höheren Lohn, und ihr werdet in einem Augenblick die schlechtesten, verschwenderischsten und faulsten Arbeiter!

Die Schule der Erfahrung ist hart, aber gerade darum muß man ihre Lehren beherzigen!"

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 24. Oftober 1883.

- Im deutschen Nationalzuchthaus entwickelt die Polizei eine fieberhafte Thätigkeit. Von der Zentralftelle" in Berlin ist die Ordre gekommen, durch Konfiskationen, Haus suchungen, Verhaftungen und anderen gegen Sozialdemokraten gerichteten Unfug Stimmung für die Verlängerung des Sozialistengesetzes zu machen und den Spießbürgern die Nothwendigkeit fortgesetzter Staats- und Gesellschaftsrettung ad oculos und womöglich auch ad nares*)( durch diabolischen Schwefel­geruch) zu demonftriren.

Es gehört das zu dem Kapitel der politischen Heuchelei, die jetzt in Deutschland zu so wunderbarer Blüthe gelangt ist. Ohne Schwindel und Komödie kann das" System" nicht bestehen.

- Die arme verkannte, schutbedürftige Sozial­reform" des Junkers Bismard. Die Verlängerung des Sozialistengesetzes, so wird von einem Berliner Preßreptil der Reptilien­preffe geschrieben, macht sich schon mit Rücksicht auf die Sozialreform der Reichsregierung zur Nothwendigkeit. Wollte man jetzt den Schutz­damm gegen die sozialdemokratische Agitation durchstechen, so würden sich deren wüste Gewäffer mit verheerender Gewalt gerade gegen jene soziale Gesetzgebung ergießen, die eigens auf die Wohlfahrt der arbeitenden Klassen berechnet ist. Denn es ist eine höchst beklagenswerthe Wahr­nehmung, daß die auf Befferung des Looses der Arbeiter gerichteten Be­ftrebungen der Reichsgesetzgebung bei Denen, welchen sie eine Wohlthat zuwenden wollen, bisher wenig oder gar keinen Dank ge­funden haben. Kein Wort der Anerkennung hört man aus diesen Kreisen über gesetzgeberische Reformprojekte, denen doch selbst der Gegner Das wenigstens nicht abstreiten tann(!), daß sie gut gemeint und von einem wohlwollenden und huma­nem Geiste eingegeben sind.(?) Von dieser loyalen An­erkennung der redlichen Absichten, welche in der Reformpolitik der Reichs­gesetzgebung ihren Ausdruck finden, ist man in den Kreisen der Sozial­demokratie noch weit entfernt; nur Aeußerungen des Spottes und Hohnes dringen aus denselben an unser Ohr. Die Arbeiter werden zu der Annahme verführt, daß das ganze Reformwert gar nicht ernstlich gemeint und auf eine Bethörung der Arbeitermassen berechnet sei. Die Agitatoren sezen alles daran, die Arbeiter in dem Dunstkreis von Haß und Miß­trauen zu erhalten, welcher der Lebensodem für die Fortdauer der gehäffigen Agitation ift. Weite Volksschichten sind zur Stunde noch un­zugänglich für alle redlichen Bestrebungen der Gesetzgebung, sie mit ge­ordneten staatlichen und gesellschaftlichem Zuständen zu versöhnen, soziales Elend auszugleichen und gerechten Beschwerden der unbemittelten Klaffen abzuhelfen. Diese geflissentliche Abneigung zeigt, wie tief das Gift sozialdemokratischer Wühlerei in sonst gesunde und hochacht­bare Voltstreise eingedrungen ist. Der Menschenfreund(!) möchte fast die Hoffnung aufgeben, daß sich auch in der Arbeiterwelt mit der Zeit mehr Verständniß und Anerkennung kundgeben werde, wenn einmal die neuen Einrichtungen in Wirksamkeit getreten sein wer­den, und in der praktischen Bewährung fich gezeigt haben wird, was an ihnen Gutes ist, was der Abhilfe bedürftig. Dazu wird freilich viel Geduld nöthig sein, aber wir dürfen darum nicht verzagen. Wir dürfen uns durch Undant und Verkennung nicht beirren lassen in dem Fortschreiten auf der Bahn einer schöpferischen sozialen Reformpolitik. Der Staat und die Gesellschaft thun damit, was in ihrer Kraft steht, um drohende Gefahren abzuwehren. Mag auch auf diesem unbekannten, schwierigen Gebiet noch mancher Mißgriff geschehen, es ist immer besser, als die Hände in den Schooß zu legen und nichts anderes zu thun, wie gegen jeden pofitiven Vorschlag tahle unfruchtbare Oppofition zu treiben oder nach dem Grundsatze: Wohlthaten werden nicht aufgedrungen", fich verstimmt zurückzuziehen."

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Der bedauern swerthe Menschenfreund" Otto! Also blos Spott und Hohn erntet er für seine Großmuth, statt Dankbarkeit und Lobeserhe­bungen! Die Arbeiter find aber auch gar zu verblendet, daß sie nicht an die Humanität und die edlen Abfichten eines Biedermannes glauben

Feuilleton.

Die Arbeit ist die einzige Quelle alles Reichthums.

I.

In der Oppofition gegen diesen Satz gipfelt alles Das, was unsere Widersacher in der politischen Dekonomie zu sagen wissen. Und alles Das ist wiederum gegipfelt in dem vielgelesenen Buche von Henry George : Fortschritt und Armuth", so daß dieses Werk uns viel und wohl den besten Stoff zur Erläuterung unserer These darreicht.

Wohl hat der Leser schon an sich selbst erfahren, wie ein ausgesproche ner Gegner, der im schroffsten Gegensatz zu unserer Anschauung steht, weit entfernt ist, die Diskussion anzuregen, während der Nahverwandte, der denselben Tendenzweg mit uns geht und doch wegen der Schwäche der Beine die Höhe nicht zu erklimmen weiß, uns erst recht warm und beredt macht.

Was der Reichskanzler mit seinen indirekten Steuer, Zoll- und Zunft­plänen, was der stockpreußische Stöcker, Windthorst, der windige Pfaffen­tnecht, oder der fortschrittliche Krebsgänger Eugen Richter zu reden wissen, ift teiner Debatte werth. Dagegen geben Schriften, wie Schäffle's Quint­effenz" oder Henry George's angezogenes Wert, eine würdige Veran­laffung, mit einem Tritt auf Dero Hühneraugen, die beffere Einsicht zu entwickeln.

Die sogen. Klassische" Dekonomie hat sich die vertrackte Darstellung angelegen sein lassen, daß die Arbeit nicht Quelle des Reichthums, son­dern der Reichthum Quelle der Arbeit sei. Sie lehrt, die kapitalistischen Plusmacher seien die unvermeidlichen wahren Jakobs, insofern sie die Fonds häufen, die erst vorhanden sein müssen, um Lohn bereit zu halten, ohne den die Arbeit nicht schaffen tönne. Ansammlung von Kapitalien sei die vorgängige Bedingung der Arbeit. Kapitalien seien Arbeits­mittel, und der( natürlich oder von Natur unbemittelte) Arbeiter tönne ohne diese Mittel nicht arbeiten. Die Jutereffen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien also harmonisch; Beider Interesse gehe dahin, Kapital zu sammeln, damit Arbeitsfonds vorhanden seien.

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Dieser Doktrin wird von Henry George entschieden und in geschickter Weise entgegengetreten. Arbeitstöhne, heißt es in der Ueberschrift des 3. Kapitels, Buch I, werden nicht vom Kapital bezogen, sondern von der Arbeit produzirt. In allen Fällen, wo der Arbeiter sein eigener Prinzipal und das Produkt der Arbeit sein Lohn ist, zeigt es sich flar genug, daß der Lohn nicht vom Kapital bezogen, sondern direkt aus der Arbeit resultirt.... Ein nackter Mann kann auf einer Insel, wo zuvor tein menschliches Wesen einen Fuß hinsetzte, Vogeleier sammeln und Beeren pflücken, ohne Kapital."

In jenem ursprünglichen Zustand der Dinge, welcher der Aneignung des Grund und Bodens und der Ansammlung der Kapitalien vorherging, ( hat Adam Smith gefagt Kap. VIII), gehört das ganze Arbeitsprodukt dem Arbeiter. Er hatte damals weder einen Landlord, noch einen Meister.""

Wir sehen daran, daß schon Adam Smith wußte, wo die ersten Kom­munisten und richtigen Theiler" herkommen.

Was ein ,, ursprünglicher Zustand der Dinge" war, hat sich heute geändert; dem Arbeiter gehört nicht mehr das ganze Arbeitsprodukt, der Land­

wollen, der, nach dem himmlischen Rezept, seine übermenschliche Liebe für die Arbeiter auf das Schlagendste dadurch bewiesen hat, daß er ihnen die Ruthe des Sozialistengesezes wand.

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Doch Spaß bei Seite: Ein glänzenderes Zeugniß konnte den deutschen Arbeitern nicht ausgestellt werden, als ihnen von dem Reptil, das diesen Jammer- und Leidartikel verübte, ausgestellt worden ist.

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Ein memento mori für die Fortschrittspatrei find die Berliner Stadtverordnetenwahlen. Nach rechts wie nach links hat die Fortschrittspartei den Feinden Terrain überlassen müssen, ob­gleich sie auf ihrem besten Kampffelde focht. Der Ring" ist durchbrochen, die Rothen" haben ihren Einzug in das rothe Haus" gehalten, und auch die Bürgerpartei", dieses Gemisch aller gouvernemental- reaktionären Elemente, hat über Erwarten viel Stimmen bekommen. Das sind schlechte Aussichten für die bevorstehenden Reichstagswahlen schlecht natürlich vom Standpunkt der Herren Fortschrittler. Eine kleine Fronie des Schick­sals ist's, daß der Feind in die Hochburg der Fortschrittler eingedrungen ist gerade im Moment, wo dieselben frenetisch darüber jubelten, daß sie die nationalliberale Hochburg"( den Bennigsen'schen Wahlkreis) erstürmt hatten. Es ist dafür gesorgt, daß die fortschrittlichen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Beiläufig vollzieht sich in Berlin nur jener naturnoth­wendige Entwicklungsprozeß, den wir jüngst an den sächsischen Landtags­tagswahlen nachwiesen: die Aufsaugung der Mittelparteien durch die extremen Parteien. Trotz allen radikalen Gebahrens gehört die Fortschrittspartei eben so gut zu den Mittelparteien, wie die Nationalliberalen. Ja, sie ist eigentlich die Mittelpartei, indem sie heute knapp für das ehemalige Programm der Nationalliberalen eintritt während diese nach gerade zu den Extremen gerechnet werden müssen, natürlich nicht zu den Extremen des Liberalismus.

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Um die Wahlerfolge der Arbeiterpartei in ihrer ganzen Trag­weite würdigen zu können, muß man die Resultate aus den Bezirken zusammenstellen, in denen diese überhaupt in den Wahlkampf eintrat. Als solche sind die Bezirke 5, 8, 11-17, 23-27, 32, 33, 35-38, 41 und und 42 anzusehen. Dort erhielten trot Zensus und trotz effent­lichkeit der Wahl die Arbeiter kandidaten 8,006 Stimmen gegen 13,266 liberale und 11,172 antisemitisch- bismärckische. Das ist für den ersten Ansturm ein stattliches Resultat.

Die große Zahl der antisemitisch- reaktionären Stimmen ist übrigens teineswegs ein Wunder. Abgesehen von dem Troß der kleineren und mittleren Beamten haben wir es in der dritten Wählerklasse mit dem Gros der Handwerker und Kleingewerbtreibenden zu thun, die, ihren sicheren Ruin vor Augen, sich mit aller Gewalt zu halten suchen und deshalb, da sie zu verbohrt sind, um mit den Arbeitern gemeinsame Sache zu machen, sich der kraffesten Reaktion in die Arme werfen. Wür­den diese Leute, die wir mit einem Ausdrucke von Mary rückwärts­gefehrte Utopisten nennen möchten, sich entschließen, den Schritt zu thun, den die Intelligenten ihrer Klasse bereits gethan, und fich auf den Boden der Arbeiterbewegung stellen, dann wäre die Herrschaft des Liberali smus wirklich bedroht; solange fie aber das nicht thun, fördern ste denselben in dem gleichen Moment, in dem sie ihn bekämpfen, denn in ihrem Kampfe gegen diese kleinbürgerlichen Reaktionäre findet die liberale Partei ihre einzige Existenzberechtigung.

Im ersten Wahlgang brachte die Arbeiterpartei zwei ihrer Kandidaten, Paul Singer und A. Tutauer, durch; ersteren im 12., letzteren im 13. Wahlkreise. Tutauer kommt außerdem im 14. und 15. Wahl­bezirk in Stichwahl, desgleichen Ewald im 37. Wahlbezirk. Auch der Tischler Kreuz sollte im 16. von Rechtswegen zur Stichwahl kommen, wo er 476 Stimmen gegen 564 und Conrad im 41. Wahlbezirk liberale und 196 antisemitische erhielt. Da er jedoch kein Hausbesitzer ist, und dieser Wahlkreis Dant dem wunderbar schönen Wahlgesetz der preußischen Städteordnung einen solchen wählen muß, so wurden die Stimmen für Kreutz kurzerhand für ungiltig erklärt.

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Luther als Judenhezer. Während die Liberalen fort­fahren, in Lutheer den Mann des geistigen Fortschritte zu feiern, der er nicht war, erwerben sich Stöcker und Konsorten das anerkennens­werthe Verdienst, den Mann der kirchlichen Reaktion denn etwas anderes war die sogenannte Reformation Luthers doch nicht, als das hinzustellen, was er in Wirklichkeit war: Als einen bornirten, fast alle Vorurtheile seiner Zeit theilenden pfäffischen Fanatiker. So wird in den letzten Nummern des Chriftlich- sozialen Korrespondenzblatt" mit innigem Behagen Luthers, Sermon gegen die Juden" reproduzirt und in der That, dieser Sermon macht dem Hofpfaffen Luther, der auf die aufständischen Bauern hezte, der die Arbeiter als Lastthiere bezeich nete, alle Ehre.

arbeiter muß es mit dem Landlord, der Fabrikarbeiter mit dem Fabrik­lord theilen, und zwar in einer Weise, die dem Arbeiter nur ein win­ziges Theilchen übrig läßt. Wegen dieser winzigen Praxis entsteht die dottrinäre Frage nach der Quelle des Reichthums.

An den ursprünglichen Zustand der Dinge"", fährt Henry George fort, grenzt zunächst derjenige, wo der Arbeiter, obgleich er für eine andere Person oder mit Andermanns Kapital schafft, seinen Lohn in natura empfängt, d. h. in Dingen, welche Produkte seiner Arbeit sind. In solchem Falle ist es ebenso klar, wie wo der Arbeiter sein Eigener ist, daß die Löhne vom Produkt der Arbeit und ganz und gar nicht vom Rapital bezogen werden. Kaufe ich mir einen Mann zum Eiersammeln oder Beerenpflücken oder Schuhmachen und zahle ihn dann mit Eiern, Beeren oder fertigen Schuhen, so kann keine Frage sein, daß Arbeit die Quelle des Lohnes ist, welcher ihm gezahlt wird... Unter solchen Be­dingungen hat Jakob für den Laban gearbeitet, und bis zum heutigen Tage, auch in zivilisirten Ländern, ist es teine unfrequente Art der Arbeit. Der Landbau gegen Antheil, wie das in beträchtlicher Ausdehnung in den Südstaaten der Union und Kalifornien vorherrscht, das Halberianer­System in Europa sowohl, wie die vielen Fälle, wo Direktoren, Werk­führer, Aufseher, Verkäufer 2c. mit Prozenten gelohnt werden find das anders, als Verwendung der Arbeit gegen Lohn, der aus einem Theile ihres Produktes besteht...

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" Die Farallonen- Inseln, nahe der Bai von San Francisco , find Brut­platz für Seevögel und eine Gesellschaft, welche diese Inseln als Eigen­thum beansprucht, beschäftigt in der Saison Arbeiter zum Eiersammeln. Sie könnte die Leute für einen Theil des Produktes beschäftigen, wie es ähnlich beim Wallfischfang geschieht, und würde das auch wahrscheinlich thun, wenn das Geschäft ein unsicheres wäre. Da jedoch das Geflügel überaus zahlreich und zahm ist, und die Berechnung, wie viel Eier ein Mann sammeln fann, ziemlich sicher, ist der fire Lohn vorgezogen. Die Leute gehen hinüber und wohnen auf den Jufeln, sammeln die Eier und bringen fie an einen Landungsplatz, von wo fie alle paar Tage mit einem fleinen Schiffchen nach San Francisco geholt und verkauft werden. Wenn die Saison vorüber, kehren die Leute zurück und werden in baarer Münze gezahlt. Geht nun dies Geschäft nicht auf dasselbe hinaus, als wenn auch der ftipulirte Lohn, statt in Münze, in einem Eier- Aequivalent gezahlt worden wäre? Repräsentirt nicht die Münze Eier, durch deren Verkauf sie eingeholt wurden? Und sind nicht die gezahlten Löhne eben­sowohl das Produkt der Arbeit, wie Eier sein würden, die Jemand für fich sammelte, ohne Zwischenkunft eines Arbeitgebers?"

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Henry George bringt dann noch mehr Beispiele und wird so breit, als wenn er der Erfte wäre, der die Entdeckung gemacht, daß nicht das Ka­pital, sondern die Arbeit die Quelle des Reichthums ist. Wir übergehen diese Weitläufigkeiten, ohne zu verkennen, daß sie für einen Schüler der Dekonomie recht werthvoll und anregend sein mögen.

Am Schluffe des zitirten 3. Kapitels, Buch 1, wird dann rekapitulirt: Der Mann, der für sich selbst arbeitet, erhält seinen Lohn mittelst der Dinge, die er produzirt, und tauscht diesen Werth gegen eine andere Form um, sobald er sein Produkt verkauft. Der Mann, der im Dienste Anderer für stipulirten Lohn arbeitet, arbeitet unter einem Tauschvertrag. Auch er schafft seinen Lohn mit seiner Arbeit, doch erhält er denselben nur zur festgesetzten Stunde, in festgesetztem Betrage und in differenter Form. Indem er arbeitet, leiftet er Vorschuß. Während der Zeit, daß

" Darumb wiffe, Du lieber Chrift und zweifle nichts daran, daß Du nebeft dem Teuffel keinen bitteren, gifftigeren, hefftigeren Feind habeft, denn einen rechten Jüden, der mit Ernst ein Jüde sein will. Daher gibt man inen oft in den Historien schuld, daß sie die Brunnen vergifft, Kinder gestohlen und zerpfrimet haben, wie zu Trent, Weißensee zc. Sie sagen wohl nein" dazu; aber es sey oder nicht, so weiß ich wol, daß am vollen ganzen, bereiten willen bei inen nicht fehlet, wo sie mit der That dazu kommen könnten, heimlich oder offenbar. Daß verfthe Dich gewiß und richte Dich darnach!"

,, Thun sie aber etwas gutes, so wisse, daß es nicht aus lie be noch dir zu gute geschieht, sondern weil sie raum haben müssen, bei uns zu wohnen, müssen sie aus not etwas thun; aber das Herz bleibt und ist, wie ich gesagt habe."

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,, Unsere Oberherrn, so Jüden unter sich haben, wünsche ich und bitte, daß sie eine scharffe Barmherzigkeit wollten gegen diese elenden Leute üben, wie droben gesagt, obs doch etwas( wiewohl es mißlich ist) helffen wollte wie die treuen Aerzte thun, wenn das Feuer in die Bein fom­men ist, fahren sie mit Unbarmherzigkeit und schneiden, sägen, brennen Fleisch, Adern, Bein und Mark ab. Also thue man auch hie, verbiete alles, was droben gesagt, zwinge sie zur Arbeit, und gehe mit ihnen umb nach aller Unbarmharzigkeit, wie Mose that in der Wüsten, und schlug drei tausend todt, daß nicht der ganze Haufe verderben mußte. Sie wissen wahrlich nicht, was sie thun, wollens dazu, wie die besessen Leute nicht wissen, hören noch lernen. Darumb kann man hie teine Barm­herzigkeit üben, fie in ihrem Willen zu stärken. Will das nicht helfen, so damit wir nicht ihrer gräulichen Lästerung und aller Lafter theilhaftig, mit ihnen Gottes Zorn verdienen und verdampt werden. Ich habe das Meine gethan; ein Jeglicher sehe, wie er das Seine thu. Ich bin entschüldigt. Ich will zur Letze für mich das sagen, wenn mir Gott keinen andern Messta geben wollt, denn wie die Jüden begehren und hoffen, so wollte ich viel lieber eine S( au), denn ein Mensch sein. Hüte Dich fur ihnen."

Die drei Gedankenstriche enthalten einen Rath, den wiederzugeben selbst das christlich- soziale Korrespondenzblatt sich schent. Man sieht, das, fanftlebige Fleisch von Wittenberg ", wie der hoch­herzige und deshalb sür seine Ueberzeugung gefallene Thomas Münzer Luther zu nennen pflegte, war ein absonderlicher ,, Borkämpfer des freien Geiftes!"

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- Allzeit voran, d. h. wo es rückwärts geht. Aus Schwerin ( Mecklenburg ) schreibt man uns: Unseren frommen Gewalt­habern ist das Zivilstandsgeset, seitdem es besteht, ein Dorn im Auge. Es werden daher in unserem Obotritenlande eifrigst Petitionen gegen daffelbe tolportirt. Was Wunder, daß man in gewissen Kreisen jede Gelegenheit ergreift, wenn auch in dirett, gegen dasselbe aufzu­treten. Grundverhaßt find hier nun namentlich die gemischten Ehen, weil man fie für geeignet hält, die religiösen Vorurtheile zu zerstören, und es wurde unser Prinzlein mit schwachem Köpflein deshalb tatholisch, statt seine Frau zur Landesreligion zu bekehren.

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Aergerniß über Aergerniß! Ein Konzertmeister Isaacson, Israelite , bei der Hofkapelle angestellt, heirathete eine Chriftin. Scheel sah man auf das Paar, und groß war die Freude, als jetzt, nach Jahren, das Merger­niß aufhören sollte, denn der Mann trug auf Scheidung an. Aber neuer Jammer in den höheren Regionen! das Gericht, auf dem Boden des Gesetzes stehend, mußte die Scheidung ablehnen, da auch nicht der geringste Grund dafür vorlag. Sollte das gottgefällige Wert an diesem Umftande scheitern? Das ging nicht. Der Kultusminister nahm daher die Sache in die Hand, ließ den Herrn Jsaacson tommen, um mit ihm über die wichtige Sache zu verhandeln, und siehe da, es fand sich ein Ausweg. Der Mann wollte die Frau unter allen Umständen loswerden und bejahte daher mit Vergnügen alle ihm von dem frommen Minister vorgelegten Fragen. Er gab als Scheidungsgrund an, daß er froh sei, teine Kinder zu haben, weil er es nicht überlebt haben würde, sie nicht in seiner Religion erziehen zu können, er fühle sein Gewissen bedrängt, mit einer ,, Andersgläubigen" in so nahe Berührung zu kommen, mit ihr zu essen 2c. Damit hatte er die Wünsche des Berathers der großherzog. lichen Krone erfüllt. Das Aergerniß" mußte beseitigt werden, und was die Gerichte als ungesetzlich abgelehnt, wußte der proteftan­tische Kultusminister möglich zu machen. In kürzester Zeit erfolgte die Scheidung.

Hoffen wir also auf Mecklenburg . Von da kann noch viel Gutes tommen!

Es ist jetzt wieder Mode in Deutschland , die Franzosen schlecht zu machen. So gilt es z. B. als ein feststehender Satz,

er seinen Lohn verdient, schießt er dem Arbeitgeber Kapital vor. Niemals, es sei denn, der Lohnarbeiter sei im Voraus bezahlt, leistet der Arbeit geber Kapitalvorschuß. Ob das Produkt, was der Arbeiter schafft, noch vor der Lohnzahlung verkauft oder ob daffelbe noch eine Zeitlang an der Hand gehalten wird, ändert den Charakter der Sache ebensowenig, wie die schließliche Verwendung des Arbeitsprodukts durch einen Konsumenten, der vielleicht auf der andern Hälfte des Globus wohnt und dasselbe erst empfängt, nachdem es durch hundert Hände gegangen."

Demnach weiß Niemand besser wie Henry George : Arbeit ist die Quelle des Reichthums und nicht umgekehrt. Doch ist wohl zu bemerken, daß es bisher sich nicht sowohl vom Reichthum, als nur von einem Theile desselben, von dem Theile handelt, der sich Arbeitslohn nennt. Bisher ist nur gesagt, der Arbeiter sei der eigene und einzige Schöpfer seines Lohnes. Daß er auch der ganze Schöpfer des Reichthums, ist eine Konsequenz, die unser tendenzverwandter Freund nicht ziehen will, ob­gleich er, wo er von solchem Arbeiter spricht, der sein eigener Kapitalist ist, den ganzen Arbeitsertrag Arbeitslohn nennt.

Henry George ist nur ein halber, ein intonsequenter Freund der Arbeit. Man weiß nicht, stimmt er unserer, an die Spize dieses gestellten These zu oder nicht zu.

Der vorsündfluthliche Arbeiter, der keinen Landlord, keinen Prinzipal, teinen Herrn und Meister hatte und infolgedessen das ganze Arbeits­produkt ungeschmälert als Lohn eignete, ist ein böser Knoten, der das Thema verwirrt.

Jm strengen Sinne des Wortes hat es solche freie" Leute niemals gegeben. Von jeher war der Arbeiter verstlavt. Es ist gedankenloser Köhlerglaube, die Vorstellung zu hegen, es könne ein Einzelner, der für fich arbeitet, ein Produkt zeugen, das ihm erlaubt, Aufspeicherungen oder Ersparnisse zu machen. Ein Mann mit der Kraft des Herkules und im Besitz eines Landes, wo Milch und Honig fließt, würde ohne soziale Hilfe seine Bedürfnisse nur in der barbarischsten Weise befriedigen, nur eine barbarische Existenz führen können. Reichthum, Ersparnisse oder aufgespeicherte Arbeit war immer und ewig nur ein soziales, ein gemein schaftliches Produkt und kann in den Besitz Einzelner absolut nur durch Ausbeutung oder wenigstens nur mit Hilfe Anderer gelangen. Kleine Selbstständigkeiten, kleine Bauern und Kleinmeister sind die Bilder, welche durch die Redensart vom freien Arbeiter uns vorgegaulelt werden. Diese bürgerlichen Jdeale sind nur scheinbare Selbstständigkeiten, in der That find es immer kleine Zähnchen am großen Rade der nationalen" Arbeit. Aäch haben sie nur sehr vorühergehend existirt, nur in fleiner Zahl und meist in verkrüppelten Exemplaren. Aus dieser geschichtlichen Thatsache schöpfen wir die Berechtigung, Arbeitern, die ausnahmsweise in der günstigen Lage find, ihr ganzes Produkt als Lohn empfangen zu können, den Arbeiternamen abzusprechen; es find das keine Arbeiter, son dern Keimpflanzen fünftiger Kapitalisten. Die Aufspeicherer der Arbeit rühmen sich gerne einer Kapitalien find ,, aufgespeicherte Arbeit" Arbeiterabstammung. Es mag etwas Wahres an der Sache sein, doch liegen die Aefte des Stammbaums wenigstens so weit auseinander, wie die der Affentheorie.

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