l Genug— es war eine großartige Leistung; kein Döring und keinVchweighofer hat je gleich Großartigere» auf dem Gebiet der komischenDarstellung erreicht., Da» wurde von Bebel dankbar konstatirt; derselbe benützte die. Gelegenheit, um den Standpunkt unserer Partei in punoto der Religionund der Kirche(dieser„Verdummungsanstalt") den Herren Abgeordneten, darzulegen: Trennung der Kirch« vom Staat und der Schule von deri Kirche, die Religion Privatsache— wie e» unser Programm erheischt. Und, auch der LutherkultuS, welchen der Politiker Schreck, ehe er in deni Komiker umgeschlagen war, mit fast pfäffischem Pathos getrieben hatte,I wurde einer ätzenden Kritik unterworfen, der„freisinnige" Luther ward, seiner modernen Vermummung enttleidet und in seiner Nacktheit alsengherziger Zelot und Vernunftfeind hingestellt.i Die Etats der Universität, der Gymnasien nnd der Voltsschule wur>. den von Liebknecht benützt, um den Duellunfug und die Völlerei auf) unseren Universitäten zu geißeln, und die Universitäten als„Hochschulent der Rohheit" zu brandmarten. Die Rohheit werde künstlich von obengepflegt, weil man eine gebildete Jugend nicht brauchen könne. Die,„Ueberbürdung" auf den höheren Schulen, die ungerechte Bevorzugungder höheren vor den niederen Schulen, die Vernachlässigung der Volks-, schule, kurz die zahllosen Mängel des heutigen Erziehung»- und Schul-, Wesens wurden von dem sozialdemokratischen Redner hervorgehoben—j so daß der biedere Kultus- und Unterrichtsminister, der in seinem, Departement Alle» für vollkommen hält, schi-r außer sich gerieth. Undals schließlich Liebknecht den Borschlag machte, man solle eine Deputationj nach Frankreich schicken und das dortige Volksschulwesen studiren lassen,, und Stellen aus dem Bert'schm Katechismus der„Instruction cirique*vorlas und ein ähnliches Lehrbuch der Bürgerrechte und Bürgerpflichtenfür die deutschen Schulen verlangte, anstatt des Religionskatechismus,, da ereignete sich da» Unerhörte: Herr von Gerber verlor die Conte-, nance, die er noch nie verloren,|« verlor die Lebensart, die er nocht nie verloren: und er verlor sogar den Redefaden. Ja, er, der elegant«, Schönredner, fiel so entsetzlich aus der Satzkonstruktion, daß der hoff-, nungslose Versuch, wieder hineinzukommen, ihm beinahe das Leben ge-, kostet hätte. Die inS Bläuliche hinüberspielende Kirschröthe des wohl-genährten Gesichts lieh einen Moment das Schlimmste befürchten. Jndeß,— wie gesagt— dai Stück schloß nicht tragisch, sondern sehr, sehr{ komisch, wie das bei der Mitwirkung so vorzüglicher Komiker auch sein., mußte. Es hat sich eben von Neuem gezeigt, daß unter den„Brettern,. die die Welt bedeuten", die Bretter unserer(großen und kleinen) Parka-! mente die beste Heimstätte der freiwilligen und unfreiwilligen Komikt find..— Einem Mitglied« desVolkswirthschaftsrathes,* dieses traurigen„Wurms, der nicht sterben kann", wurde zu der jetzigen� Session der Urlaub verweigert. Nämlich dem Arbeiter Kamin, derauf Hirsch-Duncker'schem Standpunkte steht. Natürlich nicht aus poli-tischen Gründen! Die„Ncrddeutsche" weist mit Entrüstung den Ge-* danken von sich; der Betreffende sei aber ein so guter Arbeiter, daßdas Werk(die Schiffbau-Gesellschast„Germania") ihn nicht entbehrenkönne.„Der dem Former Kamin vorgesetzte Gießermeister hatte in der' letzten Zeit bei seinen Gießereien mehrfach Unglück, und war gezwungen,� einen zweiten technisch geschickten Arbeiter zu entlassen. Da untersolchen Verhältnissen der Gießermeister, weil kein anderer zuverlässigerFormer in der Fabrik war, den Former Kamin nothwendig brauchte,j. so mußte er diesem den Urlaub verweigern." Daß man leicht einen]j anderen Former hätte beschassen können, oder den entlassenenn„geschickten Former" hätte wieder anstellen können, das waren so ent-s ernte Möglichkeiten, daß der unglückliche Gießermeister gar nicht an siedenken konnte. Die„Norddeutsche Allgemeine" scheint nicht zu wissen,t daß zum Lügen noch etwas mehr gehört als Schamlosigkeit—lt auch ein Bischen Verstand— und Witz. N'est pas menteur, quiz Tout, Man kann ein vortrefflicher Hausknecht sein, und ein Mise-„ rabler Lügner.*!— Also doch! Der Redakteur der„Frankfurter Zeitung" und21 volksparteiliche Abgeordnete Stern, mit dem wir uns wiederholt zuv beschäftigen hatten, hielt am 4. Februar im Frankfurter demokratischenVerein einen Vortrag über die Fortschritte der Reaktionin Preußen, der laut Bericht der„Franks. Ztg" mit folgendenet Worten schloß:„Gegen solche Fortschritte der Reaktion in Inhalt undD' Form müsse energisch aufgetreten werden. Da genüge es nicht, einzu-w stehen für die Vertheidigung dessen, was wir haben. Nein, wir müssen3* weiter gehen, wir müssen unsere alten Forderungen geltend machen inder allerbestimmtesten Weise: das allgemeine gleiche und direkte Stimm-� recht für alle Wahlen, namentlich aber Schwurgerichte für die Pressefordern, denn ohne freie Presse können wir unsere Forderungen wederheute noch später durchsetzen. Man möge nur bedenken, welch ein Ge-schlecht aus den Hörsälen des Herrn Wagner, aus den Volksversamm-et lungen des Herrn Stöcker in die Juristerei hineinwachse Da sollten!'■ sich Alle, denen die freiheilliche Entwicklung am Herzen liege, an den1.e Spruch des stärksten und mächttgsten Gegners erinnern: Die b e st e'lS Deckung ist immer der Hie b."Also doch! Schade, daß erst im preußischen Landtag konservativeJunker sich hinstellen und mauscheln mußten, um Herrn Stern zur]' Erkenntniß zu bringen, daß diese Bande voll und ganz mit Stöckerübereinstimmt. Jndeß, späte Erkenntniß ist besser als gar keine. Was aber'p die Frage anbetrifft, ob nun auch die Herren Volksparteiler der von� Herrn Stern gekennzeichneten Situation entsprechend handeln werden,� da erlauben wir uns, trotz des„stürmischen, lang anhaltenden Beifalls",� den derselbe erntete, vorderhand noch sehr erhebliche Zweifel.„Die™ Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaub e."�— Ein Etz heuchlet. In einer der letzten Sitzungen des preußi-l scheu Landtages warf sich der alte Fuchs Wind thorst mit furcht-r: barem Pathos gegen die Bewilligung von 2 Millionen Mark für Kunst-116 zwecke in's Geschirr.„Es ist mir", rief der Führer der Ultramontanenn' aus,„unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht möglich, für eine son' enorme Summe zu stimmen. Die gegenwärtigen Verhältnisse sind soe" drückend, so schmerzlich, die Emeriten in Roth, die Kommunen desgleichen,"9 die Nothwendigkeit, immer auf Suche nach neuen Steuern zu fein, sote' groß, daß ich für solche Zwecke nicht 2 Millionen bewilligen kann. Thäte3U ich es, ich könnte mich vor meinen Wählern nicht sehen lassen. Ich kann� keine neue Steuern bewilligen, wenn ich sehe, daß sie so verwendet wer-'e den. Nur w et. die Roth und das Elend nicht selbst gesehen hat, kann;e* solche Ausgaben bewilligen.".JJt Wie volksfreundlich! Aber handelt es sich um Millionen und Aber-nl) Millionen für pf äs fische Zwecke, dann weiß derselbe Herr nichts vonr,, der Roth des Volkes, dann wird darauf losbewilligt und immer nochlte mehr verlangt..et Es ist stets die alte Komödie, mit der den Dummen Sand in diejet Augen gestreut wird.'P— Anarchistisches. Die„Arbeiterstimme" schreibt:„Herr I»Peukert, der anarchistische Wanderprediger des D i e b st a h l s,� scheint seinen„Meister" in Allem kopiren zu wollen. Wie Most dererste„Führer" war, der nach Verhängung des Ausnahmegesetzes aus- Deutschland davonlief, so auch derselbe Peukert, der die deut-schen Sozialisten stets als Feiglinge erklärte, weil sie damals nichtj"„losschlugen". Warum läuft er nun aus Oesterreich m die sichere'e* Schweiz, statt in Wien„loszuschlagen"? Oder soll er den famosen Be-schluß zur Ausführung bringen, den seine Londoner Genossen seinerzeit,° faßten: das Asylrecht in derSchweiz zu zerstören, damit� endlich der verhaßte„Sozialdemokrat" und die„Zürcher"„fliegen"?'" Sein erstes Debüt in W i n t e r t h u r am S. Februar verunglückte'v indeß. Genosse R. Fischer versalzte ihm seine sünfviertelstündige0~) Anarchisterei und seinen Heldennimbus so unangenehm, daß er auf eine'»p Entgegnung zuerst zu verzichten erklärte, um eine Viertelstunde später,loa � i,aä Allzublamable eines solchen Rückzugs wahrscheinlich aufzu-'"s dämmern begann, doch noch einen mißlungenen Versuch zu machen.. Aber eine sehr interessante Thatsache ergab sich unsui' immerhin aus dieser Debatte: die Schamlosigkeit, mit der diesebre �u'e' bie seit Jahren Diebstahl, Raub und Mord predigen und propa-iN m"6?' ihre eigenen Genossen verrathen, wenn diese beijJ VerÜbung solcher„Thaten" der Polizei in die Hände fallen. F o r-der Tn,ane' in St. Gallen hatte den traurigen Muth, von einem„be-Züchtigten Kumitsch" zu schreiben, mit dem er schon sett Langem? keinem Parteiverkehr mehr gestanden; in Zürich erleben wir es,' daß der K a u f m a n n seinen Busenfreund Stellmacher, den er amSonntag beim Anarchistenfest noch krank meldet, jetzt verleugnet, indemer ihn—- den Mitbegründer— nicht einmal mehr zum Mitglied«seines Vereins haben will, der, im Besitz einer gestohlene« Bibliothek,nur zum Deckmantel für die anarchistische Propaganda dient. Und inWintert hur erklärt Peukert mit zynischer Offenhett:„DieMerstallingerei ist zu dumm, als daß man sie ver-theidigen k a n n", und gerade so sprach er sich über die bekannteWiener Demonstration aus, von der er als von einer„Dummheit"immer abgerathen habe, weil die Opfer nicht im Berhältniß zum Erfolgseien.In einem Punkt« dagegen unterschied er sich vortheilhast von seinenFreunden, in Bezug auf seine Meinungsäußerung über Merstallinger-Raubattentate und die Beseittgung von Polizisten»c. Der„FrankfurterZeitung" wird sogar von ihrem»�-Korrespondenten au» Zürichtelegraphirt, Peukert Hab« zugestanden, daß er von dem Merstallinger-Attentat« vor seiner Jnszenirung Kenntniß gehabt, es aber mißbilligtHab«. Wir haben wohl nicht»öthig, ausdrücklich zu konstatiren, daßwir mit diesem Telegramm, das offenbar nur auf Hörensagen beruht,absolut nicht» zu thun haben. Wohl hat Herr Peukert,als ihm die Rerstallingerei und seine intellektuell« Urheberschaft daranauf den Zahn gelegt wurde, rückhaltlos zugegeben, er habe that-sächlich dafür plaidirt, daß für Partei;«eckeGelder„requirirt" werden; aber er habe da immer groß«Summen im Auge gehabt, nicht so Bagatellen wiebei Merstallinger, welche den Verlust von Menschen-leben nicht rentiren. Darum dürfe man nicht zuKleinkrämern gehen, sonder» in Bankgeschäste k.,wo täglich große Summen ein- und auslaufen."Auch der Beseitigung von Polizisten und Beamten redete er un-geschminkt da» Wort, weil„die Gesellschastsorganisatton nur gestürztwerden kann, wenn die Träger derselben beseitigt find",««»halb erauch lebhaft„wünschte, daß der Schuh(auf Blöch) höher, viel höhergegangen wäre."Die Zürcher Anarchisten, die der Außenwelt gegenüber stet» so lamm-fromm thun, können also von ihrem Propheten— denn Most ist Gottund Peukert sein Prophet— lernen, wie„muthig" man- in derSchweiz sein— muß.Wenn aber Peukert und Genossen von uns Sympathie für dieOpfer solcher„Thaten" verlangen, dann müssen wir ihnen sagen, wasPeukert in Winterthur entgegnet wurde:„Ja, wir bedauern diese armen Verirrten und Verführten, die inwahnsinniger Verblendung ihr Leben opfern für Dinge, die der SachedeS Proletariats schaden und sie schänden; aber wir verachten dieelenden Tröpfe, die in Wort und Schrift ihre Anhänger zu ThatenHetzen, zu deren Ausführung sie selbst zu feig sind, und die beim erstenSturm dann feig davon laufen. Dies« Feinde der Arbeitersachemüssen wir rücksichtslos bekämpfen."—„Man spürt, daß es fvon Nöthen auch auf denDörfern sei!" Im Dorfe Kunersdorf bei Hirschberg inSchlesien wurde jüngst bei der Wahl des A m t s v o r st e h e r s mit SOgegen 20 Stimmen der Sozialdemokrat Stellenbesitzer Schub art ge-wählt. Da diese Wahlen der Bestätigung der Regierung unterliegen, sokassirte die Regierung des Bezirkes dieselbe, aber die Bauern— es sindnur Grundeigenthümer wahlberechtigt— ließen sich nicht verblüffen, und daSResultat war, daß am 28. Dezember Schubart mit 50 gegen 22 Stim-men wiedergewählt wurde, und zwar ohne daß es irgend einerAgitation oder Vorbesprechung bedurft hätte. Die Bauern, schreibt manuns von dort, sind entschlossen, sich das Recht, den Mann zu wählen,der ihnen gefällt, nicht nehmen zu lassen.'Wir rufen ihnen dazu„Glück auf!" zu. Und möge ihr Beispiel baldNachahmung finden!— Aus Dresden kommt die sonderbare Nachricht, daß GenosseMax Kegel, der sich dort vorübergehend aushält, plötzlich»er-haftet worden ist, und zwar soll die Verhaftung, heißt es, ausGrund von Aussagen Stellmacher's erfolgt sein. Das klingt denn dochzu absurd, als daß wir es glauben könnten, wenngleich man den säch-fischen Behörden in puncto Absurdität zieyilich viel zutrauen kann.Weit eher ist anzunehmen, daß die Ländtagsberichte der„SüddeutschenPost", deren Redakteur Kegel ist, gewissen Leuten nicht behagt haben,und einen Vorwand zum Verhaften findet man in Sachsen immer.—Soweit war diese Notiz schon gesetzt, als eine neuere Lesart unsunter die Augen kommt. Kegel soll eine Nummer des„Sozialdemo-krat", in welcher das Privatleben eines hervorragenden konservativenAbgeordneten geschildert wird— zweifelsohne ist die in Nr. 3 unseresBlattes enthaltene Schilderung der Heldenthaten des Herrn Herr-mann gemeint— an sämmtliche Abgeordnete des sächsischen Landtagesgeschickt haben.Ob Kegel mit dieser Versendung etwas zu thun hatte, wissen wirnicht; aber daß er wegen derselben verhaftet wurde, klingt uns sehrglaubhaft. Denn es wäre ein Akt niedrigster Rachsucht, und einensolchen trauen wir den Hintermännern der Dresdener Polizei wohl zu. Stattdaß man dafür dankbar sein sollte, daß einem solchen Biedermann dieheuchlerische Maske vom Gesicht gerissen wird, sperrt man denjenigen, vondem man„vermuthet", daß er an dieser verdienstvollen That theil-genommen, ein. Das ist Nostiz-Wallwitz, wie er leibt und lebt.Nun, soviel geht aus der ganzen Geschichte wenigstens hervor,daß die Herren Abgeordneten die Nummer richtig erhalten haben.Das freut uns. Wir wollen nun sehen, ob sie, die stets über die Im-moralität des Volkes jammern, auch unter sich auf Moralität— nein,auch nur auf den Schein der Moralität halten. Bis jetzt hat HerrHerrmann weder sein Mandat als Abgeordneter noch sein Amt alsOberbürgermeister niedergelegt.— Für die bevorstehende Nachwahl im zweitenMeiningischen Reichstagswahlkreise ist Seitens der dor-tigen Genossen Louis Viereck als Kandidat aufgestellt worden. DieArbeiterschaft ist in dieser Gegend so gedrückt, daß bis vor Kurzem dieBewegung dort vollständig darniederlag. Wenn sie durch die Kandidaturwieder aufgerüttelt wird, so ist das bereits ein nicht zu unterschätzenderErfolg.— Oe st erreich. Mehr als 300 Personen sollen bereits auf Grunddes Ausnahmezustandes aus Wien und Umgegend ausgewiesen wordensein und weitere Ausweisungen— man spricht von im Ganzen 3000!—sind noch geplant. Ebenso sollen mehrfache Verhaftungen vorgenom-men worden sein, und zwar, heißt es, auf Grund der Aussagen vonStellmacher. Genaueres ist nicht zu erfahren, da die Polizei denWiener Blättern unbedingtes Schweigen auferlegt hat, und diese dasGebot strengstens hallen— die„faktiöse" Opposition wie die„demokra-tische" Presse— sie berichten nur, was die Polizei ihnen zu diesem Zweckemittheilt. Nicht einmal die Namen der Verhafteten und Ausgewiesenensind aus den Blättern zu erfahren.Da die Nachricht von den Geständnissen und Enthüllungen, die Stell-machet gemacht haben soll, offiziös ist, so spricht das gerade nicht sehrfür ihre Glaubwürdigkeit. Jndeß liegen uns Privatmittheilungen vor,welche es zum Mindesten für wahrscheinlich erscheinen lassen, daß Stell-machet wirklich Aussagen gemacht hat, die zu Verhaftungen geführthaben.— Aus Graz wird, schreibt die„Arb.-W.-Chronik.", gemeldet, daß den30. v. M. die Schuhmacher Franz Proneg und NikolausPodboi, angeklagt des Hochverraths und anderer schrecklicher Dingemehr, wegen Verbreitung von drei Flugschriften revoluttonären Inhalts,von einem Schwurgerichte schuldig gesprochen und ersterer zuacht Jahren, letzterer zu zwölf Jahren schweren Kerkerverurtheilt wurden.Auch eine Frucht der famosen Attentatspolitik!— Frankreich. Aus Newyork erhalten wir folgende Zuschrift:N e w y o r k, 23. Januar. Soeben kommt mir die Ausgabe des„Sozialdemokrat" vom 10. Januar zur Hand, worin unser PariserGenosse Thies das Interview der„Newyorker Volkszeitung" mitden Pariser Delegirten zum Gegenstande einer längeren Auseinander-setzung, resp. Widerlegung macht. Da nun seinerzeit ich derjenige gewesenbin, welcher im Austrage unseres hiesigen Parteiblattes mit B a l i nund Genossen die betreffende Unterredung abgehalten hat, so fühle ichmich durch eine Aeußerung des fraglichen Schreibens bettoffen, welche ichrichtigstellen muß.'„Ich Hab« hierauf zu erklären", schreibt Thies,„daß jedenfalls derVertreter der„Newyorker Volkszettung" die Delegirten falsch ver-standen hat, denn diese können nicht erklären, daß die in Parislebenden deutschen Genoffen ihren Vertreter auf der Konferenz haben,«eil die» nicht der Fall war."Glücklicher Weise nun haften mir die Worte, welche Bali», derBeauftragte semer Partei, mir damals aus meine diesbezügliche Frageerwiderte, noch ziemlich genau in meinem Gedächtniß. Genosse ThieSmag also selbst urtheilen, ob ich„falsch verstanden" Hab«.Balin äußerte:ckolt y avoir mal entenckn de la part du„Socialdemokrat",yulique le oitoyen Thies, le reprösentat de rotte groupe& Paris,qui a pris part k la oonfdrence et qui nous a interpelld ä ce sujet,■'est ddolarö satisfait par les explications foornies par nous."*)Di« Wort«:„a pris part" können allerdings zur Roth bedeuten,daß ThieS aus der Konferenz nur anwesend war, ohne Sitz und Stimmezu haben, aber daS wäre doch«ine sehr geschraubte Erklärung. Ich binvielmehr der Ansicht, daß Balin sich absichtlich so unbestimmt ausgedrückthat, weil er bei unseren hiesigen Genossen, deren strenge Zugehörigkeitzur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands er kannte, eine gewisseFeinfühligkett in dem fraglichen Punkte vorausgesetzt hat, und weil erdoch daS gute Einoernehmen mit ihnen, woran den Delegirten liegenmußte, nicht von vornherein in Frage stellen wollte. Es ist das einVorgehen, welches ich unter den obwaltenden Umständen sehr wohl be-greiflich und entschuldbar finde, wo es darauf ankommt, für die inter-national« Solidarität aller sozialistisch gesinnten Arbeiter zu demonsttiren.Ei ist nicht an mir, dreinzureden in die Differenzen„Sozialdemokrat"-„Proletaire". Bemerken möchte ich aber doch, daß ich persönlich aus demVerkehr mit Balin, Dumay und ihren Freunden den Eindruck ge-wonnen habe, daß sie für ihren Theil zu einer Beilegung des gehässigenZwistes gerne die Hand reichen würden, und als Beweis gilt mir dasvon ihnen an den Tag gelegte Bestreben, mit der hiesigen Parteidauernd« internattonale Beziehungen zu vereinbaren, was ja auch that-sächlich geschehen ist.Mit sozialdemokratischem Gruße!Julius Grunzig.Mit dieser Erklärung der Differenz zwischen den Aussagen von Balinund Dumay und dem thatsächlichen Verlaus der Dinge denken wir dieSache umsomehr auf sich beruhen lassen zu können, als die Genanntenwirklich, wie uns von anderer Seite berichtet wird, die Ungehörigkeitdes Ausschlusses der Deutschen von der Konferenz sofort eingesehenhaben. Es ist uns auch gar nicht um eine Verständigung mit den aus-richtigen Sozialisten auch dieser Fraktion der französischen Arbeiter-bewegung bange, sie wird sicher eintteten, sobald der Einfluß des HerrnB r o u s s e vollständig beseitigt ist. Solange aber dieser notorischeFälscher zwischen uns und ihnen steht, wird ein direktes Freundschafts-verhällniß stets ein frommer Wunsch bleiben. Wer das übertrieben findet,den mag ein Zitat aus der neuesten Nummer des„Proletaire" einesAnderen belehren. Dort schreibt Herr Brousse über die Verhandlungender französischen Deputirtenkammer betreffend die Geschästskrisis wörtlichFolgendes:„Um aus unserer Gesellschaft die Wurzeln des Uebels auszurotten,haben wir, wie ein Redner sich sehr glücklich ausdrückte, eine Reihe vonKonsultationen gehabt: die mutualistische Konsultation, die katholische,die landwirthschaftliche, die protektionistische, die tooperatistische, die volks-wirthschaslliche Konsultation. Es hat uns nur noch die marxistischeKonsultation gefehlt. D a s ist w i r k l i ch s ch a d e! Wäre dieseLücke nicht, so wären alle Systeme, alle Universalheilmittel(panacöes) vorgeführt worden. Schließlich schäme �ich mich nicht, zu be-kennen, daß die Reden der Herren Clemenceau und Ferry uns auf dieFrage, wie sie wirklich liegt, geführt haben."Marx und Universalheilmittel!— ist eine unverschämtereFälschung denkbar? Das übersteigt fast noch die Frechheit, mtt der HerrBrousse Marx einen U t o p i st e n nennt, der von einem„vorgefaßtenGerechtigkeitsideal" ausgehe. Und es erhält seine volle Jllusttirung durchdie Thatsache, daß der obige Artikel hinausläuft aus die Prokla-mirung des Universalheilmittels des Herrn Brousse: die famose„Theorieder öffentlichen Dienste."Wir dächten, das genügt!— England. Von den Hallunken, die man laufenläßt. Der wegen Besitzes von Spreng st offen gegen W o l f fund Bondurand eingeleitete Prozeß ist niedergeschlagen worden,nachdem die Geschwornen vor einigen Blochen über den Wahrspruch nichthatten einig werden können. Um für die Einstellung des ProzessesStimmung zu machen, war bereits unmittelbar nach der Schlußverhand-lung die alberne Notiz in die Welt geschickt und von unserer geistreichenPresse auch gläubig aufgenommen worden, alle Geschwornen seien fürdie Freisprechung gewesen mit Ausnahme eines einzigen, der nur ausFremdenhah gegen dieselbe votirte, wie er offen erklärt habe. Dasist nichts als Humbug. Die'Niederschlagung der Prozesses wird erklärlich,wenn man erwägt, daß Wolff und Bondurand zwei verkommene Subjektesind, die der Polizei schon manchen Dienst geleistet und die mttihren Attentatsvorbereitungen jedenfalls bestellte Arbeit verrichteten, inwelcher sie zum größten Äerger der Besteller von der„ungeschickten"englischen Polizei gestört wurden. Nun, die englischen Richter haben sichdafür um so gelehriger gezeigt!Ueber diese skandalöse Affäre entnehmen wir der Zuschrift eines Lon-doner Genossen noch folgende Details:„Betrachttn wir uns die Londoner Attentats-Affäre Wolff und Gebr.Bondurand, Schurken erster Klasse. Der ältere Bondurand, intimerFreund der Polizei, Geheimpolizist Wolff, ein Schwindler, der nichtweiß, was er heute oder morgen ausbrüten soll. Beide hecken den Planaus, ein blindes Attentat gegen das deutsche Gesandschaftshotel auszu-führen, einen ahnungslosen Deutschen als Thäter zu denunziren unddann die von der Polizei ausgesetzte Belohnung von so und so vielPfund Sterling einzuheimsen.Die Sache ging ihren Gang: Pulver, Topf, Zündschnur-c. wurdengekauft, und als man dem Attentatstage näher rückte, lief Wolff zu demPolizeiinspektor M a r s h a l und zeigte schon das Komplot, welches voneinigen Deutschen in Szene gesetzt werden solle, an, während Bondurandzu dem Polizennjpektor von Tornow rannte und eine ähnliche An-zeige machte.Schuft Bondrand war geriebener oder eingeschulter auf solcheArbeit als Schuft Wolfs. Denn er schleppte an dem zur Sprengung be-stimmten Tage, da er neben Wolff wohnte und in dessen Haus einZimmer gemiethet, die ganze Sprengmaschine in dieses Zimmer undtheilte nun seinem Freunde v. Tornow mit:„Da, der Wolfs ist's, inseinem Hause werdet Ihr Alles finden!" Wolff's Haus wird durchsucht,die Sachen gesunden und er verhaftet. Bondurand der Aeltere, derFreund der Polizei und Hauptschuft, machte sich, nachdem Wolff einge-standen, daß die ganze Sache zu dem Zweck eingefädelt worden sei, später-hin die ausgesetzte Belohnung zu erhalten,„dünne", und die Polizeikann oder will ihn nicht finden. Die Prozeßverhandlungen wührtenmehrere Wochen: sie enthüllten in diesem Kleeblatt Kreaturen niedrigsterArt, die man nur mit Individuen wie Thomas, Stieber,S ch a u ß, Rumpf:c. vergleichen kann.Wären die Gauner einig gewesen, so hätten sie einen unschuldigenMenschen vielleicht zeitlebens in's Zuchthaus gebracht, denn Bondurand,welcher als Zeuge sungirt hätte, hätte falsch geschworen, und ihm, demFreunde der Polizei, hätte man geglaubt. Er wäre vielleicht In-spektor geworden oder hätte sonst eine angenehme Stellung erhalten.Zum Glück kam es anders.Hier glaubte nun Jeder, daß diese Subjekte für längere Zeit unschäd-lich gemacht würden, aber mit nichten! l l von den 12 Richtern gabenein freisprechendes, und nur Einer ein Urtheil aus Schuldig ab. DieSache sollte also von Neuem zur Verhandlung kommen, die Regierungscheint aber anderer Meinung zu sein und soll das Versahren gegenWolff und Bondurand eingestellt haben. Warum? Das kann nur dieRegierung oder die Polizei mittheilen, und wir würden ihr recht dankbarsein, wenn sie es thäte, aber sie wird uns diesen Gefallen nicht erweisen. Wäredieses Scheinattentat geglückt, so wäre das für Bismarck Wasser auf die Mühle•)„Es muß hier ein Mißversiändniß Seitens des„Sozialdemokrat"vorliegen, da der Bürger Thies, ber Vertteter Ihrer Gruppe in Paris,der an der Konferenz theilgenommen und uns über diesen Punkt inter-pellirt hat, sich mit den von uns gelieferten Auseinandersetzungen zu-friedengestellt erklärt hat."