darauf bedacht ist, daß ihm das irdische nicht entgeht, ist z. B. ein würdiger Vertreter dieses vortrefflichen Systems. Aber auch der Fabrikant, der als volksparteilicher Demokrat" für Freiheit und Gleichheit mannhafte Reden hält und zu Hause seine Arbeiter nach allen Regeln der Kunst tnechtet, was betreibt er Anderes als die berühmte doppelte Buchführung?

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- Nur logisch. Das Reichsgericht hat das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papst es in einem neuerlichen Erkennt­niß für eine ,, unbedingte Folge der ganzen kirchlichen Lehre und seine Schmähung als eine Beschimpfung der fatholischen Kirche erklärt, die nach§ 166 des Reichsstrafgesetz­buches mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft wird. Diese Erklärung, über welche sich einige liberale Blätter standalisiren, macht dem Reichsgericht alle Ehre. Warum sollten auch die Besitzer der Unfehlbarkeit in Leipzig die Unfehlbarkeit des römischen Papstes nicht in Schutz nehmen? Die eine ist soviel werth als die andere. Wir, und unsere Leser sicherlich mit uns, empfinden vor den unfehlbaren Aus­Sprüchen des Oberhauptes der katholischen Kirche keine geringere Hoch­achtung, als vor den weltlichen Rechtssprüchen der Leipziger unfehlbaren Reichsgerichtsräthe. Soweit sind wir mit dem Reichsgericht ganz ein­verstanden.

Für uns liegt der Fehler einfach in der Existenz dieses ganzen Para graphen 166, der ein Hohn auf die sogenannte Freiheit der Wissenschaft, auf das Recht der freien Meinungsäußerung ist.

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Der Einberufungstermin für den sächsischen Landtag erinnert uns an ein Artikelchen, das die ,, Dresden . Nachr." bor einigen Wochen brachten. Dieses Organ für Korruption, 3otologie und Altweiberklatsch sah sich veranlaßt- wir wissen nicht, ob in höherem Auftrage, der Landtagsmajorität den guten Rath zu geben, den sozial­demokratischen Rednern möglichst das Wort abzuschneiden, da diese nur auf Krateht ausgingen und durch den Lärm ihrer Reden das Land viel Geld tofteten. Handelte das Blatt nicht in höherem Auftrage, als es dies schrieb, so sicher im Einverständniß mit Herrn v. Nostiz- Wallwitz und feinen Kollegen, die ftets eine Art Magenkrampf empfinden, wenn vom Landtag die Rede ist, in dem es ehemals so gemüthlich" herging.

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Jezt ist die Gemüthlichkeit" verschwunden, daran find allerdings die Sozialisten schuld, aber infam gelogen ist, wenn man behauptet, sie hätten den Landtag in die Länge gezogen und dadurch dem Lande viel Kosten verursacht.

In die Länge gezogen wird der Landtag, weil die Deputationen, in benen kein Sozialist sitzt, denn man hält sie geflissentlich ferne, mit schneckenartiger Geschwindigkeit arbeiten, so daß fünf, auch sechs Wochen bergehen, ehe eine ordentliche Sizung stattfinden kann. In die Länge gezogen wird er ferner, weil die Majorität ftets für gut findet, schon Freitag Vormittags Schicht zu machen und Montag Nachmittags erst anzufangen, um in der Zwischenzeit nach Hause zu den väterlichen Ochsen" fahren zu können. Endlich werden die Weihnachtsferien so aus­gedehnt, daß sie wohl 4-5 Tage früher beginnen könnten, und wäh­rend der Ferien gehen die Diäten fort.

Die sozialistischen Abgeordneten, die nur ihre Schuldigkeit thun, wenn fie Mißstände in der Verwaltung des Landes oder Klagen großer Kate­gorien der Bevölkerung zur Sprache bringen, werden sich durch Drohun. gen à la Dresdener Nachrichten" nicht einschüchtern lassen. Bersucht aber die Majorität des sächsischen Landtages im Sinne dieses edlen Blattes zu handeln, dann werden die sozialistischen Abgeordneten Mittel finden, der Majorität zu zeigen, wie sie im Interesse des Landes zu arbeiten hat.

Die Volksvertretung ist nicht gewählt, um der Regierung Komplimente zu machen und zu ihren Vorlagen Ja und Amen zu sagen, sondern um Kritit zu üben und Berbesserungen vorzuschlagen und gerechte Beschwer­den zur Sprache zu bringen. Das Geld, das für diese Zwecke das Land alle zwei Jahre nur kurze Zeit auszugeben hat, zahlt es gerne, und ist diese Summe von viel zu geringfügiger Bedeutung gegenüber den Kosten, die andere nuzlose Juftitutionen wir erinnern an die Fütterung der Pfaffen aus dem Staatsfäckel, die kostspieligen Gesandtschaften, das über­flütffige hohe Beamtenthum, die politische Polizei 2c.- alljährlich ver­Schlingen.

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Wollte die Regierung im Intereffe des Landes handeln, dann mußte fie den Landtag Ende September, spätestens Anfang Oktober einberufen, was fie recht gut konnte. Dann konnte derselbe bis Weihnacht fertig sein und Ferien waren nicht nöthig. Diejenigen Mitglieder, die dem Reichstag angehören, tönnten sich voll und ganz diesem nach Neujahr widmen. Wir haben aber den Verdacht, die Regierung berief den Landtag so spät, damit er mit dem Reichstage tollidire und die Mitglieder der Opposition, bie meist zugleich Mitglieder des Reichstages sind, ihr minder unbequem werden können.

Man merkt die Absicht, aber erreicht wird nichts damit.

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- Die Ordnungsbestien an der Arbeit. Zu der in Nr. 41 mitgetheilten Affäre auf der Haide bei Mülheim am Rhein schreibt uns ein Genoffe folgendes:

Cöln , im September. Von einem Augenzeugen wird mir folgender Sachverhalt über die Affäre auf der Mülheimer Haide berichtet: Am Sonntag den 23. September Nachmittags um halb 6 Uhr waren auf einem Feldweg neben den Artillerie- Schießständen der Mül­heimer Haide eine Anzahl Leute, augenscheinlich den verschiedensten Stän­den angehörig, beisammen; darunter Spaziergänger mit Kindern. Anfangs waren es nur wenige gewesen, allmählich hatten fich aber immer mehr angesammelt, wie dies stets der Fall ist, wo Neu­gier die Leute herbeilockt. Ob nun wirklich ein besonderer Zweck dieser Zusammenkunft zu Grunde lag, werden ja die im Gang befindlichen Untersuchungen ergeben. Da tauchten auf einmal aus dem Gebüsch der Jufanterie- Schießstände drei Wachtposten vom 16. Regiment, ein Polizei­Kommissär aus Nippes , drei Polizisten, ein Schandarm und eine in einen grauen Anzug geftedte Zivilperson auf, welche lettere fich nachher auch als Polizist entpuppte. Diese tamen im Sturmlauf in einer Entfernung bon 150 Schritt quer über die Artillerieſchießstände, die Soldaten mit gefälltem Bajonett, die Polizisten mit gezogenem Säbel auf den Menschen­tnäuel los. Die Leute hatten mit einer gewissen Verwunderung diese Eskorte tommen sehen. Als dieselben auf der letzten Böschung an gekommen waren, begann die Menge sich zu zerstreuen. Da schrie der Rommiffar und der im grauen Anzug:" Ihr feigen Hunde, wollt ihr wohl stehen bleiben! Soldaten, schießt!" Gleich nachher nahm der Kommiffar das Wort: Schießt!" wieder zurüd. Wahrscheinlich hatten bie 16 noch nicht geladen, sonst wäre es zu spät gewesen. Der Kommissar griff nun aus der Menschenmenge einen der Größten heraus und schrie ihn an: Wie heißen Sie? Der Mann antwortete. Darauf zweite Frage: Wer ist der Rädelsführer? Das weiß ich nicht." Was? Ich durch. bohre Sie! Und nun ging die Treibjagd los. Ein Soldat legte sich auf die Erde zum Schießen und die Uebrigen trieben das Wild " zusammen. Es wurden im Ganzen 34 als Gefangene erklärt, die sich theils frei­willig aufstellten, theils gezwungen werden mußten. Hierauf nahmen die Brutalitäten eigentlich erst ihren Anfang. Es hatten schon vorher eine Anzahl Berhafteter Kolbenstöße und Fauftschläge ins Gesicht und Stöße mit dem Säbelknopf empfangen, die Mißhandlungen aber auf dem Feldwege von der Haide bis nach Nippes spotten jeder Beschreibung. Da hieß es, zu vier Mann in Reih und Glied durch Morast marschiren. Wollt Ihr wohl Reihe halten! Und wenn Ihr Hunde versauft, Ihr Räuber, Jhr Lumpen!- und alle sonstigen denkbaren Schimpf­worte. 3hr wollt wieder einen hödel haben!" und der­gleichen, alles unterstützt durch unzählige Kolbenstöße. Wer schon ein­

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mal Gelegenheit hatte, die Viehtreiber in ihrer Blüthe zu sehen, der mag sich dieselben als reine Engel vorstellen gegenüber diesen Wächtern der Ordnung". Als man sich der Vorstadt Nippes näherte, hieß es: Nunruhig, damit die Einwohner nichts merken! von den Rohheiten nämlich. Ein einziger von den Treibern, der Gensdarm, hatte sich etwas anständiger benommen; er hatte die Leute nicht mißhandelt und auch einmal den Polizisten zugerufen, sie sollten die Rohheiten einstellen, denn die Leute gingen ja ruhig. Auf dem Hof des Depots in Nippes wurden die Rohheiten wieder fortgesezt. Einzelne wurden hier vorgeführt und durchsucht und dann ein Protokoll aufgenommen. Um 12 Uhr Nachts wurde der 33. entlassen, während der festgehaltene 34. am andern Morgen nach Cöln transportirt ward, wo er bis Donnerstags Abend festgehalten wurde. Gegen diesen wird nun An­flage erhoben( Rohr und Genossen) und es sind schon einige der Mit­verhafteten als Zeugen gegen die Anderen vorgeladen.

I muß noch erwähnen, daß u. A. ein Arbeiter mit seinem 15jährigen Sohn verhaftet wurde, und als der Sohn vorgeführt ward und im Vor­gefühl seiner Unschuld nicht sofort in Ohnmacht fiel, griff ihn der Poli­zist beim Halse, und ihn anbrüllend: Sie Grünschnabel auch dabei!" schlug er ihn mit der Faust ins Gesicht. Dies ist die ,, moralische Seite" der Nippes 'er Polizei. Auf der anderen Seite finden wir Tags darauf zwei von den Polizisten vor Gericht. Einer davon wurde wegen fahr­lässigem Eid",( welch schönes Wort!) zu 14 Tagen Gefängniß ver­urtheilt. Da derselbe nun anstandshalber nicht mehr Polizist sein darf, so hat man, zweifelsohne der Herr Bürgermeister, dafür gesorgt, daß der Mann ein besseres Unterkommen findet, und zwar als Platzmeister in der Dampf- Sägemühle bei Auerin Nippes. Es wurde auch dafür gesorgt, daß Diejenigen, welche mit verhaftet waren, außer Brod gesetzt wurden, und Einer wurde deswegen aus der Königlichen Zentralwerkstätte entlaffen. Für die meineidigen Polizei. hallunken wird gesorgt, und die fleißigen Arbeiter bringt man außer Brod, das ist die Moral der Ge­schichte.

Wiederum ein Spigel in's 3uchthaus. Als 1. 3. Spizelschmidt, schreibt man uns aus Stuttgart , der hiesigen Stadt­birektion seine Dienste anbot und nachfrug, ob es hier nichts für ihn zu denunziren gebe, antwortete ihm bekanntlich die hiesige obere Polizei­behörbe ablehnend. Natürlich war es nicht Abschen vor dem schmutzigen Handwerk der Spigelei, was diese Ablehnung veranlaßte, sondern der Grund lag ganz wo anders. Unsere Stuttgarter Polizei ist nämlich hie gut württembergisch alleweg"; ihre Liebe zum Schwabeländle" läßt es nicht zu, fremde Spigel in Dienst zu nehmen, sie hat ihre eigenen Lente", denen ste die Ueberwachung der Rothen überträgt, und konnte daher auf die Dienste des Königlich sächsischen Spitzels verzichten. Natürlich dienen so wenig wie in Sachsen in Württemberg anständige Leute der Bolizei. Neben ihrer Spigelei treiben sie Dinge, die sie in's Zuchthaus

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führen. Dem fächsischen ist der tönigl. württembergische Spige Sauter ins Zuchthaus gefolgt.

Sauter ist ursprünglich Schreiner , und als er in der hiesigen Möbel­fabrit von Stern Arbeit nahm, merkten die dortigen Genoffen bald, daß ein Spitzel unter ihnen weilte. Diverse Haussuchungen und Verneh mungen fanden statt, bei denen sich heraus stellte, daß die Polizei von den Vorkommnissen in der Fabrif genau unterrichtet war. Trotzdem richtete fich der Verdacht der Genoffen anfangs nicht auf Sauter, der am lautesten auf die Polizei und Polizeiwirthschaft schimpfte und bei dem die Polizei zum Schein gleichfalls gehaus­sucht hatte. Schließlich fanden gleichzeitig fieben Haussuchungen bei Arbeitern der Stern'schen Fabrit statt, in Folge deffen ward Genoffe Schwab verhaftet und wegen Verbreitung verbotener Schriften in Untersuchung genommen, die schließlich zur Verurtheilung Schwab's führte. Noch immer wußten die Arbeiter der Stern'schen Fabrit nicht, wer der Spitzel unter ihnen sei. Erst Schwab fand, als er nach seiner Verurtheilung seinen Strafantritt zu den Akten gab, einen Brief in denselben, worin Sauter an den Staatsanwalt schrieb, ,, boch nicht zu verrathen, daß er der Denunziant, da er font feines Lebens nicht sicher set."

Kurze Zeit nach Bekanntwerden dieser Thatsache ward Sauter eines Nachts anges hoffen und schwer verwun det. Er verbreitete, daß er auf einem Spaziergange angefallen worden sei. Die hiesigen Genossen durch einen der von ihm Denunzirten zur Rechenschaft gezogen sei. Das gaben fich schon der Hoffnung hin, daß Sauter der Behme verfallen und war ein Frrthum. Sauter wurde bald darauf verhaftet, nach seiner Genesung vor die Geschwornen gestellt und wegen Einbruch und Meineid zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurtheilt. Die Verwundung hatte er durch einen Schuß erhalten, der seitens der Hausbewohner auf die Ein­brecher abgegeben wurde. Unser Honold und Schwarzwald "-Kern sollen arge Zahnschmerzen wegen dieses Falles haben.

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Nebenbei mag noch bemerkt werden, daß vor Kurzem einige Personen einen Mann am Bothengerweg dabei ertappten, wie er Abends aus einem Kohlfelde sich diverse Köpfe zusammenannektirte. Verscheucht, aber nicht eingeholt, konnte die Persönlichkeit nicht festgestellt werden, dagegen tonnte man erkennen, daß der Felddieb die Uniform der Stadtpolizei trug.

Spizbuben als Eigenthumswächter unferer ganzen famosen Gesellschaft!

- das famosefte Charakteristikum

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Ein demokratisches Musterorgan. Der Charakteristik des Glauchauer Beobachter" in Nr. 34 des Sozialdemokrat" schreibt man uns aus Apolda , wollen wir eine Charakteristik des derzeitigen Redakteurs deffelben Blattes, Herrn Grahl, beifügen. Derselbe war bis zu seiner Ueberfiedelung nach Glauchau , Redakteur des hiesigen ,, Tageblattes", einer in allen reaktionären Farben schillernden Sumpfpflanze.

Als solcher war Grahl hier in den Gemeinderathefizungen als Bericht­erstatter anwesend. Der Rath verlangte in einer Sigung die Bewillig. ung von 150 Mt. zur Erhöhung der Feier des Sedantages. Unsere Genoffen, deren wir einige im Gemeinderath haben, protestirten dagegen, daß man zur Verherrlichung von Kriegen, die das Volt so unsäglich un­glücklich machen, auch noch den Gemeindesäckel in Anspruch nehmen wolle. Es möchten Diejenigen, welche durchaus eine Sedanfeier haben wollen, die Kosten aus ihren Privatmitteln bestreiten.

Dies gab nun Herrn Grahl Veranlassung, in so gehässiger Weise über unsere Genossen herzufallen, daß sich der ganze Gemeinderath darunter beleidigt fühlte und einstimmig beschloß, Herrn Grahl zu den Gemeinde­rathssitzungen nicht mehr zuzulassen.

Auch an Begriffsverwechslung von Mein und Dein scheint Herr Grahl zu leiden. Derselbe tafsirte Inseratenrechnungen, ohne in den Geschäftsbüchern zu quittiren, und die Expedition erhielt nicht eher Kenntniß davon, als bei der Versendung der Rechnungen die bereits quittirten entgegengehalten wurden. Wir werden auf Wunsch mit ein­zelnen Fällen aufwarten.

Man sieht, Herr Advokat Schrape, der Eigenthümer des Glau chauer Beobachter", hat einen seiner wirdigen Redakteur für sein, demo­fratisches" Blatt. Leider wird der Glauchauer Beobachter" von un­seren Genossen noch viel zu sehr unterstützt, ja man tann sagen, daß er dem Abonnement derselben seine Existenz ver banft.

Doch auch wir sagen: Unsere Genossen werden wissen, was sie zu thun haben! Veritas.

Wir können dem geschäßten Einsender zu seiner Genugthuung mit­theilen, daß laut einer uns aus Glauchau zugegangenen Korrespondenz, die wir demnächst zum Abdruck bringen werden, unsere dortigen Ge­

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noffen den sauberen Beobachter" vollauf satt bekommen haben, und daß bereits der Abonnentenstand desselben erheblich gesunken ist. ,, Wir werden wohl demnächst gezwungen sein, den Beobachter" zu Grabe zu tragen", heißt es wörtlich. Bravo!

Polizei und Staatsanwalt schreibt man uns aus Leip. zig, 10. Oftober, haben nach so vielen vergeblichen Anstrengungen end­lich eine kleine Genugthuung zu verzeichnen. Innerhalb weniger Tage wurden 3 unserer Parteigenossen vor das Forum des Gerichts gezogen und verdonnert. Markthelfer Nitzsche erhielt drei Monate Ge­fängniß, Schriftfezzer Posselt drei Wochen Gefängniß und eine Woche Haft, Zigarrenmacher Hofmann drei Monate Gefäng­niß. Außerdem blüht allen Dreien nach der beliebten Praris, sobald ste ihre Haft verbracht haben, die Ausweisung. Wir setzen's auf Conto des Uebrigen und rechnen dann alles zusammen ab.

Alle drei haben sich nach Ansicht des Gerichts der Verbreitung ver­botener Schriften schuldig gemacht und zwar Nitsche und Hofmann unter ,, erschwerenden Umständen"; Posselt erhielt die Woche Haft wegen ,, groben Unfuge". Er hatte anläßlich der letzten Landtagswahl auf das Trottoir und auch an ein Haus die Worte Wählt Munch" träftig in schwarzer Farbe gemalt und war dabei erwischt worden. Dieses Er­tappen wurde aber nun auch in anderer Hinsicht für ihn und Hofmann verhängnißvoll. Poffelt trug einen Brief an Hofmann bei sich, in dem verbotene Schriften bestellt worden sein sollen, und dieser Brief in Ver­bindung mit Notizen, die man in Hofmanns Notizbuch gefunden haben will, genügte dem Gericht als Beweis für die verbrecherische Thätig­feit", und es verurtheilte wie erwähnt. Nitsche fiel dadurch dem Ge­richt in die Hände, daß man Quittungen über den Bezug des Sozial­demokrat" bei ihm fand, die ursprüngliche Veranlassung zur Untersuchungs­haft würde seine Verurtheilung nicht möglich gemacht haben.

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Wann werden unsere Parteigenossen so klug, ver­fängliche Notizen, Briefe und sonstige, Beweisstücke" für Polizei und Gerichte nicht mehr mit sich umber­zutragen?

Diese Manie scheint unausrottbar zu sein, alle Warnungen und Wei­sungen fruchten nichts, immer finden sich neue, die der Polizei das Ma­terial in die Hände liefern, das dieselbe mit ihrem Wig nicht zu entdecken bermag.

Bolizeiwachtmeister Döbler, welcher gegen Poffelt und Hofmann zeugte, wurde unter Ausschluß der Oeffentlichkeit vernommen; was er Geheimnißvolles austramte, werden wir noch erfahren. Ganz erregt war der Staatsanwalt Hänschet, der den ,, Sozialdemokrat" ein Schand­blatt nannte,*) weil er den Parteigenossen Winke gibt, wie sie sich vor ihm und Seinesgleichen zu verhalten haben, und ausrief, die Angeklagten seien hervorragende Anhänger( woraus fie tein Hehl machten) und Agitatoren der Sozialdemokratie und dafür müßten fie büßen. Der Gerichtshof schloß sich dieser Auffassung an und verurtheilte.

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Heiteres vom anarchistischen Kriegsschauplatz. Einige Genossen fragen uns an, ob es wirklich wahr sei, daß Hans Most in New- York einer öffentlichen Disputation mit Genoffen J. Franz über den Anarchismus muthig aus dem Wege gegangen sei." Ei freilich ist es wahr, und auch leicht begreiflich, denn vor einem ans Sozialisten bestehenden Publikum und gegen einen so geschulten Sozia liften wie Franz die anarchistischen Phrasen zu vertheidigen, dazu gehört etwas mehr als den von den Materialisten des vorigen Jahrhunderts abgethanen lieben Gott noch einmal todtzuschlagen" und dergleichen Heldensticke mehr. Die Sache verhält sich folgendermaßen. Der tapfere Hans drüben wird er John genannt, was unwillkürlich an den nicht minder tapferen Sir John" erinnert der pro Woche mindestens ein Dutzend Tyrannen beseitigt in Steifleinen natürlich, hatte Anfang August in Greenpoint bei New York einen Vortrag ge halten, an die sich eine Diskussion knüpfte. Im Verlauf derselben for­derte Franz, der an derselben theilnahm, Hänschen auf, mit ihm vor öffentlicher Versammlung über drei vorher zu formulirende Fragen zu disputiren. Unter dem Einfluß der Versammlung nahm Sir John" an, hinterher aber besann er sich eines Besseren und erklärte in seiner bekannten Manier, die Bedingungen paßten ihm nicht. Es wurde ihm freigestellt, er Most solle mit seinen Freunden die betr. Ver­sammlung arrangiren, aber, getreu seinem Vorbild( ,, und wenn Gründe so billig wären wie Brombeeren, so werdet ihr doch keine von mir hören"), zog Hans es trotzdem vor, an der ,, Posse" nicht theilzunehmen. Und als dann Franz am 14. September in öffentlicher Versammlung über die drei Fragen referirte, war Häuschen, dem die weiteste Redefreiheit zugesichert war, nicht zu Hause! Er hatte Wichtigeres" zu thun.

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Acht Tage drauf lud der große Mann eine Volksversamm­Iung nach Mendels Affembly Rooms ein, in der er praktische Politit" lehren wollte. Zu dieser wichtigen Versammlung hatten sich die Arbeiter so zahlreich eingefunden, daß Referent, sein Stab und die Massen" es für rathsamer hielten, eine Kneipe aufzusuchen und dort beim Glase Bier ,, und einer Pfeif' Tabak" Tyrannenmord zu studiren. Zu schwach be­suchte Versammlungen kommen überall vor, aber für einen Revolutionär mit Siebenmeilenstiefeln sind sie doch recht fatal. Noch fataler ist es, daß sich für das Dynamit, das in beliebigen Quantitäten" auf Lager ift, gar keine Liebhaber finden. Da haben diese Leute das Mittel, das nach ihrer Behauptung geeignet ist, der Schandwirthschaft ein schnelles Ende zu machen, in ihrem Blatt ausgeboten wie saures Bier, und es findet sich absolut Niemand, der davon Gebrauch machen will. Das ist wirklich Jammerschade!

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Ein Revolutionär mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung. Der in voriger Nummer von uns gekennzeichnete ,, Anarchist" Meyer in Nürnberg hat in einer Metallarbeiterver­sammlung, in der ihm über seine Denunziation der Metallarbeiter Krankenkasse gehörig der Text gelesen wurde, sich unter polizeilichen Schutz geflüchtet und erklärt, er werde um die Erlaubniß eintom­men, fünftig mit einem Revolver ausgehen zu dürfen. Das ist der Gipfel der Anarchie!

Ueber das saubere Bündniß dieses echten Revolutionärs und seiner Kumpane mit den Nürnberger Fortschrittlern in nächster Nummer. Es ist ein zwar sehr widerliches, aber lehrreiches Kapitel.

- Frankreich . Der 7. Jahreskongreß der sozialistisch- revolutio­nären französischen Arbeiterpartei war, wie in voriger Nummer bereits gemeldet, von 125 Delegirten besucht, darunter ca. 90 aus Paris und Um­gegend. Sehr viele Orte aus der Provinz haben sich damit begnügt, Pariser Delegirten ihr Mandat zu überlassen.

Der Kongreß beschloß, den Titel der Partei in Verband der sozialistischen Arbeiter Frankreiche" abzuändern und es jedem Regionalverband zu überlassen, Programm und Nebentitel nach eigenem Ermessen festzusetzen. Ein einheitliches Parteiprogramm besteht somit überhaupt nicht mehr.

Der famosen Theorie der öffentlichen Dienste", dieser Brousse'schen ,, Widerlegung des Marx'schen Utopismus" wurde, wie wir vorausgesagt, ein anständiges Begräbniß bereitet.

In der Frage der auswärtigen Arbetter nahm der Kongreß folgende Resolution an:

" In Erwägung, daß der Begriff Vaterland ein bürgerlicher und ver­alteter ist,

*) Schönen Dank, Hr. Staatsanwalt! ein Schimpfwort aus Ihrem Munde ist für uns ein Compliment. Wir werden auch ferner unsere Schuldig­teit thun und bedauern nur, daß im vorliegenden Falle unsere Winte seitens unserer Genoffen so wenig beachtet wurden. Was wir thun kön­nen, Ihnen Ihr Amt zu erschweren, soll geschehen. D. Ned.