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Polizeißtückchen. In München wäre es am 19. August bein ahe zu einem veritablen Krawall zwischen Arbeitern und Militär gekommen. Eine Landparthie von einigen hundert Münchener Sozialisten hatte der Hochlöblichen Anlaß gegeben, einige Dugend Gensdarmen auf­zubieten, zum Schutz der Ausflügler. Natürlich ließen sich die Lezz­teren durch die liebevolle Ueberwachung in ihrem Humor nicht stören, fie brachten vielmehr neben verschiedenen Hochs auf die Sozialdemokratie, den an der Parthie theilnehmenden Abgeordneten Vollmar 2c. auch ein Hoch auf die gute Polizei aus. Je mehr aber die Abgesandten der ftaatlichen Ordnung merkten, welche lächerliche Rolle sie spielten, je mehr wuchs auch ihre üble Laune, und alle Versuche, fie im Stoff zu erträn­fen, waren vergeblich. Auf dem Nachhauseweg aber übermannte ver­schiedene der Edlen die Wuth. Ganz unverrichteter Sache wollten sie doch nicht nach Hause zurüdkehren. Ohne jede Veranlassung fürzten bei der Sendlinger Kirche vier Säulen" auf den an der Parthie theil­nehmenden Dr. Schönlant ein und erklärten ihn für verhaftet. Dann zogen zwei derselben blank und hieben wie rasend auf die Umstehenden ein. Genosse Ernst, der für Schönlant bürgen wollte, erhielt einen Plempenhieb unter dem Rufe: Zurüd, Kert, ich renne Ihnen einen Säbel durch und durch!" Die Münchener Arbeiter hatten nicht übel Lust, den Patronen Mores zu lehren, indeß ließen sie sich von Genosse Vollmar vor unüberlegten Streichen zurückhalten. Daß es auf eine Pro­vokation abgesehen war, geht daraus hervor, daß eine Schwadron schwere Reiter und aus jedem Infanterie bataillone 40 Mann in der Kaserne tonsiguirt waren. Man wollte also, wie es scheint, den Staat retten. Jetzt haben unsere Genossen den Spieß umgekehrt und dringen auf Bestrafung der Gensdarmen wegen Landfriedensbruch .

Zu ähnlichen Auftritten wäre es beinahe am selben Sonntag bei Themnitz gekommen, wo circa 1400 Sozialdemokraten einen Ausflug nach dem nahen Rabenstein gemacht hatten. Doch auch hier blitte die Polizei mit ihren Provotationen ab. Jn Königsberg in Preußen standen in diesen Tagen zwei unserer Genossen vor Gericht, um sich wegen angeblicher Verbreitung sozialistischer Schriften zu verantworten. Der Termin wurde jedoch auf Antrag des Vertheidigers des einen der Angeklagten vertagt, da Kriminalinspektor Hirsch auf Reisen gegangen und zu dem Termin nicht erschienen war.

In Berg bei Solingen sollte am Sonntag den 26. Auguft eine Boltsversammlung stattfinden mit dem Reichstagsabgeordneten Rit­tinghausen als Referenten. Aber in letzter Stunde fiel es der Hochlöblichen doch noch ein, wie gefährlich es wäre, wenn ein Abgeord­neter mit seinen Wählern in persönlichen Verkehr trete, und sie verbot die Versammlung. Dem Wirth des betr. Lokals ließ der gestrenge Bür­germeister zur Strafe dafür, daß er seinen Saal den Sozialisten habe vermiethen wollen, für den Rest des Tages das Lokal schließen. Als Rittinghausen mit mehreren Genoffen nach Solingen zurückkehren wollte, folgte ihm die Polizei auf Schritt und Tritt, was nun erst recht zur Folge hatte, daß sich immer mehr Arbeiter dem Zuge anschloffen, der schließlich weit über tausend Mann zählte. Alle Versuche der Polizei, Rittinghausen von der Menge, die sich im Uebrigen durchaus ruhig ver­hielt, zu trennen, schlugen fehl. Als Rittinghausen, auf dem Bahnhof in Solingen angekommen, von dort abfuhr, erbrauften tausendstimmige Hochs auf die Sozialdemokratie, worauf die Polizei bande, ohne vor­herige Aufforderung, mit blanker Waffe auf die Menge einhieb ,,, um den Bahnhof zu räumen". Diese Brutalitäten dürften der Gesellschaft noch einmal theuer zu stehen kommen.

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In Berlin haben in der letzten Zeit wieder mehrere Bersamm. lurgen stattgefunden, in denen die Arbeiter ihre Stellung zu den bevorstehenden Kommunalwahlen klarlegten. Die bemerkens. werthefte dieser Versammlungen dürfte die des fortschrittlichen Oranien­platzbezirksvereins vom 30. Auguft gewesen sein, in der es zu sehr leb­haften Auseinandersetzungen zwischen Fortschrittlern, Antisemiten und den Wortführern der Berliner Arbeiter tam. Das Resultat dieser Aus­einandersetzung hat denn endlich auch der Berliner Bolkszeitung" die Augen geöffnet, der nunmehr ein Alp von dem Herzen genommen ist", weil sie dahinter gekommen ist, daß die Arbeiter nicht die Verbündeten der samosen Bismarckischen Bürgerpartei sind. Um das Zeugniß, welches die Boltszeitung" ihrem politischen Scharfblick dadurch ausstellt, daß sie zugibt, darüber überhaupt im Zweifel gewesen zu sein, beneiden wir das Fortschrittsblatt allerdings nicht.

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Aus den Debatten heben wir folgende Aeußerungen eines der Haupt­redner der Arbeiter als besonders charakteristisch hervor:

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,, Es ist recht schön, wenn Herr Traeger" der fortschrittlicherseits das Wort führte, versichert, er werde dem Rufe seiner Wähler, Rechen­schaft abzulegen, stets Folge leisten. Ich gebe jedoch Herrn Träger die Versicherung: die Arbeiter werden bei den nächsten Wahlen alles Mög­liche thun, daß Herr Träger im vierten Berliner Reichstagswahlkreise nicht mehr gewählt wird.( Lebhaftes Bravo und Zischen.) Für die sozial­politische Freiheit, die keine Privilegien kennt, auch nicht die Privilegien des Kapitals, hat die Fortschrittspartei noch nichts gethan. Im Uebrigen will ich bemerken, daß zu einer Zeit, als die Fortschrittspartei die Flinte ins Korn geworfen hatte, die Arbeiterpartei es war, die allein auf die Schanze ging und den Kampf gegen die Reaktion führte. Es ist des­halb geradezu ein Unfinn, wenn man glauben kann, wir würden die Schleppenträger einer Partei sein, die die Intoleranz in Permanenz er­tlärt hat. Die Fortschrittspartei ist in teiner Weise für Besserung dieser Verhältnisse eingetreten, obwohl sie seit vielen Jahren die unbe­schränkte Macht in der Stadtverwaltung gehabt habe. Deshalb wollen die Arbeiter diesmal bei den Stadtverordnetenwahlen selbständig vorgehen." ( Stürmischer Beifall.)

Auch die Antwort des Herrn Traeger ist charakteristisch. Sie

lautete:

Abg. Traeger: Ich bin in den meisten Punkten mit meinem Vor­rebner einverstanden. Ich habe nicht die entfernte Hoffnung gehabt, daß die Arbeiterpartei mich das nächste Mal wählen wird; ich finde es im Gegentheil für durchaus berechtigt, wenn Sie mich mit allen Mitteln be­tämpfen. Ich habe es häufig ausgesprochen, daß ich es sehr bedaure, gerade Herrn Bebel gegenüber aufgestellt zu sein. Ich habe vor Herrn Bebel, den ich seit vielen Jahren fenne, die größte Hochachtung.( Stür mischer Beifall.) Dies Alles kann uns jedoch nicht abhalten, dort gemein­fam den Kampf zu führen, wo es in der That ein gemeinschaftliches Rämpfen gilt."

In dieser Weise sprach der gewandte Fortschrittsredner noch eine Weile fort, bis er als höchftes Lob für die Fortschrittspartei anführte, daß dieselbe bei allen sozial- reformatorischen Gesetzen mit den sozial­demokratischen Abgeordneten zusammengestimmt habe".

Das trifft zwar nur auf das Krankenkaffengesetz zu, indeß wollen wir darüber nicht rechten. Die Hauptsache ist, daß die Fortschrittler, die bis­her so stolz auf unsere Partei herabsahen und sie nicht oft genug als Vorarbeiterin für die Reaktion hinstellen konnten, sich heute gezwungen sehen, als den Maßstab ihres demokratischen Verhaltens ihr Verhalten zu uns anzuerkennen. Die Festigkeit und Entschloffenheit trägt zuletzt doch den Sieg davon, und Eines haben die Berliner Arbeiter heute schon erreicht: fie haben die Herren Fortschrittler ein Stück nach vor­wärts getrieben und ihnen einen Begriff von wahrer Demokratie bei­gebracht.

Am Schluß der Versammlung wurde eine Resolution einstimmig an­genommen, in welcher aufgefordert ward, die Wahl jedes Kandidaten, welcher der konservativ- antisemitischen Richtung angehört, mit aller Macht au bekämpfen".

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3ur Lohn- und Arbeiterbewegung. Der Streit der Stuttgarter Schreiner ist im Großen und Ganzen beendet,

und wenn die Arbeiter ihre Forderungen auch nicht in ihrem vollen Umfange durchsetzten, so ist doch der Sieg ihnen geblieben. Vom Ausschluß ist natürlich gar keine Rede, mit diesem Plan sind die Herren Fabrikanten gründlich hereingefallen. Sie haben vielmehr alle wesentlichen Forderungen der Arbeiter bewilligen müssen. Gestreift wird nur noch in der Fabrik von Georg Schöttle , und sind noch 55 Mann zu unterstützen. Die Streitfommission ersucht indeß mit Rücksicht auf die großen Geldsendungen, die von auswärts eingelaufen sind, von weiteren Geldsendungen vor der Hand abzusehen, dagegen ist es noch immer dringend erforderlich, Zuzug fernzuhalten!

,, Kollegen! Arbeiter!" schließt der letzte Aufruf der Streiffommission, Herzlichen Dank für die uns so zahlreich zugewendete Unterstützung; wir wissen, was wir in ähnlichen Fällen Euch schuldig sind."

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Schweiz . Auf seiner Agitationsreise sprach Grillenberger, noch in Lausanne , Vevey , Genf , Luzern , Zürich , Frauenfeld und St. Gallen . Der Erfolg war überall ein guter und gewann Grillenberger nicht nur die Sympathie der deutschen Ar­beiter für unsere Sache, sondern auch die schweizerische Bevölkerung zollte seinem tattvollen Auftreten alle Anerkennung. Wo die hie und da in der Schweiz noch vorhandenen Anarchisten ihm entgegentraten, wurde ihnen von Grillenberger so kräftig heimge leuchtet, wie sie es schwerlich erwartet hätten. Dabei zeigte sich denn die Anarchie in ihrer schönsten Beleuchtung: an jedem Ort wurde sie von ihren Anhängern anders erklärt. Eine babylonische Sprach verwirrung herrscht unter diesen Welt­umstürzlern, die selbst in dem Kopfe ihres Meisters nicht ärger sein

tann.

Ja Zürich sprachen in derselben Versammlung, in der Grillenberger auftrat, noch A. Jonas, Redakteur der New- Yorker Volkszeitung", über Kapital und Arbeit in Amerika " und Genosse C. Conzett über den schweizerischen Arbeitertag. Genosse Jonas gab ein höchst inter­effantes Bild von der Konzentration und der Macht des Kapitals in den Vereinigten Staaten von Amerika , und wies zahlenmäßig nach, wie seit einer Reihe von Jahren die Lebenshaltung des amerikanischen Arbeiters im Sinten begriffen ist. Er zeigte ferner, wie trotz der gerühmten ame­ritanischen Freiheit der Arbeiter drüben oft in einer Weise Sklave der Kapitalisten sei, wie es schlimmer kaum in Rußland der Fall sein kann. Dies ist namentlich dort der Fall, wo Arbeiterwohnungen mit der Fabrik verbunden sind.

Conzett referirte über den schweizerischen Arbeitertag, zu dem nun­mehr 150 Delegirte angemeldet find. Der Regierungsrath des Kantons Zürich hat dem Einberufungskomite für die Sigungen des Arbeitertages den Schwurgerichtssaal bewilligt, was in gewissen Kreisen sehr unliebsam bemerkt wurde.

Die Versammlung war glänzend besucht, sämmtliche Redner ernteten stürmischen Beifall. Ein gutes Omen für das Wert der Reorganisation der Arbeiterschaft in der Schweiz .

-Ungarn . Die antisemitischen Unruhen in Ungarn nehmen vielfach den Charakter eines Kampfes gegen die Herren" über­haupt an, was die ungarische Regierung nach gerade veranlaßt hat, ernst­haft einzuschreiten. Es wäre aber durchaus verfehlt, diesen Bauern­unruhen einen sozialistischen Charakter beizulegen oder anzunehmen, daß sie unserer Sache unmittelbar nüßlich sein könnten. Nichts weniger als das ist der Fall. Es fällt den ungarischen Bauern und ihren Anführern gar nicht ein, eine bessere Organisation der Gesellschaft zu erstreben, sie folgen nur einem Gefühl unklaren Hasses und der Leidenschaft, das sich meist gegen arme Teufel, die Niemanden etwas zu Leide gethan haben, in brutalfter Weise Luft macht und nur ganz ausnahmsweise wirkliche Hallunken trifft. Wo die Bauern indeß bewußt vorgehen, da sind ihre Motive im Grunde reaktionäre, gegen die moderne Gesellschaft gerichtete. Es zeigt sich hier deutlich, daß Brutalität noch lange nicht Revolution bedeutet.

Aber wenn wir in diesen Unruhen auch nichts weniger als soziali­stische Erhebungen zu erblicken vermögen, so stimmen wir deßhalb doch keineswegs in das Geschrei der liberalen Presse ein, welche alle Schuld den antisemitischen Hezern in die Schuhe schieben möchte. Nein, so ein­fach liegt die Sache denn doch nicht. Ohne eine tiefgehende Unzufrieden­heit mit den bestehenden Verhältnissen ist eine so umfassende Bewegung nicht zu erklären. Den Herren Antisemiten ist es nur, Dank der Un­wissenheit, in der das ungarische Volt sich noch befindet, gelungen, die Unzufriedenheit des unter dem Druck eines schmählichen Ausbeutungs­systems leidenden Volkes in ein falsches, reaktionäres Fahrwasser zu len­ten. Es wird der Militärgewalt vielleicht gelingen," Ruhe und Ordnung" herzustellen, aber solange die wirklichen Ursachen der Tumulte nicht be­seitigt sind, solange bürgt nichts dafür, daß sich der Haß des Volkes nicht eines Tages wiederum Luft macht auch ohne antisemitische Hezer.

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Italien . Zur Tattit der italienischen Sozialisten erhalten wir mit Bezug auf unsere Notiz in Nr. 35 nachfolgende Zu­schrift von dem daselbst angegriffenen Andrea Costa , der wir, trotz der nicht gerade feinen Ausfälle gegen unsern Korrespondenten, gern Plaz gewähren.

Werthe Genoffen!

Daß Ihr Korrespondent aus Italien ( der übrigens, was Sie berück­sichtigen wollen, tein Italiener ist) die Methode, sich mit den demo fratischen Parteien( Republikanern und Radikalen) zur Erreichung gemein­schaftlicher Zwecke zu verständigen, für schlecht hält, begreife ich, daß er aber diese Methode als eine Lossagung" oder Aufgabe der Prinzipien" betrachtet, das verstehe ich durchaus nicht und kann es mir nur mit jerer frankhaften Neigung erklären, mit der Leute von schwacher Ueberzeugung bei jeder Gelegenheit Andere des Verzichtes auf deren Ueberzeugung anflagen.

Seit mehreren Jahren schon haben die italienischen Sozialisten( wenig. ftens in unserer Region, welche fast die einzige ist, wo der Sozialismus start organisirt ist, der Regierung zu denken gibt und den Gegnern zu schaffen macht), seit mehreren Jahren schon, sage ich, haben die Sozia­listen gemeinsam mit den Republikaneru und Radikalen und der großen Masse der städtischen und ländlichen Arbeiter für eine Reihe von allseitig gewünschten Reformen gewirkt, und sie haben nicht nur ein neues poli. tisches Wahlgesetz erlangt, welches ihnen ermöglichte, zu kämpfen und Siege zu erringen, sondern sie haben auch in der Romagna die that­säbliche Abschaffung der auf die Sozialisten gemüuzten Polizeiansnagme­gesetze durchgesetzt. Das geschieht, wie gesagt, seit mehreren Jahren, und Niemand( selbst Ihr Korrespondent nicht) hat sich je veranlaßt gesehen, die Sozialisten oder die Republikaner anzutlagen, daß sie auf ihr Partei­programm Verzicht leisteten. Was ist nun der Demokratische Bund", von dem Jhr Korrespondent spricht, Anderes, als die Regulirung und Verallgemeinerung deffen, was man bis jetzt gethan? Und weshalb sollte man in der Zukunft auf die respektiven Prinzipien verzichten, wenn bis jezt Niemand auf sie verzichtet hat? Jm Gegentheil, Genossen, das Erste, was der Demokratische Bund" feststellte, war die volle Selbstständigkeit und Aktionsfreiheit der Parteien, aus denen er sich zusammensetzt, in Bezug auf ihre besonderen Parteiforderungen!

Damit nicht genug, haben die Sozialisten, welche an dem Kongreß von Bologna theilnahmen( einige dreißig oder sogar mehr), dem Kon­greß eine sehr unumwundene Erklärung darüber abgegeben, daß ste, ob­wohl fie damit einverstanden sind, sich mit den anderen demokratischen Parteien zu dem Zwecke zu verständigen, alle lebendigen Volts­träfte gegen die bestehenden politischen und sozi­alen Einrichtungen sowohl zu den friedlichen als auch zu den revolutionären Agitationen zu vereini­gen, doch noch einmal die Selbstständigkeit ihrer Partei und deren Aktionsfreiheit betonen und sogar erklären, daß ihr Verhalten gegenüber dem Demokratischen Bund" den Beschlüssen ihrer Parteifongresse untersteht!

Und gerade ich habe nicht unterlaffen, mich mit der größtmöglichen Deutlichkeit über diesen Punkt auszulassen, und so haben es alle Sozia liften gethan, die das Wort ergriffen.

Wie mag man daher jezt kommen und den ungerechten und unedlen Verdacht der Lossagung" und Aufgabe der Prinzipien" gegen so viele Genossen schleudern?

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Hätte sich Ihr Korrespondent darauf beschränkt, die Organisation des Bundes" zu tritifiren, so wäre ich der Erste, der ihm Recht gäbe, da die Form dieser Organisation von uns Allen bekämpft wurde. Aber wir waren in der Minorität und mußten für den Moment die Beschlüffe anerkennen, indem wir uns vorbehielten, beim nächsten Kongreß ihre Ab­änderung zu beantragen. Und da im Anschluß an jene Beschlüsse ein Zentralfomite ernannt wurde, so ist es sehr klar, daß, wenn wir in irgend einer Weise von der eben geschaffenen Organisation Nutzen ziehen wollten, wir in daffelbe eintreten mußten. Das ist der Grund, weshalb ich im Einverständniß mit den auf dem Kongreß anwesenden Genoffen afzeptirte, in das Zentralkomite einzutreten. Es wäre in der That zwed­los, den demokratischen Kongreß zu beschicken, wenn man nicht in die Organisation, die er schaffen würde, eintreten wollte, wie es unnilt ist, sich an den Wahlen zu betheiligen, wenn man die Vortheile, die das Parlament bieten kann, nicht ausnuten will.

Daß meine Annahme von einigen Genossen nicht verstanden worden sein tann, ist um so eher möglich, als es in Italien wie in Frankreich und allerwärts Sozialisten gibt, die a priori( von vorneherein) jede Theilnahme am politischen Leben verwerfen und sich stets und überall der­selben enthalten. Wenn aber Ihr Korrespondent, der doch diese Theilnahme atzeptirt, Diejenigen bekämpft und schlechte Absichten bei ihnen vermuthet, welche logischerweise den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen wollen, so kann dies nur durch die Annahme erklärt werden, daß er nicht verstanden hat, um was es sich handelt.

Wir können", sagt er, uns wohl mit anderen Parteien über be­stimmte Fragen verständigen, wohl mit ihnen zur Erreichung gleicher Zwecke Seite an Seite kämpfen."

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Nun wohl, was haben wir denn Anderes gethan, als an der Seite anderer Parteien Stellung genommen, um sehr bestimmte gleiche Zwecke zu erreichen?" Doch", fährt Ihr Korrespondent fort, uns mit einer bürgerlichen Partei, und wäre es auch die radikalste, zu verschmelzen, ist ohne Aufgabe unserer Prinzipien nicht denkbar."

Danke vielmals! Wir haben nicht nöthig, dies von Ihrem Korrespon­denten zu lernen. Wir wissen es seit lange. Und deshalb haben wir ftets jede Jdee einer Fusion( Verschmelzung) mit anderen Parteien ver­worfen und uns nur zum Zweck des Kampfes gegen einen gemeinsamen Feind verbündet.

,, Das Einverständniß", heißt es über diesen Punkt im ,, Avanti!" vom 16. September 1882, die Verbündung der verschiedenen demokratischen Barteien zum Zweck der unmittelbaren Verwirklichung aller Forderungen, welche das Voltsbewußtsein gereift hat"( was genau der Zweck des " Bundes" ist) dieses Einverständniß bedeutet nicht Fusion, und die Feststellung der gemeinschaftlichen Forderungen hat nie den Verzicht auf die besonderen höheren Forderungen jeder Partei bedeutet. Diejenigen, welche von Fusion und Konfusion reden, haben nicht verstanden oder wollen nicht verstehen. Die Fusionen zurückzuweisen, waren wir die Erften."

Und damit würde ich schließen, wenn mir nicht eine Betrachtung in die Feder liefe. Ihr wißt, Genossen, welche Beschuldigungen von gewiffen Sozialisten gegen die Sozialdemokratie Deutschlands aufgetischt werden. Nun wohl, dieselben Beschuldigungen werden jetzt gegen uns erhoben mit derfelben Begründung. Ich will Ihren Korrespondenten nicht mit diesen gemeinen Anklägern zusammenwerfen, aber Sie würden sich ein Verdienst um den Sozialismus erwerben, wenn Sie ihm den Rath geben wollten, ein wenig mehr die Menschen und die örtlichen Verhältnisse zu studiren, ehe er ein Urtheil fällt, nicht bei Anderen Beweggründe voraus­zusetzen, die er für sich als schlechte anerkennt, und seinerseits für das Uebergewicht des Sozialismus zu arbeiten, anstatt Andere, die dafür wirken, zu kritisiren und zu tadeln. In der That, wenn gewisse Sozia­listen ihre Delegirten nach Bologna geschickt hätten, anstatt grundlos zu schreien, so hätten wir die Majorität gehabt und das Ansehen und die Kraft unserer Partei hätten um so mehr gewonnen.

Genossen, ich habe Ihnen diesen langen Brief geschrieben, um Ihnen die Thatsachen in ihrem wahren Lichte darzustellen und Ihnen gleichzeitig zu beweisen, welchen Werth ich Ihrem Urtheil beimeffe. Gemeine Anfläger und Verläumder verachte ich, aber ich halte darauf, Leuten, die ich achte, zu antworten.

Genehmigen Sie, Genossen, meinen herzlichen Händedruck! Andrea Cost a.

Nachschrift Noch möchte ich bezüglich unseres Kongresses von Ravenna bemerken, daß derselbe, nachdem er von der bewaffneten Macht gesprengt worden war, nicht, wie es in Ihrer Notiz heißt, unter Polizeiaufsicht, sondern geheim abgehalten wurde.

Korrespondenzen.

Aus Schlesien , Ende Auguft. Vor Kurzem hielten wir einen gutbesuchten Provinzialtag ab mit der Tagesordnung:

1. Die Unterstützung der durch die großartigen Ueberschwemmungen Schlesiens zu Schaden gekommenen Anhänger der sozialistischen Partei.

2. Die nächste Reichstagswahl und die für dieselbe aufzustellenden Kandidaten.

3. Jnnere Organisation 2c.

Zu Punkt 1 der Tagesordnung wurde ein Komite gewählt, welches die Aufgabe hat, die geeigneten Schritte zu thun, derartig geschädigte Genoffen ausfindig zu machen und die Unterstützung nach Prüfung der Person und der Höhe des Schadens zu veranlassen. Außerdem wurde eine Resolution angenommen, wonach unsere Abgeordneten ersucht wer­den, die Regierung aufzufordern, Mittel und Wege zu schaffen, damit den so oft wiederkehrenden, grenzenlosen Verheerungen, durch welche Tausende von Existenzen vernichtet werden, in jeder heute möglichen Weise gesteuert werde.

Zu Punkt 2 wurde nach längerer Berathung beschlossen, genau nach den Beschlüssen des Kopenhagener Kongreffes zu verfahren; die Beschluß­faffung über die aufzustellenden Kandidaten jedoch für eine spätere Be­rathung zu vertagen.

Zu Punkt 3 war man allgemein der Ansicht, daß die geheime Agita­tion mit Rücksicht auf die heutigen Berhältnisse wohl beibehalten werden müsse, und daß es ein Haupterforderniß sei, öfter derartige Zusammen­tünfte zu veranstalten, damit die neugebildeten Organisationen dem großen Ganzen verbündet bleiben zum gemeinsamen Kampfe.

Arbeiter Schlesiens! Wachet auf! Wohl wissen wir, daß Ihr an Eure schlechten Verhältnisse gewöhnt seid, wie der Vogel, der die Frei­heit nicht fennt, an seinen Käfig. Wohl wissen wir, daß Ihr zum großen Theil von uns fernbleibt, weil Ihr nicht den letzten Bissen Brod ver lieren wollt. Kämpfet deshalb im Geheimen, denn ohne Kampf kein Steg! Schaart Euch um unser Banner, unter welchem wir uns be­freien wollen von politischer, sozialer und religiöser Knechtschaft! Ent­schuldige sich keiner, daß ihm keine Gelegenheit geboten sei, sich uns an­zuschließen. Unsere Interessen sind solidarisch: ist es dem Einzelnen nicht bergönnt durch Wort und Schrift zu agitiren, so mag er es thun durch Einsendung von Geldmitteln. Jeder muß den Willen in fich tragen, das bereits eroberte Terrain zu behaupten, neue Pofitionen zu gewinnen, die Volksmassen aufzuklären und anzuleiten. Vorwärts! fei unsere Losung! Blaublouse. Mit Gruß!

Bielefeld , 15. Juli. ( Schluß.) Ein würdiges Seitenstück zu dem sauberen Niederée ist der hiesige Bolizeiwachtmeister us, welcher erst fürzlich, jedenfalls auch in Folge seiner verdienstvollen(?) Leistungen, vom Wachtmeister zum Polizei- Kommissar befördert worden ist. Wenn Uz z. B. auf den Wochenmärkten umhergeht und bei verschiedenen Verkäufern Einkäufe macht, dann wird gewöhnlich gesagt: Bringen oder schicken Sie es mir nach meiner Wohnung," vom Bezahlen wird wohlweislich nicht gesprochen. Zu Hause sagt die Frau dann: So, hat mein Mann das getauft?" und bezahlt natürlich auch nicht. Und wenn diese Leute wirklich einmal Geld hingeben, als ob sie bezahlten, dann er­halten sie gewöhnlich ebensoviel wieder zurück, als sie hingegeben haben, denn die Verkäufer sagen sich: bei und mit diesen Lenten dürfen wir das nicht so genau nehmen. Dafür wird dann ein Auge zugedrückt, und die Verkäufer können dann um so ungenirter das kaufende Publikum aus­