Ja, gerade eine der eigenthümlichsten Erscheinungen der Neuzeit, der dakunistische Anarchismus, beruht im Grunde auch nur auf der Ver- Mengung moderner Elemente mit denen des urwüchsigen Kominunismus, so weit sie sich in der russischen Bauerngemeinde noch erhalten haben. f Werkwürdigerweise betont aber der Anarchismus gerade diejenige Seite des urwüchsigen Kommunismus, an der er zu Grunde ging: seinen P a r t> k u l a r i s m u s. Der Naturmensch ist Föderalist im strengsten Sinne des Wortes. Der außerhalb seines Stammes Stehende ist ihm «in Feind, im besten Falle ein Fremder. Ueber einen äußerst losen Ver- band der Stämme, der bei der ersten Gelegenheit wieder zerfiel, ist die Stammes- und Gentilorganisation nicht hinausgekommen. Eine solche Organisation konnte sich nur halten bei einer äußerst unentwickelten Pro- duttionSweise, bei der alle wesentlichen Mittel der Befriedigung der Be- dürfmsse innerhalb des Stammes selbst erzeugt wurden. In der That haben wir gesehen, daß die Arbeitstheilung die alte Gentilverfassung aus ihren Fugen brachte. Anderseits bot aber auch der starre Föderalismus nn Element der Schwäche, dem gegenüber der aufkommende Zentralls- Mus leicht den Sieg davon tragen konnte. Betrachten wir den deutschen Bauernkrieg, betrachten wir die jüngsten Bauernrevolten in den süd- slavlschen Ländern und in Rußland , betrachten wir die Aufstände im Orient, in Algier , in Indien . Trotz der Wunder der Tapferkeit, welche verrichtet werden, erliegen die Aussländischen auf die Dauer inimer und überall, weil die Verbindung zwischen den einzelnen Organisationen zu lose ist. Sehen wir uns nur den deutschen Bauernkrieg an, wie da jeder Gau selbstständig vorgeht, ohne sich auf die Dauer um den andern »u küinmern, und wie daher auch einer nach deni andern mit verhält- »ißmäßig leichter Mühe niedergeschlagen wird. Wo nicht lokale günstige simftände diesen verderblichen Föderalismus wettmachen, wie z. B. die Schweizerberge oder das mörderische Klima des Sudan , erliegt regel- Mätzig die alte föderalistische Volksfreiheit gegenüber dem zenrralisirten Staatswesen. Nicht durch lose verbundene autonome Organisationen kann dieses gestürzt werden, sondern nur durch eine geschlossene Macht. lOie moderne Produktionsweise liefert diese Macht, indem sie selbst die Proletarier in Masten konzentrirt und zentralisirt. In dieser Konzen- lration und Zentralisation liegt die große Ueberlegenheit des modernen Kommunismus gegenüber der Zersplitterung des urwüchsigen. Die Kon- Kntration und Zentralisation gibt ihm die Sicherheit des Sieges. SoztalpolUische Rundschau. Zürich » K. November 1884. Sammekt zu den Stich» und Ikachwahten k Vierundzwanzig I Stichwahlen hat unsere Partei zu bestehen und vielleicht auch mehrere Nachwahlen. Daher ergeht an die Genosten der Ruf, in ihrem Eifer für j den Wahlfonds nicht nachzulasten, sowie serner alle für die Stichwahlen disponiblen Gelder schleunigst einzusenden. ' Daher aus, Genosten allerwärts! Sorgt dafür, daß Mittel flüstig ge- ! Macht werden, ohne die Einzelnen zu sehr zu belasten; sorgt dafür, daß die Sammlungen möglichst ausgedehnt werden. Und noch einmal, Macht die Sache rasch, damit den Kämpfern die Munition nicht ausgeht l Mit Bezug auf die Stichwahlen geht uns folgendes Zirkulär zu: Parteigenossen! Ein großer Theil von Euch ist diesmal wieder in der Lage, bei enge­ren Wahlen zwischen Gegnern von uns den Ausschlag zu geben. Dies bestimmt uns, auf die bezüglischen Kongreßbeschlüste hinzuweisen, welche in Wyden 1880 und in Kopenhagen 1883 gesaßt wurden. Der Wydener Kongreß beschloß:Für den Fall von Sttchwahlen, bei denen nur Gegner der Partei in Frage koinmen, wird den deutschen Parteigenossen i ni Allgemeinen Wahlenthaltnng empfohlen." Und der Kopenhagener Kongreß schloß sich diesem Beschlüsse an. Wir halten uns nun für ve> pflichtet, hier auszusprechen, daß, wo sich die Parteigenossen dennoch für Betheiligung an einer der erwähnten engeren Wahlen aussprechen, nur ein Kandidat in Frage kommen kann, der sich b e st i m m t und unzweideutig verpflichtet: l) Gegen die Verlängerung des Sozialisten- g e s e tz e s; 2) gegen die Verschärfung der Strafgesetze; 3) gegen die Verkümmerung oder Einschrän- kung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahhlrechts; 4) gegen die Verlängerung der Legislatur- Perioden; 5) gegen die Einführung der Arbeitsbücher; 6) gegen neue Zölle und Steuern auf nothwen- dige Lebensbedürfnisse zu stimmen. Kandidaten, die sich auf diese Minimal forderungcn nicht bestimmt verpflichten, dürfen unter keinen Umständen eine Stimme von Uns erhalten. Den 30. Oktober 1884. Die Zentral-Wahlleitung: I. Auer. A. Bebel. C. Grillenberger. W. Hasenclever. W. Liebknecht. Diese Fragestellung läuft in ihrer Konsequenz auf daffelbe hinaus, was wir im Leitartikel unserer Nummer 46 ausführten, was wir ange­sichts der sortgesetzten Verdächtigungen unserer Partei mit Genugthuung ionstatiren. Ihre Bilanz. Für die gegnerischen Parteien stellt sich als Hauptergevniß der Wahlen die Sprengung der deutsch -frei- sinnigen Partei heraus. So weit dieselbe nicht dem Anwachsen der Sozialdemokratie, also einem geschichtlich nothwendigen Prozeß, ge- schuldet ist, gebührt das Verdienst dafür den Nationaliibe­rale n. Man muß es den Herren einräumen, daß sie Bismarcks Ge- schäfte vortrestlich besorgt haben. Und wie uneigennützig! Denn sie haben aus diese Art dem Liberalismus vollends den Garaus gemacht, und so den Ast selbst abgesägt, auf dem sie wir w.>«n nicht sagen sitzen, aber doch eines Tages gezwungen werden dürsten, H zu stützen. ES ist in der That schwer, keine Satyre zu schreiben i'<? das Trei- ten dieser Partei, welqje das gebildete Bürgerthum zu vertreten vorgibt, und in der T'>at auf den Universitäten ihre Hauptanhängerschaft sitzen hat. Kaum war von oben her die Parole gegeben: Kampf wider die Deutsch-Freisinnigen I und als Köder ausgesteckt die Bilduug der famosen konservativ-nationalliberalen Mcktelpartei, als sie sich wie eine Meute auf ihre früheren Gesinnungsgenosten stürzten und, selbst zu schwach zum Siegen, diese an die Konservativen verriethon. Ein einziger Blick auf die Parteioerhältnisse in Deutschland hätte ihnen sagen müssen, daß an einen Sieg, wie er zur Bildung dieser Mehrheit nothwendig wäre, nicht zu denken war, daß das ganze Manöver eben nur zur Stär- kung der Erzkonservativen dienen mußte, aber wer wird von gebildeten Deutschen politische Einsicht verlangen!Nieder mit dem Freisinn, das Vaterland ist in Gefahr l" das war die Parole, und sie haben es erreicht: der Freisinn liegt am Boden, und das Vaterland ist gerettet, denn mit verstärkter Kraft kehrt in den Reichstag zurück die klerikal-konservativ e Majorität! Sie haben vortrefflich gearbeitet, diese Herren, d. h. für den Papst. Jetzt kann die Zünftlerei im Reichstag wieder losgehen, jetzt können die konservativen Junker im Bunde mit dem Psaffenthum ihren volks- verdummenden Bestrebungen rückhaltlos fröhnen und nach Herzenslust rückwärtsrevidiren", sind fit doch mehr als je in der Lage, Allem, was noch ein Bischen nach Liberalismus aussieht, den Garaus zumachen Dank dem Nationalliberalismus. Dieser selbst, dem die ganze Regierungsmaschinerie diesmal zur Seite stand, hat zwar dem Freisinn einige Sitze abgewonnen, dafür aber andere an die Ultra-Reaktionäre verloren. Ein prächtiger Witz der Weltgeschichte rst dabei, daß sein Hauptagitator in Süddeutschland , Herr von Schauß, sowohl in dem früher von seinem Freunde Völk vertretenen Wahlkreis, als auch in zwei anderen, die er dem Freisinn abjagen wollte, schmäh- lrch durchgefallen ist. Die Niederlage des Freisinns stellt sich dar als die gerechte Strafe der H a l b h e i t. Die Fusion der alten Fortschrittspartei mit den Sezessionisten des Nationalliberalismus wäre an sich kein Fehler gewesen, wenn die neue Partei nun auch wirklich eine einheitliche Körperschaft repräsentirt hätte. Das ist aber, wie sich am klassischsten bei der Ver- längcrung des Sozialistengesetzes gezeigt hat, keineswegs der Fall, und zum Ueberfluß haben noch verschiedene der fusionirten Herren in den Wahlversammlungen ihreUnabhängigkeit von der Parteileitung" aus­drücklich zu betonen für nöthig gehalten. Das gab ihnen und der Partei den Gnadenstoß. Wie die Verhältnisse in Deutschland liegen, kann nur eine starke, entschiedene Oppositionspartei auf Erfolge bei der Wählerschaft rechnen; wer aber auf die Parole:Nieder mit dem Freisinn!" nur stammelnd antwortet: Ich bin ja gar nicht so schlimm! der gibt die Schlacht schon halb verloren. Und wenn die Führer nicht muthig vorangehen, wie soll da die Mäste Muth und Tha.kraft finden? Unzweifelhaft hat es dem Freisinn auch an packenden Schlagworten gefehlt, an einer entflammenden Kampsparole. Die Nationalliberalen hatten sich mit fanatischem Eifer auf die Kolonialgeschichte und die Sozialreform geworfen, Fragen, die nach sehr viel aussehen, die Ent- faltung eines mächtigen Pathos gestatten, unter denen sich Jeder vor- stellen kann, was ihm paßt, und die doch zu nichts verpflichten. Was konnte der Freisinn dem entgegensetzen? Auf wirthschastlichem Gebiet den Kampf gegen die Schutzzollpolitik und die indirekten Steuern, der schon deshalb nicht mehr so ziehen konnte wie 1881, weil die Kreise, aus denen der Freisinn seine Hauptanhänger rekrutirt: die mittlere Bourgeoisie und das Kleinbürgerthum, gar keine so heftigen Gegner der indirekten Steuern sind, die Frage der Schutzzölle aber durch die bald von dieser, bald von jener Seite ausgespielte Phrase von derehrlichen Probe" in das Stadium des Versumpfens gebracht worden ist. Auf politischem Gebiete spielte man mit unbekannten Größen, aus welche die Wähler, wenn sie nicht ohnehin aufgerüttelt sind, nichts zu geben pflegen. Derliberale Kronprinz" versagt seine Wirkung, und Bismarck war klug genug, diesmal kein T a b a k s m o n o p o l an die Wand zu malen. Er ließ seinen Beamtenapparat'spielenwozu habe ich vor drei Jahren den kaiserlichen Erlaß verfaßt?" und schwieg sich über seine Pläne weidlich aus. So fehlte es den Freisinnigen an jeder zün- denden Kanipfesparole, sie konnten den Reglerungsdemagogen absolut nichts entgegensetzen, selbst ihrFort mit Bismarck !" stellten sie in Ab- rede, und so verloren sie Position über Position. Aehnlich wie den Freisinnigen erging es den V o l k s p a r t e i l e r n. Auch sie sind an dem Bestreden, nirgends anzustoßen, verunglückt. Par- tikularistisch und reichstreu, antibismarckisch und gut kaiserlich zu sein, das geht eben nicht. Diese Art Mittelparteien sind absolut lebens­unfähig. Das Zentrum, das es verstanden hat, den Kulturkampf noch ein- mal hervorzuzaubern, geht stärker aus dem Wahlkampfe hervor, als es vorher war. Und das haben mit ihrem Hetzen dieHeidelberger" gethan. Wenn Bismarck das Zentrum sprengen wollte, dann gab es gar kein ungeschickteres Mittel, als die Nationaltiberalen aufzubieten. Der einzigere ernsthaftere Angriff, den das Zentrum erfuhr, kam von sozialdemokratischer Seite. München und Köln waren die deutliche Antwort aus die zur Annahme des Sozialistengesetzes ab- geschwenkten 3g. Vivant sequentes! Die E l s ä s s e r und Welsen kommen in alter Zahl, die Polen wahrscheinlich etwas stärker in den Reichstag zurück. Das ist die Bilanz unserer Gegner. Des Weitern siehe die folgende Korrespondenz. Aus Deutschland , den 31. Oktober, wird uns geschrie- ben: Die Wahlschlacht ist geschlagen wir haben gesiegt. Wir hatten richtig vorausgesehen. Wenn wir uns in irgend etwas irrten, so nur darin, daß wir auf so große Erfolge nicht vorbereitet waren. Aus Einzelheiten gehe ich nicht ein. Das Gesamintresultat läßt sich noch nicht übersehen, und der Telegraph, der die vollständige Uebersicht gibt, überholt diesen Brief. Genug, während wir das letztemal keinen einzigen Kandidaten im ersten Wahlgang durchsetzten die paar Stimmen, die Stolle über die absolute Majorität erhielt, wurden uns wegeskamotirt haben wir diesmal auf den ersten Anlauf 8 Sitze gewonnen und stehen in 25 Wahl- kreisen in der Stichwahl. Und jedenfalls werden die Stichwahlen des Jahres 1884 mindestens ebenso gut ausfallen wie die des Jahres 1881. Verloren haben wir leider Mittweida , das hoffentlich das letzte Opfer der Vielkandidaturen sein wird, und Freiberg , wo unerhörte Be- einflussungen geübt wurden. Sonst überall Erfolge Erfolge, die auf unsere Feinde verblüffend, auf die Genossen begeisternd gewirkt haben und wirken. Das Sozia- listengesetz ist gerichtet, und Herrn Bismarck ein memooto mori in die Ohren gerufen worden, das ihm keine ruhige Stunde mehr lassen wird. Und nicht bloß Herrn Bismarck und seinenreaktionären" Gesellen, auch der Fortschrittspartei. In Berlin hat sie aufgehört zu regieren. Die 60,000 Stimmen, welche am Dienstag für die sozialistischen Kandi- baten abgegeben wurden, bedeuten das Ende der Fortschrittsherrlichkeit. Und angesichts der Wahlen des Jahres 1884 wird Niemand mehr sagen können, das Sozialistengesetz, wenn es auch unsere Partei nicht unterdrückt, habe doch ihre Ausbreitung verhindert. Bei keiner früheren Wahl haben wir ein ähnliches Ausbreiten nach allen Richtungen hin wahrnehmen können. In Orten, an die wir kaum dachten, haben wir Hunderte und Tausende von Stimmen. Und das ist es vor Allem, was unsere Gegner so ängstigt. Sie dach- ten, das Wachsthum der Bewegung gehemmt zu haben, und nun sehen sie, wie die Fluth steigt, steigt. Und wer da rechnen kann, sieht mit mathematischer Gew'ßhett, daß der Augenblick kommt, wo der ganze heutige Plunder von derrothen" Fluth wird verschlungen werden. Im Ehaos des Zersetzungsprozestes, der sich in unseren Gesellschafts- und Wirthschasts-Berhällnisten geltend macht, ragt als einziger fester Punkt empor das gewaltige Banner der Sozialdemokratie mit der leuch- tenden Inschrift: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch. Mehr und mehr verschwindet der Schreck und der Abscheu, den die Gewalthaber dem Volk künstlich vor dem rettenden Banner eingeflößt hatten, und mehr und mehr wenden sich die Blicke der Erlösunzsbedürf- ttgen ihm zu. Das steht jetzt fest: unsere Gewalthaber besitzen kein Mittel, um die Fortschritte unserer Bewegung zu hemmen an Anstrengungen haben sie es in diesem Wahlkamps wahrhaftig nicht fehlen lassen. Die Sozial- demokratie hat aber all' diese Anstrengungen zu Nichte gemacht. Und gerade da, wo der Druck am höchsten, war der Sieg am glänzendsten. In Berlin , Hamburg , Altona , Leipzig , Frankfurt den Domänen des kleinen Belagerungszustandes" und der schamlosesten Polizeiwirthschaft, welche großartige Stimmenmassen für die Sozialdemokratie! Darin sind die Gegner einig, daß die sozialdemokratische Partei die einzige ist, welche wirklich als Siegerin aus diesem Wahlkampfe hervor- gegangen ist. Die andern Parteien haben entweder an Terrain ver- loren, oder nur behauptet, was sie schon hatten. Die Fortschrittspartei hat nicht bloß in Berlin Niederlagen erlitten nebst der nationalliberalen Partei, welche in der konservativenaufge- gangen" ist, hat sie die Kosten des heurigen Wahlkampfes zu tragen. So muß es sein. Die Mittelparteien müssen verichwinden, ehe der Ent- scheidungskampf gekämpft werden kann. In Sachsen , dem ökonomisch und folglich auch politisch entwickeltsten Lande Deutschlands , sind die Mittelparteien diesmal fast vollständig ver- nichtet worden. Mit Ausnahme von 2 Wahlkreisen unter 23 haben wir nur noch Vertreter der Sozialdemokratie oder derOrdnungspartei" was dazwischen lag, ist weggeschwemmt. Morgen wird das Wahlresultat bekannt gemacht, und die Stichwahlen müssen dann innerhalb 14 Tagen stattfinden. Nachdem wir das Ergebniß der Hauptschlacht festgestellt, eilen wir von Neuem in'« Gefecht. Die Partei soll mit den Stichwahlen zufrieden sein! Verehrte st e, wir danken bestens! Wenn ein armer Teufel plötzlich zu Vermögen und Ansehen kommt, dann findet sich auch sofort eine Anzahl guter Freunde bei ihm ein, die ihnvon jeher" gern gehabt, in ihmstets" eine Menge Vorzüge entdeckt haben wollen und durch Liebenswürdigkeiten über Liebenswürdigkeiten gern die Fußtritte vergessen machen möchten, w-lche sie dem über Nacht reich oder mächtig Gewordenen früher mit Vorliebe hatten angedeihen lasten. Das scher- wenzelt und schmarotzert dann so lange um ihn herum, als überhaupt etwas von ihm zu haben ist, vorausgesetzt, daß er nicht von vornherein sich dazu ausrafft, das ganze Geschmeiß zur Thür hinauszuwerfen. In eine ähnliche Lage findet sich jetzt die Sozialdemokratie versetzt. Kaum daß die Wahlen die wachsende Bedeutung derselben in nicht miß- zuverkennender Weise offenbaren, kaum daß sich gezeigt, welche Macht sie trotz Sozialistengesetz ist, wie sie, ganz abgesehen von den Kreisen, welche sie für sich erobert, in immer mehr Wahlkreisen in der Lage ist zu entscheiden, welcher von den bürgerlichen Parteien der Sieg zufallen soll, so sieht sie sich auch schon von allen Seiten vonguten Freunden" umgeben, die um ihre Stimmen werben, und, ganz wie in obenerwähntem Falle, sind just die die zudringlichsten, welche bisher am infamsten gegen uns vorgegangen sind. Hat wohl eine Partei gemeiner gegen uns gehetzt, als die National- liberalen? Sicherlich nicht. Hat wohl ein Blatt unsere Partei mehr be- schimpft als das Weltblatt vom Rhein , die biedereKölnische Zeitung "? Schwerlich. Nun wohl, jetzt lese man, was dieses Hauptmundstück deS deutschen Nationalliberalismus zwei Tage nach der Wahl schrieb, nach- dem sich gezeigt, daß wir in Köln bei der Stichwahl den Ausschlag geben: Was uns über das Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen und Mandate tröstet, in gewissem Sinne sogar beruhigt(warum nicht gleich erfreut"?), ist der Umstand, daß unverkennbar die Erkenntniß auch bei den Sozialdemokraten zugenommen, ja, die Oberhand gewonnen hat, daß sie auch sie vor Allem national sein müssen, daß sie in der posi- tivcn gesetzgeberischen Mitthat mit ben Bestrebungen der staatlichen Ge- walt und der nationalen Parteien allein Heil und Besterung erlangen können(I sehen Sie mal an!). Wir stehen nicht an zu sagen, daß wir zwanzig Sozialdemokraten im Reichstage in gewissem Sinne für ein ge- ringeres Uebel halten, wenn überhaupt(vieseswenn überhaupt" ist un­bezahlbar!) für ein Uebel, als fünf. In demselben Maße, wie sie zur Mitarbeit herangezogen werden, und durch die große Zahl von Wählern, die sie vertreten, ernste Berücksichtigung der Verhältnisse beanspruchen dürfen(also doch!), denen sie ihre Wahl verdanken, wird auch der hestige Kampf gegen die bestehende Gewalt weichen und der Erkenntniß Platz machen, daß es gilt, mit Hülfe dieser Gewalt positive Resormen herbei- zuführen. Und wir freuen uns, daß der heutige Sozialismus, so wie er in den Wahlkamps getreten ist, fast allenthalben zu erkennen scheint(der Schein trügt, liebeKölnische"), daß die Nationalliberalen, die sich zur sozialen Reformarbeit bereit erklärt und somit das Auftreten der Sozial- demokratie, soweit sie nicht Revolution, sondern Reform predigt, für be- rechtigt anerkannt haben, ihnen näher stehen, als die Fortschrittspartei, die vielleicht bereit wäre, das Sozialistengesetz abzuschaffen, um die Regie- rung zu ärgern, aber nicht nur den revolutionären Bestrebungen, son- dern auch den positiven und menschlich wahlberechtigten Forderungen der Sozialdemokraten nichts entgegenzusetzen wüßte, als den Polizeisäbel und den natürlichen Kampf um's Dasein, den man einfach gehen zu lassen habe. Diese völlig richtige Erkenntniß der einsichtigern Sozialdemokraten, daß ihre bessern Freunde im Parlament nicht neben ihnen aus den Fortschrittsbänken sitzen, sondern weiter nach rechts, wo man die soziale Reform(will sagen das Sozialistengesetz!) will und die Berech- tigung der Sozialpartei(immer von deren revolutionären Bestrebungen, die es lahmzulegen gilt, abgesehen) anerkennt viese Erkenntniß dürfte in manchen Wahlkreisen bei den nöthig gewordenen Stichwahlen zum Ausdruck gelangen." Was bei den Stichwahlen zum Ausdruck kommen dürfte, edle Kölnerin, ist die Erkenntniß, daß wenn man nicht bei der ersten Gelegenheit verrathen und verkauft werden will, man sich überallhin eher zu wenden hat als an den Nationalliberalismus; ist, daß die Arbeiter ihre Bewegungs- und Orga- nisationsfreiheit nicht um das Linsengericht einer höchst zweifelhasten Sozialreform verschachern, einer Sozialrefvrm, die ausgesprochenermaßen nur den Zweck hat, die Arbeiter in dem Kampf um ihre soziale Eman- zipation zu schwächen; ist, daß die Arbeiter keine Lust haben, für Leute die Kastanien aus dem Feuer zu holen, die ihre Macht erfahrungsgemäß dazu benutzen, Gesetze gegen die Arbeiterklasse zu schmieden; welche Gegner des allgemeinen Wahlrechtes, der politischen Rechte der Arbeiter überhaupt sind; ist, daß dieeinsichtigeren Sozialdemokraten", die ihre besseren Freunde" weiter nach rechts suchen, vorläufig noch so dünn gesäet sind, wie die wirklichen Freunde der sozialdemokratischen Bestrebungen im nationalliberalen Lager. Im Namen der übrigen, nicht so einsichtigen, aber leider noch recht zahlreichen Sozialdemokraten er- klären wir dagegen: Das Freundschastsbündniß, das Sie uns da antragen, liebenswürdige Kölnerin, ist zwar gewiß sehr aufrichtig gemeint, Sie wollen mit unserer Hülfe den Freisinn erdrücken, aber wir bedauern sehr, bestens vafür danken zu müssen. Wir fürchten für unfern guten Ruf. Man hat doch schließlich auch noch so etwas wie C h r g e f ü h l, ein Ding, das Ihnen bei dem häufigen Wechseln Ihrer Liebhaber freilich abhanden gekommen sein mag. Das mag wohl auch der Arbeiter gedacht haben, der uns den obigen Ausschnitt aus Ihrem geschätzten Blatt einsandte. Denn an den Rand desselben hatte er das nicht gerade salonfähige, aber durchaus un- zweideutige Wort geschrieben: Alte Hure! I e näher die Stichwahlen rücken, um so mehr finden sich die Ordnungsparteien von rechts und links zusammen, um, wo es gegen die Sozialdemokraten g-cht, die Streitaxt, die sie vorher so wüthend gegen einander geschwungen, friedlich zu begraben und gemeinsam denFeind aller gesellschaftlichen Ordnung" zu bekämpfen. Wie in Sachsen , jo geht auch jetzt anderwärts im Reich der Fortschritt(Demokratie inbegriffen) in dem Ordnungsbrei auf. Dem Beispiel Franksurt's(s. weiter unten) sind Gotha , Magdeburg , Königsberg rc. gefolgt. Den Nationalliberalen ist über Nacht die Erkenntniß gekoinmen, daß der Freisinn doch nicht gefährlicher fei als die Sozialdemokratie, und daher predigen sie nicht mehr Wahlenthaltung zwischen Freisinn und Sozialdemokratie, sondern Eintreten für den Freisinn gegen die Sozialdemokratie' Nur los! uns soll's recht sein. Die Stichwahlen in Hessen (Mainz , Darm st adt, O f f e n b a chj und Frankfurt am Main finden bereits heute statt. Glückauf I Echt schwäbisch-volksparteilich. Die Herren Volks- parteiler des Wahlkreises Eßlingen konnten diesmal mit aller Ge- walt keinen Kandidaten auftreiben, der ihnen diesen Wahlkreis, der seinerzeit durch Retter erobert worden war, zurückerobern mochte, und mußten daher zwischen dem Bisinärcker Lenz und dem Sozialisten Geiser wählen. War es ihnen mit ihrer Demokratie und ihrer Oppo- sition gegen Bismarck Ernst, so konnte ihnen diese Wahl nicht schwer werden, sie mußten ihre Anhänger auffordern, für Geiser zu stimmen. Aber, wer von schwäbischen Volksparteilern Konsequenz verlangt, der hat falsch gerechmt. Die Herren gingen vielmehr hin und erliehen folgenden Ausruf, der als bleibendes Dokument für die Weisheit seiner Ver- fasser aufbewahrt zu werden verdient: An die Wähler des 5. Wahlkreises. Mitbürger! Der Volkspartei ist es trotz ernstlicher Bemühungen nicht gelungen, einen Kandidaten für den Reichstag zu gewinnen. Dies ist um so mehr zu bedauern, als die Mehrzahl der Wähler des Bezirks extremen Anschauungen nach rechts oder links, wie sie einerseits durch die Beamten Kandidatur Lenz und andererseits durch die sozialistische Kandidatur Geiser vertreten sind, nicht huldigt. Glücklicherweise ist eine dreijährige Wahl- Periode im Leben derVölker eine kurzeSpanneZeit. Deshalb bitten wir die Wähler, sich rncht irre machen zu lassen, sondern festzuhalten an der guten Sache, welch? die bürgerliche Demokratie von jeher vertritt, und ihrer Meinung am 28. Oktober durch Wahlenth.:ltung Ausdruck zu geben. Wer aber auf die Ausübung seines Wahlrechtes(!) nicht verzichten will, oder wer durch Berufs- oder andere Verhältnisse genöthigt ist, an die Wahlurne zu treten, der Heise sich durch Abgabe eines weißen Zettels. Der Volksverein Ehlingen." Wahlenthaltung ist eine Sache, die sich unter Umständen wohl jede Partei zeitweilig auflegen wird, aber sie damit zu motiviren, daß drei Jahre nur eine kurze Frist" seien imLeben der Völker", das verräth eine Einsicht in die politische Situation, vor der wir beschämt den Hut ziehen.Eine dreijährige Wahlperiode ist eine kurze Frist" eine dreißigjährige auch, ihr Herren. Wie wär's, wenn Sie sich so einige Dutzend Jährchen schlafen legten? Wie die nationalliberalenVolksfreund e" d aS freie Wahlrecht achten. In Dortmund kandidirte national- liberalerseits der Grubenoiriktor Kleine gegen den altfortschrittlichen Dr. Lenzmann. Mit welchen Mitteln, geht aus folgendem Bericht der ultramontanenTremonia " hervor: