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,, Unsere sogenannten ordentlichen Gerichte haben die leere und todte Form der Rechtspflege an die Stelle des sachlichen Rechts gesetzt und sind dadurch zu Freistätten für die gräulichsten Verbrecher geworden. Da ist es denn im höchsten Gcade erfreulich, daß gelegentlich einmal der gesunde Rechts­sinn des Volkes zur Geltung gelangt und an Stelle der ver­rotteten, ihrem ursprünglichen Zwecke völlig entfremdeten, gesetz­lichen" die natürliche Strafrechtspflege setzt. Wie ge­sagt: unsere gerechtesten Gerichte sind die Lynchgerichte." Zweifelsohne, sagen wir mit der New- Yorker Volkszeitung", steckt in gli diesen Ausführungen ein Stück gesunden Menschenverstandes, wenngleich wir in dem Auffnüpfen irgend eines Spizbuben von Seiten einer er­regten Masse teineswegs einen Akt höherer Gerechtigkeit erblicken, sinte­malen wir überhaupt keine Verehrer der Pädagogik des Aufknüpfens erzi find. Aber das ist eben das Bezeichnende für den Geist des Spießbürgers, daß er sein Bischen gesunden Menschenverstand" beständig an der for falschen Stelle anwendet.

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Wenn es gerecht ist", sagt die New Yorker Volkszeitung" sehr richtig, einen Verbrecher, der einen oder zwei Menschen ge­tödtet und dem gegenüber die bestehende Gerichtspflege ohnmächtig ist, zu lynchen, ist es dann nicht hundertmal gerechter ebenso zu verfahren mit einem Verbrecher, der hunderte von Menschen­leben vernichtet, und zwar nicht aus Noth, sondern aus Gier nach Reichthum und Faullenzerei? Namentlich wenn einer solchen Bestie gegenüber die bestehenden Gerichtsinstitutionen noch viel machtloser find als im Falle eines gemeinen" Verbrechers? Als solche Bestien find z. B. jene Minenbefizer zu betrachten, welche aus Sparsam­teitsrücksichten", mit vollem Bewußtsein, und obschon sie alle die eristirenden Vorsichtsmaßregeln kennen, diese nicht anwenden und dadurch jährlich Hunderte von Menschen direkt und mit kaltem Blute ermorden. Wie treffend klingt es gerade von diesen Verbrechern, wenn die J. Staatsztg." sagt, daß sie es selbst sind, welche die Richter und Vollziehungsbeamten wählen!" Denn sind es nicht that­sächlich die großen Industriemonopole, die unsere Legislaturen, Gerichte und Verwaltungsbehörden dirigiren? Und wie derb­richtig flingt gerade in diesem Zusammenhang die entrüstete Frage unserer Chicagoer   Kollegin: Kann man von solcher Hallunkenbande eine Vollstreckung des Strafgerichtes erwarten?"

Was würde aber die Jllinoiserin sagen, wenn auch in solchen Fällen die Angehörigen der Ermordeten oder deren Leidensgefährten und Mitarbeiter zum einzigen gerechten Gericht" ihre Zuflucht nehmen würden? Was sie sagen würde? Sie würde Zeter und Mordio schreien, sie würde Pech und Schwefel, Milizen und Kano­nen auf die gemeine Mörder- und Kommunistenbande"( denn Kom­munisten sind in solchen Fällen ja stets dabei!) herabbeschwören, sie würde keine Ausdrücke finden, die stark genug wären, um diese Beschimpfung des Gesetzes" gebührend zu brandmarken.

Und doch wäre in solchen Fällen, gegen kapitalistische Massen­mörder angewandt, das Lynchen weit leichter zu rechtfer= tigen, ja es wäre öfter in der That das einzig gerechte Gericht", als in Fällen von Einzelverbrechen, bei denen oft weder die Schuld so klar und empörend vorliegt, noch die Person des Schuldigen so über allen Zweifel erhaben, noch vor Allem die Abwesenheit jedes Entschuldigungs-, resp. Erklärungsgrundes so überzeugend nachweis­bar ist, und bei denen nur zu oft Brutalität und persönliche Rach­sucht den Ausschlag geben."

Ganz gewiß. Und wer da meint, daß die gutgesinnten Bürger im zivilisirten Europa anders denken als ihre Brüder im korrumpirten ph Amerika  , dem rufen wir die Aufheßereien der Versailler   Presse von son 1871, die Verherrlichung des Maimassakres, dieser Lynchjustiz en gros, den Ruf der guten Bürger nach dem Scharfrichter, das Geschrei Bu über zu milde Behandlung der Verbrecher u. s. w. u. s. w. in's Gedächt­alles Dinge, die derselben Denfart entspringen.

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Die Spießbürger bilden überall die Kerntruppen der Reaktion, der urg herrschenden Gewalt gegenüber sind sie feige und unterwürfig; nehmen tt sie aber an Volkserhebungen Theil, so bilden sie die grausamsten und blutgierigsten Elemente, wie sie wiederum die ersten sind, sich zu unter­tre werfen und in das historische Kreuziget sie!" einzustimmen. Ihre Sym­pathie für Volkserhebungen ist im Grunde ebenso ummah min

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Ueber den jüngsten amerikanischen   Krach lesen wir tati in der New- Yorker Volkszeitung":

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Die jetzige Krisis in den Vereinigten Staaten   begann mit einer eb bloßen Handelskrisis eine finanzielle war damit nicht verbunden. ar Daher dauerte die finanzielle Spekulation nicht nur ungeschwächt an, sondern sie wurde dadurch nur gesteigert. Eine Menge Kapitalien, welche und im rechtmäßigen Produktenaustausch beschäftigt gewesen waren und in­bei folge des verminderten Handels nicht verwendbar blieben, warfen sich auf das Börsenspiel in Papieren, welches eine nie erlebte Höhe erreichte. men Nicht nur professionelle Papiermakler, sondern Bankpräsidenten und 39 Privatgeschäfte betheiligten sich an dem gewagtesten aller Spiele, oft mit so fremdem anvertrauten Gelde.

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Die New- Yorker Volkszeitung" war fast die einzige, welche seit nämlich, daß etwa zwei Jahren nachwies, wohin dies führen müsse rid der Handelskrisis auch eine Finanzkrisis folgen müsse. Und jetzt ist sie da, trok Allem, was unsere fapitalistischen Gegner abzuleugnen suchten. Unsere warnende Stimme ist fruchtlos verhallt, und heute wird von bielen Seiten ganz dieselbe Reihe von Gründen ins Feld geführt, mit welchen wir unsere Ansicht verfochten."

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Eine finanzielle Krisis kann man verkleistern, verhüllen, ab­schwächen, denn die Macht des mobilen Kapitals ist ungemein groß. Es steht für alle Geldkönige geradezu Alles auf dem Spiele, wenn der Kredit gänzlich erschüttert wird."

Aber durch alle Finanzmanöver und wechselseitige Hilfe der international verbündeten Geldkönige wird die Handelskrisis nicht be­schworen, der Absatz nicht vermehrt, die Kauftraft der verarmten Völker nicht gestärkt, den großen Unternehmungen keine Verzinsung ihres fest we gelegten Graßkapitals geschaffen, das Vertrauen zur Wiederkehr flotter let Geschäftszeiten nicht berechtigt, der Unternehmungsgeist nicht neu belebt. Was kann der nothdürftig wiederhergestellte Kredit helfen, wenn Nie­mand in regelmäßigem Handel ihn benutzt, weil der Absak immerzu ab­Org nimmt, und die Produktion gezwungen brach liegen muß? Die Zeit, eise auf welche der Kredit für alte Schulden verlängert wird, läuft ab, ehe neuer Absatz im Großen geschaffen ist, und wenn der endliche Zahltag tommt, ist dasselbe Uebel die finanzielle Panik e ha öfter sich das wiederholt, desto mehr Firmen gehen zu Grunde, desto mehr Kapitalisten verarmen, desto mehr schrumpft Vertrauen und all­Mo gemeine Zahlungsfähigkeit zusammen.

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Schon jetzt wanten die sämmtlichen Pacificbahnen, die Jay Gould  'schen Wabashbahnen und alle Fabriken, welche auf deren Kund­schaft angewiesen sind. Eine neue gute Ernte in Amerika  , ürd während die europäische nicht minder gut auszu­Dhr fallen verspricht, würde das Uebel nur noch ver­tbred chlimmern.

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Man sieht, unser Newyorker Bruderorgan stimmt in Beurtheilung der Situation mit uns überein. Und die seitdem eingetroffenen Nachrichten auf sind durchaus nicht geeignet, es Lügen zu strafen.

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Liebknecht in Paris  . Vorige Woche hielt sich Liebknecht 3D einige Tage in Paris   auf, und sofort waren die preußischen Reptile in Paris   bei der Hand, ihren Brodgebern zu zeigen, daß sie nicht umsonst

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n ei aus dem großen Topf, Welfenfond" genannt, gefüttert werden. Die Dunklen Gestalten, so man im profanen Deutsch Spigel nennt, hefteten fich an seine Sohlen oder richtiger, versuchten sich an seine Sohlen zu heften, womit sie indeß wenig Glück hatten, denn Liebknecht tam aus Deutschland  , wo man den Umgang mit Spigeln" Re gründlich zu erlernen Gelegenheit hat. Die armen Fünfmarkjungens" wurden also von Zeit zu Zeit auf's Eleganteste versezt", wie der Jürg Runstausdruck lautet, und in solchen Momenten der Verblüffung wußten Sie sich keinen anderen Rath, als sich, geheime Konferenzen", Bortongresse und dergleichen zu konstruiren, oder vielleicht deren es in Paris   viele geben auch von irgend einem Spaßvogel aufbinden zu lassen und an die Gesandtschaft zu rapportiren.

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Bon da wanderten diese Berichte auf dem bekannten, durchaus nicht mehr ungewöhnlichen, d. h. gemeinen Wege in die Redaktionsstube der Köl­ nischen Zeitung  ", des nationalliberalen Weltblattes, dessen sich die andi preußische Regierung jedesmal bedient, wenn es sich um eine Extra­schweinerei handelt.

Diesmal war allerdings weniger das Borstenthier als das langohrige Grauthier in Frage; die brave ,, Kölnische" tischte ihren Lesern ein paar Extraeseleien auf, die im Lande der Denker" aber sofort geglaubt

wurden.

Es fällt uns nicht ein, das Geschwät ernsthaft zu nehmen und unsere Leser mit einer ,, Widerlegung" der Reporter- Enten zu langweilen. Mehr interessiren dürfte sie, was Liebknecht auf dem Fest unserer engeren Genossen in Paris   über die Situation in Deutschland   gesagt. Wir lassen daher den Bericht der Weser- Zeitung" über Liebknecht's  Rede, der, wie man uns mittheilt, im Großen und Ganzen richtig ist, hiermit folgen:

,, Nachdem Liebknecht als Gegner des Personenkultus jede Ovation zum Voraus ablehnte, stattete er Bericht ab über die Verhältnisse im sogenannten" Vaterlande. Wegen des Wortes ,, Vaterland" mußte er sich entschuldigen: er that es mit dem Hinweis darauf, daß wir doch irgendwo geboren seien und nach dem Sprichworte, daß jeder zuerst vor seiner Thüre kehre, mit der revolutionären Arbeit in der Heimath beginnen müßten. Das Sozialistengeset habe fördernd auf die revolutionäre Bewegung gewirkt.

Als ich, so fuhr der Redner fort, vor drei Jahren zum letzten Male in Paris   vor Ihnen sprach, konnten wir noch üble Folgen von dem Gesetze befürchten. Damals waren zwar in den Fabrik­zentren die Arbeitermassen bei der Fahne geblieben und hatten sich nur um so enger geschaart; in den Gegenden aber, wo unsere An­hänger vereinzelter lebten, schwebte die Parteiorganisation in der Gefahr der Auflösung. Seitdem sind unsere Besorgnisse zerstreut worden. Wir verdanken es theils der eigenen Taktik, theils den Fehlern unserer Gegner, daß wir sogar einen glänzenden Aufschwung der Bewegung zu verzeichnen haben. Wenn Minister v. Puttkamer  behauptet, daß die Sozialdemokratie an Ausdehnung verloren hat, so schlägt dies den Thatsachen einfach in's Gesicht. Die Sozial­demokratie hat an Breite gewonnen, wie dies die wachsende Stim­menzahl bei den Wahlen beweist. Sie hat aber auch neue Tiefe und Kraft erlangt, weil das Sozialistengesetz sie von allen unmännlichen Elementen befreit und ihr, die vor 1878 zu gemüthlich( sic!) gewor den war, neue Kampfesluft eingeflößt hat. Es war daher keine Prahlerei, als ich im Reichstage erklärte, daß das Polizeigesetz nur zu unserem Vortheil ausgeschlagen sei.

Die politischen Fehler unserer Gegner würden allerdings nicht hingereicht haben, die Bewegung emporzubringen, wenn nicht die wirthschaftliche und gesellschaftliche Krisis, die einerseits durch das Ueberwiegen des Angebots über die Nachfrage die Arbeiternoth her­vorbringt, anderseits den Mittelstand dem Großkapital opfert, die Vorbedingung zur Vorbereitung des Sozialismus geboten hätte. Der Reichskanzler hat die Nothwendigkeit dieser Bewegung erkannt. Deshalb versucht er sie seiner dynastisch- junkerlich- polizeilichen Politik durch eigene sozialreformatorische Pläne dienstbar zu machen? Was ist aber die Kranken- und Altersversicherung, wie er sie versteht? Nur eine Erweiterung der bestehenden Armenordnung, die schon jetzt in den betreffenden Fällen, wenn auch in anderer Weise ein­greifen muß.

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In der Hitze der Debatte hat nun der Reichskanzler das Recht auf Arbeit proklamirt. Das Recht auf Arbeit? Das ist ein Unsinn unter jetzigen Verhältnissen, selbst abgesehen von der Frage, ob wir nicht statt seiner mit meinem Freunde Lafargue das Recht auf Faulheit" proklamiren sollten. Sie, meine Freunde, stehen auf wissenschaftlichem Boden und wissen, daß das Recht auf Arbeit nur verwirklicht werden kann durch eine vollkommene Umgestaltung des Produktionssystems und somit der Gesellschaft. Das Recht auf Ar­beit wollen, heißt den Kommunismus, die soziale Revolution wollen. Das ist es, was wir selbst bezwecken; daher auch unser Antrag im Reichstage, daß die gesetzlichen Mittel zur Verwirklichung des theo­retisch anerkannten Rechtes gewährt werden. Wir freuen uns, daß der Reichskanzler mit eigener Hand den Keil in die alte Gesellschaft

eintreibt und die Revolution vorbereitet.

Revolution oder Reform? Eins schließt das Andere nicht aus und beide ergänzen sich. Unter Reform verstehen wir die allmälige Verwirklichung sozialistischer Fordernom jezi

Von mancher Seite wirft man uns vor, daß wir uns zum Parla­mentiren herbeilassen. Auch ich habe früher über den Parlamenta rismus anders gedacht als heute und werde vielleicht auch über's Jahr wieder anders denken. Doch das ist nothwendig, weil wir auf dem politischen Schachbrett nach der Taktik des Gegners die unse rige wählen, Zug für Zug auf seine Züge antworten müssen. Jezt können wir nicht anders als parlamentiren, um unserer Partei Zeit zum Wachsthum und zur Organisation zu lassen.

Der Gedanke an einen gewalsamen Umsturz ist unter heutigen Verhältnissen Wahnwitz. Der Feind ist noch zu mächtig, er darf noch auf die bewaffnete Macht pochen. Und wenn wir den offenen Krieg proklamiren, so hat er Recht, Diejenigen, welche er mit den Waffen in der Hand ergreift, in Numero Sicher oder, was richtiger wäre, in's Jrrenhaus zu stecken. Im umgekehrten Falle würden wir es ebenso machen. Mit Ehrerbietung begrüßen wir die Helden, die in Rußland   durch die That gegen die Tyrannei protestiren; in Deutschland   aber sehen wir jetzt kein Ziel in der Gewaltthat. Wir müssen uns stärken, uns organisiren und im Uebrigen uns auf die Zersetzung der Gesellschaft verlassen, die durch die Politik des Reichs­tanzlers befördert wird."

Nach einer Ermahnung an die Deutschen  , im Interesse der sozialen Bewegung Frieden mit den Franzosen  ( d. h. den französischen   Ar= beitern!) zu halten und lieber einen Schimpf einzustecken, als Krakehl zu machen, schloß der Redner mit der Prophezeiung der nahenden sozialen Revolution."

Soweit der Bericht der liberalen ,, Weser- Zeitung", den unsere Leser da, wo er Liebknecht's Worte zu ironisiren versucht( Entschuldigung für den Gebrauch der Worte ,, Vaterland"," Schimpf einstecken" 2c.) leicht selbst korrigiren können. Eine Berichtigung unsererseits bedarf nur der Passus, der Liebknecht sagen läßt, wir müßten jetzt parlamentiren". Das zu erklären ist Liebknecht nicht eingefallen, sondern er sprach nur von der Nothwendigkeit der Theilnahme am Wahlkampf und der Thätig­feit unserer Partei im Parlamente. Diese ist nothwendig und nicht erst heute, sondern seit Jahrzehnten von uns innegehalten worden großen Nußen der Arbeiterbewegung, des Sozialismus. Zwischen ihr und Parlamentiren ist aber ein gewaltiger Unterschied. Wir stehen dem Gegner im Parlament nicht auf gleichem Boden gegenüber, etwa als je nach und das ist die Bedeutung Umständen Opponirende und Paktirende

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des Wortes: Parlamentiren, sondern kritisch- revolutionär. Versuche, uns von diesem Standpunkte abzudrängen, sind wiederholt angestellt worden, aber sie haben gerade in Liebknecht einen unbeugsamen Gegner gefunden.

Staatshilfe. Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, wie grundverkehrt es ist, in der Staatshilfe und überhaupt in dem Eingreifen des Staates in das wirthschaftliche Getriebe ein Stück Sozia­lismus zu erblicken. Diese Auslegung des Sozialismus ist eine Fälschung der Manchesterleute und ist später von den Staatssozialisten mit großer Genugthuung aufgegriffen worden, weil sie Beiden als vortreffliches Mittel der Reklame dient: die Einen wollen auf diese Art jede ihnen unbequeme Staatseinmischung als zum Kommunismus führend verdäch­tigen, während die Andern die Flagge des Sozialismus gerne aufhissen, wo es gilt, die milchende Kuh des Staates zu gewissen höchst unsozia­listischen Sonderinteressen zu melfen.

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Wir sehen es daher stets mit Bedauern, wenn von Sozialisten diese Vermischung der Begriffe noch gefördert wird, wenn selbst heute noch die Staatseinmischung als etwas an und für sich bereits Lobenswerthes betrachtet wird. Und leider kommt das noch immer vor. So fanden wir jüngst in einem deutschen Arbeiterblatt eine Notiz, in welcher die Goldene 110" deshalb angegriffen wurde, weil sie nicht für die von Bismard geplante Dampfersubvention sei, und wo es dann hieß, daß der betreffende Entwurf u. A. schon deshalb zu befürworten sei, weil er auf dem Prinzip der Staatshilfe beruhe, und weil behufs gründ­lichen Bruches mit den Ueberlieferungen des Manchesterthums, sowie weiterer Nuganwendung desselben im Interesse der Arbeiter ein solches Prinzip entschieden gepflegt werden muß.

Ein falscherer Gesichtspunkt für Arbeiter ist nach unserer Ansicht gar nicht möglich. Danach liegt also, wenn Bismarck   zu irgend einem Zweck Staatsmittel an irgend eine industrielle Gesellschaft verpufft, bereits ein ,, Bruch mit dem Manchesterthum" vor. Als ob diese Staatshilfe" nicht

so alt wäre als der Staat selbst! Und als ob das Manchesterthum der alleinige, der schlimmste Feind der Arbeitersache wäre! Als ob die ver­schwommene Phrase der Staatshilfe mit ihrer entnervenden Wir­fung auf die Arbeiterklasse nicht mindestens ebenso gefährlich für die Arbeiter wäre als die Verkündigung des laisser faire!

Mit solchen Redensarten soll man heute vorsichtiger sein als je!

Reichstagskandidaturen. Lauenburg   Mölln  : J. Auer, Schwerin  ; Harburg  : J. Auer, Schwerin  ; Forst­Sorau: G. Vollmar, München  ; Cottbus  : Spremberg  : Max Kayser, Dresden  .

-Sozialistische Presse und Literatur. Aus Palermo  erhalten wir die ersten Nummern eines neuen Arbeiterblattes: Il mondo operario"( die Welt der Arbeiter). Wir begrüßen den neuen Mitstreiter freundschaftlichst und wünschen ihm besten Erfolg.-

Plus de Frontières!"( Reine Grenzen mehr) par Lucian Pemjean. Ein mit Leidenschaft geschriebener Protest gegen alle Nationalitäten­verheßung, gegen die patriotische Phrase, wie sie diesseits und jenseits des Rheins noch immer im Schwung ist. Der Verfasser, Sozialist und Revolutionär, befürwortet die Gründung einer Arbeiterliga für den internationalen Frieden." Wir kommen auf seine wohlgemeinten Vor­schläge noch zurück.

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Desterreich Ungarn  . Der Wiener   Reichsrath hat also wirklich den eilfstündigen Marimalarbeitstag angenommen freilich mit soviel Wenns und Abers, daß thatsächlich der zwölf= stündige Arbeitstag herauskommt. Bei dem heutigen Stande der Industrie keineswegs den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechend" acht Stunden wäre schon zu hoch. Der Vortheil für die Arbeiter einige Fabriken in Böhmen   und Mähren   vielleicht ausgenommen wäre also so ziemlich illusorisch, während die übrigen Bestimmungen der von der konservativ- klerikalen Mehrheit zusammengedrechselten ,, Gewerbe­ordnungsnovelle" geradezu ein Schlag in's Gesicht der Arbeiterschaft sind, so namentlich die Wiedereinführung der Arbeitsbücher 2c. Von welchem Geist die Herren beseelt sind, zeigte sich u. A. bei Be­rathung des§ 4, der die Sonntagsruhe betrifft. Da ließen, wie der Brünner ,, Volksfreund" schreibt, die Herren, die von den Verhält nissen der Arbeiter keine blasse Idee haben, ihr Licht leuchten, Jeder, wie es seiner Partei am zweckdienlichsten ist, nicht aber wie es den be= theiligten Arbeitern von Vortheil sein könnte. Der Abgeordnete Pflügel erklärt die Sonntags- ,, Heiligung" für nothwendig, um dem Anarchismus und Sozialismus entgegenzuarbeiten. Es sei nothwendig, daß der Arbeiter schon um 12 Uhr Nachts Ruhe habe, um ,, gekräftigt" dem Morgengottesdienst beiwohnen zu können. Abg. Ruß befürchtet, daß wenn der Arbeiter am Samstag um Mitternacht den Lohn erhält, er mit demselben in das Wirthshaus und erst früh nach Hause gehen wird, was soviel sagen will, als ob Abg. Ruß verlangen möchte, daß die Bergarbeiter aus den Gruben überhaupt niemals hinauskommen, und wenn schon, daß ihnen kein Lohn verabfolgt wird.§ 7 deffelben Gesetzes lautet: Die Verwendung von Frauen und Mädchen zu Arbeiten in der Grube kann von der Bergbehörde in solchen Fällen gestattet werden, wo eine derartige Verwendung bisher gebräuchlich war. Mein Liebchen, was willst du noch mehr!"

In Budapest   ward der Redakteur des anarchistischen ,, Radikal", H. Prager, wegen Preßvergehen zu 14 Monaten Staatsgefängniß, 600 fl. Geldstrafe und Zahlung der Kosten verurtheilt. In Agram erhielten die Arbeiter Wolfgang hische und Franz Srnec wegen Majestätsbeleidigung, Hochverrath u. s. w., begangen durch Verbreitung von Flugschriften der erstere sechs, der zweite fünf Jahre schweren Rerters.

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Frankreich  . Die am vorigen Sonntag, wie alljährlich, zu Ehren der Maigefallenen auf dem Friedhofe Père Lachaise   statt­gehabte Demonstration ist in durchaus würdiger Weise verlaufen. Vor­mittags war wegen schlechten Wetters der Besuch nur schwach, Nach­mittags dagegen um so stärker- mindestens zehntausend Arbeiter, Männer und Frauen, fanden sich ein, die Gräber der Vorkämpfer für Aufforderung hinausliefen, für die gemeinsame Sache, das Erbe" der Gefallenen, unablässig fortzuarbeiten und über Programm- und Organis sationsdifferenzen nie das gemeinsame Ziel zu vergessen.

Am gleichen Tage erstattete Clemenceau   im Cirque Fernando seinen Wählern Bericht über seine Thätigkeit im Parlament. Ob es Ab­sicht war, daß diese Berichterstattung mit dem Gedenktage der Kommunes streiter zusammenfiel, wo also ein Theil, und zwar der radikalste, der Wähler vom Montmartre nicht anwesend sein konnte, wollen wir dahin­gestellt sein lassen. Jedenfalls hatte dieses Arrangement große Mißstim­mung hervorgerufen und verlief die Versammlung daher sehr stürmisch; es wurde dem radikalen Deputirten vom Montmartre ein neuer Be­weis geliefert, daß die Sozialisten in seinem Wahlkreis eine Macht sind, mit der gerechnet werden muß.

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Belgien  . Jn Belgien   fanden letzten Sonntag allgemeine Wahlen zu den Provinzialräthen statt, zum ersten Mal nach dem neuen Wahl­gesetz, welches Allen, die ein gewisses Examen abgelegt, das Stimmrecht gewährt der Wahlzensus ist in Belgien   bekanntlich sehr hoch. Unsere Genossen haben sich nur in Brüssel   am Kampfe betheiligt und als Bähltandidaten denn an einen Erfolg war gar nicht zu denken Charles Delfosse, Zeichner, Cäsar de Paepe, Arzt, und Desirée Van den Dorpen, Schriftsezer, aufgestellt. Wie viele Stimmen sie erzielten, ist uns bis Redaktionsschluß noch nicht bekannt. In Gent   haben unsere Genossen den Beschluß gefaßt, weiße Stimmzettel abzugeben, nicht als Protest gegen das Wählen überhaupt, sondern gegen den Wahlmodus, der bei dem jezigen Stand der Dinge eine Vertretung der Arbeiter unmöglich macht. Bei den Wahlen selbst trugen die Kleri­falen den Sieg davon.

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Nächsten Sonntag( Pfingsten) findet in Gent   die Einweihung des Vooruit"( Vorwärts) neuen Gebäudes der Genossenschaftsbäckerei statt. Dieses Institut, das mehr als 1700 Mitglieder zählt, hat sich unter tüchtiger Leitung unserer Genossen in wahrhaft großartiger Weise ent­wickelt und verdient wohl eine nähere Beschreibung in unserem Blatte. Es ist keine Schulze'sche Produktiv- Genossenschaft, um welche es sich da handelt, auch kein Experiment zur Lösung der sozialen Frage vermittelst Konsumverein, sondern ein praktisches Unternehmen, das seinen Mits gliedern für den Selbstkostenpreis ein vorzügliches Brod liefert, gleichs zeitig aber ein vortreffliches Mittel der Arbeiter- Organisation ist.

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Von dem Geiste, der die Leiter des Voruit" beseelt, mag die That­sache Zeugniß ablegen, daß vor einiger Zeit der Verwaltungsrath ein= stimmig den Beschluß gefaßt hat, den Ueberschuß ihres Einweihungs­festes dem Wahlfond unserer Partei zu widmen, außerdem einen unserer Abgeordneten einzuladen, am Feste theilzunehmen. Dieser Einladung wird wahrscheinlich Genosse Hasen clever folgen. Wir aber senden von hier aus dem Vooruit" unseren besten Gruß und Glückwunsch!

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England. Wie englische Sozialisten über Gors don's, des vielgepriesenen Helden, Mission im Sudan   denken, ergeht aus folgenden Stellen eines Briefes, den E. Belfort   Bar, Redat teur von To Day", an die Redaktion der Justice" gesandt: ,, Obwohl aus begreiflichen Gründen kein Politiker es ausspricht, steht die Thatsache doch fest, daß Gordon weder mehr noch weniger ist als ein Verräther ausgesendet( und daran zu zweifeln liegt kein Grund vor), den östlichen Sudan   durch friedliche Mittel" zu räumen, was er, wenigstens soweit Khartum   in Frage kommt, durch seinen persönlichen Einfluß zu können vorgab. Jezt zeigt es sich, daß seine geheime Instruks tionen dahingingen, sein Bestes zu thun, um eine Wiedereroberung des selben vorzubereiten mit all seiner salbungsvollen Prahlerei von einer göttlichen Mission ist er jetzt auf die Erkenntniß der Thatsache herausgekommen, daß die Vorsehung auf Seiten der großen Bataillone ist", und bemüht sich daher, die göttliche Absicht durch Kanonen und Bajonnette zu befördern. Hierin wird er natürlich von der gesammten Kanaille der Jingopresse*) unterstüßt, an der Spiße die ,, Times". Was würde eine englische Expedition nach dem Sudan   bedeuten? Möglicher­weise ein Protektorat oder selbst eine Annexion mit ihrem Heer von besoldeten Beamtenposten. Fast sicher eine Eröffnung des Landes für

*) Mit Jingo bezeichnet man in England die nationalen Schreier.