mals sein nimmermehr aber an Veränderung ihrer Taktik denken. Ob wir 24 Abgeordnete haben oder l Z, in Bezug auf unseren Antheil an positiver Gesetzgebung ist daS einerlei. Mit 24 Abgeordneten haben wir ebensowenig eine Majorität wie mit 13, und so naiv wird wohl Niemand sein, zu glauben, durch unseren Wahlsieg seien unsere Feinde plötzlich bekehrt und aus selbstsüchtigen, eigennützigen Vertretern des Klassenstaates plötzlich in schwärmerische Menschheitsbeglücker umgewandelt worden. Nein die Lehre des letzten Wahlkampfes wollen wir, gleich seinen anderen Lehren, wahrlich nicht vergessen, daß der Sozialdemokratie gegen- über alle übrigen Parteien sich solidarisch fühlen undeine reaktionäre Masse" bilden. Der Unterschied gegen früher besteht nur darin, daß wir jetzt nicht mehr verhindert sind, p r o g r a in m a t i s ch e Anträge einzubringen, und in Gestalt von Anträgen unseren Forderungen und Anschauungen Ausdruck zu verschaffen, j, Und ferner, daß 24 Männer eine größere Summe von Arbeit zu leisten im Stande sind als 13. Das ist Alles. Von einem prinzipiellen Unterschied kann nicht die Rede sein. Mit den erhöhten Pflichten und gesteigerten Anforderungen erwachsen uns aber auch größere Gefahren. Dessen sind wir uns voll bewußt. Der Parlamentarismus hat etwas Vergiftendes und Entman- nendes. Geben wir uns ihm hin, so sind wir verloren. Unter allen Umständen muß festgehalten werden, daß der Parlaments- rismus das Wort hier im Sinne von parlamentarischer Thätigkeit gebraucht uns nur Mittel ist, nicht Zweck. Wohlan, wir werden das Mittel niemals zum Zweck werden lassen die Partei möge unbesorgt sein. Die Erwählten der deutschen Sozial- demolratie werden aus dem glatten Parlamentsparkett, das schon Vielen verderblich geworden ist, nicht zu Falle kommen. Vorstehendem Artikel aus der Feder eines unserer hervorragendsten Vorkämpfer haben wir unserseits Folgendes hinzuzufügen. Wenn dasBerliner Tageblatt" aus unserem Artikel in Nr. 46 ein Damaskus " hat herauslesen wollen, so läßt uns das sehr kühl. Gegen Mißdeutungen kann man sich eben nicht schützen; haben doch unsere Gegner auch aus dem Wahlmanifeste unserer Partei bereits einDa- maskus" herauslesen wollen. Daß wir t h a t s ä ch l i ch bezüglich der Ausgaben unserer Partei im Reichstag mit dem Einsender durchaus ein- verstanden sind, ergibt sich, wenn wirklich der obenerwähnte Artikel einen Zweifel zulassen sollte, aus den seitdem erschienenen Nummern unseres Blattes bis zur Evidenz. Und so leid es uns thäte, auch nur einen Augenblick von unserem werthen Mitstreiter mißverstanden worden zu sein, so sehr freut es uns, diese unsere thatsächliche Uebereinstimmung mit ihm in allen wesentlichen Punkten ausdrücklichkonstatiren zu können. Was nun die Frage der Beseitigung des Sozialistengesetzes anbetrifft, so haben wir allerdings der V e r in u t h u n g Ausdruck gegeben, daß unsere Abgeordneten einen diesbezüglichen Antrag einbringen würden, wozu wir übrigens nicht durch dieFrankfurter Zeitung " veranlaßt wurden, sondern durch Organe, welche wir eher für unterrichtet halten durften wir gestehen aber gerne zu, daß bei einem derartigen Antrag vorher sehr sorgfältig erwogen werden muß, ob er nicht gerade von unseren Gegnern als ein Vorwand benutzt werden könnte, im entgegen- gesetzten Sinne zu stimmen. Und daß wir unseren Gegnern für ihre Gesinnungslumperei keinen Vorwand zu liefern haben, steht außer Frage. Schließlich müssen dieselben ja ohnehin binnen Jahresfrist in dieser Beziehung Farbe bekennen. Ja, schon bei der bevorstehenden Debatte über die diesjährigeDenkschrift, den kleinen Belagerungszustand be- treffend", wird man den Herren ganz gehörig auf den Zahn fühlen kön- nen. Wie wir also schon in Nr. 47 erklärt, überlassen wir es ganz selbstverständlich der Fraktion, das Für und Wider zu erwägen. Nur Eines möchten wir in dieser Beziehung noch besonders betonen, was nach unserer Ansicht nie außer Acht gelassen werden sollte. Man spricht immer von der Wirkung des Sozialistengesetzes auf unsere Partei, ob es derselben geschadet oder genützt habe tc. Wir meinen, das ist eine Frage, über welche die Gegner sich herumstreiten mögen, die aber für uns Sozialisten ganz und gar gleichgültig ist. Die Sozial- demolratie wird mit oder ohne Sozialistengesetz ihren Weg gehen, als Parteipfeifen wir auf das Gesetz", darüber kann kein Zweifel ob­walten. Aber das Sozialistengesetz, das unsere Partei weder vernichten, noch auch nur aufhalten kann, schädigt ganz enorm die Arbeiter als K l a s s e. Es lähmt in außerordentlicher Weise die Organisationen der Arbeiter zur Wahrung ihrer Klasseninteressen. Dank ihm schwebt über allen Arbeiteroereinigungen, welchem Zwecke dieselben auch immer gewidmet sind: Bildungs-, Geselligkeits- oder Berufszwecken, das Da- moklesschwert der polizeilichen Auflösung, was in gg von 100 Fällen gleichbedeutend mit einem Verbote derselben, und in dem e i n e n Falle, wo solche Vereinigungen trotzdem bestehen, sie an einer freien Entfaltung hindert, sie unter eine entwürdigende Vormundschaft zwingt. Auf diese Wirkung des Sozialistengesetzes, die ja angeblich nicht beab- sichtigt wurde, aber thatsächlich erzielt worden ist, haben wir nach unserer Ansicht das Hauptgewicht zu legen, mit Bezug auf sie unseren Gegnern, die ja bei den Wahlen nicht genug von ihrer Arbeiterfreund- lichkeit zu sagen wußten, zuzurufen: Jetzt beweist durch die T h a t, was ihr in euren Reden erklärt habt; wer es ehrlich meint mit der Arbeiterklasse, der darf ein Gesetz nicht fortbestehen lassen, das ihr ein unwürdiges Joch auferlegt! Nicht im speziellen Interesse unserer Partei, sondern im allge- meinen Interesse der Arbeiterklasse fordern wir die Aufhebung des Sozialistengesetzes. Denn daß die Arbeiter thatsächlich sich durch das Sozialistengesetz beeinträchtigt fühlen, haben sie am 23. Oktober in nicht mißzuverstehender Weise dokumentirt. Unser Liebling". Ein Zeitbild. Vom Rhein . Als nach demglorreichen Kriege gegen unfern Erbfeind" das neue deutsche Reich, das Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte, gegründet wurde, schössen in allen Städten Singspielhallen, vulgo Tingeltangel, wie Pilze aus der Erde. Unter dem pomphaften Titel: Kaiserhalle, Kaisersaal, Walhalla u. s. w. boten und bieten sie dem kunstliebenden Publikum schlechtes Bier resp. Wein und miserabeln Gesang. Die Kunst- lerinnen produziren sich mit ihrer blechtrompetenartigen Stimme, und erregen durch ihre Zoten und Zwei-, richtiger Eindeutigkeiten einen wah- ren Beifallssturm bei dem gebildeten wein- und bierbenebelten Publikum. Nach Schluß der Vorstellung sind sie auch gern erbötig, gegen nicht zu karges Entgelt ihr horizontales Handwerk zu üben, wie es der alte Cpniker Heine nennt. An den Wänden des Lokals erblickt man die Bilder der vaterländischen Helden, und der Heldengreis Wilhelm der Siegreiche nickt verständnißinnig in Gestalt einer meist sehr ange- schmauchten Gypsfigur huldvoll aus die Versammelten, die Edelsten der Nation, die Blüthe des Bürgerthums, hernieder. Zur Zeit der Kirmessen, Jahrmärkte u. s. w. steigen diese Künstlerinnen auch in den kleineren Städten und sogar auf den Dörfernzum Volke herab", unddie berühmte Hofopernsängerin Arabella aus Berlin "(rectius Caroline Meyer aus Buxtehude ) produzirt sich einem hochverehrten Publikum, das offenen Mundes die etwas knapp gekleidete Fee anstarrt. Die Zoten schlagen durch, das Publikum geräth in Begeisterung. Da plötzlich beginnt die Sängerin ein Lied:Unser Liebling", dessen Text so dumm ist, daß es die Druckerschwärze nicht weith ist. Es handelt von den Heldenthaten des Heldengreises, und der Refrain:Kaiser Wilhelm hoch, Deutschlands Schirm und Hort" wird von der ganzen Ronde frenetisch mitgeheult, wozu dann die Künstlerin den Takt in sehr taktvoller Weise mit den Beinen angibt. Es wird äa cap.i verlangt, und noch einmal geht der Trubel los. Text, Mustk, Künstlerin, Stimme, Publikum, Alles paßt vortrefflich zusammen, und wenn der Heldengreis nicht als Gypsfigur, sondern in Person zugegen wäre, wahrlich, er würde gerührt werden von der Liebe seiner getreuen Unterthanen. Einen gewöhnlichen Menschen würde es allerdings geniren ich speziell würde mich schämen, wenn mein Lob aus solchem Munde oder in solcher Gesellschaft gesungen würde aber das scheint jahöheren Orts" nicht der Fall zu sein, sonst würde doch wohl die allwissende Polizei einen Stock vor diese rührende Begeisterung stecken, was bekanntlich nicht ge­schieht. Im Gegentheil; der Herr Amtmann und der Herr Bürgermeister sitzen vertraulich dabei, hören schmunzelnd dem Spiele zu und streiten sich darüber, zu wie viel Theilen die Künstlerin aus Natur und zu wie viel Theilen sie aus Kunst besteht.Was sie hatte, war von Watte," meint der Eine, aber der Andere, kindlichen Gemüthes, will wohl schwören, daß sie so echt sei wie ihr Patriotismus, und darin mag er recht haben. Und wenn sie endlich das Lokal verlassen, schwer beladen schwankt der Wagen so seufzen sie in ihrer Herzensbetrübniß darüber, daß die bösen Sozialdemokraten so sehr überhand nehmen, die ja die Ehe ab- schaffen wollen, und denen weder Religion jhu!) noch Moral shu! hu!) noch sonst etwas heilig ist. Und besteigen sie endlich das schöngebordete Lager an der Seite der liebenden Gattin, so schweben ihnen noch im Traume die prallen Waden und sonstigen Requisiten der besagten Ära- bella vor, und am andern Tage erzählen sie mit Hochgenuß, daß der Patriotismus, Gott sei Dank, doch noch immer in herrlicher Blüthe steht, trotz Sozialdemokratie und gesunder Vernunft. Das Eine muß man den Künstlerinnen lassen: sie kennen das g e- bildete Publikum und wissen, was sie ihm bieten können. Vor Allem aber fühlen sie instinktiv, wo ihr Schutzpatron sich befindet. Sie wissen, daß der Heldengreis ihrem Metier hold ist, und mit Vorliebe den Künst- lerinnen zusieht, die in Anbetracht der schlechten Zeiten sich möglichst knapp kleiden und die Musik mit den Beinen machen. Sollten die Tingeltangeleusen sich, dem heutigen Zeitgeiste folgend, viel- leicht über kurz oder lang zu einer Innung mit korpora - tivenRechten, mit L e h r li n g s-, Gesellen- und Meister- Prüfung vereinigen, so mögen sie sAckermann mit der weißen Weste, wo bist du?!) nur getrost dem Heldengreise das Protek- torat anbieten, er wird es sicher mit Hochgefühl annehmen, denn für das Ewigweibliche hat Hochderselbe bekanntlich(wenn es nicht gar zu alt- backen ist) ein beneidenswerthes Verständnih und eine rührende Vorliebe. Wundern sollte es mich übrigens nicht, wenn wir nächstens imReichs- Anzeiger" läsen:Ihre Majestät haben allergnädigst geruht, den Tingel- tangeldirekteur Lehmann zum Geheimen Hosrath zu ernennen, und der Tingeltangeleuse Caroline Meyer den rothen Adlerorden mit der Schleife zu verleihen." Dem Verdienste seine Krone. Ein preußischer Dorfschulmeister, der in Bezug auf Volksbildung ganz polizeiwidrige Ansichten hegt. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 3. Dezember 1384. I n der Reichstagssitzung vom 26. November sprach, an- läßlich des bekannten Diätenantrags, Bismarck nach seiner Gewohn- heit über alle möglichen und unmöglichen Dinge und kam auch auf die Sozialdemokratie zu reden. Bei dieser Gelegenheit brachte er, wiederum nach seiner Gewohnheit, allerlei konfuses Zeug vor und wärmte ver- schieden alten Kohl auf daß wir Sozialdemokraten nur verneinen könnten und nichts Positives vorzuschlagen wüßten, daß er uns gerne eine Provinz(Kamerun oder Klein-Popo?) als Versuchsfeld einräumen wolle und ähnliche Witzchen höchst zweifelhaften Alters und Werthes. Der Mann wird offenbar alt. Aber er sagte auch Einiges, was uns intereffirt, nämlich: die Sozialdemokraten seien ein nützliches Element im Staate, und ihnen sei es zu verdanken, daß mit der Sozialreform endlich ein Anfang gemacht werde. Nun wollen wir nicht die Qualität derSoztalreform" untersuchen, welche Bismarck verzapft: aber wir nageln das Geständniß fest. Bismarck hat da in der That einmal die Wahrheit gesagt. Ohne die deutsche Sozialdemokratie wäre die Sozialreform niemals auf das Pro- gramm der deutschen Parteien und Regierungen gekommen. Doch wie erklärt es sich, daß derselbe Mann, welcher so unumwunden die B e- r e ch t i g u n g und die Verdienste der Sozialdemokratie anerkennt, der Vater des infamen Sozialistengesetzes ist und die so nützliche" und berechtigte Sozialdemokratie auf's Aeußerste verfolgt und zu vernichten trachtet? Was müssen wir von der Ehrlichkeit eines solchen Mannes halten, bei welchem Worte und Handlungen in so flag- rantem Widerspruch stehen? Hielte Bismarck die deutschen Sozialdemokraten für gemeingefährliche Verbrecher, dann wäre das Sozialistengesetz wenigstens logisch. Er hält dieselben aber fürnützliche Elemente" und wenn er sie nichtsdestoweniger mit der Schlinge des Sozialistengesetzes zu erdrosseln sucht, so handelt er also wider besseres Wissen. Dies über die moralische Seite seines Verhaltens. Jetzt zur politischen. Herr Bismarck will offenbar den Glauben in unS erwecken, er meine es au fond ganz gut mit der Sozialdemokratie hat er uns doch ein drittes Dutzend von Abgeordneten gnädigst bewilligt! Woher dieser plötzliche Wunsch, uns zu gefallen? Die Antwort ist sehr einfach. Die deutsche Sozialdemokratie hat bei den letzten Wahlen den Herrn Reichskanzler ihre Macht fühlen lassen. Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Bismarck 'sche Wahlkampagne an der Haltung der deutschen Sozialdemokratie ge- scheitert ist. Hätten wir uns zu Hetzhunden gegen die fortschritt- liche Bourgeoisie hergegeben und die Sozialreform des Junkers Otto für baare Münze genommen, so wäre Bismarck Herr der par- lamentarischen Situation. Die Deutschsreisinnigen wären vollständig an die Wand gedrückt worden, und Bismarck hätte eine feste Majorität. Wir haben ihm dieses Spiel verdorben. Bekehrten wir uns noch nachträglich, überzeugten wir uns von den guten Absichten des biederen Otto und stellten wir ihm unsere Stimmen zur Verfügung, dann könnte er trotz alledem mit diesem Reichs- tag fertig werden. Darum die zärtlichen Liebeswerbungen! Der Herr Reichskanzler möge die Mühe sparen! Wir sind nicht auf seinen Leim gegangen und werden nicht darauf gehen. Wir brauchen seine Erlaubniß nicht, um uns das dritte Dutzend zu holen. Ohne ihn und gegen ihn werden wir uns nicht blos dies holen, sondern noch viel mehr. Vom Arbeitsmarkt. Ueber die Lage der Sammt- und Seiden-Jndustrie wird derFrankfurter Zeitung " unterm 25. November aus C r e f e l d geschrieben: Seit unserem letzten Berichte zu Anfang dieses Monats ist der Markt für Sammt- und Seidenwaaren nur noch st i l l e r geworden. Die Reisenden kehren entmuthigt vom inländischen wie von den aus- ländischen Märkten zurück, das Geschäft für die Seidentextil-Jndustrie ist heute absolut todt. Im Süden, wo während der Cholerazeit das Geschäft vollständig ruhte, trifft man volle Lager, in Deutsch - land häufen sich die Lager mehr und mehr bei absolut man- g e l n d e m A b s a tz an, die Märkte in Frankreich und England sind recht schlecht(ersterer steht unter dem Drucke der noch nicht geschwun- denen Choleragefahr und großen Arbeiterkrisen), und auch in das ame- rikanische Geschäft ist bislang noch nicht das Vertrauen zurückgekehrt. Kleine Verkäufe," so schreibt man uns von Newyork über die allge- meine Geschäftslage, finden zu schlechten Preisen statt. Man versucht wohl von gewisser Seite etwas Begebrenswerthes in den Markt zu werfen, aber der Begehr für die Zukunft bleibt völlig unentschieden, und das einzig Positive, was wir berichten können, ist, daß die Preise für Stapelwaaren aller Art so niedrig sind, daß die Fabrikanten lieber ihre Betriebe schließen und mit ihremLager spekuliren, als daß sie sich zu ferneren Preisreduktionen herbeilassen. Diese That- fache bezieht sich nicht etwa auf eine bestimmte Waarengruppe, sondern überhaupt auf alle Handelswaaren. Bei den Käufern ist absolut keine Neigung vorhanden, über den momentanen Bedarf hinauszugehen." Unsere Fabriken, und zwar sowohl in der Sammt- wie in der Stoff- blanche, sind heute für feste Bestellungen so zu sagen gar nicht beschäf- tigt, ein großer Theil der Handwebestühle steht still, lediglich aus hu- manen(?) Rücksichten werden brave, fleißige, geschickte Weber von den Fabrikanten durch Anfertigung von Lagerwaaren weiter in Beschäftigung erhalten. Die mechanische Fabrik, in welcher ja ichließlrch ein- mal die ganze Sammt- und Seidenweberei aufgehen muß denn davor die Augen zu schließen und nicht bei Zeiten lang- sam Fabrikant wie Weber auf diesen nothwendigen Wechsel in der Pro- duktion immer wieder hinzuweisen, damit auch der Wechsel des Lebens- beruses einer großen Zahl von Arbeitern sich allmälig und geordnet vollziehe, hieße die Rolle des Vogel Strauß spielen hat ebenfalls ihre Thätigkeit bedeutend eingeschränkt. So können wir uns denn heute eigentlich nur mit der nahen Zukunft beschäftigen, und aus den zarten Andeutungen des Begehrs, aus den Dispositionen und En- gagements der maßgebenderen Engros-Häuser hier wie anderwärts Rück- schlüsse auf die nahen Aussichten des Sammt- und Seidengeschästes zu ziehen versuchen. Man ist allgemein der Ansicht, daß das Frühjahr der Winter ist verloren eine entschiedene Wendung zum Besseren, weniger allerdings für die Stoffbranche, wie für Sammt, bringen wird. Faqonnirte Sammte, klein- und großge- musterte, werden für Kleiderzwecke wiederum verwandt werden, und zwar ist außer Satins-Fonds, wie seither, auch Armure-, Ottoman- und Raps-Fonds disponirt worden. Auch für Putzzwecke erwartet man wiederum Nachfrage nach glatten Sammten, wenn auch a u g e n b l i ck- l i ch das Geschäft gerade in diesem Artikel total darniederliegt. Hoffentlich heben sich bei eintretendem Begehr auch die heute so überaus gedrückten Preise wieder. Daß die Fabrik in Sammten aber nicht mehr in demselben Umfange beschäftigt werden wird, wie im Jahre 1883, bedarf angesichts der übersüllten Lager, sowohl in erster wie zweiter Hand, kaum der Beweissührun g." Nun, die Hoffnung auf eineentschiedene Wendung zum Besseren" ist, wie man sieht, keineswegs sehr trostreich, angesichts eines so trostlosen Zustandes ver Dinge, wie er vorher geschildert wurde. Die Lager überall überfüllt, und die Preise so gedrückt wie nur je:Die Fabrikanten ziehen es vor, mit ihremLager zu spekuliren" ein sehr zweckmäßiges Beginnen, welches daraus hinausläuft, dieVerlierer" ganz vom Markte zu verdrängen, der Konzentration in wenige Hände Vorschub zu leisten. Interessant ist auch daS fachmännische Geständniß, daßdie ganze Sammt- und Seidenweberei schließlich in die mechanische Fabrik ausgehen muß" trotz der Fagon-Sammtweberei, in welcher man noch vor Jahresfrist die Rettung der selbstständigen Webermeister erblicken wollte. Alles in Allein predigt der obige Bericht auf's Eindringlichste die Nothwendigkeit der gesellschaftlichen Regelung der Produktion, und als ersten Schritt dazu den gesetzlichen M a x i ,» a l a r V e i t s t a g. Lügen haben kurze Beine. Von Jahr zu Jahr sind die Motive, welche die Verhängung bezw. Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes rechtsertigen sollten, schwächer ausge- fallen, und zwar aus dem ganz natürlichen Grunde, weil sich die H a I t- l o s i g k e i t der Angaben, welche man für diese Proklamirung des Faustrechts in's Feld führte, von Jahr zu Jahr mehr herausstellte, und Herr Puttkamer und Konsorten daher gezwungen waren, einen Vorwand nach dem andern fallen zu lassen. So sind sie denn schließlich diesmal gezwungen, fast ihr ganzes Material aus dem Ausland zu holen. Weil die Arbeiter im Ausland hier und daAusschreitungen" begehen, was beiläufig nur bei den getreuen Freunden von Skierne- w i c e zu Ausnahmemaßregeln benutzt wird, muß über die Arbeiter von Hamburg , Berlin und Leipzig , die keine Ausschreitungen begehen, das Damoklesschwert der Ausweisung gehängt werben, da» dieselben erfahungsgemäh trifft, nicht wenn sie Ausschreitungen verüben, sondern wenn es der Polizei beliebt, sie ihre Macht fühlen zu lassen. Man höre nur: Bei der Gleichartigkeit der Anschauungen und Bestrebungen der deutschen und der ausländischen Sozialdemokratie und bei dem lebhasten Verkehr, welchen die Parteigenossen der einzelnen Länder mit einander und namentlich mit den Anhängern der Partei, in den Hauptagilations- zentren unterhalten, erschien die Annahme nicht ungerechtfertigt, daß, wie in einzelnen anderen Ländern, Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit durch die Sozialdemokratie beinahe schon zur Tagesordnung gehören, auch in Berlin der Boden für solche Störungen schon vorbe- reitet ist(!!) und daß es nur der strengen Anwendung des Ausnahme- gesetzes zuzuschreiben war, wenn erhebliche Ausschreitungen der Sozial- demokratre hier nicht vorgekommen sind. Zu den wirksamsten Mitteln bei Bekämpfung der letzteren gehören aber die in§ 28 des Gesetze« vom IS. Oktober 1878 vorgesehenen, insbesondere die Aus- weisungSbefugniß. Die weitere Erlheilung der in demselben den Behörden gegebenen außerordentlichen Vollmachten war gerade jetzt um so notywendiger, als die Zunahme der anarchistischen Ver- brechen es durchaus geboten erscheinen ließ, die Bitdung etwaiger ge- heimer anarchistischer Gruppen Hierselbst und die Anknüpfung persönlicher Beziehungen zwischen auswärtigen Agitatoren und Berliner Gesinnungs - genossen womöglich im Keiiile zu ersticken." Eine fadenscheinigere Begründung für eine so außerordent- liche Vollmacht, wie sie die Ausweijungsbesugniß in sich begreift, ist wohl kaum je einer Volksvertretung geboten worden. Schon aus Selbst- achtung müßte der Reichstag , wenn er nur einen Funken von Ehrgefühl besäße, sie als ungenügend zurückweisen. Run, wir werden ja sehen, wie weit dieses Gefühl bei den Herren entwickelt ist. Im Volke ist das Sozialistengesetz längst gerichtet. Wenn man gesagt hat, daß»m Jahre 1878 bei einer allgemeinen Volksabstimmung das Sozialistengesetz vom deutschen Volke mit großer Majorität angenommen worden wäre, so mag das angesichts des mit allen Mitteln künstlich geschürten Akten- tatsfieber» allenfalls den Anschein einer Berechtigung haben, heut« aber liegen die Dinge unbedingt umgekehrt, heute will die übergroße Mehrheit des deutschen Volkes absolut nichts vom Sozialistengesetz wissen, denn die Ordnungsparteien und das heutige Wirthschasts>ystein haben sich gründlich abgewirthschastet, und Lügen haben kurze Beine. Aus dem Reichstage. Der von den Fortschrittlern einge- brachte Diätenantrag führte zu ziemlich stürmischen Debatten, an denen sich auch Bismarck lebhaft betheiligte. Im Rainen der sozialdemo­kratischen Fraktion sprach Auer, welcher die Stellung der Reichsregierung zur Diätenfrage mit der angeblichenFürjorge für den armen-Mann" in Kontrast brachte, und der Regierung vorwarf, daß sie den Reichstag syste- matisch degraviren wolle, wie sich auch in der berüchtigten Freikarten- A f f a i r e gezeigt habe, daß aber die Sozialdemokratie allen Ver- suchen des eisernen Reichskanzlers, die Rechte der Volksvertretung zu beschneiden, einen stählernen Widerstand entgegensetzen werde. Die Temperatur des Reichstags war eine sehr schwüle, und gewiss« Angstmeier prophezeien bereits eine Auflösung! Fürst Bismarck wird sich hüten! Hat er aber Lust, seine reichskanzlerischen Finger zu ver- brennen, nun so mag er es thun: uns kann es recht sein, wenn er um einen glücklichen Ausdruck des Herrn Echorlemer-Alst zu ge- brauchen das uns sehr nützliche Geschäft fortsetzt: National- liberale zu säen und Sozialdemokraten zu ernten. In der Budgetdebatte, welche die Sitzungen des 27. und 28. November ausfüllte, zerpflückte Bebel den Reichshaushalt, wies an demselben den Bankerott der heutigen Gesellschaftsordnung nach, und unterzog das herrschende Regierungs- und Wirthschastssystem einer ein- gehenden und scharfen Kritik, wobei es auch nicht an der gebührenden Antwort auf die Wltzchen des Herrn Reichskanzlers in der Diäten- debatte fehlte. Ein verdächtiges Präsent. Es wird jetzt in Deutschland viel Aushebens gemacht von Arbeitsämtern, deren Einrichtung die Reichsregierung, natürlich imArbeiterintereffe", plane, und welche sich speziell mit Nachweisen über den Stand des Arbeitsmarktes an den verschiedenen Orten und in den verschiedenen Branchen befassen sollen. Die Angaben über die Art und Weise, wie man sich an maß- gebender Stelle die Zusammensetzung und die Geschäftsführung dieser Arbeitsämter denkt, sind noch sehr verschwommen; so viel geht aber auS ihnen schon jetzt hervor, daß die Arbeiter alle Ursache haben, vor dem Segen dieser neuenWohlsahrtseinrichtung" energisch auf der Hut zu sein. Schon jetzt frohlockt die reaktionäre Presse, daß den Gemeinden und Ortsbehörden in Zukunft dieAbschiebung" wesentlich erleichtert werden wird, d. h. man wird die Ausstellungen der Arbeitsämter dazu benutzen, gewissen Leuten, die immer Arbeitermangel haben, weil es kein Arberter lange bei ihnen aushält, immer frisches Ausbeutungsmaterial zuzutreiben. Man braucht sich nur die Frage vorzulegen, wer den Arbeitsämtern daS Material über die Verhältnisse des ArbertSmarktes zu liefern haben wird. Natürlich die Herren Unternehmer. Wer- den die Beamten dieser Arbeitsämter von den Behörden angestellt, so haben sie ganz einfachunparteiisch" diese Mittheilungen zu ver- zeichnen unparteiisch heißt aber in diesem Fall parteiisch für die Herren Unternehmer. Namentlich würde sich das bei Lohn- differenzen und ähnlichen Gelegenheiten zeigen. Bei dem heutigen Stand