progressiven Einkommenssteuer. Nun. daß die Herren Börsenjobbermit Feuereifer" für die Abschassung der Vörsensteuer eintreten würden, darin stimmen wir mit FreundJsaacsohn" überein. Weiter aber nicht. Wie wir dieselben kennen, werden sie zu jedem andernErsatz" eher zu haben sein al<S zu einer Lösung der Steuerfrage in unserm Sinne. Weit eher als eine Abschlagszahlung auf die progressive Einkommenssteuer ist die Börsensteuer eine solche auf weitere indirekte Steuern wenig- stenS bei der heutigen politischen Sachlage. Und mit der haben wir zu rechnen. Dies ist wenigstens unsere Meinung. Und nun zum Schluß noch ein Wort. Die Börsensteuer ist zweifelsohne bei der großen Masse in Deutsch - land populär, und wir begreisen es, daß es Denen von uns, die auf diese Masse einzuwirken haben, ohne doch die Möglichkeit zu haben, sich offen aussprechen zu können, untaktisch erscheint, rundweg gegen sie Stellung zu nehmen. Daß wir sie ablehnen müssen, steht für uns außer Frage, dagegen fällt es uns nicht ein, den Kämpfenden im Reiche Vor- schriften darüber machen zu wollen, wie sie die Ablehnung, abgesehen vom Hinweis aus unser Programm, motivtren. Das ist ihre Sache. Und wenn unsere Polemik mit FreundJsaacsohn" kein anderes Re- sullat gehabt hat, als die wesentlichen Gesichtspunkte, die in dieser Bezie- hung in Frage kommen, zur Erörterung zu bringen, so hat sie ihren Zweck erfüllt. An den Genossen ist es, sich zu entscheiden. Briefe über Logik. II. S e r i e. 7. B r i e f. Durch Eintheilung erstlich der Arbeit in Natur- und Menschen- arbeit, durch Untecabtheilung der Menschenarbeit in freie und versklavte, durch weitere Trennung der versklavten junter der die Lohnarbeit als Art figurirt), durch Eintheilung der Arbeit in produktive und unproduk- tive, aufgespeicherte todte uno gegenwärtige lebendige, in konkurrenz- und unkonkurrenziähige rc. zc. haben wir etwas Licht in die Arbeit des Kapitalismus und der kapitalistischen Oekonomie gebracht. Dir soll daran offenbar werden, wie der Intellekt ein Cintheilungs- vermögen, wie die Logik eine schematische Wissenschaft ist. Ich mache keinen Anspruch darauf, Dir hier ein schulgerechtes Schema der National- Oekonomie aufzustellen, sondern es genügt mir der Nachweis, daß diese Wissenschaft, wie jede andere, etwas SchematischeS ist. Die rechts Ein- theilung gibt die rechte Erkenntniß. Je vollständiger die Gruppirung, je verzweigter der aufgeführte Stammbaum einer Sache, um so effektvoller ihre Erhellung. Dabei dient mir, wie gesagt, der effektvolleFortschritt und Armuth" des H. G e o r g e, um zu zeige», daß w i r eine ökonomische Eintheilung besitzen, welche einen noch helleren Effekt macht. In den früheren Tagen Californiens, wie demnach in Australien , fand der Goldgräber im Flußbett oder an der llferflüche die glänzenden Partikel, welche der langsame Prozeß der Natur seit Jahrhunderten auf- gespeichelt hatte. Mit denselben las er seinenLohn" von der Erde auf oder wusch ihn aus, als leibhaftiges Geld. Weil die Münze rar war, mußte Gol staub, nach Gewicht verausgabt, als Zirkulationsmittel dienen, und so hatte der Arbeiter am Ende des Tages in einem Lederbeutelchen seinen Lohn im Sack. Hier kann kein Disput darüber stattfinden, ob solcher Lohn vom Kapital vorgeschossen war; er rührte offenbar genug von der Arbeit he». Ebensowenig gibt es zu disputiren, wenn der Eigner eines besonders reichen Terrains gedungene Leute arbeiten läßt, und sie mit demselbs.. Gelds zahlt, welches ihre Arbeit aufgelesen hatte." Fortfahrend exemplifizirt H. George weiter, wie das, was beim Goldsucher augenscheinlich ist, in derselben Weise bei jeder Lohnarbeit, wenn auch verschleierter, stattfindet. Ueberall bringt der Arbeiter dem Kapitalisten zuerst das, wovon er hintennach gelohnt wird. Nicht von der vergangenen tobten, sondern von der gegenwärtigen lebendigen Arbeit empfängt er seinen Antheil. Und doch ist die Unterscheidungskunst unseres Freundes in diesem Falle wieder sehr mangelhast, weil zwischen dem Produkt des Gold- gräbers und anderen Produkten ein fulminanter Unterschied existirt, der nicht gewürdigt ist. Gold ist Geld, aber andere Produkte müssen häufig lange suchen und vielfach vergebens, bevor sie gelten. Geld, sagen die Wucherer, ist eine Waare wie andere Waaren, und H. George denkt auch so: der Ar- beiter tauscht mit dein Kapitalisten, jener gibt seine Arbeitskrast und dieser sein Gold, das eine ist soviel werth wie das andere. Obgleich dieser Redensart etwas Wahres zu Grunde liegt, sage ich doch: Nein! Gold, der Geldstoff, ist keine Waare wie andere. Cr ist Herrgott unter dem Waarengesindel. Silber ist auch göttlich, Nickel gehört zur Drei- faltigkeit und Kupfer in's vierblätterige Kleeblatt. Dann kommen andere kourante Waaren, die, wenn nicht göttlich, doch der Gottheit näher stehen, bis zum Schluß auch endlich der gemeine Waarenplebs die Be- stimmung hat, später ewig selig zu werden. Die Goldwaare besitzt die Seligkeit por»e, die andere» müssen sie erst sich noch verdienen. Geld ist eine sehr bedeutsame ökonomische Kategorie; es für eine Waare nehmen, wie andere Waaren, heißt Geld platt schlagen. Andere Waaren müssen erst noch suchen, ob sie zur Geltung kommen, ob sie einen Käufer finde«; aber die Geldwaare gilt überall und allzeit, hat absolute Geltung und heißt eben darum Geld. Ich habe wohl die Philosophen sagen hören, daß der Mensch nicht die Liebe, sondern die Liebe den Menschen habe. So ist es auch mit der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit; es sind, wenn auch keine tust- baren, so doch wirkliche, wirksarne Mächte, welche die Menschenwelt be- herrschen. Das ökonomische Gesetz, daß Zehn, die zusammen arbeiten, mehr leisten, wie dieselben Zehn, wenn Jeder seinen eigenen Fisch sängt und eigenen Köder gräbt, ist ohne weitere Mystifikation einehöhere Macht", welche die Menschen ivider Wissen und Willen zur Theilung der Arbeit getrieben; daß diese Theilung einen gewissen brüderlichen Sinn hat, bekundet der Produzent durch Verkauf, der Konsument durch An- kauf, beide, indem Jeder nicht von seinem Privatprodukt, sondern vom Gesammtprodukt der ökonomischen Gesellschaft zehrt. Das Bedürfniß brüderlicher gemeinsamer Arbeit hat sich im Tauschhandel und in der Geldwirthschasl einen ersten wenn auch linkischen, Ausdruck gegeben. Obgleich nun Geld Waare und Waare Geld ist, will doch die Geld- waare vornehmlich unterschieden sein. Wenn der Besitzer einer Gold- mine seine Arbeiter init ihrem eigenen Produkt lohnt, so ist das ein ganz ziviles Benehmen; doch darfst Du nicht schließen, wie H. George, daß anderswo und allgemein die Arbeiter mit ihren eigenen Produkten gelohnt werden; sie würden sich ernstlich bedanken vor solcher Barbarei. Der moderne Produzent will Geld haben für seine Waare. Gold ist zwar auch Waare, aber eine sehr eigenthümliche, deren spezielle Erkennt- niß ganz speziell zur Erkenntniß der heutigen Wirthschast, der Konkur- renzwirthschaft, gehört. Der Bauer, sagt Marx, gehört zu derjenigen Klaffe, welche innerhalb der Zivilisation die Barbarei vertritt," d. h. er steht noch so ziemlich außerhalb der Gesellschaft, weil er sein eigener Produzent und Konsu- ment ist. So wie er sich genöthigt findet, niehr und mehr von seinem Produkt zu versilbern oder zu vergolden, wird er auch mehr und mehr ein Mitglied der Konkurrenzbruderschast. Die Arbeit der fabelhaften Urmenschen, wo jeder selbst produzirt, was er selbst konsumirt, war bar- barisch. Der direkte Tauschhandel war ein unbeholfener Fortschritt, ein Kompagniegeschäft zu Zweien. Die Geldwirthschaft endlich ist das erste Zeichen allgemeiner sozialer Verbrüderung. Wer seine Waare, und wäre es auch die Arbeitskraft, verkaust, zeigt sich als Bruder einer Gesellschaft, welche die für intelligente Leute sehr sonderbare Eigenschaft hat, nicht planmäßig entstanden zu sein, wie die Thiers im Paradies, sondern darwinistisch, wie die weißen Hasen im schneeigen Norden und anderseits die grauen auf der unbedeckten grauen Erde des Südens. Wäre unsere Gesellschaft planmäßig konstituirt, so wäre Gold und Silber wohl ebenso schön und glänzend, aber sie wären nicht Geld. Jetzt muß Jeder seine in Waare verwandelte Arbeit ver- kauft, gegen Gold vertauscht haben, bevor er sie genießen kann. Die Geldwaare ist die, welche über andere Waaren zu Gericht sitzt und Ur- theil spricht, ob und inwiefern die ihnen angethan Arbeit einegesell- schaftlich nothwendige" gewesen ist. Die Gesellschaft verlangt von ihren Produzenten, daß sie ihre Arbeitszeit nicht vertändeln, nicht überflüssig und nicht ungeschickt, sondern konkurrenzmäßig verwenden. In einer planniäßigen ökonomischen Brüderschaft würde auch Plan in der Arbeit sein, Jeder würde zeitgemäß arbeiten, jedes Produkt wäre ein bestellter gesellschaftlicher Artikel, während jetzt der goldene oder silberne Erlöser kommen muß, um aus meinem Leder die hundert und mehr Riemen zu schneiden, welche mein zivilisirtes Bedürfniß zu seiner Befriedigung erfordert. Du siehst den H. George auch diesmal wieder in dem unhistorischen Jrrthum befangen, es sei das Gold heute noch dieselbe Sache, wie da- zunial, als Daphnis oder Chloe dem Erfinder der Flöte den ersten Kuß gab. Unterdessen hat das Gold neben den schönen Eigenschaften, die es von Natur geerbt, noch viel mehr schöne Eigenschaften durch das Amt empfangen, das ihm die Oekonomie übertrug. Das Geldamt hat die Aufgabe, unsere ungeselligen Produkte, welche ä la Robinson produzirt sind, in brüderliche Produkte zu verwandeln. Jeder soll nicht nur konsumiren dürfen, was er sich einseitig er- arbeitet, sondern es soll seine Arbeit eine Stückarbeit der Gesellschaft ein, welche ihm erlaubt, dafür Kaffee aus Java zu trinken und dazu Reis aus Carolina zu essen. Auch soll Jedem nach dem Masse dessen, was er leistet, wieder gemessen werden. Aber weil solch' brave Idee nur erst noch wilder und blinder Naturtrieb und nicht bewußte Absicht war, konnte sie nur in verdrehter Weise, anfänglich als Tauschhandel und jetzt immer mehr und mehr in der alle Welt dominirenden Geld- wirthschast sich äußern. Das Geld hat die Aufgabe, die isolirte Arbeit, welche den Produkten angethan wurde, als soziale Arbeit flüssig zu inachen. Wenn ich mein Leder zu Geld mache, ist meine Spezialarbeit in Generalarbeit verwandelt, die nicht aus Leder, sondern aus allem Möglichem besteht, was des Menschen Herz begehrt. Wie gesagt, es ist eine brave Idee, die Menschen brüderlich arbeiten zu lassen, nur die Form, welche einen goldenen Fetisch an die Stelle der Brüderlichkeit setzte, ist verdreht. Dabei vermag in etwas zu trösten, daß der Kern der Sache gut ist: die Arbeit soll keine Robinsonade, son- dern ein zusammenhängendes, gemeinschaftliches Werk sein, wo Jeder nach seiner Leistung gelohnt wird. Diese ökononiische Idee hat der Welt- geist konzipirt, nicht der mystische, sondern der darwinistische, der mittels Kampf um's Dasein Zweck und Ordnung in die Dinge bringt. Demnach ist die heutige Arbeit eine organisirte, jedoch von so Holpe- riger Organisation, daß die Arbeiter nicht mit dem Ertrag der Arbeit gelohnt, sondern wie eine Waare behandelt werden, welche durch die Konkurrenz auf den möglichst kleinsten Kostenwerth heruntergedrückt wird. Wie ich in den vorhergehenden Briefen gezeigt habe, daß zur Erhel- lung der Oekonomie es nöthig ist, zu thun, was H. George zu thun unterlassen hat, nämlich: Arbeit, die sich lohnt, von der Lohnarbeit zu scheiden, so gilt es hier, die fürstliche Geldwaare, gleichviel ob dieselbe aus Gold, Muscheln oder Pelzwerk besteht, vom Waarenplebs zu distin- guiren. Dabei ist es eine logische Forderung, wie überhaupt, so auch hier den Unterschied, diesmal den Unterschied zwischen Geld und Waare, nicht zu übertreiben. Jede gemeine Waare hat den Marschallstab im Tornister. Jedes Produkt, welches auf den Markt zum Verkauf komnit, ist als isolirte Arbeit angereist und will doch soziale Geltung haben, will, wie Geld, als allgemeiner Werth behandelt werden. Als der erste Urfischer und Urjäger zusammen handelten, war schon derselbe Geist im Spiel, der heute iin Gelds spielt, der getrieben hat, die Arbeit zu einem brüoerlichen Werk zu machen. In der Unterscheidung zwischen Geld und Waare ist die Differenz nicht ohne Gemeinsamkeit und das Gemeinsame nicht ohne Differenz zu fassen so will es die Logik. I. Dietzgen. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 24. September l884. Aufgepaßt l Wenn diese Nummer in die Hände unserer deutschen Genossen gelangt, wird die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Auslegung der Wahllisten an den meisten Orten bereits erfolgt fein. Wo es»och nicht geschehen, empfehlen wir, bei den Gemeindebehörden zu beantragen, die Wahllisten für einigeStunden am Sonn- tag zur Einsichtnahme auszulegen. Ein anderer hochwichtige! Umstand ist, daß da die Wahllisten vor dem 1. Oktober angelegt werden, alle Diejenigen, welche mit und nach dem 1. Oktober die Wohnung wechseln, nur in dem Bezirk, zu dem ihre frühere Wohnung gehört, wählen können, es sei denn, daß sie eine Ab- änderung ihrer Adresse während der Auslegung der Wählerlisten noch vornehmen können. Der Wohnungswechsel am I.Oktober fällt namentlich für alle größeren Städte und alle Jndustriebezirke so in's Gewicht, daß dadurch unterUmständen dasWahlresultat geändert werden kann. Wiederholte Aufklärung ist hier sehr am Platze! Genossen, verabsäumt nichts, was für den Aussall der Wahlen von Bedeutung ist! Ein vielfach beliebtesWahlmanöver unserer Gegner besteht darin, in Kreise», wo die Arbeiter bei der Wahl eine entschei- dende Rolle spielen, die Arbeitersorderungen ohne Weiteres in ihr Programm auszunehmen. Das erleichtert dann ihren Kandidaten, die Rolle desArbeiterfreundes" zu spielen. Wir machen die Genossen allerorts auf diese Wahltaktik aufmerksam und rathen ihnen, in Wahlversammlungen, Flugblättern ic. auf den Unwerth solcher schönen Versprechungen hinzuweisen. Nicht was der einzelne Kandidat verspricht, ist maßgebend, sondern das Verhalten der G e s a m in t p a r t e i, zu der er gehört. Mag z. B. ein Adolph Wagner den Arbeitern noch so viel versprechen, er gehört zu den Konservativen und wird in allen politischen Fragen mit dieser volksfeindlichen Räuberbande stimmen, nur wo die Abstimmung vorher entschieden ist, wird man ihm gestatten,unabhängig" zu stimmen. Und ähnlich steht es mit denArbeiterfreunden" der anderen Parteien. Worauf es vor Allem ankommt, ist: Niemand kann zween Herren dienen. Wer um die Stimmen der Arbeiter wirbt, kann nicht zugleich Kandidat der Ausbeuterparteien sein. Das ist den Wählern klar zu machen. Schöne Redensarten haben keinen Werth, die Wahlen sollen bestimmte Forderungen zum Ausdruck bringen. Entweder oder, das ist die Parole. Gute Vorzeichen für die Reichstagswahll Bei der am 13. August im Fürstenthuni Schwarzburg-Rudolstadt stattgehabten Landtagswahl ward in der Stadt Franken- Hausen der sozialistische Kandidat, Herr I. Hoffmann, Knopf- fabrikant, mit großer Majorität gewählt. In M a n n h e i m fanden jüngst die Ergänzungswahlen zur Gemeinde- Vertretung statt; unsere Genossen, die jeden Kompromiß abgelehnt hatten, drangen in der dritten Wählerklasse mit glänzender Majorität durch; statt 16 Vertreter hat die Sozialdemokratie jetzt 18 Vertreter im Ge- meinderath. Frisch aus l E i n W a h l k o u p. Da es den Herren Reaktionären nicht ge- lungen ist, vor den Wahlen ein paar passende Krawalle und A n- archistereien heraufzubeschwören, und da auch der Seeschlangen- Prozeß Reinsdorf die beabsichtigte Wirkung nicht erzielen will, so ist uian im Rathe der Polizei götter, die bekanntlich mit den G e- r i ch t s göttern an einer Tafel zu kneipen pflegen, aus den sinnreichen Gedanken verfallen, einengroßen" Prozeh gegen die deutsche Sozial- demokratie zu inszeniren, die sämmtlichen Hauptwortführer und Vertreter derselben mit einem Netzstnche in's Garn zu bekommen und so wo- möglich die ganze Partei während der Wahlkampagne lahm zu legen. Gegen die Theilnehmer am Kopenhagener Kongreß soll ein Prozeß auf Grund der§§ 128 und 129 des Reichsstraf­gesetzbuches eingeleitet werden. Da der Kopenhagener Kongreß schon vor anderthalb Jahren statt- gefunden hat und da die unmittelbar nach dem Kongreß bewerkstelligten Verhaftungen und angestelltenUntersuchungen" zu keinem Resultat geführt haben, obgleich sich die Behörden damals alle erdenkliche Mühe gaben, ein Verbrechen zu konstruiren, so würde man an einen so voll- ständig absurd erscheinenden Plan gar nicht zu glauben vermögen, wenn nicht durch greifbare, unleugbare Thatsachen jeglicher Zweifel ausge- geschlossen wäre. Der Prozeß ist bereits eingeleitet, es haben bereits Verhöre stattgesunden. Also auf Grund der§§ 128 und 129 des Reichsstrafgesetzbuchs soll vorgegangen werden. Betrachten wir uns zunächst diese beiden lieblichen Paragraphen. Sie lauten: § 128. Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfcssung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten . erde., soll, oder in welcher gegen unbekminte Obere Gehorsam ode. gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an de.. Mitgliedern mit Gefängniß bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu bestrafen. Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Belleidung öffentlicher Aen.ter aus die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden." § 129. Die Theil..ahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Ge- setzen durch«..gesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von vre! Monaten bis zu zwei Jahren z'' bestrafen. Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden." Dies der Wortlaut der beiden Paragraphen, an deren wunderlicher Konstruktion und Logik sich unsere Leser hoffentlich keine Zähne zerbrochen haben. Man sieht, die Veranstalter des Prozesses meinen es gut.Gefängniß bis zu sechs Monaten",Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahr",Gefängniß bis zu einem Jahr",Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren" ungerechnet dieUnfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter aus die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren" das sind ganz hübsche Strafen, die man für die bösen Sozialdemokraten in pstto hat. Es ist das zwar nicht christlich, gehört aber zum p r a k- tischen Christenthum ". Und w'e schlau die Falle gestellt ist! Entrinnen die bösen Sozial- demokrate.. oer Scylla des§ 128, so müssen sie doch der noch gesähk' licheren Char.,bdis des§ 129 verfallen so denkt vergnüglich der biedere Polizei- und Richterverstand. Diese beiden Paragraphen, oder wenigstens einer von ihnen soll durch d i e T-h eil u ahme am Kopenhagener Kongreß verletzt worden sein. Schade nur, daß das Polizei- und Richtergespinnst ein Loch hat ja sogar mehrere, wie wir hernach sehen werden. Wo ist denn diegeheime" Verbindung? Wo sind die u n b e k a n n t e n O b e r e n"? Wo ist überhaupt eine V e r b i n- d ung", welche die in Z 129 präzisirten Zwecke verfolgt? Die deutsche Spitzelpolizei sucht seit fast sechs Jahren darnach und hat nichts gefun- den. Und wird auch nichts finden, wenn sie bis zum St. Zlinimerleins- tag sucht. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht und die Spitzelpolizei ihre Mühe verloren. Was insbesondere die G e h e i m h e i t" betrifft, so glänzte sie durch klassische Abwesenheit beim Kopenhagener Kongreß, der mit einer solche» Offenheit und Oessentlichkeit vorbereitet worven ist, daß die Vorbereitungen nur deutscheu Geheimpolizisten oderGeheimen" �Verzeihung, Herr v o» M a d a i!) entgangen sein können, denen bekanntlich die jfür uns sehr schätzbare) Eigenschaft anklebt, nicht einmal das zu sehen, worauf man sie mit der Nase stößt. In Nr. 35 desSozialdemokrat", offiziellen Organs der deutschen Sozialdemokratie, vom 24. August des Jahres 1882, ist schwarz aus weiß von Jedem, der lesen gelernt hat, ein Bericht zu lesen über die Züricher Konserenz der sozialdemokratischen Irak - t i o n, in welchem Bericht schwarz auf weiß in Borgisschrift angezeigt wird, daß der Parteikongreß i m F r ü h j a h r e des folgenden Jahres stattfinden werde. Vom Anfang des Jahres 1883 wird in dem offiziellen Organe wiederholt offen und öffentlich in dicken Buchstaben zur Beschickung des Parteikongresses aufgefordert. In Nr. 6 des Parteiorgans vom 1. Februar 1883 ist eine Erlau- t e r u n g enthalten, dahin gehend, daß etwa bestehende Organisationen nicht das Recht hätten, Deleairte zum Kongreß zu wählen; und werden die Parteigenossen zu einer Wahl ack hoc, d. h. für diesen be­st i in ni t e n Kongreß, offen und öffentlich eingelade... In Nr. 9 des Parteiorgans vom 22. Februar 1883 wird die T a g es- o r d n u n g des Kongresses, wieder in dicken Buchstaben, offen und öffentlich bekannt gewacht. Und endlich in den Nummer:. 16, 17 und 18 deS Parteiorgans vow 12., 19. und 26. April des Jahres 1883 wird das Kongreßprotokoll offen und öffentlich aller Welt mitgetheilt. Wir hatten bisher immer geglaubt, die deutsche Polizei, was auch sonst ihre Mängel sein mögen, könne wenigstens lesen; in diesem Glau- oen sind wir aber jetzt erschüttert: wir sind zu der Annahme gezwungen, daß sie nicht lesen kann. Oder sollte sie sich damit entschuldigen wollen, daß das Parteiorgan ihr nicht zu Gesicht komme? Das ließe sich� jedoch leicht wider­legen, indem wir den Beweis erbringen können, daß die deutsche Polize> aller Orten sehr pünktlich auf denSozialdemokrat" abonnirt. Freilich, abonniren und lesen ist zweierlei, und für Abonnenten, die nicht lesen können, ist, was offen und öffentlich imSozialdemokrat' steht, allerdings etwasGeheimes". Nun, der Polizei darf man solche Gebrechen nicht zu hoch an- schreiben, von unseren Richtern aber, die sich doch sämmtlich rund ein Dutzend Jährchen auf dem Gymnasium und auf der Universität studirenshalber" ausgehalten haben, sollte man eigentlich etwas Besseres verlange». Jndeß wir bescheiden uns. Der richterlich-polizeiliche Analphabetismus jUnkenntniß des Lesens), welcher sich unserem Pareiorgan gegenüber bekundet, waltet übrigens auch dem deutschen Strafgesetzbuch gegenüber, den» sonst wäre es nicht erklärlich, daß den Polizei- und Gerichtsgöttern, die diesen Prozeß veranstaltet haben, folgende Bestimmu.>g des Reichs straf- gesetzbuches unbekannt geblieben wäre: 8 4. Wegen im Ausland begangener Verbrechen und Ver- gehen findet in der Regel keine Verfolgung st att. Jedoch kann nach den Strafgesetzen des deutschen Reiches ver- folgt werden: 1) ein A u s l ä n d e r, welcher im Auslande eine hochverräthe- rische Handlung gegen das deutsche Reich oder einen BundeS- staat oder ein Wünzverbrechen begangen hat; 2) ein Deutscher, welcher im Auslande eine h o ch v e r- r ä t h e r i s ch e oder landesverrätherische Hand- lung gegen das deutsche Reich oder einen Bundesstaat, eine Beleidigung gegen einenBundesfürsten oder ein Münzverbrechen begangen hat; 3) ein D e u t s ch e r, welcher im Ausland eine Handlung be- gangen hat, die nach den Gesetzen des deutschen Reiches als Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Ge- setze des Ortes, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht i st." Nun sind aber die Theilnehmer am Kopenhagener Kongreß weder Ausländer noch haben sie Hochverrath, Majestätsbeleidigung oder ein Münzverbrechen begangen, und sintemalen das, was sie in Kopenhagen gethan, in Harmonie mit dem dänischen Gesetze, das keine Be- schränkung des Versammlungsrechtes kennt, gethan wurde, die Theil- nehmer am Kongreß also nicht eine Handlung begangen haben,welche durch die Gesetze des Ortes, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist", so ist es klar wie die Sonne, daß der§ 4 des Reichs- strafgesetzbuches eine Verfolgung wegen des Kopenhage - ner Kongresses ausschließt. Dies zur juristischen Klarstellung. Juristisch eine Unmöglichkeit, kann der Prozeß blos eine politische Basis haben. Und diese ist ja auch mit Händen zu greifen. Es handelt sich um einen W a h l k o u p gemeinster Sorte, den der erz< reaktionäre sächsische Justizminister Abelen auf Kommando der preu- ßischen Oberkommandanten, für welche er die Kastanien aus dem Feuer holen soll, in Szene gesetzt hat und zu dem man das Chemnitzer Gericht gebrauchen zu können glaubt. Nun, bisher hat es seine Erwartungen gerechtfertigt.