frt Zeit durch die Macht der Tradition erhalten so schön bewährt hat! Meine Herren, ich glaube, daß niemand unter uns ist, der sich nicht am heutigen Tage dankend an jenen Mann erinnern wird, dem die Ma- nne ihre Grundlage und vor Allem ihren Geist verdankt! Ich meine Men braven, ritterlichen, allseitig verehrten Hohenzollern , den »dmiral Prinz Adalbert ! WaS dieser hohe Herr damals mtt der noch Zanz jungen preußischen Marine schon zu leisten vermochte, beweist be- ttdter als Worte, wie er seine Ausgabe zu lösen verstand. Mit weitem Blick und Hohenzollern-Muth pflanzte er die Traditton des großen Kurfürsten und seiner Befehlshaber fort, und hellleuchtend, in Flammenzügen uns anspornend, reden zu uns von ihm die Namen »Tres'Forcas, Jasmund, Helgoland ". Man muß wirklich recht starke Geruchs nerven haben, um eine so lieblich duftende Selbstverherrlichung loslassen zu können. Hohenzollern - Ruth, w i r Hohenzollern , wie anm uthig! Natürlich darf auch der Hin- weis auf denunbedingten Gehorsam", den der preußische Soldat diesen muthigen Hohenzollern schuldet und der sich erst in jüngster Zeit soschön bewährt" hat, nicht fehlen. Es muß in der That sehr schön gewesen sein, als die Besatzung desBismarck " am Kamerunfluß aus Kommando verschiedene Negerdörser niederbrannte und sovielFeinde" Zernichtete als nur irgend möglich.Ihr könnt Euch gar nicht vor- stellen, wie wir gegen die Neger gehaust haben" diese Worte aus bem Briefe eines Matrosen an seine Angehörigen lassen darüber keinen Zweifel auskommen. Was nun den braven Prinzen Wilhelm anbetrifft, so wollen wir ihm allerdings nicht abstreiten, daß er ein echter Hohenzoller ist, er hat das nach verschiedenen Seiten hin schon bewiesen. Er ist noch ziemlich jung, und doch weiß man in Potsdam schon recht viel von seinen l i e b e n s- würdigen Eigenschaften zu erzählen. So berichtet Fama von der schönen Tochter des Bäckermeisters K....... vor dem Brandenburgerthor, daß sich der Prinz gar herablassend gegen sie gezeigt, und staunt über diewunderbare Wendung durch Gottes Fügung", daß besagte Bäckerstochter am gleichen Tage wie die Prinzeß Wilhelm eines Kindes üonas, was aber mit dem sechsten Gebot nicht das Mindeste zu thun hat. Tste Religion muß dem B o l k e erhalten bleiben. Andere wissen wiederum von einem Fräulein Helene Handschke >u berichten, die jetzt in Neuend orf bei Potsdam residirt, nachdem bieseschöne Helena" auf Betreiben der Kronprinzessin aus Potsdam herausgegrault worden ist. Ein Bruder dieser Dame war Schreiber bei einem Nechtsanwalt gewesen, aber wegen einer Ver- >rrung zum Teufel gejagt worden. Er hat eine nützliche Verwendung ous der Polizeidirektion gefunden, dennwer den Papst zum Bttter hat, kann Kardinal noch werden!" Das und Aehnliches er-ählt man sich vom echt hohenzollern'schen Privatleben des zukünsttgenvon Gottes Gnaden". Was nun seine militärischen Leistungen anbetrifft, so hat er bisher nur Ge- legenheit gehabt, solche auf dem Exerzirplass zu bethätigen. Da aber sind wir aus authentischster Quelle, nämlich von Soldaten, die der Ehre lheilhastig wurden, vom Prinzen Wilhelmgedrillt" zu werden, Unterrichtet, daß derselbe es in dieser Beziehung mit demkommissigsten" Unteroffizier habe aufnehmen können. Die Schasskopf, Ochse ic. seien Uur so geflogen. Also auch in dieser Beziehung em echter Hohenzoller! Die Ignoranz unserer Gegner tritt bei Beurtheilung »es von unseren Abgeordneten im Reichstag eingebrachten Arbeiterschutz- Gesetzes in wahrhast komischer Weise zu Tage. Daß der Gesetzentwurf durchauspraktisch" ist, das heißt sich vollständig aus dem Boden der Gegebenen Verhältrisse bewegt, und vor allen Dingen nichtsRevolutio- näres" im Philistersinne des Wortes enthält, da« kann von unseren Eegnern beim besten Willen nicht geleugnet werden. Und da müssen sie denn um jeden Preis irgend etwas heraustüsteln, was den sozialdemo- tratischen Antrag vom Standpunkt der bürgerlichen Welt aus unannehm- bar erscheinen läßt. Man hat auch in der That etwas herausgetüftelt. Eine Forderung in denr Antrag sein, welche den extremsten Sozialismus involvirt Und mit der bürgerlichen Gesellschaftsordnung sich in keiner Form und aus keinen Fall verträgt. Was aber ist diese extrem sozialistische, mit der bürgerlichen Gesell- schastsordnung unvereinbare Forderung? Rathe, mein lieber Leser. Rem laß es sein, Du wirst es nimmer errathen; und so sei es denn gleich gesagt: Der Minimallohn! Das hätten sich die französischenMinimalisten" nie träumen lassen, daß ihre Forderung, welche ihnen von allen sozialistischen Seiten nur Angriffe, Spott und Hohn eingebracht hat, jetzt auf einmal von der bürgerlichen Presse des Volkes der Denker und Gelehrten das sich doch auf derartige Dinge verstehen muß für uttra- und extrem- sozialistisch erklärt und in Bann gethan wird. Der Minimallohn sozialistisch! Wrr hatten uns bisher in dem Wahne gewiegt oder hatten geträumt, der Mimmallohn fei in den alten Zeiten, und namentlich in der guten alten Zunft- und Zopfzeit schon einmal Gesetz gewesen in jener guten alten Zeit, wo die Preise aller Waaren von der hohen Obrigkeit be- stimmt waren, und unter anderen Waaren folgerichtig auch die mensch- liche Arbeit. Es war ein Wahn, ein Traum, und obendrein kein sonderlich schöner. Herr Ackermann aber, der große Zunftapostel, der denselben Traum geträumt hat und mit vollen Segeln auf die obrigkeitliche Tari- strung der Preise und den Minimallohn lossteuert, wird entsetzlich ver- dutzt sein, wenn er jetzt einmal erfährt, daß das phantastische Ziel, das er sich gesteckt hat und das mit anderen Zunstherrlichkeiten in seinen Konsequenzen auch den Minimallohn einschließt, eigentlich nur auf einer optischen und historischen Täuschung beruht, und daß die Tausende von Chroniken und sonstigen Schriftstücken, welche von der Zunftherrlichkeit mit obligatem Minimallohn reden, eitel Blendwerk der Hölle sind. Der arme Ackermann! Doch Spaß bei Seite! Den Minimallohn als eine extrem-sozialistische Forderung hinstellen, das ist wahrhaftig ein starkes Stück. Es liegt ja in der Natur der Dinge, daß die sozialdemokratische Fraktion bei der Entwersung ihres Arbeiterschutzgesetzes von jeder Prin- zipienreiterei absehen und, ohne das Prinzip zu opfern, den gegebenen Verhältnissen Rechnung ttagen mußte. Sie wollte von vorne- herein dem Einwanve vorbeugen, wir seien entweder unfruchtbare Ver- Neiner oder unfruchtbare Utopisten. Deshalb wurde der zehn stündige Arbeitstag anstatt detz neun- oder a ch t stündigen(oder noch kürzeren) Arbeitstages angenomm, n; man sagte sich, das scheinbare Weniger sei hier das wirtliche Mehr. Der einzige Punkt, gegen den ernsthaft prinzipielle Bedenken er- hoben wurden, war der M i n i m a l l o h n. Es wurde geltend ge- macht, daß der Mimmallohn dasRecht aus Arbeit" bedinge, daß er ohne dieses, d. h. ohne die Garantie fester Arbeit, keinen Sinn habe, und daß, wenn einmal der Staat die Arbeitgarantire" und im Jnter- esse der G-sammtheit sozialistisch organisire, der Minimallohn dann ganz überflüssig sei. Jndeß die Mehrheit der Fraktion war der Meinung, daß die prak- tischen Vortheile die prinzipiellen Bedenken auswiegen, und so kam der Minimallohn in diesen Entwurf. Daß aber gerade diese Forderug von unseren Gegnern als ultra- oder extrem sozialistisch herausgegriffen worden ist und denunzirt wird, das gehört zum Humor der Weltgeschichte. Die Kreishauptmannschast Leipzig hat sich das Ver- dienst erworben, die BroschüreReporter und Sozialist" und das Organ unserer amerikanischen Genossen, denSozialist", welcher bereits eine Verbreitung von 400» Exemplaren hat, durch ein Verbot in weitesten Kreisen zu empfehlen. p-v . Ein beredtes Zeichen für den in Deutschland Herr- schenden erbärmlichen Servilismus und Byzantinismus ist das Sammeln für ein Ehrengeschenk für den großen Otto. Wo es gilt, Charakterlosigkeit zu zeigen, sind die Nationalliberalen und die deutschen Studenten immer am Platz; die wenigen Ausnahmen können wir nicht rechnen, und diese thun noch am besten, wenn sie das Streberherr ganz sich silbst überlassen. Von Breslau ergeht jetzt ein Aufruf an die Studenten, beizutragen zu dieser Ehrengabe, der mit dem üblichen Phrasen- drei vermischt ist. Die gesinnungslosen Streber wenden sich mit viel Behagen an die Jugend,der die Zukunft gehört." Dieser Satz hat uns auch behagt. Es fragt sich nur, welcher Jugend, ob derber Bour- geoissöhnchen oder der Arbeiterjugend. Nun, wir dächten, der letzteren, und diese wird hoffentlich bald ein so kräftiges Wort mitreden, daß den strebsamen Bourgeoissöhnchen ein Licht ausgehen dürfte. Der Bettelsack für das Ehrengeschenk für Bis­ marck wird übrigens auch im Auslande geschwungen, und auch Zürich hat sein Bismarckkomit«, das wahrhafte Riesenanstrengungen macht, um eine möglichst hohe Summe für den Bismarckfonds zusammenzube- kommen. Da werden denn nicht blos Deutsche, sondern auch Schweizer haranguirt, für den größten Staatsmann des Jahrhunderts einen milden Beitrag zu stiften. Ein Schweizerbürger nun, der nicht blos dem Namen nach Republikaner ist, hat den Herren eine derbe Antwort auf ihr Bettel- zirkulär gegeben. Er sei ein armer Proletarier, schrieb er ihnen, und könne daher kein Geld senden, aber um ihnen seinen guten Willen zu zeigen, sende er ihnen in einem beiliegenden Packet ein Geschenk, wel- ches Bismarck, der ja Papieifabrikant sei, gewiß gut verwenden könne. Die Physiognomien der Komitemitglieder sollen sich beim Oeffnen be- sagten Packetes bedeutend verlängert haben. Sein Inhalt bestand nämlich aus Lumpen! Zur Charakteristik der Krieger-, auchKamerad- s ch a s t s"- V e r e i n e. Aus Apolda erhalten wir folgende Zuschrift: An unser Parteiorgan Zürich ! Sie werden verwundert sein, einen Be- richt aus Köln von hier aus zu erhalten. Zur Aufklärung diene Ihnen Folgendes: In unserer Branche(Zuckerwaarenfabrikalion) ist es gebräuch- lich, von September bis Ende Dezember überzuarbeiten; dann tritt flaue Zeit ein, und die will ich benutzen, um meinen überanstrengten Körper in meiner Heimat etwas wieder in's Gleichgewicht zu dringen, zugleich benutze ich meine Muße, um Ihnen Folgendes einzusenden: Sozialdemokraten werden nicht zugelassen! Dieses Feldgeschrei zu hören hatte ich Gelegenheit an einem Abende in den ersten Tagen des Monats September vorigen Jahres, als die Stadt Köln resp. deren Vertreter vollauf zu thun hatten mtt den Vorbereitungen zum Empfange ihresallerhöchsten Heldenkaisers", desErringerS" aller glorreichen Siege. Hatten doch die Väter der Stadt das respektable Sümmchen von 30,000 Mark zu jenem Fetischtage bewilligt. An dem obenerwähnten Abend hatte der Vorsitzende des deutschen Kriegeroereins, feines Zeichens Vollstreckungsbeamter, ein Blutsauger comrno ii faut! eine Anzahl hoffnungsvoller Bourgeoissöhnchen, Reserveoffiziere, die sich um die Mtt- gliedschast des Vereins bewarben, behufs Aufnahme, sowie zu einer Be- sprechung in Sachen der Empfangsfeierlichkeiten in den Garten des Vereinslokals, in dem ich zugegen war, geladen. Im Laus der Ver- Handlung nun wurde an den obenerwähnten Vorstand des Vereins die Frage gerichtet, wie viel Kriegervereine in der Stadt existirten, und ob die Theilnahme der auswärtigen Vereine als eine rege zu bezeichnen sei. Da erhob sich der Herr Präsident und sprach würdevoll:Meine Herren! Unser Berein repräsentirt in seinen Mitgliedern nur die bessern Stände der Stadt und der nächsten Umgebung, weshalb wir auch arme Kameraden, welche im Voraus eine demnächstige Unterstützung, wie sie unser Vereinsstatut in sich schließt, in Aussicht stellen, prinzipiell nicht aufnehmen. Erst kürzlich" fuhr der große Geist fortmeldete sich bei mir ein hiesiger armer Kamerad, und zwar im Besitz von acht Orden; diesen hätten wir wohl mtt Rücksicht auf seine Dekorationen aufgenommen, allein ich brachte in Erfahrung, daß sein Weib nicht mit in den Vereinsversammlungen an den Tischen unserer besseren, ja sogar feineren Damen sitzen könne, weil e» seinen Erwerb als Markt- srau sHöckerin) auf dem Markt sucht. Ich theilte deshalb dem Reflek- tauten eine abschlägige Antwort mtt." Armer, bedauernswerther Käme- rad! sieh dich nach einerbesseren" Hausfrau um, wenn du in das Heer der patentirten Patrioten eintreten willst! Die zweite Frage beantwortete der geniale Redner dahin, daß die Betheiligung der Be- zirksoereine voraussichtlich stark werde und er mehrere Vereine, die dem Verband nicht angehöiten, abgewiesen habe.Denn, meine Herren, soll- ten wir Vereine, wie zum Beispiel Poll und B i n g st(zwei Ortschaften bei Köln ), welche aus lauter Sozialdemokraten zusammengesetzt sino, zu einer so hochwichtigen Feierlichkeit zulassen, bei der ich als Kommandeur des großen Ganzen die Verantwortung habe? Wer bürgt mir dafür, daß nicht bei dem Umzug aus den Rotten der Sozialdemokraten heraus gepsiffen wird? Nein, Sozialdemokraten werden nicht zugelassen!" Nun, besser können die T-noenzen der Kriegervereine nicht gekenn- zeichnet werden, als es ver Herr Präsident selvft gelyan hat. Und od- gleich jener große Geist»och so schöne patriotische Reden reden kann, so scheint er doch im Entferntesten keine Ahnung davon zu haben, daß es die wirklichen Sozialdemokraten absolut unter ihrer Würde erachten, irgend welchem Kriegerverein beizutreten, und daß sie daher gar nicht zugelassen werden wollen. Mit genossenschastttchem Gruß! Ewigtreu. Das Attentat auf O'Donnovan Rossa zeigt so recht handgreiflich die Adgeschmacklheit der Dynamit Taktik, so wie sie von diesem Herrn betrieben, ober doch ihm zugeschrieben wird. Vielleicht fälschlich. Denn man weiß ja, daß er ein sehr großer Prahlhans ist gleich andern Hänlen. Wir machien schon früher darauf aufmerksam, daß eine solche Taktik, welche sich nicht gegen die Feinde richtet, son- dern unterschiedslos jeden Engländer bedroht, mit Rothwen- digkeit die englischen Volksmassen erbittern und zu Repressalien oder Lynchjustiz gegen die Jrländer führen muß. Es ist wirklich zum Ver- wundern und zum Bewundern, daß es in England noch zu keiner Zrenhetze gekommen ist. Die junge Engländerin aber, welche sich entschloß, an O'Donnovan Rossa zur Charlotte Corday zu werden, hat ihm in der denkbar drastischsten Weise feine Dynamit-Taktik ab-ur lum geführt. Wenn der Mann und seine Genossen lernsähig sind, dann wer- den sie jetzt begriffen haben, daß sie bisher auf dem Holzwege waren, und mit ihrer blödsinnigenTaktik" nur das Gegentheil dessen hervei- führen können, was sie erstreben. Hoffentlich geht die Lehre nicht verloren. Die russischen Agenten, von denen Friedrich Engels die jüngsten Londoner Dynamit Attentate verübt glaubt eine Annahme, die sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich hat werden sich selbstverständlich an der ferneren Ausübung ihres wohlbezahlten Handwerkes nicht hindern lassen. Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo! Herr Pr. S ch ä f f l e hat den gegenwärtigen Moment für geeignet erachtet, eine Broschüre über dieAussichtslosigkeit der Sozialdemokratie" vom Stapel zu lassen, in welcher ei zür seine quasi sozialisti chen Auslassungen in derQuintessenz" und imBau und Leben des sozialen Körpers" hübsch pater psccavi sagt. Desgleichen hat Herr F. W i e d e, weiland Her- ausgeber derNeuen Gesellschaft", in einerDas Recht aus Arbeit" betitelten Schrift seine Kapitulation vor St. Bismarck vollzogen. Die Herren haben ganz recht. Die Zeiten des platonischen Sozialis- mus sind vorüber; jetzt heißt's Farbe dekennen: proletarischer Sozialis- mus oder mehr oder minder verschämte Bismärckerei. Vertreter des proletarischen Sozialismus sind aber weder Herr Schäffle noch Herr Wiede je gewesen. Die Schrift des Letztgenannten ist Dutzendwaare, wir verspüren daher keinen Anlaß, auf sie einzu ehe», dagegen werden wir uns in der näch- sten Nummer mit Herrn Schäffle näher zu befassen haben, dessen Schrift gewissen Leuten sehr bequem gekommen ist und daher auch einiges Auf- sehen erregt hat. In deutschen Arbeiterblättern finden wir als einen Zeugen zu Gunsten des MinimaUohns denkonservativen" Rodbertus angeführt, und insbesondere dessen Ausspruch, daß der Normalarbeitstag ohne entsprechende Festsetzung de« Lohnes keinen Sinn habe. Ohne auf die Frage der Minimallöhne hier näher eintreten zu wollen, möchten wir doch davor warnen, sich in die Frage der Arbeitsschutzgesetz- gebung aus die Zeugnißschast von Rodbertus zu berufen. Bei den Herren Konservativen wird man dadurch schwerlich etwas erreichen, denn ersten» würden sie keinen Anstand nehmen, Rodbertus , selbst wenn er ihr Parteigenosse gewesen wäre, zu desaoouiren, wo er etwa» befür- wortet, nas ihren Interessen widerstrebt, zweitens aber kann man Rod- bertus gar nicht einen Konservativen im Sinne der Herren nennen, welche in den Parlamenten die konservative Partei bilden. Wie er viel- mehr über diese dachte, geht aus seinem Ausspruch über den Klub der Landwirthe hervor, dem sie fast durch die Bank angehören, und den er denKlub der Ignoranten" nannte. Ist so der Hinweis auf Rodbertus in Bezug aus die Durchführung der M i n i m a l l ö h n e von höchst problematischem Nutzen, so ist er dagegen in Bezug auf den N o r m a l a r b e i t s t a g geradezu gesähr- lich. Rodbertus wirft beide Fragen zusammen, behauptet, ein« könne nicht ohne die andere geregelt werden, wir aber haben alles Interesse daran, sie getrennt zu halten, damit nicht die Gegner des Normal- arbeitstages sich hinter die Minimallöhne verkriechen können. Der Nor- malarbeilstag, wie ihn jeder vernünftige Mensch versteht, und wie er auch im Gesetzentwurf unserer Abgeordneten präzisirt ist das heißt als Maximalarbeitstag,»st auch ohne Regulirung der Löhne durchführbar, das hat das Beispiel der Schweiz immerhin bewiesen, und daran müssen wir unbedingt f e st h a l t e n, wie ja auch im Arbeiterschutzgesetz der Normalarbeitstag nicht nur mit Recht an ganz besonderer Stelle figurirt, sondern auch als allgemeines Gesetz genau fixirt ist, während die Festsetzung von Minimallöhnen den Arbeits- kammern zugewiesen werden soll. Lassen wir also hier den Rodbertus aus dem Spaß. In G u m b i n n e n hat die drttte Wählerabtheilunz jüngst einen Sozialdemokraten in die Stadtverordneten-Ver- sammlung gewählt. Es rückt! In Paris ist am vergangenen Montag wieder einmil die Gesellschaft gerettet worden. Bekanntlich existiren zwei Arbeits- losen Komites, das eine aus den Delegirten der Syndikaiskammern»c. zusammengesetzt, welches die früher erwähnten Forderungen zur Abhilfe der Krists an Regierung, Parlament und Gemeindevertretung gestellt hat, und ein anarchistisches, dasnur Revolution" will und immer dann auf dem Platze ist, wenn es gilt, die Schritte des ersterwähnten Komites zu durchkreuzen. Diese» Komite nun hatte zu Montag ein Meeting unter freiem Himmel in der A.rollug cko l'Opöra einberufen, was für die Polizei eine erwünschte Gelegenheit war, eine Reihe von Verhaftungen vorzunehmen, und die Paffanten es hatten sich natürlich nur Neugierige eingefun- den nach Polizeimanier zu brutalistren. Weiter hatte die Geschichte keinen Zweck. England. Von einem deutschen Genossen in London , dessen Ehrenhaftigkeit für uns keinem Zweifel unterliegt, erhalten wir eine längere Zuschrift gegen die in Nr. 3 desSozialdemokrat" veröffent- lichte Korrespondenz über die Spaltung in der englischen sozialistischen Partei. Wir würden keinen Augenblick zögern, ihr Aufnahme zu ge- währen, wenn wir nicht befürchten müßten, daß sich an sie eine längere Polemik knüpfen werde, als sie der Raum unseres Blattes gestattet. Wir glauben deshalb der Pflicht der Unparteilichkeit zu genügen, wenn wir das Schreiben des Genossen C. V. insofern resümiren, daß derselbe die Berechtigung aller gegen Hyndmann erhobenen Vorwürfe bestreitet, und insbesondere den Austritt der Majorität des Exekutivraths aus dem Verbände der Federation lebhast mißbilligt. Dadurch habe dieselbe just das Gegentheil von dem bewirkt, was sie habe erzielen wollen. Zum Schluß meint der Genosse, daß trotz der Spaltung, oder vielleicht gerade wegen der Spaltung noch mehr gearbeitet werden dürfte als zuvor. DaS wünschen und hoffen auch wir. Korrespondenzen. p-n. Königsberg i. Pr., 31. Januar. Das Arbeiterschutz - g e s e tz ist von den Sozialdemokraten nun im Reichstage eingebracht. Einige Mittheilungen über den Inhalt desselben waren ja schon früher in die Oesfentlichkeit gedrungen und haben auch unsererKönigsderger Hart. Ztg." Veranlassung gegeben, sich über dasselbe zu äußern. Wir sind nun durchaus der Meinung, daß der Raum des Parteiorgans im Allgemeinen viel zu schade ist, als daß man jedem beliebigen Kläffer aus der reaktionären Meute in demselben Gehör schenken sollte. Hier machen wir einmal eine Ausnahme: Besagte Zeitung ist nämlichdeutsch- freisinnig" und zeichnet sich durch einen hohen Grad von Verlogenheit aus, was neben den andern Zeitungen im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte immerhin schwer ist; außerdem ist sie Organ unseres Reichstagsabgeordneten Möller, der in ihm seineWeisheit" allen seinen Parteiuiitergebenen zur Anbetung und allen Sozialisten zur Belustigung preisglbr. Dieses edle Wurstblatt schreibt nun, daß in diesem Gesetz der Zwiespalt, der durch die Taktik unserer Partei hindurchgeht, sich in voller Deutlichkeit zeige, wir wolltengemäßigt" sein und können doch unserewirklichen Tendenzen" nicht verleugnen. Bim, bam, bam, bim! Die Abkommandirer beim Sozialistengesetz, die Umfallskandioaten in punkto des zweiten Direktors reden von Zwiespalt der Parteitaktik l Wer nimmt sich heraus, zu behaupten, daß wirgemäßigt" sein wollen? Wir sind Revolutionäre und keine Gesinnungslumpen, wir vergessen nicht, was dieRegierung der Brutalität" uns gethan und wie die Lumpenhunde", um mit Vollmar zu reden, uns beschimpfen und be- schimpft haben. Wir küssen keine Hand, die uns schlägt, und lassen uns von keinem Kürassierstiefel, und mag ihn auch ein brutaler Junker tragen, treten. Der Sozialdemokrat, dergemäßigt" sein wollte, würde wohl bald schlimme Ersahrungen machen und sehen, daß die Arbeiter nicht hinter ihm sind. Wenn wir aufhören, Revolutionäre zusein, hören wir überhaupt aufzusein! Die Be- stimmuiigen über das Arbeitsamt u. s. w. nennt dasfreisinnige" Lügen- blatt rein agitatorisch und bezeichnet sie als aussichtslos. Nun, das Blatt und seine Hintermänner müssen es ja wissen. Hier können ein- mal alle Phrasenhelden undArbeitersreunde" zeigen, ob sie wirklich den Arbeitern etwas anderes als Zuckerbrod und Peitsche geben wollen. Sie werden die Probe nicht bestehen, die ganze reaktionäre Masse wird sie nicht bestehen, und die Arbeiter werden sich zusammenschaaren und sich selbst nehmen müssen, was man ihnen nicht gutwillig gibt. Arbeiter von Königsberg ! Ihr habt am 28. Oktober und 11. November einen guten Ansang gemacht. Laßt Euch die Gemeinheiten derfrei- sinnigen" Gesellschaft zum Sporn dienen, wühlt rüstig weiter, dann nehmen wir nach drei Jahren das saubere Nest aus, und Königsberg ist unser! Gaardeu bei Kiel . Der Wahlkampf ist vorüber, darum ist e« auch an der Zeit, daß die Gaardener Genossen einmal im Parteiorgan von sich hören lassen. Trotz der sehr regen und eifrigen Agitation sei- tens unserer Genossen in Kiel , Neumünster , Rendsburg und hier ist eS uns diesmal noch nicht gelungen, in der Stichwahl die Hochourg der Liberalen zu nehmen und den freisinnigen Dr. Hänel zu stürzen. Der Grund liegt zum größten Theil darin, daß alle Wähleroerjammlungen verboten wurden. Auch unsere Zusammenkünfte schnüffelte die Polizei aus, kam aber leider zu spät. Es haben hier und in unserm Nachbar- orte Ellerbeck Vernehmungen wegen Verbreitung der Wahlflugblätter stattgesunden, welche aber für die Polizei ganz resultatlos verliefen; und weil man sich auch bewußt ist, daß die große Masse der hiesigen Bevölkerung sozialistiich gesinnt ist, stand man davon ab, die Geister auf's Aeußerste zu treiben. Es war wirklich ein Hochgenuß für uns, zu sehen, wie sich unsere Gegner in ihren Zeitungen blamirten, aus Angst und Furcht vor dem bösenrothen Gespenst". Der Inhaber derKieler VolkSzettung" ver- weigerte den Gaardener Genossen sogar die Ausnahme einer Wahl- Annonce, was seinem Wisch aber sicher nicht zum Vortheil sein wird. Professor Hänel, unserMischmajch'Kandidat", der uns zur Zeit im Reichstag zertritt, kann sich dessen gewiß nicht rühmen, daß er seinen Sitz im Reichstage Kiel u»d der nächsten Umgebung zu verdanken hat; er ist hier auf der ganzen Linie geschlagen; so hat er denn, da der 7. schleswig-holsteinische Wahlkreis mit einer sehr großen Landbevölkerung verbunden ist, die Hochburg nach dort verlegt; und in Wirklichkeit haben ihm seinebraven Bauern" auch diesmal wieder zum Siege verholftn. Die arbeitende Landbevölkerung in unserm Wahlkreise muß sich ja un- bedingt dem bravenGroßdauern" fügen, sonst ist es aus den meisten Ortschaften um ihre Existenz geschehen. Doch die Genossen hier haben wacker gekämpft trotz VersammlungS- verbot und Polizerchikanen. Wir erhielten hier in dem 8000 Einwohner zählenden Gaarden bei der eraen Wahl für unseren Genossen Stephan Hemzel aus Kiel l08S Stimmen, bei der Stichwahl l lvö Stimmen. Unsere Stimmenzahl wäre gewiß noch eine größere gewesen, wcnn nicht gerade zur Zeit der Wahl in Folge der GeschailSkrise im Schiffbau auf derHowaldt'schen Werst" Ditlrichsdors und hier aus derKaiserlichen Werst" massenhafte Ar­beiterentlassungen stattgefunden hätten, und von den Betroffenen Viel«. um auswärts Arbeit zu suchen, unfern Ort verlassen mußten.