Bence, die ich an dem Laib Brod erspare, und die 4 Pence, die ich an jedem Pfund Fleisch erspare, aufgeben, als arbeitslos Hungers zu sterben oder in's Arbeitshaus wandern zu müssen. Infolgedessen kommen niedrige Preise sehr bald den Kapitalisten zu Gute, die über das nette Gaufelspiel lachen und den Arbeitern rathen, keine Kinder zu bekommen, kein Bier zu trinken und mit Allem hübsch sparsam zu sein, ausgenommen ihrer Arbeit. Mögen die Arbeiter stets dessen eingedenk sein, daß billige Preise ihnen als Klasse auch nicht die Bohne Nußen bringen können."
Das neue preußische Jagdgeseh- welches mit Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen von der konservativ- ultramontanen Mehrheit im preußischen Landtage einstweilen einer Kommission zur Aufbewahrung anvertraut wurde wird, schreibt man uns aus Gumbinnen , von allen Seiten besprochen, wobei jedoch der wesentlichste Punkt ganz außer Acht gelassen zu werden scheint. An Sonntagen soll die Ausübung der Jagd gänzlich verboten werden, einmal wegen Heiligung des Tages des Herrn", dann um die Sonntagsschüßen den Fluren fern zu halten und so Schaden an Leib und Leben zu verhüten. Niemand hat daran gedacht, die Frage aufzuwerfen, ob Sonntagsschüßen denn wirklich nur an Sonntagen jagen! Und doch fehlt es durchaus nicht an Material zur Beantwortung dieser Frage.
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Vor gar nicht langer Zeit z. B. ereignete es sich, daß„ Excellenz" Stephan auf der Jagd Jemand anschoß, und zwar ,, einen Prinzen". Einen größeren Bock hätte irgend ein harmloser Schulmeister oder Krämer auch an einem Sonntag nicht schießen können! Als der Moralheld von Puttkamer noch Oberpräsident von Schlesien war, hatte er das Pech", eines Tages einen Treiber oder Förster, jedenfalls war es ein Proletarier, auf der Jagd zu erschießen, wofür ihm sogar von den Subalternbeamten der hiesigen Gumbinner Regierung, die er früher kommandirt hatte, ganz unnüßerweise eine Beileidsadresse zugesandt wurde; unnük, weil der todte Proletarier ihm wohl keine Schmerzen gemacht haben wird. Er wurde auch bald darnach zum Minister befördert, vielleicht gerade weil er die Proletarier so gut zu treffen weiß. Leicht wird das hohe Haus" feststellen können, ob diese Sonntagsschüßenfälle am Sonntag oder Werktag sich ereignet.
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Daß Puttkamer ein Sonntagsschüße ist, wie er im Buche steht, hat er übrigens auch sonst brillant bewiesen.
Als er noch Präsident unsres Regierungsbezirks war, fuhr er eines Tages per Eisenbahn zur Jagd, und just als er in den Zug einstieg, verließ eine andere Jagdesellschaft diesen, ein erlegtes Reh heimbringend. Das Auge des Gesetzes muß bekanntlich Alles sehen. Buttkamer erkannte also sofort in dem todten Thier eine Ricke", winkte den auf dem Bahnhof anwesenden Regierungssekretair Kiesewetter heran( das spricht dafür, daß der fromme Herr den Jagdzug auch an einem Sonntag unternahm, und beweist, wozu sich Subalternbeamte alles hergeben müssen) und beauftragte ihn, durch den Magistrat die Ricke" mit Beschlag belegen und den Fall feststellen zu lassen. Gehorsam stürzte der Beamte auf die genannte Stadtbehörde, fand dort zum Glück auch einen Beamten und zwar den Beigeordneten, Pfarrer emerit. Fiedler, der pflichtgemäß heraustrat, als das Reh vorbeikam, aber nur mit einem Auge hinzublicken brauchte, um das Thier als alten Bock" zu erkennen.
Eine Ricke nicht von einem Rehbock zu unterscheiden, dazu muß man wirklich ein ganz besonderer Sonntagsjäger sein. Der Beigeordnete murmelte denn auch, als er in das Gebäude zurücktrat, so etwas von ,, übergeschnappt"," Jagd auf Weiber" und„ Moral" was der Sefre tär Riesewetter aber seinem Chef nicht rapportirt haben soll.
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Gottes Sohn oder Zimmermanns Sohn? Als sein religiöser Gallimathias in der oben erwähnten Versammlung vor den Berliner Arbeitern absolut nicht verfangen wollte, spielte der biedere Hofpfaffe, die Leuchte der Rechtgläubigen", sich auf den Rationa listen( Vernunftgläubigen beiläufig auch eine nette Sorte) heraus und rief pathetisch aus: ,, Der Arbeiter hat keinen besseren Freund als den Zimmermanssohn von Nazareth ", und als die Arbeiter darob in Hohn ausbrachen, jammerte er:„ Wenn Sie keine Achtung vor uns haben, nicht vor dem, was ich Ihnen sage, so haben Sie doch Achtung vor Dem, der in der Werkstatt seines Vaters gearbeitet hat, wie Sie, und der seit bald zweitausend Jahren als der Erlöser( der Niemand erlöst hat) und das Musterbild eines Menschen gepriesen wird!"
Von zwei Dingen eines: Entweder ist Jesus von der Jungfrau Maria als Gottes sohn in unbefleckter Empfängniß erzeugt, wie Herr Stöcker Sonntags von der Kanzel herab predigt, und dann ist es Be= trug und Gotteslästerung, vom Zimmermannssohn zu reden; oder Jesus ist der Sohn des Zimmermanns Joseph gewesen, und dann ist die ganze Geschichte von seiner wunderbaren Geburt infamer Schwindel und Betrug. Ein Drittes gibt es nicht. Selbstverständlich fällt es uns nicht ein, Herrn Stöcker der Gotteslästerung zu bezichtigen.
Beiläufig ist es eine ganz neue Entdeckung, daß Christus in der Werkstatt seines Vaters" gearbeitet haben soll. Die Evangelien wissen nichts davon, vielmehr war nach ihnen der„ Erlöser" nichts weniger als ein Freund des Arbeitens. Er zog es vielmehr vor, in ziemlich bedenklicher Gesellschaft durch Palästina zu landstreichen und die Gastfreundschaft meist armer Leute in Anspruch zu nehmen; auch seine Apostel und die ersten Christengemeinden in Jerusalem hatten vor nichts mehr Abscheu als vor der Arbeit und hielten kein Wort des ,, Erlösers" höher als sein berühmtes:" Seht die Lilien auf dem Felde, sie säen nicht, sie ernten nicht, und Gott der Herr ernährt sie doch." Sie ließen nämrich Andere für sich säen und ernten.
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und zieht auf Posten. Sobald die Lasten niedergelegt sind, verjagen sie die Arbeiter mit Bajonett- und Kolbenstößen, und öffnen den Händlern, den Industriellen und Bankiers die Pforten. Im wüsten Durcheinander stürzen sich diese auf die Werthobjekte, heimsen die Fabrikwaaren, die Goldbarren, die Säcke Getreide ein und leeren die Fässer. Endlich können sie nicht mehr und wälzen sich, gleich dem Vieh, in ihrem eigenen Schmutz. Da bricht das Gewitter herein, die Erde wankt in ihren Fugen die historische Nothwendigkeit tritt auf. Mit ehernem Fuß zermalmt sie die Köpfe der sich ihr in den Weg Stellenden und mit ge waltiger Hand wirft sie das zitternde und Angstschweiß- überdeckte kapitalistische Deutschland über den Haufen.
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Wenn die Arbeiterklasse sich das Laster, welches sie heherrscht und ihre Natur herabwürdigt, gründlich aus dem Kopf schlagen und sich in ihrer furchtbaren Kraft erheben wird, nicht um die famosen ,, Menschenrechte" zu verlangen, die nur die Rechte der kapitalistischen Ausbeutung sind, nicht um das Recht auf Arbeit" zu proklamiren, das nur das Recht auf Elend ist, sondern um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das Jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten, so wird die alte Erde, zitternd vor Wonne, in ihrem Innern eine neue Welt sich regen fühlen. aber wie soll man von einem durch die kapitalistische Moral torrumpirten Proletariat einen männlichen Entschluß verlangen!-
Wie Christus, die leidende Verkörperung der Sklaverei des Alterthums, erklimmt unser Proletariat, Männer, Frauen und Kinder, seit einem Jahrhundert den rauhen Kalvarienberg der Leiden; seit einem Jahrhundert bricht Zwangsarbeit ihre Knochen, martert ihr Fleisch, zerrüttet ihre Nerven; seit einem Jahrhundert quält Hunger ihren Magen und verdummt ihr Gehirn. Faulheit, erbarme Du Dich des unendlichen Elends! D Faulheit, Mutter der Künste und der edlen Tugenden, sei Du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!*)
*) Hiermit schließt der eigentliche Text der Broschüre. In nächster Nummer werden wir aber noch den Anhang, eine Auseinandersegung mit den Moralisten, zum Abdruck bringen.
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Ein Sturm im Karpfente ich. Freitag, den 11. ds. ging es im sächsischen Landtag heiß her, zwischen den paar Vertretern der Sozialdemokratie einerseits und den übrigen Parteien im Landtag anderseits entbrannte eine stürmische Debatte, in der unsere Genossen sicherlich nicht der unterliegende Theil waren. Unsterblich hat sich die Fortschrittspartei blamirt, welche wieder einmal den Regierungsbüttel spielte; und unsterblich blamirte sich Herr Nostiz Wallwig , der trotz der dreimaligen Herausforderung Liebknecht's nicht zu antworten wagte, sondern einen unglücklichen Regierungskommissar( der Mann soll ,, Ehrenstein" heißen da gilt nicht das Sprichwort: nomen est omen!) vorschickte, dem es natürlich nicht gut erging. Erst hintennach sammelte Herr v. Nostiz- Wallwitz genug Kourage, um einen ( jedoch ganz stumpfen und neben die Scheibe fliegenden) Partherpfeil abzuschnellen, und dann schleunigst, unter dem Schutz eines bestellten Schlußantrages, von dem parlamentarischen Schlachtfelde zu verschwinden. Jeder thut, was er kann. Und Herr v. Nostiz- Wallwitz hat von dem„ Noblesse oblige" offenbar seine eigenen Begriffe! Und der Grund oder Anlaß dieses Sturmes im Karpfenteich mit den paar sozialdemokratischen Hechten?
Nun
Ein Versammlungsverbot!
Der„ Lokalpascha" von Großenhain , Herrmann, auch Landtagsabgeordneter( und sonst noch ein vielseitiger Mann, wie aus der vorigen Nummer unseres Blattes ersichtlich), hatte eine Versammlung zur Be sprechung des Reichskrankengesetes verboten; und die oberen ,, Instanzen" bis herauf zum Ministerium hatten das Verbot bestätigt, das Ministe rium also Herr v. Nostiz- Wallwig in einem Resfript, dessen reaktionäre Bornirtheit nur durch die Kühnheit übertroffen wird, mit welcher es über Logik und Gesetze hinwegturnt. Die Kritik dieses Reskripts durch Liebknecht entfesselte den Sturm.
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Es handelte sich also um die Frage, ob in Sachsen das Vereins- und Versammlungsrecht noch besteht wenigstens für die Sozialdemokraten. Man sieht, nichts Einfacheres läßt sich denken, und da das Vereins- und Versammlungsrecht eine der elementarsten Forderungen des gewöhnlichen bürgerlichen Liberalismus ist, so hätte man meinen sollen, die Vertreter des Liberalismus in der Kammer( Nationalliberale wie Fortschrittler) würden sich einstimmig gegen das rechtlich absolut unbegründete Verbot erklären. Aber weit gefehlt. Der Fortschrittler Schreck, welcher in der Sache( die vor die Beschwerdekommission gekommen war) zu referiren hatte, stellte sich vollständig auf den Standpunkt der Behörden und speziell des Ministerialreskripts, und zeigte sich somit, wie Liebknecht ihm nachwies, reaktionärer als das reaktionäre preußische Ministerium; und das Gleiche that der gesammte Haufe der freisinnigen Elemente", mit denen der Moniteur Sonnemann's uns weiland ein Bündniß zumuthete. So erlebten wir denn das sonderbare Schauspiel, daß die Vertreter der Sozialdemokratie eine der primitivsten Forderungen des bürgerlichen Liberalismus gegen die vereinigten Vertreter des bürgerlichen Liberalismus verthei: digen mußten. Ueberhaupt und das liegt in der Verkommenheit
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unserer Liberalen, die durch ihre Angst vor der Sozialdemokratie auf die Seite der Reaktion gedrängt worden sind überhaupt ist es ein charakteristischer Zug der politischen Parteientwicklung Deutschlands , daß die Vertreter der Sozialdemokratie häufig für rein bürgerliche Forderungen gegen das reaktionär gewordene Bürgerthum und die übrige reaktionäre Masse zu kämpfen haben. Es ist dies genau das umgekehrte Verhältniß wie in Rußland , wo die Vertreter des bürgerlichen Liberalismus in ihrem Kampfe gegen den Zarismus theoretisch die extremsten sozialistischen Forderungen aufstellen. In Rußland ist das allerdings im Aufsteigen begriffene Bürgerthum noch revolu tionär; in Deutschland ist es fontrerevolutionär, wie in allen Ländern mit einem entwickelten und sozialistischen Proletariat. Aus diesem ihrem kontrerevolutionären Wesen machen wir unserer Bourgeoisie auch gar keinen Vorwurf( obgleich wir sie deshalb um so energischer bekämpfen), aber den Vertretern dieser kontrerevolutionären und reaktionären Bourgeoisie machen wir einen Vorwurf daraus, daß sie nicht offen Farbe bekennen und daß sie in Worten sich für liberale und demokratische Grundsätze erklären, die sie in ihren Handlungen mit Füßen treten. Die ,, politische Heuchelei" ist es, die uns an den Bourgeoisliberalen und-Demokraten so widerwärtig ist und ihnen unsere Verachtung eingetragen hat. zumal
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Ueber die Debatte am 11. Januar reden wir nicht weiter den Parteigenossen durch Abdruck des stenographischen Berichtes Gelegenheit gegeben werden wird, selber zu urtheilen. Erwähnt sei nur, daß der Einzige auf der Linken", welcher den Muth hatte, seine Stimme für das mit Füßen getretene Recht zu erheben, der Nationaliberale Kirbach war, ein Mann, den seine zwölf Jahre sächsischen Zuchthauses in das nationalliberale Lager getrieben, und der die Waldheimer Ketten noch nicht ganz vergessen zu haben scheint.
Als Kuriosum ist noch hinzuzufügen, daß die sächsische Regierung in allen ihr zugänglichen Blättern die Ergüsse der Herren Ehrenstein und Nost iz Wallwitz nach dem stenograpischen Berichte hat veröffentlichen lassen. Als ob die zwei Herren sich im Landtag nicht genügend blamirt hätten und es noch nöthig gewesen wäre, ihre Blamage dem ganzen Lande kundzuthun und an die große Glocke zu hängen!
Uns fann es recht sein.
Das verkommene Sachsen . Während des deutsch - französischen Krieges, und einige Jahre lang nach demselben, war das„ verkommene" Frankreich die stehende Rubrik unserer patriotischen Zeitungen. Bei Lichte betrachtet, hatte der Haß, der sich in diesem Geschimpfe Luft machte, seinen Grund in dem Bewußtsein, daß dieses verkommene Frankreich " auf mancherlei Kulturgebieten, namentlich aber in seiner politischen Entwickelung, unserem Bismarckischen Reich weit überlegen war und ist. Einem ähnlichen Gefühle entspringt das systematische Geschimpfe eines Theils der preußischen Presse auf das politisch ,, verkommene Sachsen ", womit freilich nicht die Regierung, sondern das sächsische Volt gemeint wird, welches unzweifelhaft in seiner Gesammtheit eine höhere Kulturstufe einnimmt, als Preußen in seiner Gesammtheit. Sachsen als Ganzes kann nur mit den fortgeschrittensten Provinzen Preußens verglichen werden.
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Merkwürdigerweise ist es namentlich die liberale und fortschrittliche, ja sogar demokratische Presse( à la Frankfurter Zeitung "), welche an dem verkommenen Sachsen " ihr Müthchen zu kühlen sucht. Da ging 3. B. neulich eine längere Korrespondenz durch die Blätter, in welcher über die Verkommenheit des sächsischen Volkes geklagt wurde, welches sich die Uebergriffe der Konservativen und Reaktionäre gefallen lasse, und nicht daran denke, der fortschrittlichen Volkspartei beizutreten. Die Verkommenheit des sächsischen Volkes besteht also darin, daß es von dem traurigen Wechselbalg der sogenannten Fortschrittspartei und dem lächerlichen Schwindel der sogenannten Volkspartei, wie sie in Leipzig gegründet" worden ist, nichts wissen will. Daher die Thränen. Mit dieser Zurückhaltung hat das sächsische Volk in Wirklichkeit nur seine politische Reife bewiesen. Wie kann es Vertheidigung gegen die Uebergriffe der Konservativen und Reaktionäre oder sagen wir es kurz: der Regierung von Parteien oder von einer Partei erwarten, deren Vertreter im sächsischen Landtag all' diesen Uebergriffen gegenüber sich entweder passiv verhalten oder ihnen positiv zujubeln, in jedem Falle sie sanktio=
niren?
Da müßte das sächsische Volk ja verrückt sein! Und wirklich ,, verkommen"!
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Und noch Eins. Diese demokrägelnden Schwäßer und Verläumder des sächsischen Volkes thun so, als ob sie gar nicht wüßten, daß es Sozialdemokraten in Sachsen gibt. Das sächsische Volt soll sich dem Druck von Oben widerstandslos fügen, behaupten die fortschrittlichen und volksparteilichen Herren aber fügen sich etwa die sächsischen Sozialdemokraten diesem Druck? Müssen nicht selbst die libe= ralen und fortschrittlichen Blätter so ziemlich in jeder Nummer Episoden aus dem, freilich zum großen Theil infolge des Sozialistengesetzes unterirdisch geführten Kampfe zwischen der sächsischen Sozialdemo kratie und den Organen der sächsischen Regierung, bezw. Ordnungsparteien veröffentlichen? Und sind die sächsischen Sozialdemokraten etwa nur in vereinzelten Exemplaren über das Land zerstreut? Sind sie nicht im Gegentheil stärker als jede andere Partei in Sachsen , ja weitaus die stärkste aller Parteien? Relativ viel stärker als die Fortschrittspartei mitsammt dem Anhängsel der Volkspartei in irgend einem anderem deutschen Lande ist? Trozdem wird sie bei den fortschrittlichen und volksparteilichen Klagen über das ,, verkommene sächsische Volk" vollständig ignorirt. Diese räthsel
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hafte Blöd- und Kurzsichtigkeit hängt offenbar zusammen mit der be= fannten reaktionären Auffassung, die im sächsischen Landtag kürzlich zu naivem Ausdruck gelangt ist- der Auffassung, daß die Sozialdemokratie ,, keine Partei wie eine andere ist" und deshalb nicht als existenzberech tigte Partei betrachtet und behandelt werden kann. Nun, gegen eine solche Auffassung läßt sich nicht mit Vernunftgründen argumentiren sie ist nur durch handgreifliche Argumente auszutreiben. Den fortschrittlich volksparteilichen Verläumdern des sächsischen Volkes wollen wir hier blos erzählen, wie der weitaus bedeutendste Kopf, der jemals an der Gründung einer demokratischen Partei in Sachsen gearbeitet, nach kurzlebiger Illusion über die Hoffnungslosigkeit dieses Beginnens sich aussprach. In Sachsen ," meinte er, kommt die demokratische Partei um fünfzehn Jahre zu spät. Seit 15 Jahren die Aeußerung stammt aus dem Jahre 1879 gehört das demokratische Sachsen der Sozialdemokratie. Für eine bürgerliche Demokratie ist bei der hohen ökonomischen Entwicklung unseres Landes kein Boden." Das ist richtig. In Sachsen das haben wir schon wiederholt ge= sagt gibt es nur zwei Parteien: die Sozialdemokratie und die eine reaktionäre Masse die paar mehr oder weniger wohlmeinenden Konfusionsräthe, welche dazwischen irrlichteriren, können nur als Kuriositäten gelten!
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Zuchthäuslerwirthschaft im Zuchthause. nette Wirthschaft à la Rußland, schreibt man uns aus Halle a. S., muß in dem hiesigen 3uch tha use herrschen. Da stehlen die Beamten nach Herzenslust, und werden dabei von den höheren Anstaltsbeamten noch unterstützt, resp. begünstigt, natürlich um den Gewinn mit theilen zu können. So wunderten sich seinerzeit viele Hallenser darüber, daß die hiesige Neusilber- und Messingwaarenfabrik Andreas Hasengier, Magdeburgerstraße 30, aus dem Zuchthause verwiesen wurde. Da nun die hiesige Polizei sich geweigert hat, Licht über diese Schandwirthschaft zu schaffen, so werden wir dieser Pflicht nachkommen. Etwa vor Jahresfrist wurde der Gefangene Karl Wünsche, der von 20 Jahren Zuchthaus , zu denen er wegen Desertion vom Militär verurtheilt worden war, 12 Jahre abgesessen hat, beauftragt, mehrere Sah Messinggewichte zu verfertigen. Diese Gewichte wurden nun von dem Strafanstaltsauffeher Karl Böhm, jezigen Musikus in Halle, Kirchthor 16, nach und nach hinausgeschafft, d. h. gestohlen, wovon der Zuchthausbuchhalter Braun oder Braune, gegenwärtig noch in der= selben Stelle, gewußt hat und was er auch begünstigt hat, natürlich um den Gewinn mit Böhme zu theilen.
Der Empfänger dieser, an der unteren Seite mit A. H. gezeichneten Gewichte, war der Kaufmann W. H. Strich, Feldstraße 1. Der Vater des genannten Strich war pensionirter Strafanstaltsaufseher, ist inzwischen aber gestorben.
Da Strich nicht alle Gewichte hat brauchen können, so muß er mit dem größten Theil derselben Geschäfte gemacht haben. Der Inhaber der Firma A. Hasengier, Kaufmann Friedrich Flemming, der damals auch Gefangene im Zuchthaus beschäftigte, wußte ebenfalls von dem Diebstahl; aber erst nachdem mehrere größere Diebstähle, namentlich sehr werthvoller Leuchter 2c., sowie die Anfertigung von Nachschlüsseln zur Begünstigung von Desertionen der Gefangenen ermittelt worden, wurde diese Firma aus dem Zuchthause verwiesen.
Die oben erwähnten Gewichte waren auf dem Eichamte angehalten worden, auch die Polizei wußte davon, da aber durch die Veröffentlichung dieser Schandwirthschaft eine Menge ,, ehrbarer"( ehrloser) Bürger hätte bestraft werden müssen, so hat man sie hübsch unterlassen, und ist es also unsere Pflicht, in diese Schandwirthschaft Licht zu schaffen.
J. H. von Jlloh.
-Auf Requisition der Frankfurter Polizei sind in Hamburg der Schriftseter August Reinsdorf und in Mann heim der Vergolder Mildenberger verhaftet worden, angeblich weil sie verdächtig sind, bei der bekannten Dynamitaffäre im Frankfurter Polizeigebäude betheiligt zu sein. Wir müssen gestehen, daß diese Verhaftung so bekannter Anarchisten wie die Genannten auf uns den Eindruck macht, als würde da auf's Geradewohl zugegriffen, um überhaupt den Glauben zu erwecken, man suche die Schuldigen außerhalb der Polizeikreise.
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Wir haben der Polizei von Frankfurt an der Oder Unrecht gethan. Sie hat die in voriger Nummer von uns zitirten Schriften nur deshalb von der Liste gestrichen, erklärt der Regierungspräsident von der Heyden, weil sie von dem betreffendem Kolporteur nicht zur Prüfung vorgelegt worden waren. Es ist also Aussicht vorhanden, daß man in Preußen mit obrigkeitlicher Bewilligung nationalliberale Schriften kolportiren darf. Das ist ja der Gipfel der Preßfreiheit!
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Auch ein Zeichen der Zeit! Der von der Arbeitern ausgelachte Stöcker ist am 18. Januar auf dem von 2000 Personen besuchten Kommers der deutschen Studenten von dieser Blüthe der Nation" und ihren Gästen einige Schock höherer Militärs und Professoren frenetisch bejubelt worden.
Die haben eben mehr Verständniß für die unbefleckte Em pfängniß!
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Desterreich. Mehrere der bei dem Erzeß in der Favoritenkirche in Wien verhafteten Arbeiter sind bereits abgeurtheilt und zu außerordentlich hohen Strafen verurtheilt worden: 3-4% Jahre schweren Kerker. Die Angeklagten läugneten anfangs und gaben alsdann an, sie seien, als sie die That begangen, betrunken(!) gewesen.
Für diese Art der Vertheidigung mangelt uns jedes Verständniß.
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Frankreich . Unsere Genossen in Paris haben aus Anlaß der jüngst aufgetauchten Differenzen wiederholt Verhandlungen mit dem Nationalkomite der sozialistischen Arbeiterverbandes von Frankreich gepflogen, und senden uns nunmehr folgende Schriftstücke zur Veröffentlichung:
Erklärung der zwei( zu unseren Genossen abgesandten) De le= girten des Nationalkomite:
,, Die Delegirten des Nationalkomite verpflichten sich, die im ,, Proletaire" begonnene Polemik sistiren zu lassen, unter der Bedingung, daß der„ Sozialdemokrat" die gleiche Verpflichtung auf sich nimmt.
Der Verband der sozialistischen Arbeiter Frankreichs wünscht mit der deutschen Sozialdemokratie auf folgender Grundlage in freundschaftliche Beziehungen zu treten:
1) Dauernde Verständigung über alle internationalen Fragen von allgemeinem Interesse.
2) Gegenseitige Respektirung der Autonomie jeder Partei, was ihre Organisation und Verwaltung anbetrifft."
A13 Antwort darauf haben unsere Genossen in Paris folgende Erklärung abgegeben:
Wir Sozialdemokraten deutscher Zunge in Paris nehmen Akt von der Erklärung mit dem Bemerken, daß der Sozialdemokrat", offizielles Organ der deutschen Arbeiterpartei, von der Partei des fran zösischen Proletariats niemals anders als in freundschaftlicher Weise gesprochen und geschrieben hat, daß aber da, wo die internationalen Beziehungen des Sozialismus es erforderten, wo es galt, an den Berathungen internationaler Kongresse theilzunehmen, unser Organ wie die gesammte Partei, sich das Recht der Kritik gewahrt hat und auch ferner wahren wird.
Wir nehmen die Gelegenheit wahr, unsern französischen Brüdern zu sagen, daß es der in Deutschland herrschenden Reaktion nicht gelungen ist, unsere Reihen zu sprengen. Obgleich wir nun schon seit 1878 außer= halb des Gesetzes gestellt sind, aller politischen Rechte beraubt, und in den politisch vorgeschrittenen Distrikten Deutschlands der sogenannte kleine Belagerungszustand herrscht, hat die Partei, festhaltend an ihrem revolutionärem Charakter, nicht aufgehört, gegenüber der herrschenden Staatsgewalt mitsammt den bürgerlichen Parteien, den Kampf mit aller Energie zu führen.
Die im Laufe dieses Jahres stattfindenden Wahlen zum Reichstag werden unsern Gegnern zeigen, daß wir gewillt sind, die Prinzipien des Sozialismus zum endgültigen Sieg zu führen.
Wir wünschen, daß unsere französischen Brüder sich baldigst in einer starken und mächtigen Organisation zusammenfinden mögen, um mit uns gemeinsam an Stelle der korrupten Gesellschaft von heute, die von uns allen erstrebte sozialistische Gesellschaftsordnung zu sehen. Die Sozialisten deutscher Zunge