und von wirklicher Vegetation kann daher auch nirgends die Rede sein. Nur einige dürre Sträucher und Cactus fristen hier ein kümmerliches Dasein. Es sieht wirklich so aus, als wenn der Fluch des Herrn auf diesem Lande laste. Das Klima ist jedoch schön, die Lust stets trocken und klar, aber nach Sonnenuntergang tritt hier stets ein großer Temperaturwechsel ein, und während das Thermometer am Tage jetzt gewöhnlich dreißig Grad zeigt, haben wir Nachts selten mehr als tv Grad. Unsere Arbeiter sind alle Namaquas, Hottentoten und Nav- nambas, sämmtlich von nußbrauner Farbe, über alle Begriffe faul und dickfellig, und sie müssen öfters mit dem Chambuck sviereckiger Streifen getrockneter Rhinozeroshaut) aufgemuntert werden; doch halten sie das für ganz natürlich �natürlich!) und werden nie den Versuch machen, sich gegen einen Weißen ZU widersetzen. Diese Menschen führen ein über alle Begriffe armseliges und elendes Leben. Nur mit wenigen Lumpen oder gar nicht bekleidet, Ziehen sie an der Küste entlang, vielfach nur von Muscheln und anderen Thieren, die todt ans Land getrieben werden, lebend. Ihr ganzer Reich- thum besteht gewöhnlich nur in zwei oder drei halbzerbrochenen Koch- topfen, und derjenige gilt als wahrer Krösus, der eine alte Flinte oder Büchse sein eigen nennt." „Etwa 130 Kilometer von der Küste ist es jedoch ganz anders. Das Land ist dort fruchtbar und frisches Waffer reichlich vorhanden und die dort wohnenden Stämme besitzen Tausend von Rindern und Pferden. Geld ist als Werthfaktor noch wenig hier bekannt. Kauft man etwas für baar, so muß man ebensoviel, wenn nicht mehr dafür bezahlen wie in einem zivilisirten Lande; dagegen kann man durch Tauschhandel labelhafte Geschäfte(Profitches!> machen. So z. B. erhielt Herr Bogelsang auf seiner Reise in's Innere für ein Pfund Kaffee einen Bündel Straußenfedern im Werths von 2S Pfd. Sterling(500 Mark) Und ein prachtvolles Löwenfell für ein kleines altes Taschenmesser. Eine Handels station ist schon in Bethanien, einer Missionsstation(Hast du gesehen!), etwa 249 km. von hier, errichtet worden, und ich werde nach vielleicht acht Tagen mit dem Chef zusammen von hier ausbrechen, um erst drei bis vier Monate im Lande herumzureisen, mit den Häuptlingen Berbindungen anzuknüpfen und Kontrakte abzuschließen, und dann die Handels- und Hauptvieh station, auf welcher bereits ein Haus für mich gebaut wird, zu übernehmen. Dort bin ich dann Admini- strator oder vielmehr unumschränkter Gebieter über 70 bis sv gkm. Land, und ich werde, wenn Alles nach Wunsch geht, nach einem Jahre 2-3000 Stück Rindvieh und Pferde da haben, die dann später über Land nach Kapstadt zum Verkauf geschickt werden ollen." Welches Eldorado! Eine arme Bevölkerung, die es ganz natürlich hält, wenn sie mit Peitschen von Rhinozeroshaut zur Arbeit„aufgemun- te r t" wird. Das ist das rechte Arbeitermaterial für die Kupfer- 2C. Minen, die jenen Flecken Landes, auf dem der„Fluch des Herrn" zu lasten scheint, zu einem so begehrenswerthen Artikel für jeden frommen Ehristenmenschen— denn zweifelsohne ist der Briefschreiber ein from- Her Mann— machen. Das ist eine Kolonie nach dem Herzen jedes echten Bourgeois. Da läßt sich noch ein anständiger Profit heraus- schlagen! Und nun erst das Innere des Landes! Es klingt allerdings fabelhaft. „Dort bin ich dann unumschränkter Gebieter über 70 bis so Quadratkilometer Land", und„ich werde.... nach einem Jahre 2—3000 Stück Rindvieh und Pferde da haben." Wie geht das Zu? Nun, man verkauft den Negern Dinge, von deren wirklichem Werth sie keine Vorstellung haben, für einen Preis, für den der Ausdruck I ü d i s ch eine Beschönigung wäre, man benutzt ihre Unwissenheit und ihren Mangel an Verständniß für Privateigenthum an Grund und Boden, ihnen denselben für irgend eine Lappalie abzukaufen,— aber wehe ihnen, wenn sie hinterher bewußt werden, was sie für einen„Vertrag" eingegangen, und etwa Miene machen, das ihnen Abgeschwindelte Zurückzunehmen! Da wird sehr kurzer Prozeß gemacht— man erinnere sich der„Mission" der Korvette„Leipzig "!—, und rauchende Häuser, verwüstete Kulturen, gebleichte Menschenknochen verkünden davon, daß gebildete Europäer Gericht gehalten haben— im Namen des Christenthums und der Humanität! Das sind die Kolonien, nach denen unsere Bourgeoisie lechzt. — Nette Volksfreunde sind die Herren Konservativen, das ist nicht zu leugnen. Man muß sie nur aus der Nähe betrachten, da, wo sie ihre„Freundschaft" für das arme Volk praktisch bethätigen. In ihren Reden und Schriften spielen sich die Herren stets als die be- rusenen Vertreter des armen Landvolkes, des Bauern st andes auf, denn die Getreidezölle und die vielen sonstigen Unterstützungen, welche sie für die Landwirthschaft fordern, liegen ja in ihrem Interesse, wie bekannt, weit mehr als in dem der kleinen Leute! Wo aber in Wirklich- keit die kleinen Leute andere Interessen haben als die großen Herren, wo eine Lebensfrage derselben dem Vergnügen der Herren Landjunker und Konsorten gegenübersteht, wie da sich die Freundschaft dieser besten Freunde bewährt, das zeigt sich recht deutlich in der Behandlung der Frage des Wildschadens in der agrarisch-konservativen Presse. So schreibt man der fortschrittlichen Berliner„Volkszeitung": „Vor einiger Zeit brachte auch die„Volkszeitung" die Nachricht, daß an der Eise! und in Westfalen das Schwarzwild großen Scha- d e n an der Ernte angerichtet habe, so daß einige kleine Bauern schier von Verzweiflung erfaßt worden seien. Nunmehr wird vom Harz von größeren Wildschäden berichtet, welche das R o t h w i l d verursacht hat. Man sieht daraus, daß unsere Gesetze durchaus nicht ausreichen, um der- artige Schäden zu verhüten. Die Konservativen, welche immer auch für den kleinen Bauern zu sorgen vorgeben, haben in dieser Fürsorge vor der Wildschadengesetzgebung Halt gemacht. Um so bezeich- nender ist das Gejammer in der konservativen Presse über die„Wild- d i e b s p l a g e", die zu„den verbreitetsten Uebelständen in unserem wald- und jagdreichen Vaterland" gehöre. Es wird weiter geklagt, daß die gesetzlichen Bestimmungen gegen die Wilddieberei nicht ausreichten— nun, wir meinen doch, daß die Strafen schwer genug sind; selbst die bürgerlichen Ehrenrechte können aberkannt werden! Darauf wird ein Mittel zur Abhülfe angegeben, welches von der be- kannten Liebe der Konservativen zu den„Armen und Enterbten" ein glänzendes Zeugniß abgibt. Die vielen Fußwege, welche die Wild- schutzbezirke, die Forsten und Felder durchschneiden, sollen von den Be- sitzern kassirt(aufgehoben) oder das Betreten derselben durch Warnungstafeln untersagt werden. Die Erlaubniß der Behörden resp. der Wegepolizei würde in den meisten Fällen leicht zu erlangen sein.— Es ist bekannt, daß die meisten Fußwege den armen Leuten zur Abkürzung der auf dem Lande übermäßig weiten Entfernungen dienen, daß die Arbeiter dadurch Ersparniß an Zeit und Geld erzielen, während der Gutsbesitzer in seiner Equipage die Chausseen und breiteren Land- wege benutzen kann und der Fußwege weniger bedürftig ist. Von den Behörden ist allerdings zu erwarten, daß sie nicht so leicht(?) auf der- artige, die Einziehung von Fußwegen betreffenden Anträge eingehen werden, da die armen Leute alte angestainmte Rechte nicht so leicht ver- schmerzen würden, doch der Vorschlag allein, den wir in mehreren kon- servativen Zeitungen finden, zeugt von einer Hartherzigkeit, die ihres Gleichen sucht. Wenn's nichts kostet, sind sie arbeiterfreundlich, aber schon um den Genuß einer einzigen Rehkeule geht die ganze Arbeiter. freundlichkeit zum Henker." Nicht wahr, nette Volksfreunde das? Und dieser konservative Hülseschrei für die armen Landbarone, in dem nicht nur die Beseitigung der Privatwege, sondern auch die der„un- nöthigen" öffentlichen Wege, welche die Forsten der Großgrund- besitzer durchschneiden, empfohlen wird, macht ohne jeden Komnientar— das heißt hier also mit Z u st i m m u n g— die Runde auch durch die nationalliberale Presse. Wahrlich, Herr von K ö I l e r hatte Recht, als er in seiner jüngsten Kandidatenrede im vierten Berliner Wahlkreis behauptete, zwischen den Deutschkonservativen und den National- liberalen bestehe eine Verschiedenheit der Ansichten nur noch in der— Handwerkerfrage! Mit andern Worten, die Herren National- liberalen machen Alles mit, jede Niederträchtigkeit, nur aus den gröb st e n S ch w i n d e l zögern sie noch, sich einzulassen. Nun, auch hier werden sie ihr Damaskus schon noch finden. Eine saubere Gesellschaft, das I Hoffentlich werden sie bei den Wahlen allerorts, wo sie um die Stimmen der Arbeiter buhlen, gebührender maßen heimgeschickt werden. — Deutsche Gelehrte im Ausland. Man kann gerade nicht sagen, daß die deutschen Gelehrten dazu beitragen, den deutschen Namen im Auslande beliebt zu machen. Alle Achtung vor dem Wissen mancher dieser Herren, aber um so abstoßender wirkt ihr spezifisch deutscher Gelehrtenstolz und ihre abgeschmackte Manier, den Deutschen , und zwar den deutschen Spießbürger als den Normalmenschen zu betrachten und die gesammte übrige Menschheit an diesem Ur- oder Vor- bild abzuschätzen. Gerade ihre geistige Ueberlegenheit sollte sie vor solcher Albernheit schützen. So hat, wie der„Louisviller Anzeiger" auf Grund eines von Herrn F r. S ch ü tz in der„Rundschau" erstatteten Berichtes mittheilt, auch Dr. A l f r e d B r e h m sich jüngst zu Aeußerungen veranlaßt gefühlt, die das deutsch - amerikanische Blatt zu der Bemerkung veranlassen, daß auch der berühmte Zoologe„zu den braven deutschen Landsleuten zu zählen ist, welche sich tn Amerika von allen Seiten fetiren lassen, nassauern, wo zu nassauern ist, von der Presse und dem Publikum alle möglichen Gefälligkeiten annehmen, soviel Geld zusammenscharren, wie nur möglich, und dann nach Deutschland zurückkehren, um— gehörig zu schimpfen!" Herrn Brehm's Aeußerungen werden so wiedergegeben: „Alles ist in Deutschland besser wie in Amerika , sagt der Doktor, nur drei Dinge sind in Amerika besser. Erstlich können die Amerikaner ihren Präsidenten einen Schasskopf schimpfen. Das können wir in Deutschland nicht unserem Kaiser gegenüber, sagt der Doktor, aber wir sind auch zu gebildet dazu! Zweitens können die Amerikaner täglich dreimal Fleisch essen— dafür haben sie aber auch meist die Dyspepsie! Drittens brauchen sie nicht als Soldaten zu dienen— dafür sind sie auch um so ungeschliffener!" Und viertens, setzt die„Newyorker Volkszeitung" hinzu, können die Amerikaner selbst einen so berühmten Professor einen Schafskopf nennen, nn er außer dem Bereich seiner Spezialiät über Dinge spricht, von denen er soviel versteht, als die Kuh vom Sonntag. — Der Engel von Altona hat seine Aufschneiderei ganz kleinlaut zurücknehmen müssen. Die vier„außergewöhnlich gefähr- lichen" Anarchisten haben sich als harmlose Matrosen entpuppt, die sich, wie das Matrosen manchmal thun, durch Schmuggel einen Zuschuß zu ihrem Lohn verdienen wollten; die Bomben aber, das Dynamit und was sie sonst noch für fürchterliches Sprengmaterial mit sich führen sollten, sind in eitel Luft aufgegangen, oder vielmehr haben sich als blauer D u n st herausgestellt. — Weitherziger Chauvinismus. Unter der Ueberschrist: „Weitherzige Humanität" veröffentlichen zahlreiche Blätter die Nachricht, daß zu Haida in Böhmen , wo 1866 im„Bruderkrieg" eine Anzahl preußischer Soldaten das Leben verloren hat, deren bisher ver- nachlässigtes Grab von den deutschen Einwohnern mit einem Denkstein versehen worden sei, auf dem folgende Verse zu lesen: „Der Tod versöhnt den Grimm der Leidenschast, Drum ruhet hier an diesem Ort! Schlaft sanft und süß in Eurer Zelle Kraft(!?), Denn deutsch ist's hier wie Eure Heimath dort!" Die Verse sind entsetzlich;„der Zelle Kraft", welche das Grab bedeuten soll, würde keinem Quartaner verziehen würden. Doch das mag hin- gehen. Was aber nicht ohne Protest hingehen darf, das ist die„weit- herzige Humanität", die von gedankenlosen Zeitungsschreibern in diese Verse hineingelegt wird. Das Grab feindlicher Krieger zu schmücken, die nicht aus eigenem Antrieb als Feinde in's Land gekommen waren, er- scheint an sich schön und lobenswerth; aber durch den Schlußvers ist die„weitherzige Humanität" als„weitherziger" C h a u v i n i s- m u s gekennzeichnet worden—„weitherzig", weil er über die öfter- reichischen Grenzpfähle hinausschweist, nichtsdestoweniger jedoch durchaus beschränkt, wie jeder Chauvinismus, weil in den Tobten nicht die Menschen, sondern die deutschen Stammesgenossen gefeiert wer- den. Wären die gesallenenKrieger nicht zufällig deutsche gewesen, so hätte die„weitherzige Humanität" das Grab nicht geschmückt und keine Verse verbrochen. Die Handlung der H a i d a e r Bürger ist bei Lichte betrachtet nur eine jener Kundgebungen bornirten Nationalitätsdusels, in welchem sich die deutsch -österreichischen Philister seit einiger Zeit ge- fallen. Unfähig, sich zur Humanität und Demokratie zu erheben, weit- eifern diese Kulturmichel mit den übrigen Nationalitäten Oesterreichs in albernem Chauvinismus, und entblöden sich nicht, für denselben„beut- schen" Krautjunker Bismarck zu schwärmen, der 1866 Deutsch -Oesterreich aus Deutschland „hinauswarf." Traurige Gesellen! — Die Knechtsnatur können sie doch nirgends verleugnen, unsere biederen deutschen Bourgeois! Da machte jüngst der H e i d e l- berger Liederkranz— natürlich eine aus privilegirten Nichts- thuern bestehende Gesellschaft— eine Reise nach Tirol. Die Herren ließen sich in Innsbruck , wohin sie sich zunächst gewendet, von den dortigen Sanges- und Stammes-— sagen wir richtiger Klassen- genossen gehörig feiern, und—„mit wahrer Herzensfreude" können die „Jnnsbrucker Nachrichten" vom 13. August mittheilen, daß„der Heidel- berger Liederkranz zur Mittagszeit nachstehendes Telegramm an Se. Maj. den Kaiser Franz Josef abgehen ließ: „Der zum Besuche der Jnnsbrucker Liedertafel hier anwesende Heidelberger Liederkranz legt Eurer Majestät seine ehrerbietig st e Huldigung zu Füßen." Pfui über solche Jammerburschen! Nicht zufrieden, vor ihrem eigenen„allergnädigsten Herrn" auf dem Bauche rutschen zu dürfen, winseln sie auch noch, wo sie nur können, frenide„Majestäten" an, ganz gleich, ob dieselben noch so große Schurken sind, wenn's eben nur gekrönte sind. Das sind dieselben Patrone, die einst vor Napoleon schweifwedelten, dieselben Subjekte, die hinterher sich geberdeten, als ob sie den Patriotismus gepachtet hätten, die Jeden niederbrüllten, der nicht aus das französische Volk schimpfen mochte. Da jammern sie mit ihren Kumpanen über das„bedrohte Deutschthum" in Oesterreich , kaum aber betreten sie den Boden dieses Landes, so legen sie dem Manne„ihre ehrerbietigste Huldigung zu Füßen", dessen Regie- rung gerade das Deutschthum— wenigstens nach ihrer Darstellung— gegenwärtig bedroht. Pfui über solche Bedientenseelen! O hätte ihnen doch Mutter Natur den richtigen Schwanz zum Wedeln verliehen, diesen— um mit S allst zu reden— echtdeutschen Hunden! — Daß die Nationalitätenfrage in Oe st erreich fast ausschließlich eine Frage der herrschenden Klassen ist, haben wir schon wiederholt betont, und es zeigt sich deutlich an dem Verhalten der be- wußten Elemente der Arbeiterschaft hüben wie drüben. So wird aus Krakau , wohin jüngst tschechische Turner einen slavischen Demonstra- tionszug gemacht, berichtet, daß der Enthusiasmus, mit dem die slavi- schen Brüder ausgenommen wurden, groß sei, aber—„die untern Schichten der Bevölkerung verhalten sich passiv, und nur die Intelligenz, will sagen der Geld sack, namentlich die Damen, nahm an dem Empfange Theil". Natürlich, was haben auch die Arbeiter mit diesen Nationalitäten- Hetzern gemein, die über der sogenannten Nationalität stets des Volks zu vergessen pflegen, die um das Linsengericht eines nationalen Privi- legiums ein Recht des Volkes nach dem andern verschachern— denn das nationale Privilegium kommt ja niemand anders zu gut als ihnen, den herrschenden Klassen. Man höre nur, wie ein Blatt dieser Festzügler Franz Joseph und seine Regierung verherrlicht: „Das Verbrüderungsfest in Krakau trifft mit der Feier des Geburts- tages unsers Kaisers und Königs zusammen. Da muß sich den in Kra- kau versammelten Böhmen und Polen unwillkürlich die Erwägung auf- drängen, wie wir fast alles dasjenige, was in neuester Zeit bezüglich der Befriedigung unserer nationalen Lebensbedürfnisse geschehen ist, der Einsicht und dem gerechtenSinne des Monarchen verdanken. Der Ausgleich mit Ungarn , jene Verordnungen, denen Galizien die Wiedereinführung der polnischen Amtssprache, die nationalen Umversi täten und Schulen verdankt, wie auch die Beseitigung der deutsch -zen- traten Parteiherrschaft in Böhmen : alle diese gewaltigen Schritte auf dem Wege zur Reorganisirung des Reiches auf der erprobten Grundlage des historischen und natürlichen Rechtes sind auf die persönliche Initiative des Rionarchen zurückzuführen." Man sieht, die guten Tschechen machen den Deutschen in Speichelleckerei eine erhebliche Konkurrenz. Freilich, sie wissen wenigstens, warum! — Kapital! st ische Geständnisse.„Solange das heutige Ausbeutungssystem herrscht, ist der Friede nicht gesichert, immer wird es Streit geben um die Beute, immer Händel um Ausbeutungsobjekte" so schloffen wir eine Rundschaunotiz in voriger Nummer. Eine treffende Jllustrirung dieses Satzes liefert ein kapitalistischer Mitarbeiter der Münchener „Allgemeinen", der in Nr. 224 dieses Blattes über„Eng- land und Deutschland " leitartikelt. Da heißt es: „Es ist ein Gemeinplatz, daß Handel und Friede eng verbunden sind. Man sagt dann weiter, daß Handelsleute den Krieg nicht lieben, daß nur die feudale Aristokratie, die einen militärischen Ur- sprung besitzt, den Krieg liebe und alle Kriege ihrem Einfluß ent- springen. Die gesammte Geschichte Englands beweist aber das Gegen' theil, beweist, daß a priori(von vorneherein) gezogene Schlüsse in der Politik oft ganz falsch sein können. Die Eroberung Indiens war die direkte Folge des Handels mit Indien und des Wunsches englischerseits, den Handel auszudehnen, neue Märkte für den eng- tischen„Kattun " zu gewinnen. Im 17. und 18. Jahrhundert hingen Handel und Krieg so eng zusammen, daß man sagen kann, der Handel habe im natürlichen Wege zum Kriege geführt, der Krieg den Handel befördert. In diesen zwei Jahrhunderten erwuchs Eng- land zu einer großen Handelsmacht, aber es war auch eine große Kriegsmacht, die an allen kontinentalen Kriegen theilnahm, zumeist im Interesse ihres Handels. Man braucht nur die Friedensschlüsse sich in Erinnerung zu bringen. Jeder derselben vermehrt den Kolo- nialbesitz Englands und erweitert den Markt für die Produkte Englands." Man muß nun nicht etwa glauben, daß der gute Mann, der natürlich die Engländer gehörig herunterputzt, von dem Kriegsühren im Interesse des Handels überhaupt nichts wissen will. O nein, er würde im Roth- falle einen Krieg mit England um Angra Pequenna oder sonst ein „preiswerthes" Handelsgebiet gar nicht so ungerne sehen, wenn nur nicht — der Kanal da wäre. So begnügt er sich denn mit der folgenden charakteristischen melancholisch- protzigen Frage: „Ob die Sprache(eines T h e i l s s!s der englischen Presse) die- selbe herausfordernde, kurz angebundene wäre, wenn ein wohlthäti- ger Meeresarm nicht zwischen England und dem Kontinent liegen und nahezu unmöglich machen würde, daß das stolze Albion in nähere Bekanntschaft mit der deutschen Heeresformation und dem deutschen Schnellfeuer trete? Man sieht, am liebsten wäre es unserem guten Mann, wenn der „wohlthätige Meeresarm" nicht vorhanden wäre und das stolze Albion „deutsches Schnellfeuer" kennen lernen würde. Wir haben natürlich keine Ursache, für die englischen„Jingoes", für das englische Großprotzenthum einzutreten,— nichts kann uns ferner liegen als das. Aber wir wissen und wollen es ausdrücklich konstatiren, daß die deutschen Ausbeuter um kein Haar besser sind als jene und gleich ihnen vor keinem Menschenopfer zurückschrecken, wenn es die Interessen des Gottes„Profit" erheischen. Unsere Kolonialschwärmer würden einen Handelskrieg mit einem wahren Jubelgeschrei be- grüßen, und es ist die höchste Utopie, zu glauben, daß die Kriege auf- hören werden, solange die kapitalistische Produktionsweise besteht. — In Schlesien grassirt wieder d e r F l e ck t y p h u s, oder richtiger, er ist wieder einmal eingestanden worden, denn in Schlesien wie in anderen Theilen Deutschlands hört der Flecktyphus bekanntlich gar nicht auf. Was ist der Flecktyphus? Aehnlich wie die italienische Pellagra ist er eine Hungerkrankheit, man kann sagen: d i e Hungerkrankheit par sxcolloiicg, erzeugt durch mangelhafte Ernährung und ungesunde Luft, mit anderen Worten durch menschen- unwürdige Zustände. In Schlesien , wie schon gesagt, ist die Hunger- krankheit in Permanenz, weil der Hunger in Perma- nenz ist. Seit Jahrzehnten weiß das die Regierung— und was hat sie gethan? Zu Anfang der sechsziger Jahre, als es galt, die damals etwas gefährliche Fortschrittspartei durch den proletarischen„Acheron" in's Bockshorn zu jagen, wurde die famose schlesische Weberdeputation in Szene gesetzt und das ebenso famose„königliche Versprechen" vom Stapel gelassen. Was ist aus dem„königlichen Versprechen" und den übrigen goldenen Borgen geworden, die damals den hungernden Arbeitern Schlesiens vorgezaubert wurden? Ein jämmerliches, verkrüppeltes, ver- hunztes Diminutiv- Affoziatiönchen— die reine Karrikatur einer Asso- ziation, die natürlich sehr bald an ihrer Jämmerlichkeit untergehen muhte — sonst nichts, buchstäblich nichts. Jetzt hat Fürst Bismarck es wieder nöthig, den Arbeiterfreundlichen zu spielen, er hat sich als„Anwalt des armen Mannes" aufgespielt, das „Patrimonium der Enterbten" als Fata morgana auf die Kouliffen zu seiner sozialpolitischen Komödie klecksen lassen— die Sozialreform ist proklamirt, auf das„königliche Versprechen" von 1863 die„kaiserliche Botschaft" von 1882 gepfropft. Und die praktische Frucht der so großen Worte? Hungertyphus — sonst nichts. Nein, noch etwas: das Kranken- und Unfallgesetz, die noch weni- ger sind als nichts. — Produktivität der Arbeit. Folgende von der Pig Jron Trade Assoziation Englands gelieferte und vom brittischen Ministerium fast ganz bestätigte Tabelle beweist an einem lehrreichen Beispiele, schreibt die„Newyorker Volkszeitung", wie mit der Größe des Anlagekapitals die Erzeugungskraft der einzelnen Fabrik zunimmt, die des einzelnen Arbeiters also mit ihr, während die Produktionskosten und die Zahl der Fabriken und Arbeiter abnehmen. In 14 Jahren also nahm die Tonnenzahl produzirten Roheisens um 44 Prozent zu, in jedem einzelnen Hochofen aber um 7 S Prozent. Die Zahl der Hochöfen verminderte sich in den zwei Jahren mangelhaften Absatzes 1878 und 1879 um mehr als ein Viertel, während die übrigbleibenden größeren Fabriken trotzdem an Produktionsleistung zunahmen. Sie nahm nach 1879 rasch wieder zu, um sich bis 1883 rasch zu vermindern, gegen 1870 um zwei Elftel. Auf 100 Tonnen Eisen kamen 1870 300 Tonnen Kohlen, 1882 aber nur 207— was ein volles Drittel weniger kostete. Der Gesammt- verbrauch an Kohlen wuchs nicht, obgleich die Eisenproduktton stark zunahm. Die technischen Verbesserungen vermehren also nicht nur die Erzeugung von Jndustrieprodukten, sie vermindern auch die Kosten des Rohmate- rials und beschleunigen mit der Ueberproduktion die Krisen, indem sie zugleich die Anzahl der Arbeiter vermindern, welche beschäftigt und da- durch auch befähigt werden, einen Theil ihrer eignen Produkte zurück- zukaufen. — Pech. Niemand hat bekanntlich mehr auf die Sonntags-Extrazüge geschimpft, als die Pfaffen des„christlichen Sozialismus", denn dieselben geben ja den Arbeitern der Großstädte Gelegenheit, anstatt in den Kirchen Buhe für ihre im Verlauf der Woche gegen Gott und ihre Fabrikanten begangenen Sünden zu thun, hinaus in die freie Natur zu fahren und dort sündhafter Lust zu pflegen. Es wird daher jeder gute Ehrist ein- sehen, daß die Sonntags-Extrazüge ein Werk des Teufels sind! Aber ach, die Macht des Antichrist ist gar groß! Und so kam es denn, daß eines schönen Sonntags im Monat August des Heilsjahres 1884 ca. 150 männliche und 20 weibliche Schäflein aus der frommen Heerde des guten Pastors Stöcker per Extrazug nach Dresden fuhren,
Ausgabe
6 (21.8.1884) 34
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