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Erscheint

wöchentlich einmal

in

Zürich( Schweiz).

Berlag

der

Boltsbuchhandlung Hottingen Zürich.

Pottsendungen

franto gegen franto. Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz toften

Doppelporto.

14.

Der Sozialdemokrat

Bentral- Organ der deutschen Sozialdemokratie.

1911

Donnerstag, 2. April

Avis an die Abonnenten und Korrespondenten des Sozialdemokrat."

Da der Sozialdemokrat sowohl in Deutschland als auch in Oesterreich verboten ist, bezw. verfolgt wird und die dort gen Behörden fich alle Mühe geben, unsere Verbindungen nach jenen Bändern möglichst zu erschweren, resp Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Speditionen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Borsicht im Postverkehr nothwendig und darf keine Borfichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schützen Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so seten

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten und Gemaßregelten nicht!

Erklärung.

In der letzten Zeit, namentlich im Monat Januar d. J., waren im Sozialdemokrat" mehrfach offene und versteckte Angriffe gegen die fozialdemokratische Fraktion des deutschen Reichstags zu lesen.

Diese Angriffe gingen theils von der Redaktion, theils von Korrespon­denten des Blattes aus.

Sie bezogen sich vorzugsweise auf das Verhalten der sozialdemokra tischen Reichstagsmitglieder in der Frage der Dampfersubvention. Auch ist eine Resolution der Züricher Genossen, die sich gegen die Haltung der Fraktionsmehrheit in dieser Frage aussprach, nicht blos im Partei­organ veröffentlicht, sondern auch in Einzelabzügen in Deutschland ver­breitet worden, offenbar in der Absicht, eine Art ,, Entrüstungsbewegung" gegen die Fraktionsbeschlüsse hervorzurufen.

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Wenngleich die sozialdemokratische Reichstagsfraktion weiß, daß durch berartige Angriffe ihre Stellung nicht erschüttert werden kann, so be­trachtet sie doch ein solches Verfahren für durchaus ungehörig

Sie bestreitet der Redaktion und den Korrespondenten des Partei­organs keineswegs das Recht einer selbständigen Kritik; sie erachtet es aber für eine schwere Schädigung der Parteiinteressen, wenn die Be­schlüsse der Abgeordneten in einer Weise besprochen werden, welche ge­eignet ist, die Fraktion in den Augen der fernerstehenden Parteigenossen herabzusetzen.

Das Parteigefühl unserer Genossen, an welches wir appelliren, muß ihnen sagen, daß ein solches Verfahren geeignet ist, die Aktionsfähigkeit der Partei zu vermindern und in wichtigen Momenten gar zu lähmen. Statt den gewählten Vertretern der Arbeitersache auf solche Weise den schwierigen Kampf gegen übermächtige Feinde noch zu erschweren, sollte jeder Parteigenoffe bestrebt sein, den Keim der Zwietracht zu ersticken und das Band der Eintracht fester und fester zu knüpfen.

Insbesondere ist es Pflicht der Redaktion des ,, Sozialdemokrat", in diesem Geiste zu wirken und nie zu vergessen, daß das Parteiorgan unter feinen Umständen in Gegnerschaft zur Fraktion treten darf, welche elch die moralische Verantwortlichkeit für den Inhalt desselben trägt.

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Nicht das Blatt ist es, welches die Haltung der Fraktion zu bestim­ing men, sondern die Fraktion ist es, welche die Haltung des Blattes zu kontroliren hat.

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Die Fraktion erwartet demgemäß, daß derartige Angriffe in Zukunft unterbleiben, und daß die Redaktion Alles vermeide, was dem Geiste obiger Erkärung zuwiderläuft.

Berlin, den 20. März 1885.

Die sozialdemokratische Fraktion des deutschen Reichstags.

Klassenjustiz.

Rechtsprechung durch das Volk ist eine sehr schöne Sache, und mit Recht steht diese Forderung auf dem Programm unserer Partei. Dadurch daß das Volk selbst zur Rechtsprechung berufen wird, soll das lebendige, im Laufe der Zeit sich stets modifizirende, stets in Fluß befindliche öffentliche Rechtsbewußtsein der verkörperten formalen Rechtstradition gegenüber gestellt wer­är den, das entscheidende Wort sprechen.

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Angeblich sind nun die heutigen Geschworenengerichte ein Schritt zu dieser Demokratisirung des Rechts, wie man es schon genannt hat. Wie aber in der bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft, mag fie der Form nach noch so demokratisch organisirt sein, sich alle öffentlichen Einrichtungen infolge der ökonomischen Uebermacht de der Klasse der Besitzenden über die der Nichtbesitzenden in ihr direktes Gegentheil umwandeln, auch hier Vernunft Unsinn, Wohlthat Plage wird, so namentlich mit der Einrichtung der Schwurgerichte. Nicht aus der Masse des Volkes, sondern aus einer Klasse des Volkes, aus der Klasse der wohlfituirten Minderheit, werden die Geschworenen genommen, und das angeb liche Volksgericht wird zum Klassengericht. So prägen fich B. denn auch in den Erkenntnissen der Schwurgerichte die Vor­urtheile der befizenden, bürgerlichen Klasse gewöhnlich in so aus­gesprochener Weise aus, daß ihnen gegenüber die Ungeheuerlich­keiten des formalen Rechtes als das bei Weitem geringere Uebel erscheinen.

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Geradezu unerträglich aber wird dieses angebliche Volksgericht, den wenn die Herren Bourgeoisgeschworenen in einem Konflikt eines ang ihrer eigenen Klassengenossen gegen ein Mitglied der nichtbesitzen­

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den Klasse, des Proletariats, zu entscheiden haben. Da wird nicht nur Vernuft Unsinn, da wird die brutale Gewalt als Recht santtionirt, da spricht der tugendhafte Bürgersmann, der das geringste Vergehen gegen das Eigenthum nicht streng genug zu ahnden weiß, leichten Herzens den Mörder frei, wenn dieser Mörder sein Klaſſengenosse und das Opfer desselben so ein Lump" ist, der nichts hat.

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Beispiele dafür liegen in großer Zahl vor wir erinnern fieh beispielsweise nur an die Freisprechung des Gutsbesitzers Ramin, der seinen Taglöhner erschossen hatte-, man braucht nur die Annalen der Schwurgerichte zu studiren. Die meisten derartigen Fälle werden eben in weiteren Kreisen nicht bekannt, mit einem Bericht in den Lokalblättern ist die Sache meist abgethan. Es

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Abonnements

werden bei allen schweizerischen Postbureaux, sowie beim Verlag und dessen bekannten Agenten entgegengenommen, und zwar zum boraus zahlbaren Vierteljahrspreis von:

Fr 2,-für die Schweiz( Kreuzband) mt 3, für Deutschland( Couvert) fl. 1.70 für Oesterreich( Coupert) Fr. 2 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).

Juferated

die dreigespaltene Petitzelle und du 25 Gts. 20 Pfs.id

1885.

als möglich an den Sozialdemokrat, resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands und Desterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung set; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Rekommandirung. Soviet an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen um trok aller entgegen stehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat unseren Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern

" Pikant" mag der Fall, der uns zu diesen Bemerkungen beranlaßte, nicht gerade sein aber er ist so charakteristisch für die heutige Klassenjustiz, so schreiend, daß wir uns, als Organ des Proletariats, verpflichtet fühlen, ihn hier zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.

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muß schon ein sehr pikanter Fall sein, wenn die übrige Presse Schwerlich. Hoyer hatte das Verbrechen" begangen, Nachts für eine Arbeit, die ein von ihm Notiz nehmen sol. einen anderen Befizer Gras zu mähen alter Mann, der den Tag über gearbeitet hat, schwerlich über­nimmt, wenn ihn nicht die Noth dazu treibt. Hoyer war ein Säufer," heißt es sodann. Nun, man weiß, weshalb diese oft­preußischen Tagelöhner gezwungen sind, im Schnapsgenuß Ersatz für die verausgabte Arbeitskraft zu suchen, im Schnapsgenuß, dem ihre edlen Herren, die nicht auf ihn angewiesen find, keineswegs abhold sein sollen. Und wenn ein 60jähriger Mann, der eine Septembernacht-die bekanntlich schon recht kalt find- Hin­durch gearbeitet hat, gegen Morgen trunken nach Hause kommt, es braucht wahrlich nicht viel Alkohol, um diese Wirkung her­borzurufen.

Ein Genosse sendet uns aus Königsberg die Nummer 69 der bortigen Hartung'schen Zeitung" vom 21. März d. J., in der wir unter der Rubrik: Este Schwurgerichtsperiode

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1885" folgenden Bericht finden:

Nein, hier gibt's keine Beschönigung, hier liegt ein Todt­

Brille der Klassenvorurtheile sieht, für den gibt es darüber gar teinen Zweifel. Ja, die Vertreter des formalen Rechts, die Mit­glieder des Gerichtshofes, scheinen, obwohl doch auch Klassen­genossen des Lehrbach, es nicht über ihr juristisches Gewissen gebracht zu haben, sich über das Standalöse dieses Urtheils, hin­wegzusehen. Einige Tage später finden wir nämlich in den Königs­berger Blättern folgende Notiz:

cute verkündete der Schwurgerichtspräsident, Herr Land­gerichtsdirektor Bartsch, den Schluß der ersten diesjährigen Schwurgerichtsperiode, wobei er Veranlassung nahm, den Geschworenen Dant auszusprechen für die Pflichttreue und Auf­merksamkeit, mit der sie ihres Amtes gewaltet haben. Er könne fonstatiren, daß eben diese Pflichttreue wesentlich dazu beigetragen habe, die Geschäfte zu erleichtern, und daß ihre Sprüche im Großen und Ganzen mit der Ueberzeugung des Gerichtshofes bis auf einen Fall, der nicht übereingestimmt haben

weiter zu erörtern ist."

Nun, die Gründe, welche nicht nur den Präsidenten, sondern auch die Königsberger Bourgeoispresse veranlassen, den Fall nicht weiter zu erörtern", kann man sich leicht vorstellen, von so etwas spricht man nicht gern.

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Fünfter Fall. Unter sehr großer Betheiligung des Publikums verschiedener Stände wird folgender Fall verhandelt, der besonders wegen des Ausfalls, den der Strafprozeß genommen, von Bedeutung ist. Der Angeklagte ist der Guts bejizer Lehrbaß aus Glücksschlag vor, ein ganz gemeiner Todtschlag. Wer nicht durch die höfen, 26 Jahre alt. Derselbe wird beschuldigt, am 11. September v. J. den Scharwerker Hoyer, einen 60jährigen Mann, vorsätzlich derartig mißhandelt zu haben, daß der Tod des selben verursacht wurde. Hoyer fatte, trotz des Verbotes feines Brod­herrn, die Nacht zum 11. September v. J. bei einem andern Besizer Gras gemäht und war morgens sunken nach Hause gekommen und hatte fich, statt in die Arbeit bei Herrn Lehrbaß zu gehen, zur Ruhe begeben. Als er Nachmittags aufwachte, machte er mit seinen Stubengenossen, einem Schwiegersohn und seinen heiden Töchtern, Standal, er zog gegen den Ersteren sogar ein Meffer; infolge dessen begab sich der Schwieger sohn zum Herrn Lehrbaß, um gegen seinen Schwiegervater Klage zu füh ren, ja, er verlangte sogar von diesem sein Abzugsattest, denn er wollte nicht länger mit dem Alten zusammenbleiben. Gegen Abend begab sich Herr L. nach dem Insthause, in em die Familie wohnte, er ließ den Alten hinausrufen, gab ihm eine Ohrfeige und mehrere Schläge, daß er zu Boden fiel. Als ihn Herr L. lbft vom Boden aufhob und nach dem Bimmer führte, flagte Hoyer sofort über Schmerzen in der rechten Seite und wurde zu Bett gebracht, aus dem er sich nicht mehr erhob und in der Nacht zum 14. September ver tarb er. Angeklagter bestreitet nicht, ben Hoyer geschlagen zu haben, ahi, mill or houtengugeben wiffen, da er bei dem Vorfalle sehr aufgeregt gewesen sei. In der Vor­untersuchung hat sich derselbe dahin geäußert: Als ich dem H. eine Ohr­feige gab, sagte derselbe, was, auch noch schlagen, da kam mir der Gedanke ein, H. könne vielleicht mit einem Messer stechen und ich hieb auf ihn ein. Daß er den H. mit der Faust in die rechte Seite gestoßen, hat Angeklagter dem Dr. Lux, den er zur Behandlung des H. aufs Gut hinauskommen ließ, wie dieser bezeugte, ausdrücklich zu gestanden. Bei der Sektion der Leiche des H., die der Kreisphysikus Herr Dr. Klammroth vornahm, fand er vier Rippen von oben nach unten gebrochen, und sein Gutachten, das er heute wieder: holt, geht dahin, daß Hoyer an Lungenentzündung verstorben ist, die hervorgerufen wurde durch die Einwirkung eines stum= pfen Gegenstandes; ferner wurde begutachtet, daß ein Fauftstoß solche Verlegungen wie die vorgefundenen wohl hervorzurufen geeignet war. Allerdings, fügt Herr Dr. Klammroth diesem Gutachten hinzu, seien verschiedene unglückliche Momente dazu gekommen: einmal das hohe Alter des H., die infolge deffen eingetretene hochgradige Brüchigkeit der Knochen deffelben, dann, daß derselbe ein Säufer war, und endlich ein Herzklappenfehler, der bei der Sektion vorgefunden wurde. Es ist an­zunehmen, daß ein Mensch, der nicht an solchen Krankheitszuständen leidet, wohl die Mißhandlung ausgehalten hätte, ohne das Leben einzubüßen. Die königliche Staatsanwaltschaft hält nach solcher Sachlage ihre An­tlage aufrecht, umsomehr, als Angeklagter ein Mensch ist, von dem man fich solcher That wie der zur Sprache gebrachten wohl versehen könne, denn, wie der Herr Vorsitzende festgestellt, hat Angeklagter einstens im Gasthause zum Kronprinz in Labiau, ohne Veranlassung, einem Apothekergehülfen ein Bierseidel an den Kopf geworfen, welcher Einfall infolge einer Einigung geschlichtet wurde. Die Annahme mildernder Umstände stellt der Staatsanwalt den Geschworenen anheim. Herr Justizrath Hagen als Vertheidiger spricht sich dahin aus, daß die Ges schworenen nicht mit voller Bestimmtheit den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Tode des Hoyer als erwiesen annehmen könnten, jedenfalls aber ständen dem Angeklagten mildernde Umstände zur Seite. Auf Veranlassung des Staatsanwalts war die Schuldfrage dahin gestellt, ob Angeklagter schuldig sei, a) den H. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung vorsätzlich gemißhandelt zu haben; b) daß dadurch der Tod des H. verursacht wurde.

schworenen sprachen den Angeklagten der vorsätzlichen Mißhandlung schul­big, nahmen aber nicht für erwiesen an, daß dieselbe in einer das Leben gefährdenden Weise verübt und durch sie der Tod des Verstorbenen ver­ursacht worden ist. Demgemäß mußte der Gerichtshof den Anget lagten freisprechen, da es zu der Bestrafung wegen einfacher Mißhandlung des Strafantrags des Verlegten bedarf."

Kommentar überflüssig, könnten wir eigentlich hier sagen, denn was wäre diesem Bericht wohl noch beizufügen?

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Ein brutaler Raufbold mißhandelt einen alten Arbeiter derart, daß derselbe zusammenbricht und drei Tage darauf stirbt die Herren Geschworenen nehmen für nicht erwiesen" an, daß diese Mißhandlung in einer das Leben gefährdenden Weise" verübt worden sei- natürlich! dem Lehrbaß war ja ganz unbe­fannt, daß Hoyer ein 60jähriger hinfälliger Mann war, so un­bekannt, daß er bei dem Gedanken an die bloße Möglichkeit, Hoyer könnte sich zur Wehr sehen, wie ein Besessener auf ihn losschlug. Da mußte ja Freisprechung erfolgen. Was sollte ihn losschlug. Da mußte ja Freisprechung erfolgen. Was sollte aus der bestehenden göttlichen Weltordnung werden, wenn der Gutsbesitzer nicht mehr das Recht hat, seinen Taglöhner wie einen Hund zu prügeln? Ja, wenn der 60 Jahre alte Mann, statt empört auszurufen: Was, auch noch schlagen?" sich dem 26jährigen Patron gegenüber wirklich zur Wehre gesetzt und ihn durch irgend einen Zufall lebensgefährlich verlebt hätte, ja Bauer, das wäre ganz etwas Anderes!

Beiläufig: welchen Einblick gewährt dieser Prozeß in die Lage unseres Landproletariats! Warum hat Lehrbaß den Hoyer zu Tobe geprügelt? Weil derselbe Streit mit seinen Töchtern hatte?

Die gelehrten Richter haben ihre juristische Ehre gewahrt, und damit ist die Sache abgethan.

Der Proletarier ist todt und sein Mörder frei - ein angesehener Mann.

Das ist und bleibt das Fazit der modernen Klassen justiz.

Die Fortsetzung des Artikels: Die Unbesiegbarkeit der Sozialdemokratie" folgt in nächster Nummer.

Soziales aus Amerika.

Meinem Versprechen und der Aufforderung Seitens einiger Genossen, Etwas über die hiesigen Verhältnisse zu berichten, will ich hiemit nach­kommen. Ein Theil dessen, was ich sagen werde, ist freilich schon zu verschiedenen Malen an das Partei- Drgan berichtet worden, wird aber immer noch von den Genossen nicht genug beachtet,( was ich aus eigener Erfahrung weiß). Denn wenn vor dem Auswandern abgerathen wird, heißt es gewöhnlich: Schlechter wie hier, kann es mir da drüben auch nicht gehen; oder: Wenn es mir nicht gefällt, so gehe ich einfach wieder! Schöner Gedanke, aber es kommt meistens anders, da es hier Manchem schlechter geht wie draußen, und das Fortgehen auch leichter gesagt wie gethan ist. Die Dampfschiffs- Gesellschaften befördern. Niemand umsonst, zu Fuß kann man auch nicht gehen, da bis jetzt noch keine Brücke über ben Dzean gebaut ist.

Nun zur Sache selbst. Für den Deutschen, der hier ankommt, ist das erste Hinderniß die Unkenntniß des Englischen. Es ist ein gar merkwürdiges Gefühl, wenn man angesprochen wird und kein Wort versteht, auch keine Antwort geben kann. Es gibt zwar in allen Städten eine ziemlich große Anzahl Deutscher; doch ist englisch die Hauptsprache. In den Städten sind immer mehr Arbeiter als vers langt werden; ich wandte mich daher ins Land, wo das Angebot nicht so groß ist, da nicht jeder ins Land gehen mag. Ich will deshalb auch hauptsächlich über die Verhältnisse im Lande berichten, und ertra darauf aufmerksam machen, wo die Städte auch mitgemeint sind.

Seit einem Jahre bin ich jetzt hier in Palmyra, habe aber schon in brei anderen Orten gearbeitet. Ich wechselte stets um mich zu verbessern, indeß vergeblich, denn ich könnte eben so gut noch an meinen ersten Plaze sein. Palmyra ist etwa 350 englische Meilen nordwestlich von New- York ent­fernt. Das Klima ist wohl nicht zu den gesündesten zu zählen, denn der Wittes rungswechsel geht hier zu schnell vor sich. Heute ist es sehr warm, um am nächsten Tage schon ganz empfindlich kalt zu sein. Verkehrswege hat es hier genug: Eisenbahnen und Kanäle durchkreuzen das Land kreuz und quer. Mehrere gehen sogar ein und denselben Weg. Da ist z. B. die N.- Y.- Central- Bahn, welche von Often nach Westen führt, dieselbe hat vier Geleise,( die einzige Bahn in der Welt mit vier Geleisen). Auf einem Geleise gehen die Personen- Büge nach Westen, auf dem andern nach Osten, so daß kein Zug auf den andern zu warten braucht, wie dies bei einspurigen Bahnen der Fall ist. Auf den zwei anderen Ges leisen wird die Fracht befördert, und zwar nach gleichem Modus wie die Personen- Züge. Mit dieser Bahn parallel geht eine zweite Bahn, und den gleichen Weg führt noch auf eine zweite Strecke von 350 Meilen ein Ranal, auf welchem viel Getreide, Rohlen u. s. w. befördert werden; doch nimmt der Verkehr auf den Kanälen mit jedem Jahre ab, da ja auch nur im Sommer gefahren werden kann. Der in Rede stehende Ranal hat zirka 185,000,000 Mart gekostet. Das Reisen ist hier, abge= sehen vom Fahrpreis, ziemlich kostspielig, wenn man auf Hotels anges wiesen ist, denn da ist der Durchschnittspreis 8 Mart pro Tag.