Erscheint

wöchentlich einmal

in

Zürich  ( Schweiz  ).

Verlag

der

Bolksbuchhandlung Hottingen Zürich  .

Poffendungen

franto gegen franto

Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz   toften

Doppelporto.

46.

Der Sozialdemokrat

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Zentral- Organ der deutschen   Sozialdemokratie.

Tisc

Donnerstag, 14. November 13 November]

Me Avis an die Abonnenten und Korrespondenten des Sozialdemokrat."

Da der Sozialdemokrat sowohl in Deutschland   als auch in Defterreich verboten ist, bezw. verfolgt wird und die dortigen Behörden fich alle Mühe geben, unsere Verbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Speditionen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Poftverkehr nothwendig und barf teine Borfichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schützen Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten

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und Gemaßregelten nicht!

Volk und Kaiser.

Als einst, die Sicherheit dem Staat Vor unserm Wühlen zu verbürgen, Beschlossen ward im großen Rath, Mit Eleganz uns zu erwürgen,

Da schwoll am Ende doch der Kamm

Db der vertradt- verzwidten Fagen

Dem treu'sten Mann vom biedern Stamm

Der knorrig- zähen Niedersachsen  .

Er rief: Nur zu! Wir halten aus!

Ihr könnt es ja einmal probiren. Doch meine Rechnung stimmt auf's Daus: Ihr müßt, ihr werdet euch blamiren! Bis ihr gelöscht der Sterne Schein, Bis euch's gelang, den Sturm zu greifen, Erlaub ich mir, so frei zu sein, Euch auf dies Schandgesetz zu pfeifen!"

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Das war vernünftig, klar und frisch Und völlig würdig auch des Ortes Doch welch' Gezeter und Gezisch Erhob sich ob des tapfern Wortes! Als ob's verwehrt dem Falken sei, Jn das Gezirp der Spaßenschaaren Mit einem hellen, wilden Schrei Aus blauer Höh' herabzufahren! Der Brave ruht im kühlen Grund, Doch könnte heut' er bei uns siten, Es würde der beredte Mund

Sich zu dem Pfiff des Spottes spitzen! Denn wieder triumphirt der Geist Und lacht des kindisch- schwachen Netzes; Der Sturm zerbläft, der Sturm zerreißt Das Spinngewebe des Gesetzes.

Als wir verstummt, als Reiner mehr Frivol verhett die braven Massen, Nahm man die Kaiserpuppe her Und hat sie flott agiren lassen. Sie lockte mild und väterlich:

Entwindet euch dem Bann der Bösen! Ich will euch wohl! Vertraut auf mich! Ich kann und werde euch erlösen!"

Und mit Geheimrathsweisheit nun ( Daß sie uns ja erhalten bleibe!) Begann man ftündlich wohlzuthun Dem franken, qualzerriff'nen Leibe. Jedoch wie voll den Mund man nahm, Die gute Absicht zu bezeigen

Was aus des Volkes Tiefen kam,

amar nur ein düstres, schwüles Schweigen.

Ihr spracht zum Volk; das war der Schlag.

Und eine Antwort war es schuldig,

Doch harrte es auf seinen Tag

stund eine Antwort, klipp und klar,

Gelaffen, ruhig und geduldig.

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War euch vom braven Volk beschieden; Uns dünkt es, daß sie bündig war, Uns stellt der Gegenschlag zufrieden!

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postDas war ein Wählen frank und frisch Der wärmsten Gegenliebe Grüße! Verächtlich warf den Kaiserwisch Man euch zerrissen vor die Füße. Rein Zweifel mehr! So steht es jetzt:

Auf dieses Volk ist nicht zu bauen;

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Nicht ihr, die Männer, die ihr hezt g) Wie Wild, sie haben sein Vertrauen!

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noitulasi Nun helfe, was da helfen mag! 00 Ihr fingt euch in der eig'nen Schlinge! sansa Ein Plebiszit war dieser Tag­

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Hier ist Dein Rhodus  , Kanzler

springe!

Ein schlimmer Kasus! Der Verstand erhau naitulo Kann auch dem Findigsten vergehen;

Der Traum zerrinnt, die Hoffnung schwand.

Was nun, Messieurs? Wir werden sehen!

Berlin  , 30. Oktober 1884.

L. W.

Was aus unserem Wahlsteg folgt. Wenn unfere Gegner diesmal darin einig sind, die Größe unseres Wahlsteges einzugestehen, so gehen sie in der Beurthei­lung der Ursachen desselben natürlich weit auseinander und ebenso in den Konsequenzen, die sie aus ihm ziehen.

Eine jede Partei sucht die Ursachen da, wo ihre Interessen in Frage kommen.

Die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen ist ein Zeichen der wachsenden Abneigung wider den manchesterlichen Liberalismus und eine Folge der fortschrittlichen Verhebungen

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werden bei allen schweizerischen Postbureaux, jowie beim Verlag und dessen bekannten Agenten entgegengenommen, und zwar zum voraus zahlbaren Bierteljahrspreis von:

Fr 2 für die Schweiz  ( Kreuzband) Mr 3 für Deutschland  ( Couvert) f. 1.70 für Desterreich( Couvert) Fr. 2 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).

Zuferate

die dreigespaltene Petitzeile 25 Gts. 20 Pfg.

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1884.

als möglich an den Sozialdemokrat", resp dessen Verlag felbft adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands   und Desterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Refommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen um troß aller entgegen stehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat" unseren Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern

lehrt die Norddeutsche Allgemeine" und betet ihr der Troß der Bismärder nach.

Die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen ist ein Protest wider das Sozialistengesetz und das politische Vormundschafts: system, sowie eine Folge der von oben her unterstützten An­griffe auf die freie Erwerbsthätigkeit, auf die moderne Produktion, rufen die Wortführer des Liberalismus, und ihre Presse verkündet es ihren Gläubigen.

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Die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen ist eine Folge der wachsenden Jrreligiosität, die wiederum eine Folge ist der Unterdrückung der Kirche und ihrer Heilseinrichtungen, mit einem rufen die ultramontanen Worte: des Kulturtampfes,- Kircherlichter, und ihre Priester und Kapläne predigen es auf der Kanzel und im Beichtstuhl den allezeit frommen Schafen. Die Manchesterboktrin muß gestürzt, die Presse gezügelt, der Staatssozialismus   leitendes Prinzip werben, wenn die Sozial­bemokratie wirksam bekämpft werden soll,- dies das Rezept der Bismärcker.

Die amtliche Hetzerei gegen die moderne Produktion muß auf­hören, der Glaube an die Allmacht des Staates muß bekämpft, die Presse und das freie Wort müssen der Vormundschaft der Polizei entrissen und den Schwurgerichten( d. h. dem Bürger­thum) unterstellt, überhaupt das Bürgerthum muß gekräftigt werden, wenn die Arbeiter aufhören sollen, der Sozialdemokratie, dieser Feindin der bürgerlichen Gesellschaft, zuzulaufen, dies bas Rezept der Liberalen.

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Ehe die Kirche nicht in alle ihre früheren Rechte eingesetzt, gleichberechtigte Macht neben dem Staat( d. h. der Staat ihr Polizeidiener) wird, wird auch die Sozialdemokratie nicht ausgerottet werden, dies das Rezept der Ultramontanen.

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Und mit gewissen Variationen stimmen die verschiedenen Zwischenparteien je nach ihrer Natur in einen dieser drei Grund­terte ein.

Thatsächlich ist auch, und das ist gerade das Charakteristische bei der Sache, an allen dreien etwas Wahres.

Gewiß, das Wachsthum der Sozialdemokratie ist ein Zeichen ein Zeichen der wachsenden Abneigung wider den manchesterlichen Libera­lismus.

Gewiß, das Wachsthum der Sozialdemokratie ist ein Protest wider die politische Bevormundung, und die Angriffe auf die moderne Produktion sind Wasser auf ihre Mühle.

Gewiß, das Wachsthum der Sozialdemokratie steht in ursäch­lichem Zusammenhang mit der wachsenden Irreligiosität.

Wäre es möglich, dem wirthschaftlichen und politischen Libera­lismus, zu gleicher Zeit aber auch der staatlichen Bevorm: undung ein Ende zu machen, die Macht der Kirche über die Gemüther wieder herzustellen, und bei alledem die moderne Produktion bei zubehalten, dann wäre alle Noth vorbei, dann wäre das Mittel gefunden, den Sozialismus maufetodt zu machen.

Solange man aber das nicht vermag, werden alle die vorge­schlagenen Heilmittel nichts helfen. Einzeln versucht, werden ste nur das Wachsthum der Sozialdemokratie beschleunigen.

Wenn die Norddeutsche Allgemeine" und ihre Geistesvers wandten im Wahlergebniß vom 28. Oktober eine Niederlage des sogenannten Manchesterthums erblicken, so ist das in gewissem Sinne richtig; wenn sie sich aber darüber freuen, so beweist das nur ihre Kurzsichtigkeit.

Darüber indeß ein andermal.

Gehen wir jetzt dazu über, die Konsequenzen zu erörtern, welche unser Wahlsieg für unsere Partei als solche ergibt.

Soviel ist allgemein zugestanden, daß nach diesem Erfolge das Sozialistengeset so wie bisher nicht mehr fortbestehen kann. Man wird es auf andere Art versuchen, uns unschädlich zu machen.

Obwohl es der Geistesrichtung, welche heute in Deutschland  das große Wort führt, am nächsten liegt, glauben wir doch nicht, daß man unter der Motivirung, das Sozialistengesetz sei noch nicht scharf genug gewesen, den Bogen noch straffer zu spannen versuchen wird; wenigstens wird man es nicht so bald thun.

Unmöglich ist es freilich nicht, aber darüber brauchen wir uns teine grauen Haare wachsen zu lassen. Unsere Partei wird auch stärkeren Verfolgungen zu begegnen wissen. Dafür ist uns gar nicht bange.

Eine Aufhebung des Sozialistengesetzes und Ersatz desselben durch Verschärfung der Strafgesetze nach Hänel'schem Muster wäre eher möglich, wenn Bismarck   dafür bie nöthige Majorität findet.

Danach steht es aber zunächst auch nicht aus.

Bleibt noch die Lesart, mit welcher die Nationalliberalen die Arbeiter bei den Stichwahlen zu födern suchten, und wie sie in der Kölnischen Zeitung  " in wahrhaft ergreifender Weise zum Ausdruck kam.

Da hieß es:

Wir sehen ein, daß eine Partei von solcher Stärke wie bie Sozialdemokratie den Anspruch erheben darf, gehört zu werden. Da nun, wie es scheint, die Partei in ihrem Auftreten gemäßigter geworden ist als früher, so würden wir, unter der Voraussetzung, daß die Sozialdemokraten versprechen, sich auf den gesetzlichen Boden zu stellen, gewissen Erleichterungen das Wort reben. Man möge ihrer Presse eine gewisse Freiheit gestatten 2c. 2c. Mit anderen Worten:

Suchen wir die Partei, die wir nicht umbringen können, wenigstens einzuschläfern.

Es ist selbstverständlich, daß eine solche Erklärung, wie sie da unserer Partei zugemuthet wird, von ihr nicht gegeben werden kann und wird; und zwar schon aus dem einfachen Grunde, weil sie eine Lächerlichkeit ist. Will man sehen, wie die Leute, die da so pathetisch von Gesetzlichkeit reben, selbst über die Ge seße denken, sobald ihnen dieselben unbequem sind, so braucht man, ganz abgesehen von dem, was früher war, nur die Art und Weise in's Auge zu fassen, wie sie das Wahlgesetz, das doch vorschreibt, daß die Wahl eine freie und geheime sein soll, in der niederträchtigsten Weise mit Füßen treten. Hätte in Dorte mund statt Lenzmann Kleine gefiegt, es wäre den National­liberalen gar nicht eingefallen, ihn aus ihrer Fraktion auszu­schließen, und wenn es bei der Wahl desselben noch zehnmal ungefeßlicher zugegangen wäre wie diesmal.

Das kommt daher, daß unsere Bewegung nicht die Frucht ist einer willkürlich ausspintifirten Theorie, sondern der modernen Entwicklung in wirthschaftlicher, politischer und sozialer Beziehung überhaupt, daß unsere Partei, dieser Thatsache sich bewußt, keinerlei Utopien nachjagt, sondern ihre Bestrebungen in Einklang setzt mit dem, was wissenschaftliche Beobachtung als in der gesellschaft- 020, selbst 30 sozialdemokratische Abgeordnete im Reichstag lichen Entwicklung begründet nachgewiesen.

Wie es aber Utopie ist, ohne Rücksicht auf diese Entwicklungs­lungsgeseße von heute auf morgen in die kommunistische Gesell­schaft hineinspringen zu wollen, so ist es nicht minder Utopie, wenn man sich einbildet, die Entwicklung der Gesellschaft zurück­bämmen, ja auch nur aufhalten zu können.

Würde sich der Versuch des ersteren an den Anhängern des Kommunismus rächen, so rächt sich der Versuch des zweiten und britten an den Gegnern deff lben.

Zwei Epochen der Geschichte unserer Bartei weisen einen ge­waltigen Aufschwung derselben nach: die der Jahre 1872 bis 77 und die mit dem Jahr 1881 begonnen.

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In der ersten Epoche war der Liberalismus wirthschaftlich und bis zu einem gewissen Grade auch politisch am Ruder. Weit entfernt, unsere Bewegung zu beeinträchtigen, hat die Herrschaft des Liberalismus ihr nur Vorschub geleistet. Darin hat die Norddeutsche Allgemeine" Recht.

Heute ist der reaktionäre Staatssozialismus   am Ruder, die wirthschaftliche Gesetzgebung, fast mehr noch als die politische, ist antiliberal. Die Folge ist, daß trotz aller Versprechungen, aller in Aussicht gestellten Sozialreform, die Unzufriedenheit wächst, die Armee der Sozialdemokratie verstärkt wird.

Ja, wir sind überzeugt, daß der Kampf wider das Man chesterthum", wie er heute regierungsseitig geführt wird, in nächster Zeit noch weit größere Massen in unser Lager treiben wird als bisher- vorausgesetzt natürlich, daß wir nie unter­lassen, zu betonen, daß unser Kampf gegen den wirthschaftlichen Liberalismus nichts gemein hat mit dem der Agrarier, Zünftler und des sonstigen Bismarc'schen Heerbannes.

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Nun haben die Herren, die wohl ahnen mögen, daß wir auf eine solche Komödie nicht eingehen, noch einen Reservetrost.

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find weit ungefährlicher als 10 oder 5", sagen sie, weil dies selben auf größere Wählermassen Rücksicht zu nehmen haben und dadurch auch gewungen sind, mit den realen Verhältnissen zu rechnen."

Warten wir's ab. Vorläufig können wir nur dem Nachsatz beipflichten, dieſem allerdings voll und ganz.

Ja, es ist richtig, die sechshunderttausend Wähler, die der Sozials demokratie ihre Stimme gegeben, die Vertreter derselben in einer Zahl wie nie zuvor in den Reichstag   entsendet, legen unserer Partei auch größere Verpflichtungen auf, haben ein Recht, von ihr zu verlangen, daß ihre Abgeordneten die Macht, die sie in ihre Hände gelegt, auch zweckentsprechend benüßen. Unsere Partei hat die moralische Pflicht, nicht in abwartender Haltung zu verharren, sondern den realen Bedürfnissen ihrer Wähler durch die That Rechnung zu tragen.

Jener Einzelne von uns ist sich dieser Konsequenz unseres Wahlfieges klar bewußt, und daß unsere Abgeordneten nicht ge­willt sind, sich dieser Verpflichtung zu entziehen, werben Freund und Feind unserer Partei bald genug erfahren. Wenn es wahr ist, was von gewisser Seite geflissentlich verbreitet wird, daß Bismarck   sich mit der unbequemen Thatsache unseres Wahlfieges mit der Redensart abgefunden hat, gegenüber den Deutsch  - Frei­finnigen seien die Sozialdemokraten das kleine Uebel, so ver sprechen wir ihm, daß er an dem kleineren Uebel seine Freude erleben soll. Unfruchtbare Negation" werden wir nicht treiben. Nahezu 600,000 Reichstagswähler haben der Sozialdemokratie ihre Stimme gegeben, in fast allen größeren Stäbten des Reiches ist es trotz Ausnahmegefeßes unsere Partet, die entweder dominirt oder bei den Wahlen das entscheidende Wort spricht. Die Gegner

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