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Kurz nach Beginn der Verhandlung beschließt der Gerichtshof, bestehend aus einem„, unparteiischen" Richter Namens Hildebrand und den ehrenwerthen Bürgerschöffen Dörrschlag und J. Darmstädter, daß man die Deffentlichkeit ausschließen müsse, weil das Sittlichkeitsgefühl des Volkes durch die Verhandlung verlegt werde. Nur einigen ,, Privilegirten", u. A. dem sauberen Besitzer des Mannheimer Tageblattes, Mar Hahn, und einigen Fabrikanten" aus der hiesigen honetten Gesellschaft wurde erlaubt, dieser figlichen Verhandlung anzuwohnen, jedenfalls in der Voraussetzung, daß das Sittlichkeits- und Ehrgefühl dieser Stüßen der Gesellschaft nicht mehr verletzt werden kann!
Der Gerichtshof zeigt sich willfährig, verhandelt hinter verschloffenen Thüren, damit die Thaten der Herren nicht in die Oeffentlichkeit kommen sollen, damit das gewöhnliche Volt" es nicht erfahre, wie Fabrikbefizer, Hofräthe und sonstige Kreaturen aus einem Kunstinstitute ein Bordell machen! Mit Arbeitern wäre man anders verfahren, man hätte sie auch in der Oeffentlichkeit todt zu machen versucht! Natürlich find die Herren, um die es sich handelt, verheirathet; sowohl der Fabrik, befizer Lanz als der artistische Leiter der hiesigen Hofbühne, der ge= heime Hofrath Dr. Jul. Werther. Letterer erklärte sehr faltblütig in der Verhandlung, daß es richtig sei, daß er mit der angeschuldigten Schauspielerin in so intimen Verhältnissen gelebt habe und lebe, und daß eben dieses intime Verhältniß zu einer Entbindung besagter " Dame" geführt habe. Er paradirte gleichsam mit seinem Ehebruch. Die Frau Hofräthin kennt das saubere Verhältniß, macht sich aber, wie es scheint, nicht viel daraus, was wohl daher kommen mag, daß ste ihrem Gemahl schon ein Kindlein mit zur Ehe brachte!
Herr Lanz, dem vermuthlich die Waden der„ Künstlerinnen" intereffanter erschienen, als die Kunst, bekundete eine riesige Vorliebe fürs weibliche Theaterpersonal. Wenn die Wadenbesichtigungen hier ohne weitere Folgen blieben, so ist das nur der Routine der" Damen " anzurechnen! Ein weiterer Hofrath, Namens Rumpel, scheint auch, trotzdem er 67 Jahre zählt, viel geliebt zu haben, auf daß ihm viel verziehen werde. Darüber vielleicht ein anderes Mal.
Ich würde über die ganze Geschichte den Mantel„ chriftlicher Liebe" gedeckt haben, wenn nicht die hiesigen Blätter, voran das Tageblatt des sauberen Sozialistenfreffers Mar Hahn, das bei jeder Gelegenheit den hiesigen Parteigenossen auf dem Nacken sitzt und sonst Alles, was nicht die höhere Gesellschaft" blos stellt, getreulich rapportirt, die Sache mit einigen nichtssagenden Zeilen abgemacht hätte, und wenn diese standalösen Vorgänge nicht abermals zeigten, wie verkommen gerade die Gesellschaft ist, die sich unverschämterweise die bessere" nennt. Da schreien sie stets: die Sozialdemokraten zerstören die Ehe; wenn aber große Herren neben ihren Weibern Maitressen halten, das Bauer, ift ganz was Anderes!
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Mit obigem Max Hahn, sammt seinem verkommenen pardon, verantwortlichen Redakteur Roth werde ich demnächst einmal gründlich abrechnen. Der schwarze Rothe.
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Ein wichtiges Reichsgerichtsertenntniß. Zwei Arbeiter, E. und H., hatten sich an dem Abonnement eines ihrer Kollegen K. auf den Sozialdemokrat in der Weise betheiligt, daß fie sich denselben gegen Bezahlung von 35 Pfg. pro Monat zum Lesen geben ließen. Dadurch, d. h. durch das gemeinschaftliche Abonnement, sollten sie sich nach der Ansicht der Staatsanwaltschaft eines Vergehens gegen§ 19 des Sozialistengesetzes schuldig gemacht haben. Es wurde Anklage gegen fie erhoben, das betr. Landgericht erkannte jedoch freisprechend. Hierauf appellirte die Staatsanwaltschaft, und am 8. März d. J. hat nun das deutsche Reichsgericht I. Straffenat die von der Staatsanwaltschaft beantragte Revision verworfen das heißt das freisprechende erstrichterliche Erkenntniß bestätigt, da und wir machen die Genossen allerorts auf diese Begründung aufmerksam ―: ,, die Angeklagten die Blätter weiteren Personen zum Lesen nicht abgegeben haben. Durch diese Thatsache ist auch eine etwa bestehende Absicht der Angeklagten, an andere Personen die Blätter abzugeben, als widerlegt zu erachten. Es ist somit nicht nur objektiv dargethan, daß eine Verbreitung der fraglichen Blätter seitens der Angeklagten nicht stattgefunden hat, wie das Gesetz eine solche voraussetzt, sondern es konnten hiernach auch die Angeklagten bei einer Beschränkung der Mittheilung der Blätter lediglich zu eigenem Lesen sich bewußtsein, daß eine Verbreitung an andere Personen ferne gehalten sei. Demnach hat weder E. dem H. die Blätter zur Weiterverbreitung mitgetheilt, noch ist hinsichtlich des Letteren überhaupt eine Mittheilung an irgend eine Person erwiesen. Es liegen auch Anhaltspunkte dafür nicht vor, daß die Angeklagten durch ihre Theilnahme am Abonnement, welches schon zuvor von R. allein unternommen worden war, ihrerseits die Zusendung der Zeitschrift an K. mitbewirkten und die hierauf unter ihnen erfolgende Mittheilung derselben als eine gemeinschaftliche Ausführung der den Angeklagten zur Laft gelegten und dem K. mit zur Last fallenden Handlung aufzufassen wäre."
Wir rathen allen Genossen, die in gleicher Weise unser Blatt lesen, dieses Erkenntniß gut aufzubewahren und sich eintretenden Falles auf dasselbe zu berufen. Bei dem Bestreben der großen Mehrzahl der preußischdeutschen Staatsanwälte und Richter, den Begriff der Verbreitung ungemein au 83udehnen, wird es noch oft nöthig sein, den Herren die Entscheidung des als höchste Autorität geltenden Reichsgerichts unter die Nase zu halten.
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Doch der Schnaps, der Schnaps ist gerettet. Der preußisch- junterliche Schnaps natürlich. In dem neuen spanisch- deutschen Handelsvertrage, der beiläufig zu dem vor drei Jahren als die Summe handelspolitischer Weisheit gepriesenen System ,, autonomer Zolltarife" paßt wie die Fauft auf's Auge, ist festgesetzt, daß nur der Spiritus, dessen Heimath urkundlich nachweisbar das Land der Gottesfurcht und frommen Sitte, der Wohlthaten dieses Vertrages theilhaftig werden soll. Mit anderen Worten, daß dem in Hamburg bisher zur Veredelung gelangenden russischen Spiritus in Zukunft Spanien verschlossen ist. Damit ist der verhaßten Hansestadt ein neuer Schlag beigebracht und ein Greuel vor dem Herrn Schnapsbrenner Kardorff aus der Welt geschafft.
Angeblich habe die spanische Regierung just auf diesem Passus des Vertrages bestanden. Eine sonderbare Laune, wie man ebenso sonderbarer Weise auch nicht den geringsten Versuch gemacht hat, die Regierung Alfonso's von einem Verlangen abzubringen, welches auf eine ganze Industrie absolut mörderisch wirkt. Die deutsche, Kartoffel wird also in noch stärkerem Maße als bisher als Fusel nach Spanien gehen, um als feuriger Alicante , Sherry oder dergleichen in aller Herren Länder Kranke und Gesunde zu erfreuen. Die Kartoffel würde ungebrannt vielleicht nützlicher sein, aber auch Ich bin ein Schnapsbrenner"!
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Eine seltsame Verwandtschaft. Gleichzeitig Jemandes Vetter, Bruder und Schwiegervater zu sein, ist gewiß ein Kunststück. Und es ist auch kein Geringerer als Wilhelm der Erste, Deutschlands Heldenkaiser, der das fertig gebracht und den Groß herzog von Baden in obiger Weise benennt.
Natürlich, sagt die gut demokratische Schweizerische Handelszeitung", ist es die Hofetikette, welche zu dieser wunderbaren Verklitterung führt.
-3u Madai's Nachfolger ist, wie, die Zeitungen melden, ein Herr von Colmar auserwählt worden. Das wäre allerdings der Rechte, denn einen servileren Streber als diesen verdienstvollen Landrath des Kreises Chodziesen , der nach ihm eines schönen Tages plößlich den Namen Colmar erhielt, hätte man kaum auftreiben können.
Sollte sich die Nachricht bewahrheiten, so werden wir nicht ermangeln, eine Biographie dieses geadelten Musterbeamten im Parteiorgan zu veröffentlichen zu Nutz und Frommen der„ loyalen" Bevölkerung Berlins .
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Aus Leipzig , den 21. Juli, schreibt man uns: Wir leben bekanntlich heute in der Zeit des„ praktischen Christenthums" und da versteht es sich denn, daß die Herren und Herrchen am Ruder auch theoretische Christen sind, und in der Theorie chriftliche Nächstenliebe aus allen Boren herausschwitzen. Natürlich besteht die christliche Nächstenliebe darin, daß man die bösen Sozialdemokraten mit jener Liebe liebt, welche nach der Bibel den geliebten Gegenstand züchtigt. Doch davon wollte ich jetzt nicht reden, sondern bloß die Thatsache konstatiren, daß das theoretische Christenthum ein Lästerer würde vielleicht sagen: Maulchristenthum unter unseren Beamten immer mehr grassirt; und namentlich ist es die( fromme!) Polizei mit Allem, was drum und dran hängt, welche start im theoretischen Christenthum macht
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ebenso start wie im praktischen". Unser sächsischer Hr. Oberpolizist, Minister Exzellenz von Nostiz- Wallwig, fließt von theoretischem Chriftenthum über, desgleichen unser Kreis und unser Amtshauptmann, und jetzt auch unser neuer Polizeidirektor. Daß Hr. Hohlfeldt, der frither höchst weltlich gewesen sein soll, fich neuerdings bekehrt hat und jeden Sonntag mit abwärts gesenkten Augen in die Kirche marschirt, das versteht sich von selbst. Wie der Herr so der Diener wie der Bretschneider so der Hohlfeld. Der frömmste der Frommen ist unstreitig unser neuer Polizeidirektor; sein Dienstmädchen erzählt darüber ganz sonderbare Dinge. Er betet Morgens, Mittags und Abends zum Essen und vor dem Schlafen; er erfleht die Hilfe des himmlischen Vaters im Kampf gegen die gottlosen Feinde des Staats und der Gesellschaft, und soll sogar schon mit den Polizeibeamten Betstunden angefangen haben. So wäre es gar nicht unmöglich, daß wir den Grünängigen und seine Kollegen nächstens nur mit Gesangbuch und Bibel unter dem Arm auf ihren Schnüffel. Pardon Geschäftstouren herumgehen sehen, und daß Haussuchungen fünftig bloß noch unter Absingung eines Chorals vordas genommen werden. Spigelei mit Kirchengesang und-Musik wäre allerdings eine prächtige soziale Reform", und, trotz Ben Atiba, noch nicht dagewesen.
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Auf die Lage der armen Frau Künzel, die nun mit vier kleinen Kindern dasigt, muß ich nochmals zurückkommen. Nach dem Tode des Mannes bestand ihr einziges Vermögen in der von diesem gegründeten und zu einem rentablen Unternehmen gemachten ,, Reichsgerichtekorrespondenz". Die Frau konnte das Unternehmen natürlich nicht ohne Hilfe fortführen der jüngere Bruder ihres Mannes, ebenfalls ein tüchtiger Stenograph und Reporter, war dazu bereit und geeignet. Aber die Polizei hatte ihn ausgewiesen. Da jedoch die Ausweisung auf Grund einer Anklage verfügt worden war, die nach gerichtlichem Urtheil keine thatsächliche Grundlage hatte, so gab Frau Künzel sowohl als ihr Schwager sich der Hoffnung hin, die Ausweisung werde rückgängig gemacht werden. Daß alle hierauf zielenden Versuche erfolglos geblieben sind, das wissen die Leser, welche ich nicht mit Wiederholungen behelligen will. Genug schließlich erklärte auch der brave und chriftliche Hr. Nostiz- Wallwitz, als oberste Justanz, dem jüngeren Künzel sei Recht geschehen, es müsse bei der Ausweisung sein Bewenden haben. Ihm sei Recht geschehen! Es geschieht also Jemand sein Recht" meint dieses Muster von einem Minister, Freiherrn und Christen, wenn er wegen eines Verbrechens bestraft wird, das er laut Richterspruch gar nicht begangen hat. Sonderbare Begriffe von Recht", die wir uns merken wollen.
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Und wenn nun das Verbrechen wirklich verübt worden, und die richterliche Freisprechung bloß wegen Mangels an juristischen Beweisen erfolgt wäre was dann? Wäre das Verfahren der Behörden weniger schmachvoll? Betrachten wir uns doch das Verbrechen. Künzel soll Geld für die Ausgewiesenen gesammelt haben! Das ist das Verbrechen, um deffentwillen ein in fester Stellung befindlicher Mann aus seiner Stellung geworfen und eine ganze Familie dem Elend falls nicht von irgend einer Seite Hilfe kommt dem Hungertod überliefert wird! Also die Existenz von acht unschuldigen Menschen denn auch der jüngere Künzel hat noch zwei Personen zu versorgen erbarmungslos zerstört, weil die Polizei in ihrer brutalen Verfolgungssucht einen einfachen Akt der Humanität zum Verbrechen stempelt- einen Att der Humanität, dessen Unterlassung, nach den Moralbegriffen gewöhnlicher Menschen, eine brandmarkende Herzlosigkeit und Niedertracht wäre. Doch die Herren von der Polizei bis hinauf zum Minister haben ihre eigenen Moralbegriffe; sie sind ja gute Christenz theoretische und praktische!
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Das„ Tageblatt" gibt sich die erdenklichste Mühe, das Lindenauer ,, Unglüc" als etwas Unvermeidliches hinzustellen und die ,, Windhose" zu Ehren zu bringen. Die Staatsanwaltschaft, so wird uns versichert, habe sich von der Wirklichkeit der Windhose bereits überzeugt, und dem entsprechend sich ausgesprochen. Da die Staatsanwaltschaft längere Erhebungen anzustellen und das Resultat nicht dem ersten besten Tagblatts- Stribenten auf die Nase zu binden hat, so wird diese ,, Tageblatts"- Behauptung wohl eitel Wind sein, gleich der„ Windhose" selbst.
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Ein Staatsretter auf Wanderschaft. Aus Han nover , im Juli, schreibt man uns: Sie erinnern sich noch des berüchtigten Isenbiel, seines Zeichens Staatsanwalt. Wohlan, in Bezug auf diesen Herrn habe ich eine Nachricht mitzutheilen, die unsere Genoffen, besonders die Breslauer, intereffiren wird. Der genannte Herr ist nämlich ,, auf seinen Wunsch" in seine ,, Vaterstadt" Breslau versetzt worden. Da Breslau zwei sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete hat, so glaubt dieser Streber dort vielleicht ein dankbareres Feld für seine Thätigkeit zu finden, als hier in Hannover , wo es ihm trotz der kolossalften Anstrengungen nicht gelungen ist, einen MonstreProzeß gegen uns zu ,, konftruiren" und sich so den heißersehnten Orden zu ergattern. Die Breslauer Genossen seien hiermit auf den Patron aufmerksam gemacht. Möge er in Breslau so wenig seine Rechnung finden, wie er sie hier gefunden hat.( Nun, die Breslauer Genossen werden mit dem Jsenbiel schon fertig werden. Red. d. S.-D.)
Das Hamburger Wahlresultat hat auch hier großen Jubel hervorgebracht. Die braven Hamburger haben sich im vollsten Sinn des Wortes um die Partei verdient gemacht. Es war sozusagen eine Probeschlacht, eine Vor schlacht des im nächsten Jahre bevorstehenden Wahlkampfs, dem jeder nun mit gesteigerter Zuversicht, mit Siegesgewißheit entgegenblickt.
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Von Nah und Fern. Der Streit in Staffordshire ist beendet, im ganzen Distrikt haben die Streifenden die Arbeit wieder aufgenommen. Selbst das tumultuarische Vorgehen hat ihnen den Sieg nicht verschaffen können. Es hat sich auch hier gezeigt, daß die beste Waffe in den Händen der Arbeiter eine gute Organisation ist. Aus Amerika bringt der Telegraph die Kunde von einem großartigen Streit der Telegraphenarbeiter der Western UnionGesellschaft und einem umfangreichen Zigarrenarbeiterausschluß in New- Yort. Letzterer soll dadurch entstanden sein, daß die Arbeiter in einer Fabrik von dem Prinzipal verlangten, er solle die einer ihnen feindlichen Gewerkschaft angehörigen Arbeiter entlassen. Es handelt sich da zweifelsohne um den seit Jahren geführten Kampf zwischen der Jnternationalen Zigarrenarbeiter Union und der ProgressivUnion der Zigarrenarbeiter. Die erstgenannte Union ist die ältere, aber infolge der von ihr befolgten Schwanzpolitik im steten Rückgang begriffen und vermag sich nur dadurch am Leben zu erhalten, daß sie aus den wenigen Werkstätten, wo ihre Mitglieder dominiren, die Mitglieder der mächtig aufstrebenden, vom ächten Geist der modernen Arbeiterbewegung beselten Progressiv- Union hinausbugfiren läßt. Nachdem alle Aufforderungen, von diesem unsauberen Vorgehen zu lassen, nichts gefruchtet,
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scheint die Progressiv- Union endlich das Messer umgekehrt zu haben, worauf die Prinzipale diesen Anlaß benutzen, eine Sprengung dieser ihnen höchst unbequemen Gewerkschaft zu versuchen. Sie werden sich aber hoffentlich dabei die Finger verbrennen.
Ein Beitrag zur Lehre vom freien Wahlrecht". Die Polizeidirektion von Wiesbaden ( an deren Spizze bekanntlich der famose Wurmb steht) hat eine Wählerversammlung, in der der sozialistische Kandidat, Genosse Franz Jöst, sprechen sollte, auf Grund des Sozialistengesetzes verboten. Die pfeift nach bekanntem Muster auf Reichstagsbeschlüsse. Hoffentlich bekommt sie noch Gelegenheit, flöten zu gehen.
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Der Lohnkampf und die Organisationsthätigkeit der deutschen Arbeiter nehmen ihren steten Fortgang. Jn Stuttgart dauert der Ausschluß der Tischler fort, wir wiederholen daher unsern Aufruf unterstützen! von voriger Woche: 3uzug fernhalten und nach Kräften
In Köln und Mainz fanden vor Kurzem große Arbeiterversammlungen statt, in denen Genoffe Grillenberger mit großem Erfolge als Referent auftrat. Jn Köln ergab eine Tellersammlung zu Gunsten der Stuttgarter Tischler 150 Mart. Den Arbeitern dieser ,, ultramontanen Hochburg" ein kräftiges Bravo!"
Jn Marten bei Dortmund hat das„ praktische Christenthum" der preußischen Regierung sich wieder einmal glänzend bewährt. Ein Utas nach russischem Muster kündigte den Arbeitern eine Schichtverlän gerung an, und als dieselbe eine Deputation entsandten, um mit der Verwaltung Rücksprache zu nehmen, erklärte man das für einen Arbeitertrawall und nahm verschiedene Verhaftungen vor. Wenn die Arbeiter nun noch nicht zur Ueberzeugung gelangen, daß der preußische Staats sozialismus das ,, einzig Wahre" ist, so ist ihnen überhaupt nicht zu helfen.
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Sozialistische Literatur. Von Engel's, Entwid lung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" erscheint jetzt auch eine italienische Uebersezung von Pasquale Martignetti in Benevent . Dieselbe ist nach der französischen Ausgabe gemacht und recht gut. Sie ist dem Verfasser zur Durchsicht eingesandt, der sie durch die Zusäße der deutschen Ausgabe vermehrt hat.
Ferner erfahren wir, daß auch eine russische Ausgabe dieser Schrift in Arbeit ist.
Aus Paris geht uns ein neues Blatt zu ,, Le Republicain socialiste du Centre". Das Redaktionskomite besteht aus vier Anhängern der Partei des Revolutionären Zentralfomite von Paris " ( Blanquisten), u. A. Ed. Vaillant. Als Mitarbeiter werden neben den bekannteren Mitgliedern dieser Partei( Cournet, Eudes, Flotte 2c.) A. Rogeard, Verfasser der„ Bemerkungen des Labienus" und Andreas Scheu genannt. Auch kündigt das Blatt an, daß ihm unser Freund Paul Lafargue aus dem Gefängniß eine Studie über die Landfrage in Frankreich schicken wird. Das Blatt wird sich neben der Propaganda der revolutionären Jdeen namentlich die Förderung der ,, Liga zur Abschaffung der stehenden Heere und Ersatz derselben durch die Volkswehr" angelegen sein laffen. Ohne uns mit seinem Programm vollständig zu identifiziren, wünschen wir ihm guten Erfolg.
- Desterreich. Wie man im, freien Galizien " politische Gefangene mißhandelt. In ihrer Nr. 9 vom 20. Juni veröffentlicht die in Lemberg erscheinende„ Praca"( Wahrheit) folgenden Brief der in Lemberg eingeferterten Sozialisten:
,, Nach sechs Monaten Untersuchungshaft wurden wir zu einer langen Freiheitsstrafe verurtheilt. Die Kälte, die wir in unseren schlecht geheizten Zellen erlitten, die Nahrung, die man vielmehr Spülicht nennen tönnte, haben unsere Gesundheit so sehr geschwächt, daß es Jahre bedürfen wird, sie wieder herzustellen. Wir sind aus dem Regen in die Traufe gekommen. Man hat uns in den„ Bezirk" transferirt. Stellen Sie sich ein Zimmer mit niedriger Decke vor( man erreicht sie mit der Hand), ein Zimmer, deffen Wände durch und durch feucht und mit Gallerte bedeckt sind, die unenträthselbare Zeichnungen bilden, deffen Luft mit Miasmen aus den Gefäßen mit Excrementen angefüllt ist; dazu mit Mist und beiderlei Gattungen von Insekten angefüllte Strohsäcke, vollständiger Mangel an Bettzeug, kleine Fenster, die der Luft kaum gestatten, in's Innere zu dringen, vollständiger Mangel an Desinfektion und vor Allem eine Koft, welche Erbrechen und Etel erregt, gesteigert durch eine schwere und heiße Atmosphäre.
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Alle unsere Beschwerden sind nur mit allgemeinen Phrasen beantwortet worden. Seit acht Tagen entbehren die Kranken jedweden Beistandes, obgleich einer unserer Gefährten wiederholt Blut gebrochen hat.
Seit zwei Tagen nehmen wir keine Nahrung mehr zu uns; wir haben uns entschlossen, lieber Hungers zu sterben, als unter dem ,, Schuße der Verfassung" elend zu vegetiren.
„ Indem wir alles dies der Redaktion zu wissen machen, hoffen wir, daß wenn die öffentliche Meinung nicht ihre Stimme erhebt, um die Rechte zivilifirter und keineswegs verbrecherischer Menschen zu vertheidigen, vielleicht der Thierschutzverein von der Regierung eine erträglichere Existenz für Menschen erlangen wird, welche ihrer Freiheit beraubt sind und nur eine passive Opposition machen können. Lemberg , 10. Juni 1883.
Die eingekerferten Sozialisten." Leider haben wir noch nicht in Erfahrung bringen können, ob dieser Nothschrei eine Befferung der Lage unserer unglücklichen Genossen zur Folge gehabt oder welchen Ausgang die beabsichtigte Hungerrevolte ge
nommen.
Korrespondenzen.
Hamburg . Nach errungenem Siege gedachten die hiesigen Genoffen ihres früheren Kandidaten für den ersten Hamburger Wahlkreis, unferes unvergeßlichen August Geib, und legten einen Kranz mit folgender Juschrift auf sein Grab:
" Zum Andenken an den braven Genossen, durch dessen Vorarbeit ein so glänzendes Resultat erzielt wurde. Die Parteigenoffen des ersten Hamburger Wahlkreises."
Ein ähnlicher Kranz wurde auf das Grab unseres jüngst verstorbenen Genossen Brenner niedergelegt.
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Rbt.
Berlin . Wiederum ist einem tüchtigen Arbeiter von dem Chef des Spizelgesindels die Existenz vernichtet worden. Genosse Klose, Schraubendreher, ist ausgewiesen und hat am 14. Juli Abends Berlin verlassen müssen, um jenseits des Ozeans sich ein neues Heim zu gründen. Er hinterläßt Frau und vier Kinder. Bei dieser Ausweisung nahmen sich die Polizeihallunken eine nenen Frechheit heraus. Bisher wurde jedem Ausgewiesenen die Ausweisungsordre zugestellt, diesmal verfuhr man anders. Am Dienstag tam ein Polizist und brachte Genossen Klose die Ordre, er solle Mittwoch zwischen 11 und 12 Uhr nach dem Präsidium tommen. Dort wurde diesem dann von dem Polizeitommissar Gerstlich eine Litauei vorgelesen, daß man ihm 74 Fälle der Verbreitung des„ Sozialdemokrat" nachweisen könne. Hierauf ward ihm die Ausweisungsordre vorgelesen und ein Protokoll darüber zum Unterschreiben vorgelegt. Eine Verweigerung der Unterschrift würde seine Verhaftung nach sich führen. Auf das Verlangen Klose's, Ausweisungsordre ausgehändigt zu erhalten, erwiderte Gerstlich höhnisch, die bekäme er nicht; er würde sie ja nur dazu benutzen, um sich unterstüßungsgelder damit zu beschaffen. Wenn indeffen die Hallunken meinten, Klose mit dieser Właßregel noch besonders schädigen zu können, so waren sie auf dem Holzwege. Die Nachricht von der Ausweisung war binnen Kurzem in allen Schraubendrehereien
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