fühlen eS, sie gestehen eS zu, daß Dai.k ihrer eisernen Disziplin, Dank ihre« geschlossenen Zusammenhaltens die Sozialdemokratie ein Faktor im öffentlichen Leben geworden ist, dessen Stimme unter allen Umständen gehört werden muß, und wir sollten das vergessen? O nein, wir wissen e« sehr wohl und werden dementsprechend vorgehen. Wir werden nicht so geschmacklos sein, den Reichstag mit Anträgen zu behelligen, die unter den Heuligen Verhältnissen unauSsührbar stnd, ganz gewiß nicht, denn das wäre allerdings daS»kleinere Uebel"; wir werden vielmehr ganz real-politisch vorgehen, so realpolitisch, wie man eS nur wünschen kann. Hunderttausende deutscher Arbeiter erwarten von der Sozialdemokratie Wahrung ihrer Interessen, sie sollen ich in dieser Erwartung nicht getäuscht sehen! Der erste Antrag aber, den unsere Abgeordneten einbringen dürsten, der den realen Bedürfnissen ihren Wähler durchaus Rechnung trägt, und dessen Schicksal bereits Zeugniß davon ab- legen wird, wie weit stch der Reichstag der Bedeutung der sozia-' listischen Wahlerfolge bewußt ist, dieser Antrag lautet: Ab- schaffung deS Sozialistengesetze». Z>ie Stichwahlen sind bis zur Stunde, da dies Blatt in die Presse kommt, in einer Weise verlausen, daß wir wohl zufrieden sein können. Freilich haben wir leider Hanau und Mainz eingebüßt, aber doch nur, weil im erst- genannten Wahlkreise die Herren Deutsch -Freisinnigen da, wo sie sich nicht im Wahlkreise M a i n z- O p p e n h e i m die große Masse der N atio na l- der Abstimmung enthielten, für den konservativen Kandidaten, und liberalen für den Ultramontanen stimmten. Auf solche Nieder- lagen müssen wir stets gefaßt sein, denn wir stehen nun einmal im Kampf mit allen bürgerlichen Parteien. Nur wo der Haß derselben gegen einander momentan starker ist als der Haß gegen uns, stimmen sie gelegentlich für unsere Kandidaten, was wir ihnen natürlich nicht verbieten werden, was uns aber in unserer Stellung zu ihnen nicht irre machen kann. Unterlegen sind wir ferner in Darmstadt , worüber an anderer Stelle Näheres zu lesen, in Königsberg , in Dresden und in Frankenthal -Speyer , wo der Abwechselung halber die Ultra- montanen durch strenge Wahlenthaltung den Nationalliberalen zum Siege verholfen haben. Gesiegt haben wir dagegen, und zwar glänzend, in Barmen-Elber- f e l d, serner in Offenbach , in Solingen , in Frankfurtam Main , in beiden Breslauer Wahlkreisen, in Magde- bürg, in Nürnberg , in Hannover , in München II. In Frankfurt am Main haben sich nur ein Theil der National- liberalen und Konservativen durch die Jammerrufe derFrankfurter Zeitung " erweichen lassen, für Sonnemann zu stimmen, während der größere Theil derselben sich der Abstimmung enthielt. Andere sollen aus Fanatismus für Sabor gestimmt haben. Ob dem wirklich so ist, ist uns ziemlich gleichgültig, wir haben um die Stimmen dieser Leute nicht gebuhlt, aber als lächerlich müssen wir es bezeichnen, wenn die Frankfurter Zeitung " den ganzen Zuwachs von Stimmen für Sabor aus Konto der Gegner schreibt. Das hat sie vor drei Jahren bei Döll auch gethan, trotzdem sich ziffernmäßig nachweisen ließ, daß der Haupt- Zuwachs aus den Arbeitervierteln kam. Im Uebrigen scheint die Nieder- läge ganz wohlthätig auf dieFrankfurter Zeitung " eingewirkt zu haben, sie hat, das Zeugniß müssen wir ihr ausstellen, mit leidlichem Anstand resignirt, und schreibt auch jetzt der Situation angemessener. Eingehenderes über unsere Stichwahlen in nächster Nummer. In Wahlkreisen, wo unsere Genoffen zwischen den Gegnern den Aus- schlag gaben, sind dieselben mehrfach zu Gunsten deutsch freisinniger und volksparteilicher Kandidaten eingetreten. Insoweit dabei das politische Programm und die Ehre unserer Partei gewahrt wurden, können wir das nur billigen. Die Jntereffen der Arbeiterschaft erhei- fchen es, daß Kutte und Säbel nicht zu üppig werden im Lande. Wir lassen nunmehr die Zusammenstellung der uns bis Redaktionsschluß zugegangen Stichwahlresultate folgen: Es wurden noch sozialistische Abgeordnete ge» wählt: gen. Die Zahl unserer Abgeordneten beläuft sich bis jetzt auf 19. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 13. November 1884. Den Wahlresultaten, welche wir in voriger Nummer mit- getheilt, lassen wir hiermit noch einige folgen, die zwar nicht so gewal- tige Zahlen aufweisen als die bisher gemeldeten, aber doch ein relativ bedeutendes Wachs thum oder ein erfreuliches Wiedererwachen unserer Bewegung in den betreffenden Kreisen bezeugen. Halber st adt-Oschersleben sin folgender Progression seit 1871:) 778; 237«; 191«; 3194 und diesmal H e i n e 3924. Das nächste Mal müssen wir zur zur Stichwahl kommen! Calbe -Aschersleben : 1878: 101«; 1881: 298; 1884: Günther 2214 Stimmen. Glück st adt-Ottensen («. schleswig -holsteinischer Kreis): 1878: 5452; 1881: 1157; 1884: Fr o hm e 3585. Rudolstadt : 1877: 252; 1878: 219; 1881: 00; 1884: Bock 825 Stimmen. Celle (14. hannoverscher Kreis): 1877:«81; 1878: 725; 1881: 437; 1884: Warncke 8K4 Stimmen. Antwort auf die Maß- r egelung! Danzig : 1878: 114; 1881: 44; 1884: Bebel 577. Kölner Landkreis: 1877: 1234; 1878: 1444; 1881: 1514; 1884: Bebel 2700. Die sozialistische Presse des Auslandes und die deutschen Wahlen. Wir haben in der vorigen Nummer eine Reihe von Auszügen aus der sozialistischen Preffe des Auslandes ge- bracht, um darzuthun, welche Begeisterung allerorts der glänzende Wahl- sieg unserer Partei hervorgerufen. Es war das eigentlich verfrüht, denn in den uns seitdem zugegangenen Blättern kommt diese Begeisterung in noch viel höherem Maße zum Ausdruck, wird die Tragweite unseres Sieges noch weit eindrucksvoller zum Ausdruck gebracht, so daß wir uns fast versucht fühlen, die bereits zitirten Organe noch einmal zum Wort kommen zu lassen. Das würde indeß doch zu viel des Guten sein, und somit begnügen wir uns damit, hier nur noch diejenigen ge- sinnungsgenössischen Blätter sprechen zu lassen, welche in voriger Nummer fehlen. Die anarchistischen Organe erhalten an anderer Stelle das Wort, da wir sie zur sozialistischen Presse nicht rechnen können. DieWahrheit", das Organ unserer ö st e r r e i ch i s ch e n Ge- sinnungsgenossen, schreibt: Die deutsche Sozialdemokratie ist widerstandsfähig geblieben, weil die deutschen Arbeiter den Verlockungen der Anarchisten, die Propaganda der That aufzunehmen, nicht Folge geleistet, sondern die Verführer un- schädlich gemacht haben; sie ist widerstandsfähig geblieben, weil sie jene desorganisirten Elemente, die blos Organisationen zu zerstören vermögen, von vorneherein zurückgewiesen und so ihre Reihen kompakt erhalten hat; sie ist widerstandsfähig geblieben, weil sie alle Jene, die Mißtrauen gegen die Vertrauensmänner der Partei säten, ohne greifbare Anhaltspunkte für ihre Anschuldigungen zu bieten, aus ihren Reihen entfernte; sie ist widerstandsfähig geblieben, weil sie den Zusammenhang mit dem allge- meinen Volksbewustsein aufrecht erhielt und der thatsächlichen Entwick- lung gegenüber jederzeit die Interessen des Arbeiterstandes vertrat. Wie viel ist in all' dem in Oesterreich gesündigt worden!"... Die Genossen in Deutschland mögen nicht für sich allein gear- beitet, gelitten und gesiegt haben; sowie sie für den internationalen Sozialismus kämpften, sollen auch die Erfolge ihres Kampfes den Ar- beitern aller Länder zu Gute kommen. Kann dieser Erfolg für uns heute auch nur ein moralischer sein, so wollen wir uns doch diesen nicht entgehen lassen. Wir wollen kämpfen im Geiste unserer Genossen im deutschen Reiche, mit derselben Treue an unseren Prinzipien festhalten, mit derselben Ausdauer und mit demselben gegenseitigen Vertrauen aus- harren, bis auch uns der Erfolg blüht. Den Genossen in Deutschland aber sind wir zu größtem Danke verpflichtet; der Erfolg, den sie mit schweren Opfern errungen, ist wie ein belebender Sonnenstrahl für uns, er wird Viele sehend machen, die der Anarchismus verblendet, und Manche mit neuem Muthe erfüllen, welche die traurigen Parteizustände in Oesterreich wankend machte.- Den deutschen Arbeitern unseren Dank und unseren Glückwünsch; sie haben die kühnsten Erwartungen ihrer Brüder, die schlimmsten Befürchtungen unserer gemeinsamen Gegner übertroffen. Der erste Platz in der sozialistischen Bewegung unserer Zeit gebührt ihnen." *. DasITasvio Operajo"(Arbeiterbund) von Mailand schreibt: Es ist ein großartiger Erfolg, der sogar die kühnsten Erwartungen unserer Genoffen übersteigt und nicht verfehlen wird, auf die Arbeiter der ganzen Welt zurückzuwirken.* Nicht daß die deutschen Arbeiter sich Illusionen hingeben über die Bedeutung der gesetzgeberischen Thätigkeit, welche ihre Vertreter im Parla- ment entfalten können: aber sie wissen, welches gewaltige Propaganda- mittel in diesem direkten Kampf mit den bürgerlichen Parteien steckt, die unter den unermüdlichen Angriffen der in den Reihen der jungen Partei organisirten und disziplinirten Proletarier ihrer Zersetzung ent- gegengehen. Die Thatsachen beweisen glänzend, wie gerechtfertigt und zweckgemäß ihre Taktik ist."____ In Italien , wo unter der arbeitenden Klaffe der Glaube an die Resormthätigkeit der Regierung und an die Möglichkeit einer Harmonie zwischen Kapitalisten und Arbeitern leider noch stark verbreitet ist, macht sich bereits ein gewisses Streben nach Unabhängigkeit von allen anderen Parteien bemerkbar, und sicherlich wird das Beispiel von der Stärke ihrer deutschen Brüder die italienischen Arbeiter anfeuern und ermuthi- gen, offen den Kampf gegen die Bourgeoisie aufzunehmen, und so die Reihen jener Armee zu vermehren, auf deren Banner geschrieben steht: Die wirthschaftliche und sozialeEmanzipation aller Arbeiter. DieNewAorker Volkszeitung" schreibt in ihrer Nummer vom 30. Oktober: Wahrlich! Jeder Einzelne von diesen Kämpfern hat sich benommen wie ein Held! Sie haben gelitten und gerungen für die Sache der ganzen Menschheit! Ermuthigung sür die Leidenden und Kämpfenden des gan­zen Erdballs das ist die Frucht jener gewaltigen Demonstration, die vorgestern stattgefunden hat. Aus vollem Herzen unseren Glückwunsch den tapferen Genossen in der alten Heimat! Die denkenden Arbeiter Amerika's sind stolz auf sie und können nichts Besseres thun, als diesem hehren Beispiel nacheifern. Hoch Deutschland's Sozialdemokratie! Hoch die Vereinigung und der Klassenkampf der Proletarier in allen Ländern!" Unsere amerikanischen Genossen, die so viel zur Unter­stützung der Partei in ihrem Wahlkampfe gethan, haben in den meisten größeren Städten Versammlungen zur Entgegennahme des Wahlresultates auf Mittwoch den 29. Oktober abgehalten. Die Parteileitung derselben hatte sich behufs telegraphischer Benachrichtigung mit Genosse Bebel in Verbindung gesetzt. Mit welchem Jubel die Siegesnachrichten von den Treugebliebenen drüben aufgenommen wurden, kann man sich leicht vorstellen. Die Be- geisterung, welche bei der Verlesung des Telegrammes in der von 800 Personen besuchten Versammlung unserer New Porker Genossen herrschte, spottet, wie die dortigeVolkszeitung" berichtet, jeder Beschreibung. Wilhelm Ufert, Otto Reimer und Alexander Jonas würdigten in feurigen Ansprachen die Bedeutung des Wahlkampfes und Wahlsieges, und zum Schluß wurde unter stürmischer Begeisterung be- schloffen, ein Glückwunsch-Telegramm an unser Blatt abzusenden. Wir haben dieses Telegramm bereits in Nr. 44 abgedruckt, aber, da es erst nach Redaktionsschluß eintraf, an ungünstiger Stelle; es folge deshalb in der Fassung, wie beschlossen, hiermit noch einmal: Massenversammlung New Docker Sozialisten sendet der deutschen Sozialdemokratie Glückwunsch zum Wahlsieg." Weitere, uns für diesmal zu spät zugegangene Berichte in nächster Nummer. ** * Hierher gehört auch folgende uns zur Veröffentlichung zugegangene Resolution: Resolution des Kommunistischen Arbeiter-Bil- dungsvereins, 49 Tottenham Street, London , beschloffen in der Sitzung vom 1. November 1884: Die heutige Versammlung gibt ihrer Freude über das Wahl- Resultat der Sozialdemokratie in Deutschland Ausdruck und ver- spricht, nach besten Kräften die Genoffen in Deutschland im Stich- wahlkampfe zu unterstützen, sowie fest zur Fahne der Sozialdemo- kratie zu stehen. Die Genossen in Londo n." Ein Eingeständniß. Ueber die Wahl in Hamburg schreibt die HamburgerReform", das Organ der dortigen Fort- schrittler: Der Ausfall der Wahlen in Hamburg ist nicht gerade überraschend, aber dennoch hat sich manche Hoffnung als Täuschung herausgestellt, über deren Ursachen nachzudenken sich wohl der Mühe lohnt. Um es kurz herauszusagen, die Hoffnungen der deutsch -freisinnigen Par- tei, den dritten Wahlkreis wieder durch den alten wackern Dr. Ree vertreten zu sehen, sind leider vernichtet, und die Chancen, die Herr Adloff im zweiten Wahlkreis hatte, verblaßten auch vor der ge- waltigen Stimmenzahl der Sozialdemokraten, den zünstlerischen Machi­nationen und der Indifferenz der Wähler. Wer behaupten wollte, daß die kolossale Stimmenzunahme für die sozialdemokratischen Kandidaten auf l o k a l e Z u st ä n d e zurückzuführen wäre, würde sich schwer täuschen, denn diese ist die gleiche in ganz Deutschland , und Die- jenigen, die da immer behaupten, eine Einigung der nichtsozialistischen Parteien könne die Sozialdemokraten besiegen, sind bislang noch den Beweis für ihre Behauptung schuldig geblieben. Es ist nur ein einziges Mal im zweiten Wahlkreis in Hamburg gelungen, durch Zusammenwirken der sogenannten Ordnungsparteien letzteren den Sieg zu verschaffen. Es war das bei der Wahl Bauer's. Der Sieg wurde damals nur mit einigen hundert Stimmen erfochten, trotzdem die sozialdemokratische Partei erst wenige Jahre bestand und lange nicht an ihre jetzige Bedeutung heranreicht e."____ ----Am überraschendsten wirkt das Plus der 14,000 sozialdemokra- tischen Stimmen. Nach unserer Ansicht spricht dies Plus, das sich in ganz Deutschland wiederholt, laut und deutlich, daß die breiten, unteren Massen des Volkes sehr unzufrieden mit dem herrschenden politischen und wirthschaftlichen System sind, mit dem politischen, weil es die Ar- beiter, Dank dem Sozialistengesetz, mundtodt, sie politisch rechtlos macht und sie gegen die Staatsordnung erbittert; gegen das wirthschaftliche System, weil überall Arbeitlosigkeit, Niedergang der Geschäfte und Theuerung herrschen, trotz der gerühmten neuen wirthschaftlichen Aera. Wir wollen nicht behaupten, daß diese mißlichen Zustände gerade eine direkte Folge des Schutzzolles und andererSegnungen" sind, es gibt dergleichen Erscheinungen auch in anderen Ländern. Aber man soll dann wenigstens nicht die Miene annehmen, als ob die wirthschaftliche Umkehr und die gerühmte Sozialreform das Loos des vierten Standes irgend- wie zu bessern in der Lage wären. Es ist an sich gegen das Kranken- und Unfalloersicheryngsgesetz nichts einzuwenden als seine Unfertigkeit, das Prinzip ist zu loben, aber das Prinzip ist weder neu noch durchgreifend. Es handelt sich darum, dem gesunden Arbeiter Brod zu schaffen, und das hat dieSozialreform", durch die man die unteren Massen nur noch begehrlicher macht, nicht zu bewirken vermocht. Also fort mit den großen Worten!" Das ist so ziemlich das vernünftigste Urtheil, das wir in der deutschen Presse über das Wachsthum unserer Stimmenzahl gefunden. DieRe- form" hat auch vom Bourgeoisstandpunkt ganz Recht, wenn sie zum Schluß ausruft:Fort mit den großen Worten!" Die großen Worte vonSozialreform".Soziales Königthum"«. haben der Sozialdemokratie nicht einen Anhänger abtrünnig gemacht, wohl aber viele Arbeiter auf- gerüttelt. Von großen T h a t e n, d. h. wirklich durchgreifenden Maßregeln zur materiellen Hebung der Lage der Arbeiterklaffe, wollen die königlich preußischen patentirten Sozialreformer ebenso wenig wissen als ihre liberalen Gegner. Gut geantwortet. Jn Darmstadt ging es heiß her bei der Stichwahl. Die Nationalmiserablen boten Alles auf, ihren Kandi- baten, den Bierbrauer Ulrich, durchzudrücken. Auf einen ehrlichen Kampf wollten sie es nicht ankommen lassen, und so setzten sie es denn zunächst durch, daß unfern Genossen jede Versammlung von der Polizei unmöglich gemacht wurde; dann verfertigten sie nach dem Muster Putt- kamerchen's ein Flugblatt, das neben einigen aus dem Zusammenhang gerissenen Stellen aus demSozialoemokrat" eine ganze Speisekarte von blutrünstigen Kraftphrasen der MostischenFreiheit" enthielt, und schließlich entblödete sich diese erbärmliche Gesellschaft nicht, unserem Kandidaten, Bildhauer Philipp Müller, dafür, daß er vor einigen Jahren wegen Majestätsbeleidigung zu einem Jahr Gesängniß verurlheilt worden war, die politische Ehre abschneiden zu wollen. Man kann sich denken, wie sehr eine so gemeine Handlungsweise die Darmstädter Arbeiterschaft empörte. So deutlich gaben die Arbeiter schließlich ihre Erbitterung zu erkennen, daß die wohlweisen Behörden es sür zweckmäßig hiellen, Militär zu konsigniren; und in der That, nur wenig hätte gefehlt, und es wäre zum Blutoergießen gekommen, was natürlich gewissen Leuten sehr in den Kram gepaßt hätte. Außer einem kleinen Flugblatt, in welchem diese Manöver der Ratio- nalliberalen gebührend gebrandmarkt wurden, erließen die Genoffen noch ein zweites, in welchem Genosse Müller das Schimpsblatt der Ratio- nalliberalen widerlegte, und zwar in einer Weise, der wir nur Bei; all zollen können. Statt sich zu entschuloigen oder gar abzuleugnen, kehrte Müller den Spieß um und unterwarf das nationalliberale Machwert einer ebenso sachlichen wie schneidigen Kritik. So antwortete er auf den Vorwurf(!), er erstrebe die Republik : Drei der ersten Kulturvölker der Erde sind gegenwärtig republikanisch regiert und fühlen sich augenschemlich sehr wohl dabei. Wir sehen 50 Millionen Nordamerikaner, 36 Millionen Franzosen und 3 Millionen Schweizer unter der republikanischen Staatsform leben! Ist es denn ein Verbrechen, wenn mit mir einige Millionen Deutschen die Ansicht hegen und diese im Rahmen der allgemeinen Gesetze dafür Propaganda machen? Die Nationalliberalen, die diesen Vorwurf so heftig gegen mich er- heben, haben vergessen, daß all' ihre alten Führer im Jahre 1848 und 1849 für die deutsche Republik thätig waren. Und wenn die Herren, wie die Fama sagt, nicht sehr tapfer waren bei der Vertheidigung der Volksrechte, so ist das ein Naturfehler, der sich auch auf die gegenwärtigen Führer der Nationalliberalen vererbt hat, für welchen sie wahrscheinlich nicht verantwortlich gemacht werden können." Den Vorwurf der M a j e st ä t s b e l e i d i g u n g bei dem in Deutschland systematisch, und zwar von allen bürgerlichen Parteien gezüchteten Byzantinismus sehr wohl berechnet wies Müller mit dem Hinweis zurück, daß diese seinerzeit rein politischen Motiven ent- sprang und setzte hinzu: Daß mich diese Strafe nicht deprimirte, geht daraus hervor, daß ich, als mir bei Gelegenheit der goldenen Hochzeit des Kaisers die Thore des Gefängnisses geöffnet wurden, erklärte:Nie und nimmer- mehr würde ich Gnade annehme n." Und auf den Vorwurf der Vertheidigung der Pariser Kommune und der Revolution antwortete Müller vortrefflich: Was war die Pariser Kommune ? Eine revolutionäre Erhebung des Kleinbürgerthums, der Arbeiter von Paris , gegen die unter ver deutschen Okkupation gewählte reaktionäre Kammer in Versailles , als deren Haupt späler sich Herr Mac-Mahon entpuppte. Die Pariser Kommune hat einen berechtigten Kern, insoweit sie für die Verwirklichung der. preußischen Städteordnung kämpft, erklärte Fürst Bismarck im April 1371 im deutschen Reichstage. Nun, sie kämpfte für noch etwas mehr, für die Befreiung des Kleinbürgerthums von der erdrückenden Wucht des Kapitals. Ich habe die Kommune gegen die nichtswürdigen Verleumdungen und Uebertreibungen der feindlichen Preffe in Schutz genommen, jede ihrer Handlung.» zu vertheidigen, ist mir nie eingefallen. Zudem hat Frankreich , das in erster Linie wissen muß, was die Kommune gethan, die Kommunards sämmtlich a m n e st i r t, und da sollten die deutschen Liberalen aushören, sich lächerlich zu machen. Jede revolutionäre Bewegung hat wie jeder Krieg Ausschreitungen im Gefolge, die auf's Höchste entfachte Leidenschaft macht kopslos und blind." ...Und nun gar diese Liberalen, die mich einenRevolutionär nennen, vergessen, was sie und ihre Väter gethan? Wer hat denn die Revolutionen des letzten Jahrhunderts in allen Ländern Europas ge- macht? Antwort: Nur die Liberalen. Ihre Väter haben die große Re- volution von 1789 mit lautem Jubel begrüßt, sie haben lheilweise sich dabei betheiligt und waren gute Freunde verSchreckensmänner" des Konvents; diese Liberalen haben die polnischen Revolutionen unterstützt und beklatscht, sie haben die Bolksbewegungen von 1830 und 31, die Revolutionen von 1 848 und 49 hervorgerusen und zum Theil mit den Waffen in der Hand unterstützt. Und wie nun, wenn ich diese Herren, die mich für jede Handlung der Kommune verantwortlich machen wollen, für die Niedermetzelung von Lichnowsky und Auerswalde in Frankfurt , für d»e Strangulirung Latour's in Wien u. s. w. verantwortlich machen wollte? Und wenn ich die Niedermetzelung der Kormunards verurtheilte, haben die Liberalen nicht auch die Soldateska verurtheilt, als sie Blum, Trützschler, Dortu und viele Andere füstlirte? Die Männer von 1843 und 1849 waren Revolutionäre, wie jene von 1871, nicht mehr und nicht weniger! Wähler! Ihr seht aus der Anführung dieser geschichtlichen Thatsachen, mit welch' schlechten und heuchlerischen Waffen heute die Liberalen kämpfen, sie treten ihre eigene Vergangenheit mit Füßen und beschmutzen das Andenken ihrer Vorsah- ren und Vorkämpfer. Wähler! Ich heuchle nicht, ich kämpfe mit offenem Visir; mein Prof gramm kennt Ihr, und nun entscheidet, auf welche Seite Ihr Euch bei der Stichwahl stellen wollt." Das ist männlich gesprochen, und die 7500 Stimmen, die Müller