhörerraum der Verhandlung beigewohnt hatten, bis an die Thore des Gefängnisses mit begleitet".
Daß Voigt das infame Urtheil mit männlicher Fassung entgegennahm, macht ihm gewiß Ehre, wir aber rufen in seinem Namen den Herren Geschwornen und Richtern zu: der Mann, der seine Genossen schützen wollte vor einer Berurtheilung auf Grund eines Gesetzesparagraphen, welcher den Stempel der schreiendsten Ungerechtigkeit zur Schau trägt, eines Paragraphen, der seine Spitze nur gegen die Arbeiter, nicht aber gegen die Arbeitgeber richtet, dieser Mann ist und bleibt ein Ehrenmann, und wenn ihr ihn hundertmal der Lüge, des Meineids zeiht. Denn Euer Urtheil zeigt, daß Ihr, Angehörige der besigenden Klaffen, in Voigt vor allen Dingen den Arbeiter, der für seine und seiner Genossen Rechte eintrat, treffen wolltet. Das ist sein größtes Verbrechen in Euren Augen, und darum habt Ihr Euren politischen Gegner, Euren fozialen Widersacher, ins Zuchthaus geschickt, Jhr, die Bourgeois, den Proletarier. Aber so gewiß in den Adern unserer Arbeiter noch rothes, warmes Blut pulfirt, so gewiß wird der Tag kommen, an dem man Euch, feige Justizmörder, zur Rechenschaft ziehen wird, des könnet Ihr sicher sein!
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Alle Preußen sind vor dem Geseze gleich, Standesvorrechte finden nicht statt", heißt es im Artikel 4 der preußischen Verfaffung, und wie man in diesem Lande der Gottesfurcht und frommen Sitte von jeher Verfassung und Gesetz heilig gehalten, die Rechte der Bürger als unantastbar betrachtet hat, so namentlich den obigen schönen paragraphen. Wer daran zu zweifeln wagt, der lese die nachfolgende Notiz, welche der Berliner „ Bolkszeitung" unter'm 3. März aus Potsdam zugeht:
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Seit Mittwoch Abend verbüßt in dem hiesigen Landgerichtsgefängniß Frau Landgerichtspräsident 3auce aus Coniz, die vom hiesigen Landgericht im vorigen Jahre wegen Briefunfugs*) zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt ist, ihre Strafe. Frau Zaude wird durchaus nicht wie eine gewöhnliche Gefangene behandelt. Die Zelle, welche Frau Baucke bezogen hat, ist eine recht geräumige und helle und ward extra mit MahagoniMöbeln, die von einem hiesigen Möbelhändler entlehnt wurden, ausmöblirt, so daß Frau Bauce die angenehme häuslichkeit taum vermissen wird. Während andere Gefangene auf einem Strohsack sich Abends zur Ruhe legen, genießt Frau Baude die Wohlthat, eiu Bett zu haben; während andere Gefangene mit Ansnahme der Untersuchungsgefangenen die Gefängnißkost( in der Woche einmal Fleisch) verzehren müssen, tann Frau Bande ihres Leibes Nahrung aus einem Restaurant erhalten. Besuche zu empfangen, ist der Frau Präsident gleichfalls gestattet worden, und sie hat hiervon bereits ausgiebig Gebrauch gemacht. Den Gefangenauffebern ist eine ganz besondere Höflichkeit anbe fohlen worden, so daß diese selber nicht mehr wissen, ob sie die Aufseher oder die Diener der Frau Zauce find. Wir onis freuen uns aufrichtig über diese Vergünstigungen, die Fran Zande genießt; man wird künftighin dieselben doch wahrscheinlich auch denjenigen Gefangenen gewähren, die wegen politischer und Preßvergehen eine Straße zu verbüßen haben."
Wie kann die Volkszeitung" nur einen Zweifel ausdrücken, daß in unferem Zeitalter der Humanität und Aufklärung gegen politische Gefangene anders oder nur weniger höflich verfahren werdet. Sie halte nur Umfrage bei den in den letzten Jahren verurtheilten Sozialisten, und sie wird eines Besseren belehrt werden. Der Sattler Büttner hat sich sicherlich nur deshalb im Berliner Gefängniß erhängt, weil er an das ihm dort gebotene Wohlleben sich nicht gewöhnen konnte. Mahagoniemöbel, Besuche nach Herzenslust, statt Aufseher Diener- und da sage man noch, daß wir nicht im Zeitalter der Humanität leben!
Aus Leipzig , 9. März, schreibt man uns: Der„ Grünäugige" hat dieser Tage nachholen wollen, was er im vorigen Sommer versäumt: Gesellschaftsrettung mit obligatem Ordens- und Dotations- Empfang. Am vergangenen Montag brach er in der landes- und stadtüblichen Manier oder Unmanier, natürlich mit Begleitung, in die Wohnung des gerade auf Arbeit abwesenden Genoffen Unglaube ein, wühlte in Allem herum, schnüffelte überall herum, warf Alles zu unterst zu oberst,
*) Die liebenswürdige Dame hatte nämlich über verschiedene Personen, welche sich ihre Ungunst zugezogen, die infamsten Berleumdungen in anonymen Briefen ausgestreut.
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natürlich ein paar Exemplare ,, verbotener Schriften", jedoch natürlich nicht das Gesuchte, fiftirte die Mutter Unglaube's und zog sich dann mit dem aufdämmernden Bewußtsein zurück, daß er mög. licherweise auch diesmal fehlgeschoffen und um Orden und Dotation getommen. Unglaube wurde, während der Haussuchung, verhaftet und war gestern Abend noch nicht entlassen, weil die Polizei mit Gewalt haben will, daß er drei Pakete Sozialdemokrat" oder„ Spigelbroschüren" erhalten habe. Die Mutter hatte auf der Polizei ein vierstündiges Verhör zu bestehen, das natürlich resultatlos blieb, und wurde Abends, nachdem man ihr durch die Androhung von sofortiger Uebergabe an die Staatsanwaltschaft und in's Gefängniß vergebens ein„ Geständniß" zu erpreffen versucht hatte, sehr widerwillig entlaffen. Daß Unglaube weder Sozialdemokrat" noch„ Spizelbroschüren" noch sonst verbotene Schriften aus Zürich erhalten, wissen Sie am besten. Jeder, welcher Unglaube tennt, weiß, daß die Anklage gegen ihn vollkommen unbegründet ift, aber er ist Sozialdemokrat, und das genügt den Wächtern der Ordnung", in seine Wohnung einzubrechen wie eine Räuberbande, seine alte Mutter zu ängstigen, moralisch zu foltern, sie auf Stunden der Freiheit zu berauben, und ihn selber aus seiner Arbeit zu reißen, in's Gefängniß zu werfen und wahrscheinlich um die Existenz zu bringen. Auf welch' Letzteres es vor Allem abgesehen sein dürfte. Und das wird gelingen. Denn wird Unglaube auch bei seiner absoluten Schuldlosigkeit in Freiheit gesetzt oder freigesprochen werden müssen, so wird die Polizei es fich- natürlich doch nicht nehmen laffen, ihn á la Künzel und Lauschte zur Strafe für ihr Fiasto auszuweisen.
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So geht's bei uns, und da wundern sich unsere Feinde noch, daß die Sozialdemokratie beständig im Wachsen ist! Nur immer so fort! Die Zeit wird kommen, wo jeder denkfähige Mensch, der nicht von der herrschenden Miß- und Schandwirthschaft Vortheil hat, gleich dem Herrn Liebermann in Berlin ausrufen muß: ,, Einem anständigen Menschen bleibt nichts anderes übrig, als Sozialdemokrat zu werden!" womit indeß keineswegs gesagt sein soll, daß Herr Liebermann, der offenbar in der Selbsterkenntniß nicht weit gekommen ist, ein anständiger Mensch sei.
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Wenn die ehrlichen Männer in's Gefängniß geworfen und vogelfrei erklärt werden, muß es den ,, A der männern" natürlich gut gehen. Ihr Weizen blüht. Herr Ackermann, deffen Wechselprotest- Geschäft famose Profitchens abwirft, ist zum Lohn für seine Verdienste um die darbende und( wechsel-) zahlungsunfähige Menschheit von Seiner Majestät unserem König zum Hofrath ernannt worden. Jetzt wissen wir auch, was ein Hofrath ist. Bisher war die Bedeutung für die Uneingeweihten ein Geheimniß. Also ein Hofrath ist ein Adermann! Man muß übrigens gestehen, daß die„ Spißen der Gesellschaft" in der Auswahl ihrer Gesellschaft recht glücklich sind. Erst war es der biedere Schmidt, der in besondere Gunft genommen wurde; dann kam der ebenso biedere Sparig, dem der Kavalier" Nostiz- Wallwitz ein Tugendzeugniß( mit oder ohne Tugendrose?) ausstellte, und nun der Ackermann. Der brave Buttkamer wird neidisch werden, daß es außer seinem hoffnungsvollen Söhnchen auch noch andere Leute gibt, die einen guten Geschmack haben". Die Franzosen haben ein Sprichwort, das da lautet: Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist." Ob das hier zutrifft? Jedenfalls ift's ein prächtiges Trio: Schmidt, Sparig, Ackermann Ackermann, Sparig, Schmidt -die verkörperte Dreieinigkeit der herrschenden Religion und Moral, ich wollte sagen: des, praktischen Christenthums".
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Die Ergänzungs- und Ersatzwahlen zum sächsischen Landtag sollen, so heißt es, dieses Jahr frither stattfinden als gewöhnlich. Das vorletzte Mal waren sie im September, das letzte Mal im Juli, diesmal sollen sie schon im Mai sein. Die Regierung ist an feinen bestimmten Termin gebunden, indeß dürfte es doch etwas später
werden.
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Bekanntlich ist der sächsische Landtag ewig", das heißt, abgesehen von der konstituirenden Wahl, gibt es keine vollständige Neuwahl, sondern es scheidet bloß alle 2 Jahre ein Drittel der Mitglieder aus, an deren Stelle neue Abgeordnete auf 6 Jahre gewählt werden. So enthält der Landtag in jeder Session er hat nur alle 2 Jahre eine Seffion ein Drittel neugewählter Mitglieder, ein Drittel von 2 Jahre vorher gewählten, die schon eine Session mitgemacht haben, und ein Drittel von 4 Jahre vorher gewählten, die schon 2 Seffionen mitgemacht haben. Eingedenk des Sprichworts: Die große vereinigte liberale Partei schlägt sich, die große vereinigte liberale Partei verträgt sich, wollen unsere Fortschrittler, Sezessionisten und Nationalliberalen demnächst in Döbeln eine gemeinsame Berathung über die Aufstellung von Kandidaten haben, damit der reaktionären" oder„ konservativen" Partei eine geschloffene Phalanx" entgegengestellt werden kann. Nous verrons! Die faulen Eier werden wohl bald wieder zwischen den„ vereinigten" Liberalen hin- und herfliegen, daß es eine Art hat. Bei der letzten preußischen Wahl haben wir's gesehen. Und unsere Tageblatt" Redaktion hat einen riesigen Vorrath von faulen Eiern auf Lager.
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Die ,, nationalliberale Partei " will nächstens einen„ sächsischen Parteitag" abhalten. Gott segne ihre Studia. Die nationalliberale Partei " ift so ziemlich in ganz Deutschland auf dem Aussterbe- Etat, ganz besonders aber in Sachsen . Sie existirt nur noch von Sozialisten. gesetzes Gnaden. Wird dieses Gesetz" abgeschafft", so ist die ,, nationalliberale Partei " im Handumdrehen aus Sachsen hinausgefegt. Nicht einmal Leipzig gehört ihr mehr. Das wissen die Herren und darum die Angst, die Erneuerung des Sozialistengesetzes könne vom Reichstag verweigert werden, darum das fortgesetzte Zeter- und Denunziationsgeschrei gegen die Sozialdemokratie.
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So wäre auch die Süddeutsche Post" verboten worden. Die Abonnentenzahl des„ Sozialdemokrat" wuchs den braven Herren Polizeiern noch nicht schnell genug. Nun, wie sie wollen! Tausend nene Abonnenten wird's Ihnen ja wohl bringen.
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Bolizeischurtereien. In Nürnberg , in Gum binnen , in Breslau , in Posen, in Mainz und Gott weiß noch wo sonst, wurde vergangene Woche wieder gehaussucht. Im erstgenannten Ort durchlas der Polizist Sprecher die ganze Privatkorrespondenz eines folchermaßen Beglückten, was bekanntlich von Rechtswegen nur der Richter darf; aber was fragt so ein Polizeischuft nach Recht und Geſetz! Ebensowenig wie nach Anstand, denn der unverschämte Hallunke fand sich nicht bewogen, die Sachen wieder dahin zu bringen, wo er sie hergenommen, sondern ließ Alles in der lieblichen Unordnung, die er angerichtet, stehn und liegen. Wie die„ Fränkische Tagespost" erfährt, ist obendrein der ganze großartige Apparat wegen einer von Nürnberg abgegangenen Sendung nicht verbotener Drucksachen, die in Mittweida bei einem unter Briefsperre stehenden Fabrikanten abgefangen worden waren, in Bewegung gesetzt worden.
In Hamburg find bekanntlich vor einiger Zeit bei Verbreitung eines sehr träftig gehaltenen Flugblattes 11 Genossen verhaftet worden. In Harburg , wo das Flugblatt, wie im ganzen dortigen Gebiet des " kleinen Belagerungszustandes" gleichfalls verbreitet wurde, wurde dagegen Niemand abgefaßt. Dafür lief die Hochlöbliche in verschiedenen Straßen von Haus zu Haus und konfiszirte alle Exemplare des Flugblattes, die sie noch vorfand, bezw. die man gutmüthig genug war, ihr zu zeigen.
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Desterreich. Die Verhandlungen im Prozeß Merftal linger haben endlich am 8. März ihren Anfang genommen. Da unser Raum eine ausführliche Wiedergabe derselben nicht gestattet, so behalten wir uns vor, nach Schluß des Prozesses eine Gesammtkritik desselben zu bringen. Bis jetzt haben die Verhandlungen übrigens nur bestätigt, was wir bereits früher, unbekümmert um das Geschrei der Anarchisten, über die Affäre berichtet hatten. Namentlich Herr Hotze, der das dem Merftallinger geraubte Geld an sich nimmt und nach Amerita abreift, dürfte
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jetzt auch anderen Leuten als das erscheinen, als was wir ihn bereits vor Monaten charakterisirten.
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Aus Belgien . An der Beerdigung des unglücklichen Paul Metayer betheiligten sich auch, wie wir aus einer Zuschrift des Genoffen Hochheim entnehmen, unbeschadet der sonstigen Meinungsverschiedenheiten, eine Anzahl unserer Brüffeler Genoffen. Dieselben legten dem Verunglückten einen Kranz mit rothen Blumen auf das Grab, der die Inschrift trug: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! Gewidmet dem Genoffen Paul Metayer. Die Sozialrevolutionäre und Kommunisten deutscher Zunge in Brüffel."
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Die belgische Polizei hat aus Anlaß der Explosion eine ganze Reihe von Verhaftungen, Haussuchungen und Ausweisungen vorgenommen, und zwar in willkürlichster Weise und auf ganz aus der Luft gegriffenene Denun ziationen hin. Auch die von uns vor Kurzem gemeldete Ausweisung eines deutschen Genossen ist durchaus nicht durch das politische Verhalten des Betreffenden veranlaßt worden, der ein stiller, ruhiger Mensch ist und nur selten einmal in eine Versammlung ging. Die Feiglinge des angeblich freien Staates haben der preußischen Regierung eben wieder einmal einen Liebesdienst erweisen wollen. Das Asylrecht in Belgien besteht eben nur für die schwarzröckigen Volksverduminer; für Arbeiter gibt es heutzutage überhaupt kein Recht. Man jagt dieses Gesindel nach Belieben von Ort zu Ort.
Am 9. März hat sich die Brüsseler Anklagetammer nach kurzer Gerichtskomödie zu Gunsten der Auslieferung des Anarchisten Civoct ausge sprochen. Ein Antrag desselben auf Aufschub um 8 Tage, binnen welcher Zeit er den Beweis liefern wolle, daß er die Handlungen, deren man ihn beschuldige, nicht begangen haben tönne, wurde kurzer Hand abgelehnt.
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Frankreich . Die von uns in voriger Nummer angekündigte Versammlung der Arbeitslosen unter freiem Himmel hat am letzten Freitag wirklich stattgefunden und der Preffe, namentlich der deutschen , reichlich Gelegenheit gegeben, über die französischen Sozialisten zu zetern. Um unsere Ansicht vorauszuschicken, müssen wir allerdings gestehen, daß uns die Demonstration, wenn auch nicht durchaus verfehlt denn sie hat den Herren Gesezesfabrikanten in der Kammer einen deutlichen Wint gegeben, den sie nicht unberücksichtigt lassen dürften so doch zum Mindesten ungeschickt und tattlos arrangirt gewesen ist, nicht dem Ernste der Sache entsprach, um die es sich handelte. Sie ging auch nicht von der Syndikatekammer der Bauschreiner aus, sondern von einer Anzahl Mitglieder derselben, und auch die übrigen Fachvereine hatten die Demonstration zwar nicht schlechtweg verworfen, aber doch wohl aus Opportunitätsgründen ihre offizielle Betheiligung an derselben abgelehnt. Somit fehlten gerade die berufensten Vertreter der Arbeiterklasse, die eigentlichen Gewerkschaften.
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Höchst lächerlich aber ist es, die Demonstration als eine von reaktionärer Seite ausgehende oder reaktionären Zwecken dienende zu verschreien, weil einzelne reaktionäre Blätter sie mit Schadenfreude begrüßten. Nach dieser Jammerlogik dürften die Arbeiter sich überhaupt nicht gegen die liberale Bourgeoisie rühren, sondern müßten sich stets deren Anordnungen fügen. Von einzelnen übergeschnappten Fanatikern der Anarchie abgesehen, sind die Pariser Arbeiter nach wie vor feste Republikaner, und wenn sie den heutigen Machthabern Opposition machen, so thun sie das im Sinne des von Blanqui 1848 gethanen schönen Ausspruchs:„ Nicht gegen die Republik erheben wir uns, sondern hinter ihr, um sie zu verhindern, rückwärts zu marschiren." Und die Erfahrung hat gezeigt, daß Niemand der Reaktion mehr in die Hände arbeitet als jene Angstmeier, welche bei jeder Gelegenheit den Unkenruf ausstoßen: Das nüßt nur der Reaktion! Wer es ernstlich mit der Freiheit meint, sollte mit diesem Worte sehr vorsichtig sein!
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Bezeichnend ist nun, daß gerade die französische radikale Presse in dieser Beziehung weit weniger gesündigt hat als die liberal- demokratische deutsche , die in Bezug auf Frankreich allerdings ganz elend informirt ist. Von der reptilienfondsgespeisten Französischen Korrespondenz" ganz zu schweigen, kennen wir kein deutsches Blatt, das einen vorurtheilsfreien Berichterstatter in Paris hätte. Entweder sind die Herren der Republik überhaupt feindlich, oder sie schwimmen wie der dreieckige Korrespondent der Frankfurterin ganz im Fahrwasser der gegenwärtigen Kammermajorität. Wenn die Pariser Vorgänge vom Freitag und Sonntag der Republik wirklich Abbruch thun sollten, so ist daran weit weniger das Gebahren einzelner Demonstranten schuld, als das Verhalten der Polizei, die fich ihrer Vorgängerin, der Polizei des Kaiserreichs, in jeder Beziehung würdig zeigte. Durch die abgeschmacteften ,, Borsichtsmaßregeln", Absperren belebter Straßen 2c., verursachte sie selbst Ansammlungen, um sie nachher mit bekannter Brutalität auseinanderzutreiben. Sie erbitterte so nicht nur die Demonstranten, sondern auch das unbetheiligte Publikum, das eine weit größere Zahl zu den Verhafteten stellte als die Demonstranten selber. Die Veranstalter der Demonstration aber trifft der Vorwurf, daß sie nicht einmal soviel Organisation an den Tag legten, als nöthig war, um in ihren eigenen Reihen Ordnung zu halten.
Wenn man die Beispiele Englands nachahmt, dann soll man sie auch in dieser Beziehung nicht ignoriren. Skandal zu provoziren ist leicht, eine erregbare Boltsmenge hinzureißen, keine Kunst; die Aufgabe der Sozialdemokratie aber besteht darin, eine Bewegung zu organisiren, die durch ihr geschlossenes Vorgehen, durch feste Disziplin der Welt zeigt, daß sie das, was sie sich zur Aufgabe gesetzt, auch durchzuführen Willens und im Stande ist; daß sie nicht nur zu stürmen, sondern auch zu siegen versteht.
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Die Wahl in Belleville am letzten Sonntag hat zwar nicht das Resultat ergeben, das wir gewünscht hätten, aber sie weist doch ein hocherfreuliches Anwachsen der sozialistischen Bewegung nach. Am meisten Stimmen, 3,474, erhielt der sozialistisch radikale Herr Sigismond Lacroix , der, politisch der äußersten Linken angehörend, die wesentlichsten Arbeiterforderungen in sein Programm aufgenommen hatte und nur den Gedanken der gewaltsamen Revolution perhorreszirte. Der Opportunist Metivier erhielt in dem Wahlreise, der bisher Gambetta gewählt hatte, nur 2042 Stimmen. Von den Arbeiterkandidaten, Du may und Guesde, erhielten der erstere 1178, der letztere 487 Stimmen, so daß im Ganzen 1667 Stimmen für die Sozialdemokratie abgegeben wurden, während am 21. August 1881 die sozialistischen Kandidaten kaum 500 Stimmen auf sich vereinigten. Das ist ein Zuwachs, der sich sehen laffen kann, und sicher wäre das Resultat noch glänzender ausgefallen, wenn die bedauerliche Spaltung unter den Sozialisten nicht bestände. Ueber dieses Thema sowie über die unwürdige Art und Weise, mit welcher von gewiffer Seite Jules Guesde bekämpft wurde, wollen wir indeß
schweigen. Seite Jules Gueshe bel
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Spanien . Was wir in unserer letzten und vorlegten Nummer über die sogenannte Verschwörung der schwarzen Hand gesagt, wird jetzt endlich auch von der übrigen Presse zugestanden, daß nämlich rein lokale, durch Noth und Elend verursachte Revolten seitens der Regierungsund Polizeiorgane verlogenerweise zu politischen Staatsaktionen aufgebauscht worden sind, um einen Vorwand zu haben, gegen die aufstrebende Arbeiterbewegung einzuschreiten. Die Zahlen- Angaben, welche durch die Agence Havas über die Stärke der schwarzen Hand" in die Welt hinaustelegraphirt wurden, sind nichts anderes als die Mitgliederzahlen der ganz öffentlich wirkenden süd spanischen Arbeitervereine. Diese aber haben mit der schwarzen Hand" gar nichts zu thun, sondern weisen vielmehr jeden Zusammenhang mit ihr entrüstet zurück. Die " Revista Social" von Madrid betont ausdrücklich den öffentlichen und gesetzlichen Charakter der Bewegung, deren Organ sie ist, und fordert von der gegnerischen Preffe, daß sie zwischen Banditenthum und