rate und Prüfungen der Wahlakten durch der Kommission nicht ange hörige Mitglieder des Hauses besorgen zu lassen, so daß die Wahl­Prüfungs Kommiffion gewissermaßen als ein Wahlgerichtshof funttionirte.

=

Dieser Antrag ist von der Geschäftsordnungskommission, vor die er berwiesen worden war, nicht angenommen und durch einen ande­ten Antrag ersetzt worden, der im Wesentlichen Alles beim Alten läßt, und der Wahlprüfungskommission blos 7 Hilfsarbeiter aus dem Hause juweist. Die Neuerung ist zunächst blos für eine Session, und die Frage wird von den sozialdemokratischen Mitgliedern gelegentlich wieder zur Berhandlung gebracht werden.

Hasenclever und Liebknecht, welche den Standpunkt der Frattion vertraten, wiesen darauf hin, daß an eine gründliche Besse : tung nur dann zu denken sei, wenn der Reichstag sich die Gerichts­barkeit in seinen eigenen Angelegenheiten erkämpft, und selber bie nöthigen Erhebungen und Untersuchungen vornimmt. Und das ist, wie Liebknecht ausführte, eine Machtfr age. Der Reichstag mag sich drehen und wenden, wie er will er befindet sich stets vor der Macht frage, die auf die eine oder auf die andere Weise entschieden werden muß.

In den Debatten über den Militäretat besprach Vollmar die kandalösen Zustände der Militärjustiz; die Soldatenmißhandlungen und Soldatenselbstmorde; und kam bei dieser Gelegenheit auch des Näheren auf den haarsträubenden Fall der drei sächsischen Landwehr­männer zu reden, die vom Militärgericht zu vieljähriger Zuchthaus­trafe verurtheilt worden sind, weil sie nicht in einem Viehwagen" transportirt sein wollten und sich in ihrer findlichen Einfalt um ihr vermeintliches Recht an den Obersten Kriegsherrn, Seine Majestät den Seldengreis und Soldatenvater Kaiser Wilhelm I. von Deutschland ver­trauensvoll bittend gewendet hatten.

" 1

Natürlich fand der Herr Kriegsminister Alles in bester Ordnung, und mern deutsche Soldaten wegen geringfügiger Dinge in's Zuchthaus und burch Weißhandlungen in den Tod getrieben werden, so ist das ihre Sache. Der heilige Militarismus wird dadurch, daß ihm so viele Exi­ftenzen geopfert werden, nur noch heiliger.

-

das

In der Dampfersubventionskommission geht es sehr lebhaft zu. Auf welchen Standpunkt man auch sich stellen mag muß auch von den Freunden der Regierungsvorlage zugegeben werden, daß durchschlagende Gründe für dieselbe bisher nicht vorgebracht wor den sind. Dlancher, der ursprünglich der Vorlage geneigt war, weil er Don der Dampfersubvention einen Vortheil für den deutschen Export­handel erwartete, ist deshalb auch schwankend geworden, und unter diesen Umständen läßt sich das Schicksal der Vorlage nicht voraussagen. Jedenfalls werden die beiden Vertreter unserer Partei in der Kommisson nach Kräften dahin wirken, daß die Interessen des Volkes gewahrt

werden.

uns

" 1

Ein Wunder hat sich ereignet" so verkündigt man ,, in Berlin hat sich eine demokratische Partei " ton­stituirt. Nun, die Zeiten der Wunder sind vorbei, und das Wunder", welches sich soeben in Berlin vollzogen hat, ist während der letzten Jahre schon mehrmals dagewesen, nur nicht in Berlin , sondern in Sachsen . Seit Erlaß des Sozialistengesetzes, unter dessen schützender Aegide die politischen Quertöpfe verschiedener Art sich außerordentlich wohl fühlen und außerordentlich gut gedeihen, sind in Sachsen zu wiederholten Malen Quertöpfe aufgetaucht, welche die wahre demokratische Partei " gründen Es war aber immer eine flägliche Fehlgeburt, und es kamen nicht einmal genug Querköpfe zusammen, um eine ekte zu bilden, geschweige denn eine Partei. In Berlin wird es genau ebenso ergehen. Nur mit dem Unterschied, daß die Duerköpfe hier in dem fort­schrittlichen Sumpf viel Lärm macen und den Herren Richter und Kon­wie denn ja auch die forten einige Schwulitäten bereiten können, Rastan'sche Attate mit der Gründung der neuen demokratischen Partei zusammenhängt.

wollten.

-

Auch ein Programm hat die neue demokratische Partei aufge­stellt. Es sind alte Phrasen kaleidoskopisch zusammengeworfen. Trotzdem foll's eine Schwergeburt gewesen sein, da jeder der Duerköpfe, die dabei mithalfen, seine eigenen Lieblingsphrasen bevorzugt wünschte. Wer an ben alten Programmladenhütern aus der Zeit zwischen Mitte der vier­ziger und Witte der sechsziger Jahre Vergnügen findet, der möge das Programm der neuen Partei durchlesen. Es ist eine ziemlich vollständige Rollektion.

Für uns hat sich diese demokratische Partei " dadurch ihr Urtheil ge­sprochen, daß sie eingestandenermaßen sich das eble Ziel gesetzt hat, dem Anwachsen der Sozialdemokratie nach Kräften Abbruch zu thun. Sie will die Leute, welche mit dem deutschen ,, Freisinn" gebrochen haben, weil ihnen derselbe nicht radikal genug ist, davor retten, der Sozial­demokratie zum Opfer zu fallen.

Wir wünschen ihr viel Glück zu dieser Don Quixoterie.

Jm Uebrigen verweisen wir auf unsere heutige Korrespondenz aus Mainz . Der dort genannte Dr. Philipps ist einer der Haupt­gründer dieser neuen demokratischen Partei.

Die Nachwahl in Berlin hat in der Stärke der Parteien feine Verschiebung ergeben. Den fünften Wahlkreis haben die Liberalen, den sechsten die Sozialdemokraten behauptet.

Im fünften Wahlkreis erhielt unser Kandidat diesmal gerade 100 Stimmen mehr, als am 28. Oktober auf den Kandidaten der Sozial­demokratie gefallen waren( 2529 gegen 2429), während Liberale und Konservative einen mäßigen Rückgang zu verzeichnen haben.

Im sechsten Wahlkreis war die Betheiligung am 12. Dezember eine bedeutend geringere als am 28. Oftober, was sich durch verschiedene Umstände erklären läßt. Immerhin hat die Sozialdemokratie, die dort numerisch stärkste Partei, nicht nur verhältnißmäßig, sondern auch a b solut den geringsten Verlust zu verzeichnen. Es erhielten Stimmen:

Sozialdemokraten:

also weniger

Deusch Freisinnige:

also weniger

Konservative:

am 28. Oftober 24,305 203,978 13,881

=

am 12. Dezember 20,327

16%

7,513

7,014

6,368 46% 12,776 5 pizo also weniger 5,762= 45% Genosse Pfannkuch ist demnach mit einer Mehr von 5,924 Stim men über seine beiden Gegner gewählt. Die demokratisch- fortschrittliche Arbeiterkandidatur ist kläglich verunglückt.

Die Hunger peitsche. Einer der von der kaiserlichen Werftverwaltung zu Unrecht gemaßregelten Arbeiter, schreibt man dem ,, Norddeutschen Wochenblatt" aus Wilhelmshaven , hat ein Gesuch um Untersuchung der betreffenden Angelegenheit an den Chef der Admiralität, Herrn v. Caprivi, gerichtet und darauf nach­stehendes Antwortschreiben erhalten, welches wir zur Illustration des ganzen Verfahrens hiermit veröffentlichen. Das Schreiben lautet:

Ihre unterm 18. November d. J. hier eingegangene Vorstellung wegen der Ihnen gewordenen Kündigung der Werftarbeit habe ich der Werft zu Wilhelmshaven zum Bericht zugefertigt. Der jetzt ein­gegangene Bericht gedachter Werft ergibt, daß Sie nach amtlicher Meldung des Aufsichtsbeamten der Werft in Bant und einer pro­tolollarischen Erklärung des in Bant stationirten Gendarmen, sowie nach amtlicher Mittheilung des Großherzoglich Oldenburgischen Amtes Jever bei der Reichstagswahl am 28. Oktober d. J. Stimm zettel für den sozialdemokratischen Kandidaten Oehme vertheilt haben. Hier nach habe ich teine Veranlassung, an den von der Kaiserlichen Werft zu Wilhelmshaven getroffenen Maß­nahmen etwas zu ändern.

v. Caprivi."

Die Antwort des Marineministers bedarf weiter keines Kommentars." Allerdings nicht, denn sie ist selbst der drastischste Kommentar zum Thema von der Arbeiterfreundlichkeit der deutschen Regierung. Kusch' dich, Kanaille, wenn wir dir gestatten sollen, für schlechten Lohn hart zu das ist das Motto, nach welchem die hohen Herren durch arbeiten, die Bank verfahren. Beiläufig scheint die Angabe, auf welche der Herr Admirai seine Ab­weisung stügt, nicht einmal auf Wahrheit zu beruhen, denn im Nordd. Wochenblatt" heißt es weiter:

-

,, Wir möchten aber behaupten, daß die Antwort anders ausgefallen wäre, wenn die hiesige Werft- Direktion den von dem Gemaßregelten

beigebrachten Entlastungsbeweis an die Admiralität eingesandt hätte. Ferner, wie will man die Anklage der Stimmzettel- Verbreitung gegen den gemaßregelten Drechsler aufrechterhalten, der ein Dußend Beugen seiner Unschuld stellen kann? Wir wollen noch einmal anführen, daß der in Belfort stationirte oldenburgische Gensdarm dem Betreffenden das Zeugniß gegeben hat, daß er feine Stimmzettel verbreitet habe ,, denn wenn es derselbe gethan hätte, hätte er, der Gensdarm, es sehen müssen."

Nun, was jeder Mensch mit fünf gesunden Sinnen einsteht, daß nicht Jemand gleichzeitig Angeklagter und Richter sein kann, das leuchtet dem f. t. Admiral Caprivi natürlich nicht ein. Er sendet eine Beschwerde wider eine Verfügung der Werftdirektion an diese Werftdirektion selbst zur Untersuchung. Da hat das Sprichwort, daß man den Teufel nicht bei seiner Großmutter verklagen soll, wieder einmal glänzende Beſtäti­gung gefunden.

Natürlich sind jetzt alle Werftarbeiter von ihren sozialdemokratischen Gesinnungen geheilt. Keiner von ihnen will noch etwas von dem Kampf für politische und soziale Emanzipation des Proletariats wissen- auch nicht ein Einziger!

Staatssozialismus im Ausbeuterstaat. Um ihre hundsföttischen Arbeiterentlassungen zu beschönigen, hat die Wilhelms­havener Werftdirektion am 12. Dezember eine Publikation erlassen, in welcher es heißt:

,, Entlassen sind nur diejenigen Arbeiter, welche sozialdemokratische Stimmzettel oder Flugschriften nach amtlicher Feststellung vertheilt haben. Dadurch haben diese Leute öffentlich für die Partei gewirkt, deren Ziele auf den Umsturz von Thron und Altar gerichtet sind, und die unser Vaterland in unsagbares Unglück stürzen würde, wenn sie zur Herrschaft fäme; und sie haben ferner ihre Mitarbeiter zu verleiten gesucht, ebenfalls für diese Partei zu stimmen. Von den entlassenen Arbeitern hat ferner nur einer eine fiskalische Wohnung innegehabt. Dieselbe ist ihm, den Bestimmungen des Miethsver­trages entsprechend, am 18. November gekündigt worden und soll gleichfalls nach Maßgabe des Miethsvertrages am 1. Januar geräumt werden. Es ist also hier, wie stets, genau den Bestim mungen gemäß verfahren worden. Eine besondere Berücksichtigung, welche die Oberwerftdirektion sonst gern eintreten läßt, hat der Mann nicht veroient, der sich nicht gescheut hat, während er das Brod des Reiches ißt, den Bestand des Reiches unter­graben zu helfen."

-

Die sich demokratisch nennnende Frankfurter Zeitung " weiß zu diesem Erlaß weiter nichts zu bemerken als folgende Geistreichigkeit: ,, Also doch?! Die armen Sozialdemokraten! Vor den Stichwahlen warme, jezt kalte Wasserstrahlen. Da sollen sie nicht verschnupft

werden!"

-

Das Organ des Herrn Sonnemann thut so, als ob wir auch nur einen Augenblick darüber im Unklaren gewesen wären oder uns unflar gestellt hätten, was von den arbeiterfreundlichen Redensarten der Regierung zu halten ist. Mit dieser pikant sein sollenden Redensart sett es sich über die unangenehme Pflicht hinweg, das Verfahren der Werft­direktion zu kennzeichnen, unangenehm nach dem bekannten Sprichwort: ,, Wer in einem Glashaus sit" 2c. ,, Verschnupft" sind wir durch den Erlaß der t. t. Werftdirektion durchaus nicht, denn der k. t. preußische Staatssozialismus hat uns stets fühl gelassen. Wir sahen in ihm nur eine neue Bestätigung alles dessen, was wir wiederholt zur Kritik des Letteren gesagt. Während er das Brod des Reiches ißt" nach echter Bourgeoisart stellt die biedere Werftdirektion die Sache so hin, als ob der Arbeiter, der um einen Jammerlohn für das Reich" produttiv thätig ist, das Brod eben dieses Reiches esse, während umgekehrt dieses Reich nur von dem Brod natürlich in gesetzlicher Form lebt, welches es den Arbeitern Munde wegnimmt.

11

-

"

-

vom

Wie bei solcher Dentweise in den maßgebenden Regionen Leute, welche es aufrichtig mit der Arbeitersache meinen, für die Bismarc'schen Ver­staatlichungspläne schwärmen fönnen, ist uns geradezu unbegreiflich. Der Staatssozialismus im Ausbeuterstaat läuft auf nichts anderes hinaus, als auf Befestigung der Ausbeuterwirthschaft.

-

"

In Leipzig hat am Montag vor dem Reichsgericht der Hochverraths 2c. Prozeß gegen Reinsdorf und Genossen" be­gonnen. Es handelt sich um ein im September dieses Jahres versuchtes Dynamit- Attentat im Willemsen'schen Restaurant in Elberfeld und um das verunglückte Attentat bei Gelegenheit der Enthüllung des Niederwalddenkmals. Angeklagt sind im Ganzen acht Per sonen: Fr. August Reinsdorf , Emil Küchler( Schriftsetzer), Franz Reinhold Rupsch( Sattler ), Karl Bachmann( Weber), Karl Holzhauer( Schuhmacher), Friz Soehngen( Färber), Karl Rheinbach( Bandwirker), August Toellner( Knopf­arbeiter).

Bis jetzt läßt sich nur soviel sagen, daß die sieben ,, Genossen" nicht gerade den Eindruck von Revolutions - Fanatikern machen, während Reins­dorf sich wieder einmal, gelinde gesagt, als ein überaus fürsichtiger Held bewährt zu haben scheint. Ein endgültiges Urtheil läßt sich natür­lich noch nicht abgeben.

- Die Mohrenwäsche in Sachen der deutsch freisin. nigen Mogelei bei der Abstimmung über das Sozialisten gesetz ist in vollem Gang. Nachdem Herr Parisius durch allerhand Wortspielereien und Kniffe zu entschlüpfen versucht hat, ist weiteren Ausflüchten durch den Vorschlag des Anklägers, Dr. Kastan, den sauberen Handel einem Ehren- und Schiedsgericht zu unterbreiten, ein Ziel gesetzt und die Angelegenheit der Entscheidung näher geführt wor­den. Wie es scheint, und wie es ja auch sehr natürlich ist, wollen Herr Parisius und sein Hintermann, der edle Ritter Eugenius, von dem Schieds- und Ehrengerichte nichts wissen indeß, eine Weigerung würde nur als Schuldbekenntniß gelten fönnen, und also auch thatsächlich eine Entscheidung bringen.

Daß seitens der deutsch - freisinnigen Parteileitung, insbesondere des Herrn Richter, abkommandirt" und auch auf sonstige Weise die Annahme der Verlängerung des Sozialistengesetzes hinter den Koulissen vorbereitet worden ist, während Herr Eugen Richter vor der Deffentlichkeit die Ablehnung mit journalistischem Trom­petengeschmetter als vollendete Thatsache vorausverkündigte das wird von Niemand mehr bezweifelt und kann nicht mehr bezweifelt wer= den. Unklar sind nur noch einige Einzelheiten.

-

So scheint es z. B. in der That, daß Herr Parisius diesmal nicht die ausführende Hand war, sondern daß die famosen Briefe von einem anderen Freunde des Herrn Eugen Richter , dessen Namen auch in Abgeordnetenkreisen genannt wird,*) geschrieben worden sind. Ferner ist nicht blos abkommandirt", es sind auch einzelne Abgeord­nete dirett an kommandirt" worden.

-

" 1

die Leitung der deutsch freisinnigen Partei hat sich eines Genug Jesuitenstreichs und Bubenstücks schuldig gemacht, wie in der Geschichte der Parteien kaum Schlimmeres zu finden sein dürfte. Und dieser bübische Jesuitenstreich war zu gleicher Zeit ein sehr dummer Streich, denn ihm ist ganz wesentlich die schimpfliche Wahlniederlage zu verdanken, welche die deutsch - freisinnige Partei erlitten hat.

-

Volksparteiliche Selbstsch a u. Wenn die Parteien, mit welchen wir zu kämpfen haben, Einkehr halten und zur Erkenntniß ihrer Fehler gelangen, so kann uns das nur freuen; und in der manches Richtige enthaltenden Kritik, welcher die" Demokratische Korrespondenz " in einem: Die Volkspartei und die Wahlen" betitelten Artikel die eigene Partei unterwirft, erblicken wir deshalb einen Schritt zur Beffe rung. Leider laborirt aber die Kritik an bedenklichen Mängeln, die auf eine, unter den obwaltenden Umständen allerdings schwer zu erkärende Eitelkeit und Selbstüberhebung zurückzuführen sind.

So heißt es in dem fraglichen Artikel z. B.:

,, Die Volkspartei war vor dem diesmaligen Wahlkampf viel zu steges­gewiß. Sie verließ sich zu viel auf ihr prinziptreues Verhalten in- und außerhalb des Parlaments, auf ihre forrette Stellung zu allen schwebenden Lages: fragen."

Wir wollen der ,, Demokratischen Korrespondenz", unter Hinweis auf den sprichwörtlichen Charakter des Eigenlobs, hier nur die Frage vor­

*) Nach der Harzer Post" wäre Herr Hermes omen! der Götterbote gewesen.

-

-

nomen est

legen, ob das prinziptreue Verhalten" sich darin geäußert hat, daß die Mitglieder der Volkspartei in verschiedenen Prinzip fragen gegeneinander stimmten? Und ob mit der for= retten Stellung" wohl die Abstimmung zu Gunsten der polizeilich bureaukratischen Sozialreformgeſetze"( Kranken- und Unfall­versicherung) Bismarck's gemeint ist?

Noch komischer flingt eine andere Tirade des fraglichen Artikels:

Daß unser Wahlprogramm diesmal den Nagel auf den Kopf getroffen hat, dies hat der Ausgang der Wahlen denn doch gezeigt.(!!) Am deutlich sten ist dies daraus ersichtlich, daß sowohl Sozialdemokraten als Deutsch Freisinnige im Laufe der Wahlbewegung zum guten Theil unsere Pro= grammforderungen sich angeeignet haben.

Wir hatten bisher immer geglaubt, die Volkspartei " hätte bei den letzten Wahlen eine Niederlage erlitten. Wir erfahren jetzt von dem, amtlichen" Organ der Volkspartei selbst, daß sie, im Gegentheil, einen Triumph erfochten. Nun der Irrthum ist vielleicht nicht so groß, Volks. als es auf den ersten Blick scheint: wir haben geglaubt, die partei" sei auf den Kopf getroffen worden" nach der Demokra tischen Korrespondenz" ist es blos ein, Nagel", der auf den Kopf getroffen ward."

"

"

"

Aber daß wir einen Theil des volksparteilichen Programms gestohlen haben sollen, ist doch zu arg. ,, Umgekehrt wird ein Schuh daraus." Wir hatten bisher immer geglaubt, die Volkspartei habe bei der Sozialdemokratie Programmanleihen gemacht; und vorläufig glauben wir es auch noch so lange, als uns von der Demokratischen Korrespondenz" nicht der Beweis geliefert ist, daß das volksparteiliche Programm nicht nach dem sozialdemokratischen( Eisenacher ) Programm von 1869 aufgestellt, und bis auf die sozialen Forderungen fast wörtlich von diesem abgeschrieben ist. Soviel im Scherz.

Jm Ernst aber bemerken wir der Demokratischen Korrespondenz", daß die sozialdemokratische Partei bei der vorigen Reichstagswahl auf dem Boden ihres eigenen, des sozialdemokratischen, Programmes gestanden und gekämpft und nach keiner Richtung hin Gelegenheit gehabt hat, von der deutschen Volkspartei oder sonst einer anderen Partei irgend eine, Forderung" oder auch nur irgend eine ,, Lehre" zu entnehmen.

Die Herren Volksparteiler haben wahrhaftig nichts, was uns begehrens werth sein könnte.

-

Natürlich! Als Antwort auf den durch die unmotivirte Ver­sammlungsauflösung bewirkten Tumult hat Herr Madai nicht etwa den betreffenden Polizeilieutenant gerüffelt, sondern den Vorsitzenden der Versammlung, den Stadtverordneten& wald, Knall und Fall aus Berlin ausgewiesen.

Am 13. Dezember, Mittags halb 12 Uhr, bekam Ewald die Ausweis sungsordre, die dagin lautete, daß er bis Nachmittags fünf Uhr Berlin zu verlassen habe. Erst auf die Vorstellung, daß er bis dahin nicht einmal Zeit habe, seine Familie zu sehen, wurde ihm gnädigst gestattet, noch bis zum letzten Abendzuge in Berlin zu bleiben. Wir sind begierig, welche Antwort die Berliner Arbeiter auf diesen Fußtritt ertheilen werden.

Die französische Regierung hat den russischen Sozialisten Fr. Stackelberg wegen ,, revolutionärer Agitationen" aus Frankreich ausgewiesen. Stackelberg, der in Nizza lebte, scheint den teuflischen Plan gehegt zu haben, diesen Vergnügungsort der höheren Demimonde zu revolutioniren.

Ausweisungen überall. Wahrscheinlich auf Grund desselben Gesetzes, auf welches hin der Russe Stackelberg Nizza verlassen mußte, hat Herr v. Manteuffel, wie man uns aus Mülhausen im Elsaß schreibt, den Genossen Dworzat, Maschinenschlosser, aus dem ganzen Gebiet des Reichslandes ausweisen lassen. Es sei wegen der Wahlen, sagte man ihm auf der Polizei, und zitirte einen Paragraphen aus einem Gesetz von 1849!

Die Ordre lautete, Dworzak habe binnen 24 Stunden das Reichsland zu verlassen. Tags darauf kamen die Polizisten punkt 1 Uhr, um ihn abzuholen. Er hatte es jedoch vorgezogen, ungeleitet seiner Wege zu gehen, und schon Morgens zu Fuß die Stadt verlassen.

Genosse Schmidt in Dornach( unser Reichstagskandidat) bekam eine Verwarnung, weil er den Kindern des Mittags zu effen gegeben. Dieser Familie darf man nichts geben, hieß es. Der bekannte Avgeord: nete Winterer, Pfarrer seines Zeichens, lief auf die Kunde von der Ausweisung Dworzaf's sofort zu dessen Frau und fragte nach, ob die Kinder auch getauft seien!

-

Noch ein Kuriosum.

Als die Polizisten, welche Dworzak abholen sollten, erfuhren, daß der= selbe schon ausgeflogen, meinte einer derselben ganz naio:

Na, der hat sich halt gedacht: im A könnt ihr mich--- ihr Schwoben." Schlaumeier!

-

Soziales aus Thüringen . Nichts würde geeigneter sein, schreibt man der Fr. 3tg.", ein helles Licht auf die wirthschaft= liche Lage unserer Arbeiter bevölkerung zu werfen, als eine genaue, amtlich festgestellte Lohnstatistit. Denn das, was man jetzt über die Höhe der Löhne in den Berichten der thüringischen Fabrikinspektoren findet, bietet für eine richtige Beurtheilung durchaus feinen sicheren Maßstab. Wenn z. B. Altenburger Blätter nach dem amtlichen Berichte des Fabrikinspektors, Bergrath Wohlfarth, mittheilen, daß der Wochenverdienst der Männer in Dampfziegeleien 22 Mt. bis 7 Mt. 8 Pfg. beträgt, der der Frauen 8, 5-6 Mr., daß in Porzellanfabriken Männer 30-3,5 Mt. verdienen, Frauen 9-3 Mt., in Steinnußknopf Fabriken 30 Mt. bis 4 Mr. u. s. w., und wenn der Fabrikinspektor dazu bemerkt, daß die Lebens­mittelpreise dem Durchschnittsverdienste angemessen seien, so muß man doch immer fragen, wie hoch ist der Lohn der Mehrzahl der Arbeiter. Daß Einzelne 30 und 35 Mt. wöchentlich verdienen, z. B. Vorschneider in der Handschuhbranche, ist immer der Fall gewesen. Die Hauptsache ist die, zu erfahren, wie viel verdient das Gros der Arbeiter, und dies kann nur durch eine ganz genaue Lohnstatistik der einzelnen Gruppen resp. der einzelnen Arbeiter in den verschiedenen Fabrikationszweigen festgestellt werden. Der Herr Fabrikinspektor für das Herzogthum Alten­ burg scheint dies auch zu fühlen, denn er fügt seiner Angabe über das Verhältniß der Lebensmittelpreise zu den Durchschnittslöhnen folgende charakteristische Bemerkung bei: Es lasse sich dies zwar nicht mit Zahlen beweisen( daß der Durchschnittsverdienst den Lebensmittel preisen angemessen sei), wohl aber mit der Wahrnehmung, daß in den meisten Arbeiterfreisen eine freundliche, zufriedene Stimmung herrsche, und daß allgemeine Klagen über Nothstände nicht bekannt geworden." Nun wir meinen, daß die Tausende von sozialdemokratischen Stimmgn ( darunter auch gegen 1700 in Altenburg ), welche in Thüringen abgegeben wurden, diese Stimmung sehr charakterisirten!

Erklärung.

Nach dem durch die Presse gehenden Bericht des dr."- Reporter hat Herr August Reinsdorf in der Reichsgerichtsverhandlung vom 15. De zember in Bezug auf seine im Jahr 1880 erfolgte Verhaftung folgender­maßen ausgesagt:

" Ich ging nunmehr wiederum nach Berlin , woselbst ich auch sehr bald in einer Zeitungsdruckerei Arbeit erhielt. Auf Grund einer Notiz in dem in Zürich erscheinenden ,, Sozialdemokrat", welcher wörtlich schrieb: ,, Der Anarchist Reinsdorf ist nach Berlin gegangen, um ein Attentat auszuführen," wurde ich sehr bald verhaftet..

Diese Behauptung des Herrn Reinsdorf ist eine freche Lüge, aus­geheckt, um sich als Opfer des Hasses der Sozialdemokraten hinstellen zu können.

Die Notiz in unserm Blatt, auf welche Herr Reinsdorf hier anspielt, steht in der Nr. 47 des Sozialdemokrat" vom 21. November 1880. Herr Reinsdorf ist aber bereits im Oktober 1880 verhaftet worden, und zwar, wie er sehr wohl weiß, auf Denunziation des ehe maligen Expedienten der Freiheit", Neumann, hin, der eben in dieser Notiz des Sozialdemokrat" als Polizeispion entlarot worden ist. Als Reinsdorf verhaftet wurde, reiste er unter dem Namen Gfeller. Wie sollte der Sozialdemokrat" von diesem Umstande unterrichtet sein,

"