daß sich mit einem schlauen Schachergeschäftchen etwas Hübsches ver- dienen ließe. Die Agrarier im Zentrum stießen freilich bei ihren mehr„demo- kratischen" Fraktionsgenofsen auf Opposition, sie haben aber den Sieg erfochten, und zwar in Form eines„Kompromisses", der dahin geht: die Getreide- und Holzzölle im Plenum zu erledigen, den Rest an eine Kommission zu bringen. Ist der Rest in der Kommission— dann mag er auch in der Kommission und mit der Kommission begraben werden. Den Herren Jankern und Agrariern kommt es nur auf die Getreide- und Holzzölle an: das heißt sie wollen„Staatshülfe" auf Kosten und aus der Tasche des„armen Mannes"; die Fabrikanten mögen sehen, was aus ihren Schutzzöllen wird. Man hat sie— nämlich die Fabri- kanten— nur als Chorus gebraucht, und— hat der Mohr seine Schuldig- keit gethan, so mag er gehen. Im Augenblick, wo wir dies schreiben— Mittwoch den 11. dieses— ist es allerdings noch nicht entschieden, ob die Herren Junker und Agra- rier ihren Plan durchsetzen werden; falls die Fortschrittspartei sich er- mannt, könnte er noch vereitelt werden. Die Oppositionsparteien haben es nämlich in der Hand, die Beschlußunfähigke it des Hauses zu erwirken; bis jetzt aber haben die Herren Fortschrittler es nicht ge- wagt, von diesem Mittel rücksichtslosen Gebrauch zu machen. �Charakteristisch für die Haltung des Zentrums ist auch der Umstand, daß es in dieser hochwichtigen Debatte sich durch eins seiner unbedeu- tendsten Mitglieder hat vertreten lassen: durch den wasserpollakischen Premierlieutenant a. D. und Krautjunker(leider nicht a. D.) von Schal cha, Besitzer eines verschuldeten Guts, welcher der Staatshülfe, oder sagen wir lieber eines Staatsalmosens allerdings dringend bedürftig ist. Abgesehen hiervon ist Herr von Schalcha ein ganz braver Mann, und unzweifelhaft talentirt für das öffentliche Leben, wenn auch nicht für das politische: Herr Renz würde keinen besseren Zirkus-Clown finden, als unseren talentirten Staatsalmosenier in spg. Also diesen „Immer Loustik" schickte man vor— die Herren Windthorst , Schorlemer- Alst und Frankenstein blieben hübsch fein auf ihren Plätzen.— Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion sprach Bebel, welcher die Frage der Kornzölle nach ihren verschiedenen Richtungen hin beleuchtete. Da die Debatte sich noch mindestens über einen Tag, zusammen über drei Tage, erstrecken ipjrd, wäre es nicht unmöglich, daß ein zweiter sozialdemokratischer SRebnft zum Wort käme. Natürlich bekämpft die Fortschrittspartei im Reichstag mit großem Eiser die Getreidezölle; sonderbarerweise ist jedoch außerhalb des Reichstags von einer agitatorischen Thätigkeit der Fortschrittspartei so gut wie nichts zu bemerken. An Lust zu agitiren fehlt es den Herren Fortschrittlern nicht, und wahrhastig auch nicht an Grund, wohl aber an der Kourage und am nöthigen Geschick. Schon 1878 und 187«, als Bismarck sich durch das Sozialistengesetz die sozialdemo- kratische Agitation vom Hals geschafft hatte und an die Einführung sei- ner famosen Schutzzoll- und Wirthschastspolitik ging, zeigte sich diese Unfähigkeit der Fortschrittler zur Agitation in den Volksmaffen. Von einem sozialdemokratischen Abgeordneten wurde ein bekannter Fortschritts- mann damals ob der agitatorischen Unthätigkeit seiner Partei interpellirt. „Wir verstehen uns leider nicht auf die Massenagi- t a t i o n!" lautete die kleinlaute Antwort. Neuerdings haben die Herren Fortschrittler den Cntschuß zu erkennen gegeben, eine große„Volks- a g i t a t i o n" gegen die Kornzölle zu inszeniren. Leider ist es schon etwas spät; wohl schon zu spät. Jndeß wir wollen abwarten. Thatsache ist, daß die Sozialdemokraten, würden sie nicht durch das Sozialistengesetz lahm gelegt, binnen vier Wochen eine Bewegung gegen die Kornzölle organistrt hatten, vor der die Herren Agrarier, mit ihrem „Ehef" Bismarck , sich aus der Oeffentlichkeit hätten zurückziehen müssen. Ueberall— das hat sich recht deutlich während der letzten Wahl- bewegung gezeigt— überall, wo sozialdemokratische Redner über die Kornzölle sprachen, hatten sie die Versammlungen für sich, selbst in durch- weg ländlichen Bezirken. Unsere deutschen Bauern sind nicht so dumm, wie Herr Bismarck und seine Leute sich einbilden. Und wenn an ihre Vernunft appellirt wird, wenden sie sich von den Schwindlern ab, die, unter dem Vorgeben, die Interessen des„Bruder Bauer" zu fördern, sich bloß die eigenen Junkertaschen zu füllen bemüht sind. Nachschrift. Die Kornzölle kommen nicht vor eine Kommission, sie werden gleich durch den Reichstag „gepeitscht" werden. Mit großer Mehrheit wurde in der Sitzung des 13. ein dahingehender Beschluß ge- faßt, und im Augenblick, wo diese Notiz zum Druck kommt, werden die verdoppelten und verdreifachten Kornzölle wahrscheinlich bereits in letzter Lesung angenommen sein. Einen gemeineren Jnteressenkamps hat es niemals gegeben. Die„oberen Zehntausend" wollen auf Kosten des„armen Mannes" Staatsalmosen haben. Wir haben 8,900,000 so- genannte Grundbesitzer in Deutschland , und von diesen haben nur (568,000, d. h. kaum ein Z w ö l f t e l, so viel Land, daß sie Getreide verkaufen, also von den Kornzöllen Vortheil ziehen können. Der Rest, die ungeheure Majorität der Grundbesitzer, oder in volksthümlicher Sprache ausgedrückt, der gesammte Kleinbauernstand hat von den Korn- zöllen nur materielle Nachtheile. Das ist so handgreiflich, läßt sich ziffernmäßig so überzeugend nachweisen, daß— je nun daß die Ritter der Kornzölle sich auf eine Diskussion nicht einlassen können, und es daher vorziehen, die Gegner der Kornzölle einfach niederzustimmen. Der Parlamentarismus geht in die Brüche, sobald es sich um die In- teressen handelt. Da kümmert man sich nicht um Gründe, da will man keine Reden mehr hören, obgleich das Parlamenteln ja vom Parliren kommt und das Reden zum Parlamentarismus gehört, wie Flinten und Kanonen zum Militarismus. Da gilt blos noch die„brutale G«- walt" der Majorität. Nur zu! Es kann auch einmal schief gehen, und der Spieß umgekehrt werden. Nicht w i r sind es, die bei der Durchlöcherung des Parlamen- tarismus zu verlieren haben. Feuilleton. Z>er Gehetzt e.*) Dramatisches Gemälde aus der Jetztzeit. In drei Abtheilungen und einem Vorspiel. Von E. Gr. Personen: Stürmer, der Gehetzte. Alex von Habgier, Großgrundbesitzer. Lucie, dessen Frau. Strengmann, Aufseher. Grob, Landgensdarm.\ Treulich, ein alter Achtundvierziger. Marie, dessen Tochter. Ein Briefbote. Sieben Karrenschieber. Vorspiel. Eine Landstraße; weiterhin die Gebäude eines Gutes sichtbar. Stürmer(tritt mühsamen Ganges auf. Im Begriff, zu rasten, schaut er auf und erblickt die Gutsgebäude. Erschreckt): Auch das noch! Müssen mich meine Kräfte grade in dem Augenblicke verlassen, wo ich vor mir die Häuser des Gutes sehe, vor dem sie mich alle gewarnt haben. (Er bleibt ermattet einen Moment stehen.) Vielleicht erreiche ich wenigstens noch den kleinen Wald da drüben. (Er macht einige Versuche, weiterzugehen: dann setzt er sich er- schöpft auf einen Stein.) Es geht wahrhaftig nicht; ich muß erst einen Augenblick ruhen, um neue Kräfte zu sammeln.— Ach, wie kann doch der Atensch so elend werden! es so sort, dann hetzen sie mich wirklich todt. Seitdem es *) Wir bringen hiermit einen weiteren dramatischen Versuch der Ver- faflerin der„Geschwister" zum Abdruck, der dem erster an Wirksamkeit und Aktualität keineswegs nachstehen dürfte. Da das Dramolet speziell für die Aufführung an Märzsesten geeignet ist, so werden wir schon vor beendigter Veröffentlichung im„Sozialdemokrat" Separatabzüge anser- tigen lassen, damit diejenigen Mitgliedschaften, welche es zur diesjährigen Märzfeier aufzuführen wünschen, rechtzeitig an die Einstudirung gehen können. — Aus Leipzig schreibt man uns:„Stiesel muß sterben!" Wir hatten Recht:♦) Reinsdorf und einer seiner Genossen mußten geköpft werden, wie weiland Hödel, damit das„rothe Gespenst" die richttge, echte Blutfarbe erhielt. „Wir färben echt, wir färben gut, Wir färben mit Attentäterblut!" so können die Puttkamer, Bismarck und Konsorten mit einer kleinen Variation des von ihrem Exleibjournalisten Braß gedichteten Blutliedes singen. Reinsdorf — das muß ihm gelassen werden— starb furchtlos, er spielte seine Rolle bis zu Ende, während der unglückliche Küchler elend zusammenbrach. Seine Rolle. Nicht die eines großangelegten Charakters, der dem Haß gegen die Staats- und Gesellschaftsordnung die wuchtige Kraft der Intelligenz und konzentrirter Entschlossenheit zu geben ver- mag. Das war nicht in ihm. Kein Trotzlied, kein Lied der Rache war es, was er zuletzt sang— gewissermaßen als Testament. Nein, und das ist so recht bezeichnend, ein schnoddriges Kneiplied: Stiesel muß sterben, Ist noch so jung, jung, jung!" Nicht an Andere dachte er, nicht an die Klasse der Geknechteten und zu Befreienden— nein, nur an sich selbst dachte er, und daß er so jung sterben müsse. Das soll kein Tadel sein. Vor dem Schaffst ermannte er sich noch zu einem Schlachtruf: „Nieder mit der Barbarei, es lebe die Anarchie!" Und an diesem Ruf wollen wir nicht mäkeln. Das„Stiefel muß sterben!", welches so bezeichnend ist für die Haupt- person im letzten Hochverrathsprozeß, gestaltet sich gerade durch seine frivole Unbedeutendheit zu einer um so schwereren Anklage gegen diese Männer, die diesen Hochverrathsprozeß ermöglicht und einen Mensch wie Reinsdorf unter das Henkerbeil gebracht haben. „Stiefel muß sterben! Ob den Herren das Gewissen nicht schlägt? Und ob, wenn der Tod vor ihnen steht, sie ihm ebenso furchtlos in's Angesicht blicken werden wie der geköpfte Reinsdorf ? Wem sie durch den Hochverrathsprozeß und die obligate Köpferei genützt haben, das wird sich ja wohl gelegentlich herausstellen. Das Eine ist schon jetzt sichtbar und mit Händen zu greifen, daß Hundert- tausenden der Muth, oder sage man unsertwegen: die Nervenstärke impo- nirt hat, mit der Reinsdorf in den Tod gegangen ist. In England sind die Massenhinrichtungen, wie sie früher gebräuchlich waren, abgeschafft worden, weil die Erfahrung lehrte, daß die Todesstrafe nicht nur nicht abschreckend wirkt, sondern daß sie, wenn die„Patienten" mannhaft und keck sterben(äiv garno— nennt es der Engländer mit einem regulären Kunstausdruck), positive Anziehungskraft aus- übt, den Verbrecher zum Helden und Märtyrer macht und ihm Nach- folger erweckt. Herr von Puttkamer und Konsorten haben aber ihr Bestes ge- than, um Reinsdorf zum Märtyrer und Helden zu machen; und dem Hanswursten Most, der am Reinsdorf genau ebenso unschuldig ist wie an Kammerer und Stellmacher, haben ste zu einem Märtyrer und Helden verHolsen, der sicherlich seine Dienste thun wird. Vielleicht sagt Herr Puttkamer : indem wir dies aussprechen, schleifen wir wieder irgend einen beliebigen Dolch. Es gibt Leute, die ihre Augen haben, um n i ch t zu sehen, und ihre Ohren, um nicht zu hören. Hätte Herr von Puttkamer seine Augen, um zu sehen, und seine Ohren, um-u hören, dann würde er sehen, daß der todte Reinsdorf weit ge- sährlicher ist als der lebendige. Und er würde hören, daß jeder Denkfähige und menschlich Fühlende— gleichviel welcher Partei er an- gehört— mehr oder weniger laut den letzten Leipziger Hochverraths- prozeß und das tragische Nachspiel von Halle sowohl vvm Standpunkte der Sittlichkeit als dem der Politik entschieden verurtheilt. „Das möge Herr von Puttkamer sich hinter die Ohren schreiben." — Zum Thema vom Diensteid. Aus Dortmund erhalten wir folgende Zuschrift: Wie hoch die Heiligkeit des Eides im Lande der Moral und guten Sitte von den Trägern der Ordnung gehalten wird, beweist folgender Fall.... Bei dem Begräbnisse unseres verstorbenen Genossen Otto Tölke ver- suchte Genosse Brachwitz dem Andenken unseres Freundes einige Worte zu widmen, woran er jedoch durch den Polizeikommissar Meyer, genannt der Liebenswürdige, gehindert wurde. Nachdem ein Gesangverein ein Lied vorgetragen, legte Genosse. Brachwitz einen Kranz im Namen der Sozialdemokratie Dortmunds nieder, worauf die Umstehenden ein Bravo ausbrachten. Es erfolgte nun von Seiten des Staatsanwalts Klage gegen Brachwitz wegen Vergehen gegen das Sozialistengesetz, in welcher der Kommissar Mayer, der Bureauschreiber Geger, sowie der Kirchhof- diener Höfel als Zeugen fungirten; von unserer Seite waren sieben, Zeugen geladen. Meyer bezeugte eidlich, Brachwitz habe gesagt: Wir leiden unter dem Druck des Ausnahmegesetzes," und habe bei dem Niederlegen des Kranzes ein Hoch auf die Sozialdemokratie ausgebracht, was von den sieben Zeugen widerlegt wurde, und noch von mehreren Dutzend Zeugen hätte widerlegt werden können. Den Sieben wurde aber nicht geglaubt, sondern derüRichter erklärte ganz unverfroren, daß Kommissar Meyer eine glaubwürdige Person sei— und der Diensteid entschied. Wir aber bezweifeln' die Glaubwürdigkeit des Meyer sehr, denn erstens hat der Herr von dem Gesagten thatsächlich nichts mehr gewußt, da der Bureaugehülfe Geger, als sie vom Kirchhof kamen, ihm die Sache erst erzählt hat, und' Meyer lediglich den nöthigen Beihau hinzugeliefert hat, und zweitens hat Meyer gelegentlich des Dortmunder Schützenfestes gezeigt, wie glaubwürdig er ist. *) Vergleiche Nr. 1 des„Sozialdemokrat". bekannt geworden, daß ich der Leiter der Wahlbewegung in unserem Bezirk gewesen bin, gibt es für mich keine Ruhe mehr. Polizei und Richter konnten mir allerdings nichts anhaben und mußten mich schließ- lich laufen lassen, obgleich sie gerne ihr Müthchen an mir gekühlt hätten.— Aber dafür hungern mich jetzt die Herren Kapitalisten gründlich aus. Nicht genug, daß mich mein Fabrikant, bei dem ich seit sieben Jahren in Arbeit stand, nach der Wahlschlacht davonjagte, nein, sämmtliche Fabrikanten haben einen Bund geschlossen, mich nicht mehr zu b-schäfti- gen. O, sie wissen, wo sie uns.am empfindlichsten treffen. Erst die Arbeitslosigkeit,— dann die KiWheit,— dann wieder arbeitslos— es ist zum Verzweifeln! Aiit 2 Jahren und dem besten Willen zum Arbeiten muß man elendiglich auf der Landstraße zu Grunde gehen. Und Alles infolge dieses schändlichen Sozialistengesetzes. Fluch ihm und seinen Urhebern!— Wenn ich nur erst aus der Nähe dieses vermale- deiten Gutes wäre! Die Gutsherrschaft, so sagt man, habe einen Kon- trakt mit dem Wächter des Gesetzes geschlossen, daß er ihr die billigsten Arbeitskräfte zuführe. Denn außer dem Essen gibt es weiter fast nichts, und die Arbeit kann kaum ein Gesunder leisten, geschweige denn ich, den ein Kind jetzt umwerfen könnte. Bin ich denn noch der alte Stür- mer, der vor keiner Anstrengung, vor keinem Wagniß zurückschreckte 7 Ach nein, ich bin ein elender, verkommener Mensch, dem Krankheit die Kraft, und das Elend die Energie geraubt haben. (Er wendet seinen Blick dem Gute zu.) Nur von da kann der Gensdarm kommen. Wenn ich die Spitze seines Helmes erblicke, breche ich auf; der Abscheu, den ich vor diesen Hetzhun- den habe, wird mir dann vielleicht die nöthige Kraft verleihen, weiter zu kommen. In Feldheim, dem nächsten Städtchen, hoffe ich ja endlich Arbeit zu bekommen, weil mir die Genossen eine recht warme Empfehlung mit- gegeben haben und der Meister selbst ein Genosse ist. Fatal ist nur, daß ich selbst im Nothsall die Empfehlung dem Gensdarm nicht zeigen darf, weil die polizeiwidrig dummen Gesetzeswächter sofort eine politische Aktion in diesem Begleitschreiben erblicken würden, und ich darf und will Niemand blosstellen. Gensdarm(der sich von der entgegengesetzten Seite genähert hat): Nun, was thut er hier, he? Stürmer(erschreckt): Ich— ich— ruhte einen Augenblick. Gensdarm(noch barscher): Er sieht der Vagabondage sehr ver- dächtig aus; zeig' er mir seine Papiere. (Stürmer versucht sich eiize möglichst kräftige Haltung zu geben, indem er seine Papiere aus der Tasche zieht und dem Gensdarm überreicht.) Gensdarm(sieht aufmerksam die Papiere durch und vergleicht das Damals erzählte er nämlich dem Redakteur der„Tremonia ", daß& dem Pfandleiher Eick in der Woche vor dem Schützenfest für 20,000 versetzt worden. Hierauf erklärte die Firma Eick in der„Dortmunde Ztg." den Kommissar Meyer indirekt als einen Verleumder, da Meyer niemali Einsicht in ihre Bücher hatte, und in der betreffenden Woche weit»e niger versetzt worden sei als in sonstigen Wochen; Meyer aber hat st wohl gehütet, gegen diese Erklärung Strafantrag zu stellen. Und bis Zeugniß dieses Helden wurde höher gestellt als die Aussage sieben i» bescholtener bürgerlicher Zeugen! Der Staatsanwalt beantragte gegen Brachwitz 2 Monate Gefängniß uir' Ausweisung, das Gericht erkannte aber nur auf 30 Mark eventuell» Tage Haft wegen Vergehen gegen das Vereinsgesetz vom 11. März 1850- Damit war dem Staatsanwalt aber nicht Genüge geleistet, weshalb« Revision beim Reichsgerichte einlegte. Dies verwarf aber am 10. Janu« 1886 die Revision und bestätigte das erste Urtheil. Aus der Verurth» lung überhaupt ist jedoch ersichtlich, wie sehr der Abgeordnete v. Voll«» Recht hatte, als er im Reichstage sagte, der Reichskanzler möchte d<» lieber Alles auf seinen Diensteid nehmen, denn da geht viel drauf, uitf das wird Kommissar Meyer auch gedacht haben. — Wie die Bourgeoisie den religiösen Fortschritt ver steht. Es ist wiederholt von katholischer Seite der Ausspruch getha» worden, daß das Mittelalter in seinen vielen und vielgeschmähten Fest tagen eine Art natürlichen Regulators der Arbeitszeit hatte, der den No« malarbeitstag gewissermaßen entbehrlich machte, und man braucht keir Verehrer dieser höchst irrationellen Regulirung der Arbeit zu sein, u« ihren relativen Nutzen für den Arbeiter zuzugestehen. Thatsache ist, das die vielen Festtage der aufstrebenden Bourgeoisie ein Gräuel vor de» Herrn waren, und sie überall sich eifrigst bemühte, ihre Zahl zu red> ziren, wobei ihr der Protestantismus vortreffliche Dienste leistete. nicht protestantischen Ländern ging die Sache etwas schwieriger, at auch hier wird man, je mehr die moderne Industrie Boden faßt, imi aufgeklärter— im Punkte der Feiertage. Und merkwürdig. So stark der reaktionäre Zug der Zeit hew- auch ist, in dieser einen Beziehung— Beschränkung der Feiertage" scheint es noch immer vorwärts zu gehen. So lesen wir in der „Frankfurter Zeitung " folgende Notiz: „Plauen i. V., 8. Februar. Der von der Handelskammer zu Fram furt a. M. gegebenen Anregung folgend, hat die Handels- un- Gewerbekammer zu Plauen sich eingehend mit der Frage b» schäftigt, wie in Sachsen eine größere Uebereinstimmung bezüglich d» Festsetzung von Fe st tagen mit anderen deutschen Staaten her beigeführt werden könne. Nach den Reskripten der evangelischen Gr Heimen Räthe betreffend Beschränkung der Feiertage von 1831 sind bei erste und sechste Januar, der Himmelfahrtstag, das Reformationsfest uitf der Charfreitag neben zwei Weihnachrs-, Oster- und Psingsttagen un' zwei Bußtage als ganze, sowie der grüne Donnerstag als halber Festt» zu begehen. Man greift nun nicht zu hoch, wenn man für jeden Ars beitstag einen Betrag von 1,200,000 Mark als Ergebnis von Zeitlohn im Königreich Sachsen annimmt. Ein Ausfall vo>s drei Arbeitstagen bringt also einen Verlust von 3,600,000 Mark und die Aufhebung des einen Bußtags, des Festes der heiligen drei Könige und des Reformationsfestes würde für das Land eine» wirthschaftlichen Nutzen von 3,600,000 Mark bringe» Die Handelskammer hat nun beschlossen, die Regierung zu ersuchen, st möge dahin wirken,� daß die besondere Feier des 6. Januar und bei einen Bußtags in Sachsen aufgehoben, die Feier des andern Büß tags in den verschiedenen Staaten Deutschlands auf denselben Tag ved legt und die besondere Feier des Reformationsfestes auch in den prots! stantischen Nachbarstaaten eingeführt werde. Die Kommission hatte di> Aufhebung des Reformationsfestes für den Fall in Vorschlag gebracht daß das Fest nicht auch in den Nachbarstaaten eingeführt wird, v« Plenum hat aber mit Rücksicht auf die konfessionellen Kämpfe der Gegefl wart die Beibehaltung des Festes für nothwendig erachtet." Dieser Beschluß ist in der That charakteristisch für unsere Epoche. Z» einer Zeit, wo die Ueberproduktion und das Elend, welches erstere noch wendig nach sich zieht, chronisch geworden ist, quält man sich ab, d>> Zahl der Arbeitstage zu vermehren, denn—„das Land" würd> einen„wirthschaftlichen Nutzen" von 1,200,000 Mark per Arbeitstot erzielen. Das„Land" heißt natürlich so viel wie die Klasse der B�J sitzenden, denn daß die Arbeiter von diesem„wirthschaftlichen Nutzeir nichts verspüren würden, bezw. werden, liegt zu klar aus der Hand, als daß wir darüber noch ein Wort verlieren sollten. Man braucht sich jj nur das Ding weiter auszumalen und die Konsequenzen zu ziehen welche sich für die Arbeiter ergeben würden, wenn der fromme Wunst gewisser Leute, auch den Sonntag im wirthschaftlichen Interesse aus zuheben, in Erfüllung ginge. Das Elend der Arbeiter würde nU vermehrt werden. Man würde indeß fehl gehen, wollte man aus dem bisher Gesa? ten schließen, daß wir über die Aushebung der genannten kirchliches Feiertage unglücklich sein würden. Im Gegentheil. Wir werden sie mi Freuden begrüßen. Aber nicht wie die Frankfurter und Plauener Bau« geois wegen des damit verbundenen wirthschaftlichen Profits, sonder« weil uns erstens der kirchliche Charakter dieser Feiertage sehr gleichzülti! ist, und weil ferner, je mehr diese irrationellen Palliative gegen lieber arbeit und Ueberproduktion verschwinden, um so deutlicher die Rots wendigkeit einer rationellen Regulirung der Arbeitszett hervortreten muß — Zur Bismarckspende. Für die Art und Weise, wie di „Bismarckspende" gemacht wird, liegen ein paar recht nette Beispiele vo> Die„Kölner Volkszeitg." theilt ein Zirkular der Firma Ferd. Wohl» und Söhne in Düsseldorf mit, welches unter der Ueberschrift:„An mei» Arbeiter!" folgenden Wortlaut enthält:„Wir Alle müssen und wolle einen Antheil an dieser Ehrengabe des deutschen Volkes haben und schl» gen Euch vor, aus der Arbeiter-Unterstützungskasse 60 Mark zu de« - J Signalement sehr sorgfältig): Es stimmt; wie steht es mit dem Zeh» Pfennig? Stürmer: Der ist mir soeben ausgegangen; aber ich habe d> Gewißheit, in Feldheim Arbeit zu bekommen. Gensdarm: Ah bah, diese Ausrede gebraucht jeder Landstreiche! Stürmer: Beleidigen Sie mich nicht. Ich bin ein ehrlicher MaiU und kein Landstreicher. Gensdarm: Maul gehalten. Folge er mir zum Amtsrichter. I« Gefängniß wird er wohl Zeit haben, über seine Ehrlichkeit nach}« denken. Stürmer: Sie haben aus meinen Papieren gesehen, daß ich es ehrenhafter Mann, der sich durch redliche Arbeit seinen Lebensunterh» erwirbt. Daß mir bei der heutigen traurigen Geschäftslage augenblicklff das Reisegeld ausgegangen ist, ist keine Schande. Lassen Sie mich als weitergehen, ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß ich sicher bin, in d» nächsten Stadt Arbeit zu bekommen. Gensdarm: Nichts da! Er kommt zum Amtsrichter. Er sieht«v überhaupt nicht aus wie ein arbeitsliebender Mensch, sondern wie es nichtsthuender Bummler, der sich aus Kosten Anderer ernährt, ein Mi glied der F-chtbrüderzunft, die jetzt zu einer wahren Landplage wir! Er lungert ja schon seit dem Herbst aus der Landstraße herum, wie au seinen Papieren hervorgeht. Stürmer: Ich arbeite gern, aber wenn die Geschäfte darniede' liegen, wie es jetzt der Fall ist, kann schon eine unfreiwillige Arbeitt losigkeit vorkommen. Gensdarm: Ich will Ihnen was sagen: wenn Sie wirklich Lust z» Arbeit haben, können Sie dort, bei der Gutsherrschast, vorderhand welq bekommen. Also wenn Sie Arbeit dem Gefängniß vorziehen, will ich& aus das Gut führen. Stürmer: Rein, ein Karrenschieber bin ich nicht. Mir fehlen au vorderhand die Kräfte zu solcher ungewohnten schw-ren Arbeit. Gensdarm(wüthend): Aha! Das habe ich mir doch gleich gedach er faules Subjekt, er Landstreicher, er arbeitsscheuer Vagabund! Mar? zum Amtsrichter! Was da seiner wartet, weiß er doch wohl, he? t weiß hoffentlich, daß sein Gesängnißaufenthalt in seinen Papieren v« zeichnet wird, damit Jedermann nachher auch weiß, mit wem er l zu thun hat!.„~„• Stürmer(verzweifelt vor sich hin): Was soll ich thun? Soll> mich von rohen Menschen einsperren lassen, die Unsereinen gleich eine Hunde behandeln, oder soll ich versuchen, auf dem Gute Arbeit zu ne men? Ich weiß freilich nicht, wie ich die ungewohnte Arbeit ertrag' werde, aber mich als Landstreicher brandmarken lassen? Nein, nei
Ausgabe
7 (19.2.1885) 8
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