Erscheint

wentlig einmal

in

Zürich ( Schweiz )

Verlag

Boltsbuhandlung Qettingen- Zürich .

Botsendungen

franco gegen franco.

Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz toften

Doppelporto.

M: 37.

Der Sozialdemokrat

do

Zentral- Organ der deutschen Sozialdemokratie.

Donnerstag, 6. September

Avis bie Sonnenten und Korrespondenten des Sozialdemokrat".

Da der Sozialdemokrat sowohl in Deutschland als auch in Oesterreich verboten ist, bezw. verfolgt wird, und die dortigen Behörden fich alle Mühe geben, unsere Berbindungen nach jenen Bändern möglich zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns and unsere Zeitungs- und sonstigen Sendungen nach dort abzufangen, so it die außerste Borsicht im Boftverkehr nothwendig und barf teine Borfichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarber über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt dee Gendungen ju täuschen, und lettere dadurch zu schülken. Haupterfordernis ik hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten

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und Gemaßregelten nicht!

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Gedanken eines Sozialisten im Gefängniß.

Bon Daniel Lehmann.*)

Gestorben am 24. August 1883.

Fern von der Heimath, in des Kerters Zelle, Sitz ich allein voll Kummer und voll Gram, Weil man mich von der heimathlichen Schwelle, Hinweg von Weib und Kind und Freunden nahm; Ein Urtheil hat man über mich gesprochen,

Das von Gerechtigkeit trägt teine Spur: Nur von Gewalt, worauf die Gegner pochen, Von grenzenloser Willkür zeugt es nur.

So fitz ich hier in namenlosem Bangen Das Heimweh nach den Meinen packt mich an, Und finnend über das, was ich begangen, Stell' eine Selbstbetrachtung ich jetzt an; Ich überschaue streng mein ganzes Leben, Werf' pritfend einen Blick in meine Brust, Worauf dieselbe mir den Troft gegeben: Du bist Dir teiner schlechten That bewußt. Nur weil dem Sozialismus Du gehuldigt, Weil Du betreten seine kühne Bahn,

Hat man Dich des Verbrechens angeschuldigt Und deshalb alles Leid Dir angethan; Nur deshalb haben freche Bösewichte

Dich schon seit Jahren wie ein Wild gehetzt, Partei'sche Männer saßen zu Gerichte, Der Bosheit ward die Krone aufgesetzt.

Denn diese Herren wollen nicht verstehen Das Geisteswehen einer neuen Zeit,

Sie wollen nicht die Aera kommen sehen, Der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Drum wird von ihnen der mit Gunst behandelt, Der als charakterloser schuft'ger Wicht,

Den schmutz'gen Pfad der Denunzianten wandelt Und treulos das Vertrau'n der Freunde bricht.

Doch trotzdem darfst Du muthlos nicht verzagen, Auch Dir wird die Befreiungsstunde nah'n, Mußt, muthig hoffend, Deine Leiden tragen, Wie vor und mit Dir Viele schon gethan. Noch ist der feste Glaube nicht entschwunden, Daß endlich stegt der Wahrheit helles Licht, In Millionen Herzen wird's empfunden, Wie es sich Bahn durch finstre Wolken bricht.

Darfft auch nicht lange zandernd überblicken, Die große Maffe, die noch unbewegt, Gedankenfant mit tiefgebeugtem Rücken Das unheilvolle Joch der Knechtschaft trägt. Nein! Trotz Verfolgung mußt Du vorwärts dringen, Das Schwert des Geistes führen fest im Streit Und Kühn der Wahrheit heil'ges Banner schwingen, Für wahre Freiheit und Gerechtigkeit.

So wird, wonach die edelsten der Geister Gestrebt, ein Freiheitsdrang im Bolf erzeugt, Deß teine Macht der Erde je wird Meister, Vor dem sich selbst die stolze Herrschsucht bengt. So wird erlöst die längst enterbte Klaffe, Die heut sich fügt dem rauhen Machtgebot, Und jubelnd wird die feffelfreie Maffe Bujauchzen dann der Freiheit Morgenroth. Zwar wird die Macht der herrschenden Gewalten, Das Geld, im Bunde mit Altar und Thron, Noch möglichst lang die Freiheit niederhalten Und jeder freien That mit Strafe droh'n. Jedoch die Saat, die sie gefä't, wird reifen: Wenn brausend die Vergeltungsstürme weh'n, Dann mögen fie nach allen Mitteln greifen, Sie werden doch im Sturme untergehu.

Dann wird ein neuer Völkerfrühling kommen, Durch den mit der Erkenntniß Sonnenlicht Die starren Fesseln werden abgenommen, Die Trug und Herrschsucht um die Geister slicht. Dann wird die alte morsche Knechtschaft weichen, Denn gleiche Menschen kennt die Freiheit nur, Und die erlöfte Menschheit wird erreichen Endlich den Zustand wirklicher Kultur.

Das sei Dein Glaube selbst in Kerkersnöthen, Das Deine Hoffnung in der schwersten Bein. Dann ist in Dir der Eifer nicht zu tödten, Zu treten für die Unterdrückten ein.

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1883.

ais möglich an den Sozialdemokrat, resp. deffen Berlag felbft adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige breffe außerhalb Deutschlands und Desterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Retommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen, um trotz aller entgegen­Sehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat unsern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.

Und solltest Du auch keinen Dant genießen, Dich treffen auch der Menge Spott und Hohn, So wird Dich selbst der Undant nicht verdrießen: Jm Selbstbewußtsein liegt des Edlen Lohn.

So spricht mein Jnn'res, und mein Blick belebt sich Und leichter wird mir nun das bange Herz;

Vor meinem Aug' die Hoffnungssonn' erhebt sich Und auch gemildert ist des Heimweh's Schmerz. Ja, ja! S'ift wahr! Ich will fie muthig tragen, Die mir jetzt zugefügte Tyrannei,

Will zwischen Kerterwänden nicht berzagen, Und weiter fämpfen, bin ich wieder frei!

Inzwischen werden gute, treue Freunde Die Meinen schützen vor der größten Noth, Denn triumphiren sollen nicht die Feinde, Der Meistverfolgte", er ist noch nicht todt. Auf's Neu will ich bei meiner Rückkehr schwören Zur rothen Fahne", die ich mir erfor, Und bis zum Tod dem Bunde angehören, Der trotz Verfolgung sie noch hält empor! Darf man sie jetzt nicht öffentlich entfalten In unsres deutschen Reiches Herrlichkeit", So soll sie heimlich ihren Umzug halten, Und heimlich Kämpfer werben für den Streit. Ihr Gruß soll helles Zornesroth entflammen In jedes echten Mannes Angesicht, Daß es entfacht zur kühnen That die Mannen, Bis jedes Schmachgesetz in Scherben bricht.

AlyaJn

Der Verfasser sandte uns das obige Gedicht mit folgendem Be­gleitfchreiben ein: Berehrliche Redaktion! Vorstehendes Gedicht ist als erster poetischer Versuch während meiner Gefängnißhaft in Freiburg über Pfingsten entstanden. Da ich es für zu mangelhaft hielt, unterließ ich bis jetzt, daffelbe einzusenden. Aber auf verschiedene Wünsche hiesiger und Badener Genossen sende ich es ein, mit dem Wunsche, wenn es paffend ist, daffelbe im Barteiorgan zu veröffentlichen. Die Vornah me einer Verbesserung räume ich gern ein. Mit Gruß an alle Freunde Pforzheim , 19. November 1882.

Bis gleiches Recht und gleiche Pflicht für Alle Allüberall in voller Geltung steht,

Und bei millionenfachem Jubelhalle Die rothe Fahne von den Thürmen weht, Bis daß der Donnerruf der freien Brüder Dem Nachtgesindel in die Ohren gellt: Hier stehn von nun an mir, der Freiheit Hütter, Die Machtvollstreder einer neuen Welt!

Blut und Eisen.

In der famosen, an anderer Stelle charakterisirten, Denkschrift", in welcher die sächsische Regierung die Verlängerung des über Leipzig und Umgebung verhängten kleinen Belagerungszustand es zu rechtfertigen versucht, ober sagen wir lieber, sich den An­schein gibt, zu versuchen, heißt es am Schluß:

Nachdem bereits durch fritere Eathüllungen die Augen darüber geöffnet worden waren, daß die Bestrebungen dieser Partei von atheistischem, republikanischem und kommunistischem Geifte erfüllt sind, hat es dieselbe für vortheilhaft gefunden, noch bei der Berathung über die Denkschriften zur Rechtferti­gung des über mehrere Orte verhängten sogenannten kleinen Belagerungszustandes im Reichstage in der Sizung vom 13. Dezember 1882 durch einen ihrer Vertreter in unumwundener Weise verkünden zu lassen, daß das zielbewußte Streben der Sozialdemokratie nicht auf Reformen, sondern nur auf Revo­lution und nur auf diese gerichtet ist."

Dieser Satz stellt gewissermaßen den Haupttrumpf dar, den bie fächsische Regierung auszuspielen hat, den einzigen, der einiger maßen schlagkräftig wäre, wenn er nur leiber nicht auf einer ganz gemeinen Verbrehung beruhte. Es ist unferem Genossen Vollmar, auf den hier angespielt wird, gar nicht eingefallen, zu behaupten, daß wir keine Reformen wollen, er hat nur konstatirt, daß unter dem Einfluß des Aus: nahmegesetes auch die Taktik unserer Partei naturgemäß eine immer revolutionärere werbe, werden müsse. Daß das Ziel unserer Partei ein revolutionäres, baß wir einen Gesellschafts­zustand erstreben, der eine vollstadige Umgestaltung, eine gänz­liche Revolutionirung der heutigen politischen und gesell­schaftlichen Verhältnisse in sich begreift, darüber bedurfte es weder besonderer, Enthüllungen", noch brauchten Jemandem die ,, Augen barüber geöffnet" zu werden- abgesehen etwa von Leuten, die die letzten 20 Jahre über geschlafen haben.

Aber selbst wenn Herr v. Nostiz - Walllwit nicht geflunkert hätte, wenn Vollmar wirklich erklärt hätte, daß unsere Bestrebun gen nur auf die Revolution im Sinne des Gegensatzes zu Re­formen, d. h. auf die gewaltsame, blutige Umwälzung gerichtet seien, so halten wir es für unsere Pflicht, zu konstatiren, daß gerade die heutigen Machthaber kein Recht haben, über den Appell an die Gewalt in tugendhafte Entrüstung auszubrechen, und daß es nichts wie grobe politische Heuchelei ist, wenn von dieser Seite her die Gewalt als Hebel politischer und sozialer Neuerungen als verwerflich hingestellt wird. Wenn wir die Ueberzeugung hegen, daß die gesellschaftliche Reform, die wir erstreben, nur auf dem Wege der gewaltsamen Revolution erreicht werden kann, bann haben wir zu Meistern in dieser Theorie Niemand anders als die Männer, welche heute in Preußen- Deutschland das Heft in Händen haben.

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Es ist die christlich- konservative Kreuzzeitung ", das Organ des historischen Rechts", welche in ihrem Artikel zum Seban tage einen wahren Lobgesang anstimmt auf Blut und Eisen, burch die einzig und allein das deutsche Reich habe geschaffen I Dan. Lehmann.

können.

Nur durch Eisen und Blut", sagt das Organ der preußischen Hofpartei, ist das große Werk gelungen, die Einigung Deutsch­ lands und die Aufrichtung des Kaiserthums, nicht in alter, sondern in ganz neuer Herrlichkeit. Jeßt erkennt Jedermann, daß dies Ziel auf anderem Wege nicht zu erreichen war, und die großen Kämpfe von 1866 und 1870 und 1871 erscheinen uns jetzt in ihrem innerem Zusammenhange und in ihrer Noth­wendigkeit. Darüber herrscht kein Zweifel mehr, Eisen und Blut haben das deutsche Reich geschaffen, und diese Mächte müssen dasselbe auch erhalten, das wissen wir und darnach muß unser Verhalten sich richten."

Und unmittelbar vor diesem schönen Satz heißt es:

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,, Auf parlamentarischem Wege konnte Deutsch­ land nicht geeinigt, tonnte das Kaiserthum nicht aufgerichtet werden. Dazu hat der Parlamentarismus teine Kraft."

Es fällt uns selbstverständlich nicht ein, mit der Kreuzztg." zu polemifiren und speziell darüber zu polemi firen, auf welchem Wege Deutschland geeinigt werden konnte oder nicht. Mit einem Blatt, für das Deutschland nicht anders denkbar ist wie als Kaiserthum, für das das Volk Nichts ist und die Regierung Alles, mit einem solchen Blatt diskutirt man nicht. Aber die Kreuzzeitung " gibt dem Geist, welcher unsere preußisch- deutschen Machthaber erfüllt, den unverholensten Ausdruck, und deshalb gelten uns auch die oben zitirten Säße als typisch für dieselben.

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Wenn wir die Einigung Deutschlands nicht so haben können, wie wir sie wollen, sagten die Herren nämlich unter Aufrecht­erhaltung der Fürstenherrlichkeit und aller sonstigen monarchisch­feudalen Traditionen, dann wollen wir sie entweder gar nicht oder nur durch Blut und Eisen, das heißt auf dem Wege gewaltsamer Revolution. Und 1866 und 1870/71 ward diese Theorie in Fleisch und Blut übersetzt, ward auf Blut und Eisen das unparlamentarische neudeutsche Kaiserreich errichtet.

Revolution bleibt Revolution, ob sie von oben oder von unten gemacht wird.

Wenn die deutschen Arbeiter sehen, daß ihren Forderungen feine Genugthuung wird, wenn ihre Ausbeutung ungehindert weiter betrieben wird, wenn man sie weiter in Abhängigkeit von den Schwankungen des Geschäftsmarktes beläßt, mit einem Wort, wenn man ihnen Reformen anbietet, welche sie nicht wollen, und ihnen die Rechte und Reformen vorenthält, welche sie erstreben, warum sollen die Arbeiter dann vor einem Mittel zurückschrecken, welches die chriftlich- konservativen Herren für so einfach und natürlich halten?

Etwa weil die Arbeiter nicht für Sonderprivilegien und Sonder­interessen kämpfen, sondern für die Befreiung aller Unters

drückten?

Ein solcher Grund mag in den Augen der Kreuzritter wirklich stichhaltig erscheinen, für jeden anderen Menschen, mag er nun Sozialist sein oder nicht, ist er einfach lächerlich.

Freilich, es ist noch ein zweiter Unterschied da, der zu berück­fichtigen ist.

Wenn die sozialistischen Arbeiter an die gewaltsame Revolution denken, dann sind sie entschlossen, ihr Leben für dieselbe in die Schanze zu schlagen; für die Revolution, welche sie erstreben, tragen sie ihre eigene Haut zu Markte. Mit der Revolution von oben verhält es sich jedoch ganz anders.

Als am 2. September 1870 die Sonne aufging, bedeckten 25,000 Leichen das Schlachtfeld von Seban: 15,000 Franzosen, 10,000 Deutsche . Die beiden Monarchen aber wechselten noch am frühen Morgen folgende brüderlichen Briefe:

Mein Herr Bruder!

,, Da es mir nicht gelang, inmitten meiner Armee zu sterben, so bleibt mir nur übrig, meinen Degen in die Hände Eurer Majestät zu legen.

" Ich bin Eurer Majestät lieber Bruder

Antwort:

Mein Herr Bruder!

Napoleon ."

Obwohl ich die Umstände, unter denen wir uns treffen, bedaure, nehme ich den Degen Eurer Majestät an, und bitte Sie, einen Ihrer Offiziere zu ernennen, der mit allen Voll­machten versehen ist, die Kapitulation der Armee, die sich so tapfer geschlagen hat, abzuschließen. Von meiner Seite ist der General von Moltke mit diesem Auftrage betraut. " Ich bin Eurer Majestät lieber Bruder

Wilhelm."

Während die lieben Brüder" diese Briefe abfaßten, verbreitete sich vom Dorf Bazeilles jener historisch gewordene brenzliche Geruch ein ganzes Dorf ward mitsammt seiner Bevölkerung von bis auf's Aeußerste aufgestachelten Soldaten niedergebrannt! Aber all' Das war nüßlich und nothwendig, weil die Einis gung Deutschlands sich nicht von unten herauf vollziehen durfte: ,, Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!"

Wie man steht, ist sogar Gott " für die Lösung gewisser

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