Zwischen den Orten mit 2—5000 Einwohnern hier und denen gleicher Größe in Deutschland ist ein großer Unterschied. Dieselben haben hier ein freundlicheres Ansehen und zeigen mehr Geschäftsleben. Das richtige Ge- schäftsviertel umfaßt hier nur eine oder zwei Straßen, wo sich die Läden, Hotels, Banken, kurz alle Geschäftslokale, eins neben dem andern befinden. Um diese Straßen gruppiren sich die Wohnungsquartiere— mit Bäumen angepflanzte Straßen. Die Häuser, meistens zweistöckig, sind gewöhnlich von Holz und werden nur von einer Familie bewohnt. Bei jedem Hause ist ein Garten, was ersterein ein freundliches Aussehen gibt. Ein Ort mit einigen Tausend Einwohnern nimmt infolge der vielen Gärten daher einen großen Flächenraum ein. An Wochentagen ist es in den Straßen ziemlich lebhaft, um so einsamer ist es am Sonntag, da dann alle Geschäfte geschlossen sind, selbst die Wirthschaften, infolge des Sonntags-Gesetzei und der Agitation der Wassersimpel(Temperenzler). Trotz alledem sieht man auch Sonntags Betrunkene, da die Wirthschaften hinten geöffnet sind, und dann bei verhängten Fenstern gekneipt wird. Dieselbe Ruhe herrscht Sonntags in den Städten, denn dort ist die Polizei noch schlimmer. Die meisten Leute gehen Sonntags zur Kirche, an denen hier kein Mangel ist, der kleinste Ort hat gewöhnlich 5—6 solcher Verdummungs-Anstalten auszuweisen. Auffallend ist, daß jeder kleine Ort einen Skating-rink(Rollschuh-Bahn) hat, wo sich männlich und weiblich täglich stundenlang herum tummelt. Sonst gibt es hier kein Vergnügen, als dann und wann einmal eine Theater- Vorstellung von emer wandernden Truppe. In den hiesigen Wirthschaften ist von einem Tisch oder Stuhl keine Spur, das Getränk wird an der Bar (Schenktisch) im Stehen getrunken,— von einem gemüthlichen Beisam- mensein kann also auch hier nicht die Rede sein. Hier ist nur Geld die Loosung, gleichviel wie es erworben wird. Wenn ein Ladenbesitzer, der seine 150,000 Mark werth ist,(wieder Amerikaner sagt) eigenhändig seinen Laden oder Straße segt, so küm- merl sich Niemand darum, Arbeit schändet hier nicht.„Ein Jeder kann es hier zu etwas bringen", wenn er smart(klug) ist, sagt der Amerikaner, aber auch von Deutschen habe ich diesen Unsinn schon gehört. Der Amerikaner ist überhaupt stolz auf sein Land. Er sagt: Es ist das beste und reichste Land der Welt". Freilich das Land ist schon recht, aber die heutige Gesellschasts-Ordnung ist nichts nutz. Was den Verdienst anbetrifft, so erhält ein Knecht bei einem Land- wirth 50—75 Mark monatlich, nebst Kost und Logis, dafür muß er aber sein Geschäft verstehen und hart arbeiten, wie überhaupt hier von Arbeiter mehr verlangt wird als in Deutschland . Ferner wird er nicht für's ganze Jahr engagirt, sondern auf 4—8 Monate, die übrige Zeit muß er für wenig Geld oder nur Kost und Logis arbeiten. Auch bekommt er bei seiner harten Arbeit nur drei Mal per Tag zu essen, und nicht wie draußen fünf Mal. Eine Magd erhält 6—8 Mark per Woche nebst Kost und Logis. Klempner, Hufschmide, Stellmacher erhalten 3—7 Mark pro Tag. In letzteren Geschäften, wie noch in verschiedenen anderen, wird aber ganz anders gearbeitet wie draußen, so daß ein Deutscher von vorne zu lernen anfangen muß. In der Schneiderei werden hier mehr Frauen als Männer beschäftigt, da dieselben selbstver- ständlich billiger arbeiten. Ein Schneider erhält durchschnittlich 32—40 Mark, Frauen oder Mädchen 12—20 Mark per Woche, wobei man sich nur wundern muß, wie letztere von solchem Verdienst leben können. Eisenbahnarbeiter erhalten für ihre schwere Arbeit, wobei sie noch jedweder Witterung ausgesetzt sind 4—5 Mark pro Tag. Ich könnte noch andere Geschäfte anführen, doch wird das Gesagte genügen. — Die Ausgaben, welche ein lediger Mann hat, sind Kost und Logis 16—20 Mark per Woche. Hemd zum Waschen 40 Pfg., Kragen L Psg., Taschentuch 6 Pfg., Socken 20 Pfg. u. s. w. Ein Gläs- chen Bier 20 Pfg., eine gewöhnliche Cigarre, 20 Pfg.— Ich glaube ein verheiratheter Mann kann billiger leben als ein lediger, vorausge- setzt, daß er eine tüchtige Frau hat. Einige seiner Ausgaben will ich hier anführen: Miethe 20—24 Mark per Monat, Holz, ein Cord— 3.624 Kubikmeter 20 Mark, Kohlen 1 Mark 26 Pfg. per Ztr., Schweinefleisch 44 Pfg. per Pfund., Rindfleisch 40—64 Pfg., Schmalz 48 Pfg., Butter 80—100 Pfg., Kartoffeln 120—160 Pfg. per Bushel— 35'/t Liter, Mehl 12—16 Pfg. per Pfund, Eier 64—120 Pfg. per Dutzend. Ein Herren- Anzug nach Maß kostet, wenn er einigermaßen sein soll, 100 Mark, Stiesel 28—40 Mark.— Fertige Kleider. Schuhe, Hemden u. s. w. sind fast ebenso billig wie draußen. Was nun die Geschäftslage im Allgemeinen anbetrifft, so sieht es schlecht aus im ganzen Land. Die Geschäfte gingen wohl noch nie so schlecht wie augenblicklich. In jeder Stadt sind Tausende von Arbeitslosen. Da heißt es denn gewöhnlich:„Von Zeit zu Zeit muß eine solche Krisis kommen." Oder:„Das Geschäft geht jedesmal im Jahre der Präsidenten- Wahl schlecht." Doch das sind alles nur Ausreden, denn wir Sozialisten kennen die Krankheit Keffer, wir wissen aber auch die Arznei dafür. Leider liegt unsere Partei hier noch in den Windeln; im Lande haben die Wenigsten vom Sozialismus auch nur etwas gehört, von einem Begreifen des- selben gar nicht zu sprechen. Dann und wann trifft man Einen, der einmal davon etwas hat läuten hören und dann die längst vergeffen« Redensart vorbringt: Ja die Sozialisten wollen theilen und alles er- morden. Freilich, wie können sie Belehrung finden, wenn die Zeitungen, welche diese Leute lesen, um kein Haar besser sind als die Reptilien- Blätter draußen? Wenn sie etwas vom Sozialismus berichten, so sind es Beschimpfungen oder Verleumdungen; aber wie der Heldengreis ge- schlafen hat und ob er guten Appetit hat, dies wird alles getreulich be- richtet, so daß man glauben könnte, in einer Monarchie zu leben und nicht in einer Republik, welche auf ihre Freiheit so stolz ist. Worin be- steht denn hier die Freiheit? Daß man vielleicht seine„Majestät im Frack" einen Esel heißen kann, oder daß wir bis jetzt noch kein Sozia- listen-Gesetz haben? Das ist so ziemlich die ganze Freiheit; denn öko- nomisch ist der Arbeiter mitunter noch abhängiger wie draußen. Bei einem Streike kommen Polizei und Soldaten dem Kapitalisten sofort zur Hülfe. Die Freiheit zu verhungern hat man auch, und davon wird leider täglich Gebrauch gemacht, und dies in einem Lande, welches so srucht- dar ist, soviel hervor bringt, daß die Bauern im Westen daS Getreide zu Feuerung benutzen, da es billiger als Kohle ist. Auch die Freiheit, sich selbst das Leben zu nehmen, hat man hier, vorausgesetzt daß man es vollbringt, denn wenn man nicht erfolgreich ist und sein Vorhaben nicht ganz ausführen kann, so wird man nachher bestrast. Das Gerichtswesen ist überhaupt gerade wie im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte: die kleinen Diebe hängt man, die Großen läßt man lausen. Oft überkommt einem der Zorn, wenn man von diesen willkürlichen Verur- theilungen liest: hat einer aus Roth eine Kleinigkeit gestohlen, so er- hält er eine hohe Strafe; aber die großen Spitzbube», welche Millionen gestohlen haben, läßt man erst ruhig nach Canada gehen, bevor man zum Scheine gegen sie vorgeht. Alles dieses zu ändern ist die Aufgabe der Sozialisten, nur der Sozalismus kann hier Besserung schaffen. Dazu ge- hört aber eine tüchtige Agitation, und fehlt es hiezu namentlich an einem englischen Partei-Organ. Seit dem 1. Januar haben wir jetzt ein deutsches Central Organ für die Partei:„der Sozialist", dasselbe wird uns gute Dienste thun. In Deutschland wohnen auf einer Quadratmeile 216.62 Menschen, in Belgien 481.71, und in dem reichen Lande, welches alles selbst er- zeugt, was es braucht, in den Vereinigten Staaten 13.92 . Bei dieser Zahl ist freilich der Westen in Betracht zu ziehen, welcher bis jetzt noch außerordentlich dünn bevölkert ist. Trotzdem hat es hier, wie ich schon anführte, eine schrecklich große Zahl Arbeitsloser. Ich könnte noch vieles schreiben, doch ist der Raum des Partei Organs zu beschränkt, deshalb will ich schließen. Ich habe alles geschildert, wie es ist, nichts beschönigt, aber auch nichts dunkler gemalt, als es sich in Wirklichkeit zeigt, und diejenigen Genossen welche mich kennen, werden von der Wahrheit meiner Angaben überzeugt sein. Sollte jemand speziell über etwas Auskunft haben wollen, so bin ich gerne bereit, seine Fragen, soweit ich da- zu im Stande bin, zu beantworten. Um nun zum Schluß noch einmal alles zusammen zu fassen, so kann ich nur sagen, daß ich Niemand zur Auswanderung rathen kann. Wer noch einigermaßen sein Auskommen hat, der bleibe lieber draußen, denn da weiß er was er hat; er weiß aber nicht, waS seiner hier wartet. Mit sozialistischem Gruß August HeimS, Palmyra, N.-I. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 31. März 1885 — Nun haben die Franzosen inTonkin eine ebenso heil- same Lektion empfangen als die öngländer im Sudan — wie dort die Araber, so haben hier die Chinesen den Vertretern der europäischen Zivilisation eine Schlappe beigebracht, wn der sie sich sobald nicht erholen dürften. Was wir über den Fall Chittum's schrieben, das könnten wir mit wenigen Modifikationen mit Bezug auf die Niederlage von Langson wiederholen, d. h. mit Modifikationen, bei denen die siegreichen„Bar- baren" nur gewinnen, die geklopften Vertreter Europas nur verlieren können. In Tonkin handelt es sich thctsächlich nur um einen Raubzug der beutegierigen französischen Bourgsiisie, es gibt auch nicht eine Entschuldigung für den mit— wir wollen nicht sagen beispielloser, denn die Geschichte der Bourgeoisie weist nm zuviele solcher Beispiele auf,— mit schamloser Ungenirtheit vom Zaum gebrochenen Krieg. Und doppelt zu gönnen ist der französischen Bourgeciste diese Niederlage, wenn inan sich erinnert, mit welcher Schadenfreude sie die Engländer nach dem Fall von Chartum verhöhnte. Zunächst freilich hat sie sich an der Mann gehalten, dem sie vor wenigen Tagen noch zujubelte: anFerry. Das Ministerium Ferry ist ge- stürzt— die Kammer, die ihm zwei Tage vorher ein Vertrauensvotum ertheilte, hat es ihm am Montag mit erdrückender Mehrheit verweigert. Hat sich Herr Ferry in den zwei Tagm verändert, ist seine Politik eine andere geworden? Mit Nichten. Die Größe unserer modernen Staats- männer wird auf den Schlachtfeldern entschieden— wir leben nicht um- sonst im Zeitalter des Militarismus. Hätte Oberst Herbinger vor Kilua gesiegt, so läge die französische — nicht doch, die ganze europäische Bour- geoisie vor Herrn Ferry auf dem Barch, kein Mensch würde es wagen dürfen, sein staatsmännisches Genie arzuzweifeln, bei Strafe, sich lächer- lich zu machen.— Heute steht sein� linfähigkeit für den letzten Spieß- bürger so fest wie Bismarcks Unfehlbrrkeit. Nun, Herr Ferry hat seinen Sturz verdient, er war nicht der einzige Sünder, aber er hat den Ruhm tiefes„glorreichen Feldzuges" ein- heimsen wollen, mag er jetzt daher seine Schande tragen. Aber noch einmal, er ist nicht schuldiger als die, welche ihn stürzten. Die Herren Bourgeois in der Kammer wußten so g»t wie er, welches Loos der französi- schen Soldaten wartete, die nach dem lonkin geschickt wurden, und wenn sie es nicht wußten und doch leichten Herzens für den Krieg stimmten, welchen Vorwurf können sie ihm dann machen? Nicht allwissend ge- wesen zu sein? Sie waren so gut wie er gewarnt, aber sie wollten nicht hören; und deshalb haben uitfer! französischen Genossen recht, wenn sie sich nicht mit dem Ruf der Radikilen: Nieder mit Ferry! begnügen, sondern ihn zu dem Ruf erweitern: Nieder mit der Kammer, das heißt mit der Bourgeoisie! Für Deutschland dürften die jüngsten Erfahrungen der Engländer und Franzosen die wohlthätige Wirkung eines abkühlenden Sturzbades für unsere Kolonialschwärmer haben;(m ein Kurieren dieser Leute ist allerdings vorderhand nicht zu denken. Jnveß: Hirtenknabe, Hirtenknabe, dir auch singt man dort einmal. — Zwischen England und Rußland scheint es nun doch in Zentral-Asien zum Klappen kommen zu sollen, die Betheuerun- gen der friedfertigen Gesinnung nehmen aus beiden Seiten kein Ende, und mittlerweile werden die Rüstungen mit fieberhafter Eile betrieben. Der Ausgang des Krieges kann für beide Länder, ja für die politischen Verhältnisse ganz Europas von verhängnißvoller Bedeutung sein. Eine Niederlage Englands ist nicht denkbar ohne die Revolution in Irland und großartige Aufstände in Indien , die zum Mindesten die englische Herrschaft in Indien bedeutend schwächen, zur Losreißung ganzer Pro- vinzen führen können. Damit wäre aber ein gewaltiges Absatzgebiet für Englands Jndustrieprodukte unterbunden und die Arbeiterfrage würde in England selbst zu einer Bedeutung sich entwickeln wie nie zuvor— der Bankrott der Gewerkoereinsvolitik wäre unvermeidlich, und durch die Gewalt der Dinge würden die englischen Arbeiter dem Sozialismus, der sozialen Revolution in die Arme getrieben. Eine Niederlage Rußlands aber hieße eine Niederlage des Zarismus, de« autokratif ch,e n Zar-n«giments, eine Konstitution wäre das Geringste, was der besiegte Zar zu bewilligen hätte, und Konstitution heißt für Rußland Revolution. In beiden Fällen wäre eine Rückwirkung auf das übrige Europa um so wahrscheinlicher, als die Verhältnisse überall so gespannt als möglich sind, die Arbeitslosigkeit überall zunimmt. Insofern« also können wir Sozialisten den Ereignissen durchaus neutral entgegensehen, wir haben in beiden Fällen nur zu gewinnen. Ja, es bedarf nicht einmal einer entscheidenden Niederlage. Nichts schwächt bekanntlich heutzutage die Regierungen mehr als ein langwieriger Krieg. Wir sagten: neutral den Ereignissen. Mit Vorbedacht. Den Regierungen, besonders der russischen, gegenüber gibt es für uns keine Neutralität, und namentlich haben wir Sozialisten nichts mit der neutralen Haltung gemein, die Bismarck beobachtet, und die einer moralischen Unterstützung Rußlands so ähnlich sieht wie ein Ei dem andern. — Wieder ein furchtbares„Grubenunglück" in Oesterreich — ganz in der Nähe der Grube, wo erst neulich die mörderische Explosion statt hatte. Wenn wir die S a a r b r ü ck e n e r „Katastrophe" mitrechnen, das dritte große„Grubenunglück" binnen we- »igen Wochen im Bereich der ehemaligen deutschen Bundesstaaten. Die „Ursachen" werden natürlich nie genau ermittelt werden— solche Dinge vertuscht man systematisch, und die Untersuchungen, welche pro korma veranstaltet werden, haben nur den einzigen Zweck, die Aufmerksamkeit von der wahren Ursache abzulenken. Diese liegt, wie von unserer Partei schon hundertmal ausgesprochen worden ist, in dem gegen- wärtigen Ausbeutungssystem. Es ist erfahrungsgemäß fest- gestellt und wissenschaftlich nachgewiesen, daß die G r u b e n- E x p l o- sionen unfehlbar verhütet werden können. Diese Ex- plosionen entstehen entweder durch gewisse entzündliche Gase(die söge- nannten„schlagenden Wetter") oder durch massenhaft in den Schächten und Stollen herumfliegenden K o h l e n st a u b, der sehr rasch verbrennt und dabei Explosionen herbeiführt. Weder die„schlagenden Wetter" noch die Kohlenstäubchen können sich aber in gefährlicher Menge ansammeln, wenn eine genügende Ventilation vorhanden ist. Das ist von den ersten Autoritäten Englands, auf welche Liebknecht im sächsischen Landtag anläßlich der Brückenberg-Schacht-Katastrophe Bezug nahm, festgestellt worden. Also die Möglichkeit derVerhütung, der vollständigen Verhinderung liegt vor. Unglücklicher- weise sind jedoch die Ventilationsvorrichtungen kostspielig, und da die kapitalistische Produktion nicht das Wohl der Menschen, sondern ihre Ausbeutung bezweckt, so fällt es den Herren Grubenbesitzern nicht ein, sich in die nöthigen Kosten zu stecken. Das Arbeiterleben hat keinen Werth— neue Arbeitskräfte sind stets„billig" zu beschaffen, und so läßt man's denn darauf ankommen. Findet eine Explosion statt — je nun, das ist eben ein„Unglück"— die todten Arbeiter werden durch frische Kräfte ersetzt, und wird in der Grube selbst Schaden ange richtet, so ist der Schaden schon im Voraus von den todten Aus gebeuteten bezahlt— und, wenn nicht, dann wird er nachträglich von den neuen lebenden Ausgebeuteten bezahlt. Das ist der Lauf der kapitalistischen Produktion, und in ihrem Wesen begründet. Und weil es in ihrem Wesen begründet ist, werden diese Menschen-Heka t o m b e n sortdauern, so lange die kapitalisttsche Produktion und Aus- beutung besteht.— — In Bielefeld ist Ende voriger Woche der Staat wieder einmal gerettet worden, und zwar in großartigster Weise. Po- lizei und Militär allein thaten es nicht, es wurde auch obendrein der Belagerungszustand proklainirt. Natürlich waren es die Ar- b e i t e r, vor denen der Staat„gerettet" werden mußte, die Arbeiter, die ja eigentlich die besonderen Schützlinge dieses Staates sind. Aber Undank ist nun einmal der Welt Lohn, und ganz besonders scheint dies in Bezug aus die Arbeiterklasse zuzutreffen. Man höre nur. Seit mehreren Wochen hatten in Bielefeld die Arbeiter mehrerer dortiger Nähmaschinenfabriken Lohnkonflikte durchzukämpfen, in einigen Fabriken hatte man sich geeinigt, absolut hartnäckig verhielt sich den Arbeitern gegenüber die Firma F. W. K o ch& E i e. Ali alle Versuche, eine namhafte Anzahl der Streikenden durch die Hunger- peitsche zur Wiederaufnahme der Arbeit zu zwingen, fehlschlugen, der Zuzug fremder Arbeiter auch zu wünschen übrig ließ, da wandten sich die ehrenwerthen Herrn an den Vorstand der nahe gelegenen„Arbetter- kolonie" Wilhelmsdors, Herrn Pastor Bodelschwingh. siehe da, der große Arbeiterfreund, der sich in allen konservativen Llij! tern als Wohlthäter der arbeitenden Klassen ausposaunen läfl hatte nichts Eiligeres zu thun, als soviel Arbeiter als nur möglich � Wilhelmsdorf nach Bielefeld zu entsenden— richtiger zu verschicken,"■ te in der dortigen Herberge zur Heimath untergebracht und den Herr Koch behufs Unterdrückung ihrer Arbeiter zur Verfügung gestellt wurde» Das war den Arbeitern Bielefelds denn doch zu arg, und nun gannen die„Unruhen". Den Anfang derselben kennt man aus unzL ligen Beispielen. Die Arbeiter versuchen ihre eingesangenen KameralZ zu überreden, von dem selbstverrätherischen Beginnen abzustehen, es fi" hier und da ein hartes Wort, und sofort ist die Polizei da, konstat» „Bedrohung" und nimmt Verhaftungen vor. So wird die Stimm« immer mehr gereizt, und bei der allgemeinen Sympathie der Gesam» arbeiterschaft Bielefelds war der Tumult, der„Aufruhr" da, w- wußte nicht wie. Das war dem Herrn Koch natürlich gerade«i denn sobald die Militärgewalt Ursache findet, einzuschreiten, haben> Unternehmer fast gewonnen Spiel. Der Belagerungszustand proklann heißt jede Verständigung unter den Streikenden unmöglich gemacht, h« sie auf Gnade und Ungnade den Fabrikanten überliefern. Das ist die Hilfe, welche der heutige Klassenstaat de« Arbeitern Theil werden läßt, dies ist die Unterstützung, die sie von ihm zu warten haben. Man bemesse danach den Undank der Arbeiter, wenn ich gegen diesen Staat auflehnen, der sie so gut beschützt, wie Bisrf die Kamerun -Neger. Auch diese waren bekanntlich undankbar ge" den preußisch-deutschen„Schutz" abschütteln zu wollen. Und undankbar, maßlos undankbar erweisen sich die deutschen beiter, wenn sie sich nach so glänzenden Proben nicht von nörgeln! Zweiflern zu begeisterten Verehrern der famosen„ArbeiterkolonU bekehren. Jetzt werden sie doch hoffentlich begreifen, warum die R« sirung dieser großartigen Ideen von allen Fraktionen der besitze»! Klasse, in liberalen wie konservativen Kreisen, mit Eifer in die genommen wurde, warum an allen Ecken und Enden Arbeiterkolob entstehen. Denn Arbeitersreunde sind diese Herren alle, alle. Mögen also die Arbeiter allerorts aus den Bielefelder Vorkommni die nöthigen Konsequenzen ziehen und ihre Freunde gründlich erkeib lernen! — Der Herr hat's gegeben— nämlich das Kommando „sammeln"— der Herr hat's genommen— nämlich das 1 sein Kommando„gesammelte" Geld— der Name des Herrn gelobt— nämlich der Name des Herrn Otto Bismarck — so bl jetzt in byzantinistischer Loyalitäts-Verzuckung der Chorus der Natu» servilen in Deutschland , nachdem selbst die Servilsten der Servilen ei Moment stutzig gewesen waren ob der affenartigen Geschwindigkeit, welcher„Er"— der große Nationalgötze— den Ertrag des O Pfennigs" und das„alte Familienstammschloß derer von Bismarck� seine wohl dotirten Taschen gesteckt hat— Verzeihung!— hat st« lassen. War das eine Ueberraschung, als es plötzlich hieß, das„natio> Geschenk", die famose„Ehrenspende", die irgend einem„erhabenen n» nalen Ziele" zugedacht war, auf Grund der Vorspiegelung$ solch„erhabenen nationalen Zieles" erschnorrt, erbettelt und eiq» worden ist, sei„i m E i n v e r st ä n d n i ß" mit dem großen Ratio götzen dazu verwandt worden, dessen riesiges, während seiner Amts rung„erworbenes" und vom„Staate"(der er selbst ist), gesche» Vermögen noch um 1'/, Millionen zu vermehren. Sie standen da, niedergedonnert, die Herren Nationalservilen. Welche Enttäusch» Welche gigantische Blamage für sie, uno für den„Gefeierten", der Spender des„Ottopsennigs" so hübsch in den April geschickt hat. n1 Ansehe» des Reichskanzlers ist gefährdet,"„sein Ruf ist kompromitti „das ist der schwerste Schlag, der ihm je zugefügt worden ist,"—» lich dem Helden des 1. April— so jammerten sie, die Nationallibes — allein die vollendete Thatsache war geschaffen, die„Entrüstung" w» für patriotischere Gelegenheiten auf Flaschen gezogen, und nun tö>» in bier- und weingekräftigtem Jubelchor: Der Herr hat's genom» der Name des Herrn sei gelobt! Und„der Herr" macht ein wonnestrahlendes Gesicht— was ist J sehen", was ist„Ruf", was schiert ihn die spießbürgerliche Moral? steht über der Moral, wie er über der Nationalökonomie und ü i der Logik steht— und die Katze, die Katz' ist gerettet, das alte Sta» gut der Bismarck glücklich in den Familienbesitz der Dynastie Bis« gebracht, ohne daß der hartleibige Otto einen Pfennig zu berappen h! Wahrhaftig, die Politik ist ein gutes Geschäft— wenn man sich va» versteht. Und mit dem Stammgut wird's noch gar nicht gethan sein—[ die noch übrige Million des„Ottopfenitigs" wird sich auch noch praktische Verwendung finden lassen, das heißt eine Verweil!» welche dem„praktischen Sinne" des nationalen Aprilhelden entsp Wer sucht, der wird finden, sagt die Bibel.— — Wozu die Steuern erhöht werden müssen.: preußischen Landtag wird demnächst ein Antrag vorgelegt werden Gewährung einer immerwährenden Rente von jähr- 3 00,000 Mark an das„herzogliche Haus von Schleswig-Holsi� Diese Rente soll angeblich das Versöhnungswerk zwischen! Augustenburgern und den Hohenzollern , die den Ersteren 1866 best lich die Herzogthümer wegschnappten, besiegeln,— den Anfang n? die Ehe zwischen dem Prinzen Wilhelm von Preußen und der A des Herzogs Friedrich. Eine Versöhnung ist nun gewiß etwas Schönes, wie kommen aber die preußischen Steuerzahler dazu-, Kosten dieser Versöhnung zu zahlen? Wird ihnen durch diese V6 nung irgend eine Unannehmlichkeit, gar ein böser Krieg erspart? Nichten. Kein Mensch spricht mehr von den Ansprüchen der Aug» burger, der verstorbene Herzog hat zudem feierlich auf seine Ans?- auf die Herzogthümer verzichtet, mit einem Wort, es handelt ff selbst wenn man sich auf den Boden der gegebenen Thatsachen stellt � eine reine Privatangelegenheit der Hohenzollern , um ein Gesck an ihre, allerdings in ziemlich knappen Verhältnissen lebenden f Verwandten; denn„versöhnt" sind die Herrschaften längst. Abi - lieben Vettern brauchen Geld, und bei der sprichwörtlichen Freigeb der Hohenzollern sind es die beglückten Unterthanen derselben,» den Spaß aus ihrer Tasche bezahlen müssen, denn daß das AbZ- netenhaus die Summe nicht verweigern würde, wer konnte bei Preußen-Deutschland grassirenden Hyper-Loyalität daran zweifeln? etwas kommt höchstens bei den„krämerhaften" Engländern oder K „verkommenen" Franzosen vor, welch letztere pietätlos genug sin! für derartige Stipendiaten des Volkssäckels das höchst respektff Wort budgetivores(Budgetschlucker) haben. — Ueberaus ergötzlich ist es, zu sehen, wie sich die Wi» nationalservilen Bismärcker über die mit ihren hochtrabenden Sst arten in so schauderhafter Weise konttastirende Verwendung des Pfennigs Luft macht. In ihrer Verzweiflung hauen sie auf die Juden im Berliner Bismarckkomite los, als ob diese den Anka? Gutes Schönhausen angeordnet hätten, und nicht Er, der Große, erhabene in höchsteigener Person. Nie hat die deutsche Presse s- Bismarckbeleidigungen ungestraft verübt, als in den' Wochen, denn all die Liebenswürdigkeiten, welche der servile Chor» Berliner Komite an den Hals warf, fielen auf den»piritue rootoi selben, und dieser ist kein anderer als der große Otto. Noch mehr. Wo die ungestrafte Bismarckbeleidigung blüht, seh! türlich auch die unge st raste Majestätsbeleidigung Der alte Wilhelm hat bekanntlich die Verwendung des Ottopfenni Bismarckischen Sinne allerhöchst genehmigt. Es hat also auch er fl nationalen Geist„versündigt". So finden wir z. B. in dem Wutt der servilen„Dresdener Nachrichten" folgende köstliche Perle s „Fürst Bismarck erlebt an diesem Falle, wie sehr ihn die Zudri? keit von Leuten wie Davidsohn und Mendelssohn in schiefe Lage t Wenn nun erzählt wird, daß der Kaiser diesen Verwendungsplan g« habe, so beweist das nur, daß man verstanden hat, die Sache dem Herrn so darzustellen, daß dieser in Gottes Namen Ja gesagt hat. was läßt sich schon arrangiren. Das Reizendste wär« wenn Fürst Bismarck an seinem Geburtstage sich für die ihm zug< Erhöhung seines Privatvermögens bestens bedankte, dem Deichhau?! Gärtner ein anständiges Abstandsquantum auszahlen ließe und im gen die Gelder zu einer großen nationalen Stiftung ungetheilt best Dann wäre die Liebedienerei und das aufdringliche Schmarotze' das auf seinen Privatvortheil ausgeht, eS aber unter ersterbend
Ausgabe
7 (2.4.1885) 14
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