stattgesunden haben. Und sast alle Steuerverweigerer sind zur zweiten Kammer wiedergewählt worden, viele zwei-, dreimal. Mein Mitange- klagter selbst, Schneider II, ist Deputirter von Köln . Die Frage über das Recht der Nationalversammlung, die Steuerverweigerung zu be- schließen, ist also schon faltisch durch das Volk entschieden. Von diesem höchsten Urtheilsspruche abgesehen. Sie Alle werden mir zugeben, meine Herren, daß hier kein Verbrechen im gewöhnlichen Sinn vorliegt, daß hier überhaupt kein Konflikt mit dem Gesetze vorliegt, der vor Ihr Forum gehört. In gewöhnlichen Zuständen ist die öffentliche Gewalt die Vollzieherin der bestehenden Gesetze; Verbrecher ist, wer diese Gesetze bricht oder der öffentlichen Gewalt in Ausübung derselben gewaltsam entgegentritt. In unserem Falle hat die eine öffentliche Ge- walt das Gesetz gebrochen; die andere öffentliche Gewalt, gleichgiltig welche, hat es behauptet. Der Kampf zwischen zwei Staatsgewalten liegt weder im Bereiche des Privatrechtes, noch im Bereiche des Kriminal- rechtes. Die Frage, wer im Rechte war, die Krone oder die Nationalversamm- lung, sie ist eine geschichtliche Frage. Alle Jury's, alle Gerichte in Preußen zusammengenommen, können sie nicht entscheiden. Es gibt nur eine Macht, die sie lösen wird, die Geschichte. Ich begreife daher nicht, wie man uns auf Grund des Code penal(Strafgesetzbuch) auf die Anklagebank verweisen konnte. Daß es sich hier um einen Kampf zwischen zwei Gewalten handelte, und zwischen zwei Gewalten kann nur die Gewalt entscheiden, das, meine Herren, hat die revolutionäre und kontrerevolutionäre Presse gleichmäßig ausgesprochen. Ein Organ der Regierung selbst hat es kurz vor der Entscheidung des Kampfes proklamirt. Die„Reue Preußische Zeitung", das Organ des jetzigen Ministeriums, hatte das wohl erkannt. Einige Tage vor der Krise sagte sie ungefähr: Es kommt jetzt nicht mehr auf das Recht, son- dern auf die Gewalt an, und es wird sich zeigen, daß das alte gott- begnadete Königthum noch die Gewalt hat. Die„Reue Preußische Zeitung" hatte die Sachlage richtig aufgefaßt. Gewalt gegen Gewalt. Der Sieg mußte zwischen beiden entscheiden. Die Kontrerevolution hat gesiegt, aber nur der erste Akt des Dramas ist beendet. In England hat der Kampf über 20 Jahre gedauert. Karl I. war wiederholt Sieger, er bestieg schließlich das Schaffst. Und wer bürgt Ihnen dafür, meine Herren, daß nicht das jetzige Ministerium, daß nicht diese Beamte, die sich zu seinem Werkzeug machten und machen, als Hochverräther von der jetzigen Kammer verurtheilt werden oder von ihren Nachfolgern? Meine Herren, das öffentliche Ministerium hat seine Anklage auf die Gesetze vom K. und 8. April zu begründen gesucht. Ich war gezwungen, Ihnen nachzuweisen, daß eben diese Gesetze uns freisprechen. Aber ich verheimliche es Ihnen nicht, ich habe diese Gesetze nie aner- kannt, ich werde sie nie anerkennen. Sie hatten nie eine Geltung für die aus der Wahl des Volkes her- vorgegangenen Deputirten; noch weniger konnten sie der Revolution des Märzes ihre Bahn vor- schreiben. Wie sind die Gesetze vom 6. und 8. April entstanden? Durch Ver- einbarung der Regierung mit dem Vereinigten Landtage. Man wollte auf diesem Wege an den alten gesetzlichen Zustand anknüpfen und die Revolution vertünchen, welche eben diesen Zustand beseitigt hatte. Männer wie Camphausen u. dgl. hielten es für wichtig, den Schein des gesetzlichen Fortschritts zu retten. Und wie retteten sie diesen Schein? Durch eine Reihe augenfälliger und abgeschmackter Widersprüche. Bleiben Sie, meine Herren, einen Augenblick auf dem alten, gesetzlichen Standpunkt stehen! Das bloße Dasein des Ministers Camphausen, eines verantwortlichen Ministers, eines Ministers ohne Beamtenkarriöre, war es nicht eine Ungesetzlichkeit? Camphausen's, des verantwortlichenMinister- Präsidenten, Stellung war eine ungesetzliche. Dieser gesetzlich nicht existirende Beamte ruft den Vereinigten Landtag zusammen, um Gesetze durch ihn beschließen zu laffen, zu deren Beschlußnahme dieser selbe Landtag gesetzlich nicht befugt war. Und dies sich selbst auf- hebende und in's Gesicht schlagende Formenspiel nannte man gesetzlichen Fortschritt, Behauptung des Rechtsbodens. Aber sehen wir ab von dem Formellen, meine Herren! Was war der Vereinigte Landtag ? Der Vertreter alter verkommener gesellschaftlicher Verhältniffe. Die Revolution, sie hatte eben stattgefunden gegen diese Verhältnisse. Und den Vertretern der besiegten Gesellschaft legt man organische Gesetze vor, welche die Revolution gegen diese alte Gesellschaft anerkennen, regeln, organisiren sollen? Welch' ein abgeschmackter Wider- fpruch! Der Landtag war gestürzt mit dem alten Königthum. Bei dieser Gelegenheit, meine Herren, sehen wir Aug' in Auge dem sogenannten R e ch t s b o d e n. Ich bin um so mehr gezwungen, auf diesen Punkt mich einzulassen, als wir mit Recht für Feinde des Rechts- bodens gelten, als die Gesetze vom 6. und 8. April blas der formellen Anerkennung des Rechtsbodens ihr Dasein verdanken. Der Landtag vertrat vor allem das große Grundeigenthum. Das große Grundeigenthum war wirklich die Grundlage der mittel- altrigen, der feudalen Gesellschaft. Die moderne bürgerliche Gesellschaft, unsere Gesell- schaft, beruht dagegen auf der Industrie und dem Handel. Das Grund- eigenthum selbst hat alle seine ehemaligen Existenzbedingungen verloren, es ist abhängig geworden von dem Handel und der Industrie. Die Agrikultur wird daher heutzutage industriell betrieben, und die alten Feudalherren sind herabgesunken zu Fabrikanten von Vieh, Wolle, Korn, Runkelrüben, Schnaps u. dgl., zu Leuten, die mit diesen Jndi-.striepro- dukten Handel treiben, wie jeder andere Handelsmann! So sehr sie an ihren alten Vorurtheilen festhalten mögen, in der Praxis verwandeln sie sich in Bürger, die zu wenigst möglichen Kosten möglichst viel produziren, die einkaufen, wo am billigsten einzukaufen, und verkaufen, wo am theuersten zu verkaufen ist. Die Lebens', die Pro- duktions-, die Erwerbsweise dieser Herren zeiht also schon ihre überkomme- nen hochtrabenden Einbildungen der Lüge. Das Grundeigenthum, als das herrschende gesellschaftliche Element, setzt die m i t t e l a l t r i g e P r o- duktions- und Verkehrsweise voraus. Der Vereinigte Land- tag vertrat diese mittelaltrige Produktions- und Verkehrsweise, die längst ausgehört hatte, zu existiren, und deren Repräsentanten, so sehr sie an den alten Privilegien festhalten, ebenso sehr die Vortheilc der neuen Gesellschaft mitgeniehen und ausbeuten. Die neue bürgerliche, auf ganz andern Grundlagen, aus einer veränderten Produktionsweise beruhende Gesellschaft, mußte auch die politische Macht an sich reißen; sie mußte sie den Händen entreißen, welche die Jntereffen der untergehenden Ge- sellschaft vertraten, ein« politische Macht, deren ganze Organisation aus ganz verschiedenen materiellen Gesellschaftsverhältniffen hervorgegangen war. Daher die Revolution. Die Revolution war daher ebenso sehr gegen das absolute Königthum gerichtet, den höchsten poli- tischen Ausdruck der alten Gesellschaft, als gegen die ständische Vertretung, die eine längst durch die moderne Industrie vernichtete gesellschaftliche Ordnung oder höchstens noch anmaßliche Trümmer der täglich mehr von der bürgerlichen Gesellschaft überflügelten, in den Hintergrund gedrängten aufgelösten Stände repräsentirte. Wie kam man also auf den Einfall, den Vereinigten Landtag , den Vertreter der alten Gesellschaft, der neuen, in der Revolution sich zu ihrem Rechte bringenden Gesellschaft Gesetze diktiren zu lassen? Angeblich, um den R e ch t s b o d e n zu behaupten. Aber, meine Her- ren, was verstehen Sie denn unter Behauptung des Rechtsbodens? Die Behauptung von Gesetzen, die einer vergangenen Gesellschafts- epoche angehören, die von Vertretern untergegangener oder untergehender gesellschaftlicher Interessen gemacht sind, also auch nur diese, im Wider- fpruch mit den allgemeinen Bedürfnissen befindliche Interessen zumG esetz erheben. Di« Gesellschaft beruht aber nicht auf dem Gesetze. Es ist das eine juristische Einbildung. Das Gesetz muß vielmehr auf der Gesellschaft beruhen, eS muß Aus- druck ihrer gemeinschaftlichen, aus der jedesmaligen materiellen Produk- tionsweise hervorgehenden Interessen und Bedürfniffen gegen die Willkür des einzelnen Individuums sein."') Hier, der Coäo Napoleon, den ich in der Hand habe, er hat nicht die moderne bürgerliche Gesellschaft erzeugt. Die im 18. Jahrhundert entstandene, im 19. fortentwickelte bürgerliche Gesellschaft findet vielmehr im Code nur einen gesetzlichen Ausdruck. Sobald er den gesellschaftlichen Verhältniffe» nicht mehr entspricht, ist er nur noch ein Ballen Papier . Sie können die alten Gesetze nicht zur Grundlage der neuen gesellschaft- lichen Entwicklung machen, so wenig als diese alten Gesetze die alten gesetzlichen Zustände gemacht. Aus diesen alten Zuständen sind sie hervorgegangen, mit ihnen müffen sie untergehen. Sie verändern sich nothwendig mit den wechselnden Lebensverhältnissen. Die Behauptung der alten Gesetze gegen die neuen Bedürfniffe und Ansprüche der gesellschaftlichen Entwicklung ist im Grund nichts anders als die scheinheilige Behauptung unzeitgemäßer Sonder- interessen gegen das zeitgemäße Gesammtinterefse. Diese Behauptung des Rechtsbodens will solche Sonder- intereffen als herrschende geltend machen, während sie n i ch t m e h r herrschen; sie will der Gesellschaft Gesetze aufdringen, die durch die Lebensverhältnisse dieser Gesellschaft, durch ihre Erwerbsweise, ihren Ver- kehr, ihre materielle Produktion selbst verurtheilt sind, sie will Gesetz- geber in Funktion halten, die nur noch Sonderintereffen verfolgen, sie will die Staatsmacht mißbrauchen, um gewaltsam die Interessen der Minorität den Interessen der Majorität überzuordnen. Sie tritt also jeden Augenblick in Widerspruch mit den vorhandenen Bedürfnissen, sie hemmt den Verkehr, die Industrie, sie bereitet gesellschaftliche Krisen vor, die in politischenRevolutionen zum Ausbruch kommen. Das ist der wahre Sinn der Anhänglichkeit an den Rechtsboden und der Behauptung des Rechtsbodens. Und auf diese Phrase vom Rechts- boden hin, die entweder auf bewußtem Betrug oder auf bewußtloser Selbsttäuschung beruht, stützte man die Zusammenberufung des Vereinig- ten Landtags, ließ man diesen Landtag organische Gesetze für die durch die Revolution nothwendig gewordene und durch sie erzeugte National- Versammlung fabriziren. Und nach diesen Gesetzen will man die National- Versammlung richten! Die Nationalversammlung repräsentirte die moderne bürgerliche Ge- sellschaft gegenüber der im Vereinigten Landtage vertretenen feudalen Gesellschaft. Sie war vom Volke gewählt, um selbständig eine Verfaffung festzusetzen, die den mit der bisherigen politischen Organisation und den bisherigen Gesetzen in Konflikt getretenen Lebensverhältniffen entspreche. Sie war daher von vorneherein souverän, konstiwirend. Wenn sie sich gleichwohl auf den Vereinbarerstandpunkt herablieh, so war das rein formelle Höflichkeit gegen die Krone, reine Zeremonie. Ich brauche hier nicht zu untersuchen, ob die Versammlung dem Volke gegenüber das Recht hatte, sich auf den Vereinbarungsstandpunkt zu stellen. Nach ihrer Mei- nung sollte die Kollision mit der Krone durch den guten Willen beider Theile verhindert werden. So viel aber steht fest: die mit dem Vereinigten Landtage vereinbar- ten Gesetze vom 6. und 8. April waren formell ungüllig. Sie haben materiell blos in insoweit Bedeutung, als sie die Bedingungen ausspre- chen und festsetzen, unter denen die Nationalversammlung wirklicher Aus- druck der Volkssouveränetät sein konnte. Die Vereinigte Landtagsgesetz- gebung war nur eine Form, die der Krone die Demüthigung ersparte, zu proklamiren: Ich bin besiegt!(Fortsetzung folgt.) Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 10. Juni 1885. — Der Reptilienfonds langt nicht mehr. Es muß für neue Korruptionsgelder gesorgt werden— denkt der biedere Otto und will den„schäbigen Rest" des Ottopfennigs, d. h. denjenigen Theil, wel chen er in einer, allerdings äußerst merkwürdigen Anwandlung von falscher Scham nicht in die große Bismarcktasche zu stecken wagte, nun zu einer Filiale des Reptilienfonds machen. Letzterer hat bekanntlich die „Mission", das Volk der Denker um seine Denkfähigkeit und sein Ehr- gefühl zu bringen, und den Empfänger des Ottopfennigs als den größten aller lebendigen und todten, vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Menschen, Götter und Halbgötter auszuposaunen. Seit nahezu 20 Jahren werden die Millionen des Reptilienfonds diesem edlen Zwecke gewidmet, und Niemand wird leugnen können, daß m puncto der Verdummung, Verrohung, Entsittlichung und Götzendienerei mit Hülfe des Reptilien- fonds Bedeutendes geleistet worden ist— jedenfalls weit Bedeutenderes als in irgend einem anderen Lande und unter irgend einer anderen Regierung, selbst die des letzten französischen Kaisers nicht ausgenommen. Für unseren Otto, der, wie seine Reptilien-Anbeter uns versichern, in Allem über das gewöhnliche menschliche Maß hinausgeht, reicht das noch nicht aus, und so hat er denn bestimmt, daß der nicht in seiner Tasche verschwundene Rest des zusammengebettelten Ottopsennigs, in runder Summe l'/t Millionen, als Stipendienfonds für— strebsame Lehrer höherer Schulen angelegt werden soll. Volks schullehrer zu unter- stützen, d. h. Menschen, die dem Volke der arbeitenden Sklaven in Land und Stadt etwas überflüffige, ja im Grund gemeingefährliche Bildung beibringen— das fällt unserem Otto natürlich nicht ein; trotz der blöd- sinnigen Mythe vom„Schulmeister, der bei Königsgrätz siegte", würde er sie am liebsten ganz abschaffen, und ä>a alter Fritz durch Unteroffi- ziere ersetzen,— schade nur, daß man doch gewiffe Rücksichten nehmen muß! Aber sich strebsame, streberhafte Lehrer heranziehen, welche die theilweise zum„Regieren" bestimmten Zöglinge der höheren Schulen zu guten Normal-Unterthanen und-Beamten herandrillen und mit Ehrfurcht und Bewunderung für den großen, gnadenspendenden Otto er- füllen— das verlohnt sich; das befriedigt die größenwahnsinnige Eitel- keit und bringt zu gleicher Zeit praktischen Nutzen. Und so hätte denn der gesam.nte Ottopfennig seine �richtige Bestim« mung: halb in die Tasche, halb zum Nutzen und Ruhm des biederen Otto. Wahrhastig, er versteht sich aufs Geschäft! Das muß ihm sein ärgster Feind lassen. Bleichröder hätte es nicht profitabler machen können!— *) In einem Artikel zur V e r t h e i d i g u n g der Bismarck 'schen Aktion gegen den Herzog vom Cumberland meint die Berliner „Rationalztg.", „das Legitimitätsprinzip der Metternich'schen Aera, welches... einen Gegensatz zu der lebendigen Rechtsentwicklung einer Ration nach Maß- gäbe ihrer Bedürfniffe ausmacht", gelte nichts mehr in Europa . Wir — Woran die Presse nicht alles schuld ist. Hat da ein königlich preußischer Beamter, der Strasanstaltsdirektor Krell inHan- nover, eine Abhandlung geschrieben, betitelt:„Die Presse und das Ver- brechen", in welcher er den Nachweis zu führen sucht, daß die Zeitun- gen durch die Berichte, die sie oon Verbrechen geben, zur Begehung ähnlicher Verbrechen anreizen. Es sei also nothwendig, so folgert der Herr Strafanstaltsdirektor mit fei. et strafanstaltlichen Logik, daß die Presse unter Zensur gestellt werden müsse und über Verbrecher und Prozesse nur solche Berichte veröffentlichen dürfe, die den Interessen der Moral entsprechen. Wer darüber zu entscheiden hat, was die Interessen der Moral sind, das sagt der königlich preußische Strafanstaltsdirektor zwar nicht, aber er läßt es doch deutlich genug errathen: Anstaltspfaffen, Anstaltsdirektoren, Staatsanwälte und ähnliches Volk— sie sind die berufensten Moralrichter, und ihrer Zensur muß also die Presse unter- warfen werden. Wir würden die Sache gar nicht erwähnt haben, wüßten wir nicht durch zahlreiche Kundgebungen der offiziösen und selbst offiziellen Presse während der letzten Jahre, daß die Anschauungen des Strafanstalts- Direktors Krell von sehr einflußreichen Persönlichkeiten getheilt werden, und aller Wahrscheinlichkeit nach die Anschauungen unserer heutigen Gewalthaber sind. Wir haben es also nicht mit einer bloßen Privat- Meinung zu thun: der Krell'sche Erguß ist ein Programm, das man zu verwirklichen suchen wird. Unbestreitbar richttg ist, daß ohne die Zeitungsberichte gewisse Ver- brechen nicht in der Form vorkommen würden, in der sie begangen werden. Gerade bei Verbrechen und Verbrechern äußert sich der Nach- ahmungsttieb in ganz besonderer Stärke. Allein daran ist doch die Presse nicht schuld— das liegt in dem Wesen der menschlichen Natur, und es gehört ein hoher Grad von Beschränktheit dazu, die Presse hier- für verantwortlich zu machen. Die Frage, auf welche es ankommt, ist: was find die Ursachen der Verbrechen. Müssen wir auch zugestehen, daß Zeitungsberichte die Form von Verbrechen bestimmen können, so quittiren dieses Zugeständniß mit größtem Vergnügen. Es soll nicht vergessen werden. Anmerkung der Redaktw n. steht auf der anderen Seite doch fest, daß sie nicht die Ursachen Verbrechen sind. Wäre dies der Fall, so würde es, ehe es ZeihmA gab, keine Verbrechen gegeben haben. Und nur der krasseste Jgnor« kann das behaupten. ist eine notorische Thatsache, daß in der„guten alten Zeit", „die sechste Großmacht" der Presse noch nicht existirte, Verbrechen je� Art weit häufiger waren als heutzutage. Und es ist ei« weitere notorische Thatsache, daß mit den Fortschritten der mode' «- 00 «endnng Auch in »»ige S 'leine S In K a l lchinenf Gesuch an Kultur und der, gleichen Schritt haltenden Entwickelung der Presse d« Nutzen. A' Zahl der Verbrechen, verglichen mit der Zahl der Bevölkerung, ab n 0 m m e n hat. Wir wollen keineswegs behaupten, daß die Berichterstattung unser" Zeitungen eine mustergiltige sei— sie ist es ebensowenig, wie das Institut unserer Presse ein mustergiltiges ist und unter der heutige Bourgeoiswirthschaft sein kann—, wir wollen gern zugeben, daß iw1 die Berichterstattung der Presse vielfach korrumpirend wirkt, und dfl bei gewissen Verbrechen die Berichterstattung systematisch auf die fachung niederster Sinnlichkeit und gemeinster Triebe berechnet si»l' allein dasselbe kann auch in mündlichen Berichten geschehen, s ch i e h t mündlich in tausendmal größerem Umfang, und kann doch d" Presse nicht zur Last gelegt werden. Die Presse spiegelt nur die L«" gänge des Lebens ab; wenn grauenhafte Verbrechen vorkommen und d« Entsittlichung on gros betrieben wird, so sind daran nicht die Z el' t u n g e n schuld, sondern die Z u st ä n d e. Diese gilt es zu ände« und nicht sich deshalb an die Presse zu halten, was ebenso lächerli wäre, wie das Handeln jenes Naturburschen, der, weil es ihn fror, ds Thermometer zerschlug, das die Kälte anzeigte. Mit demselbem Rechte könnte man auch sagen, die Erde und die beförderten das Verbrechen, denn ohne Erde und Luft könnten die Bei brecher doch sicherlich keine Verbrechen begehen. Soll man deshalb und Luft unter polizeiliche Aufsicht stellen oder gar„abschaffen"? Nu" der Presse aus demselben Grunde zu Leibe gehen zu wollen, ist gen« ebenso widersinnig und genau ebenso— aussichtslos. Wir können üb" die Bornirtheit der strafanstaltlichen Logik also in voller Sicherheit lache» Neberall — s. Die Bäckerhatz, zu welcher Fürst Bismarck im_____,___„ gefordert, ist jetzt richtig losgegangen. Die Bäcker werden von der off' ziösen Preffe für die erhöhten Brodpreise verantwortlich gemacht, ui>' die Polizeibehörden von zwei preußischen Städten: Mülhausen in TH« fätttllichet — s.§ — er bleil leumdungei »ohlverdiei wch neuen 'st, daß d bettreter p '"st diejeni ""d andere Denn H »»> kennte wsse Berel «was Auff Partei nu: «Arbeiter" "och heute !»<ht im R »hn arbeil «W sehr f, »dneten, Me», wil ?'°d geko U: «oll die____ chwm erlii Jfi vor, f, Malen ringen und Bromberg haben bereits den angeblich brodvertheuernd« Bäckern eine Brodtaxe vorgeschrieben. Daß ist zwar gegen die Gewerbe.„-.w. Ordnung, indeß wozu sind Gesetze da, als um von den Gewalthabe! dammerar nach Belieben gebrochen zu werden? Und da hier nur dem Willen de haben die obersten„Chefs" entsprochen wird und ohne Zweifel ein Befehl d" Maßregel» Regierung vorliegt, so können wir darauf gefaßt sein, daß das Beispiff Ne;£ett jener Lokalbehörden bald Nachahmung finden wird."""wen hl Bismarck hat, als er den Volkshaß gegen die Bäcker zu lenken such» JJNl � mit Plan und Vorbedacht gehandelt. Beiläufig hatte er schon 1879, ff»reaben I er die ersten Kornzölle befürwortete, ähnliche, nur nicht ganz so brutal{»»gen— Aeußerungen gethan. Die vornehmen Herren Brodvertheuerer brauch» Gest einen Sündenbock. Nicht der reiche Junker Schönhausen, dem d«»on Thür neuen Kornzölle nach dem„Leipziger Tageblatt " 40,000 Mark jährli» Arbeitgebe einbringen— nicht seine agrarischen Kumpane, die dabei ein gleich gut» �» g e n Geschäft machen, sind an den erhöhten Brodpreisen schuld— bewahrt �mofrate die Bäcker sind's, welche das theure Brod verkaufen. Auf fies»'»»glückluf der Volkezorn geleitet werden, und wenn bei einer Hungersnoth ein pa�»'"le ber Dutzend gelyncht werden— tsnt mioux— es sind ein paar Dutzeiü gelang eg Kanaillen weniger auf der Welt, und Junker Bismarck mit seinen Ku« s'ne besch! panen kann in Sicherheit mit zusehen. W im Zl Es ist genau dasselbe Spiel wie mit den Juden. Um das hetf T fiämp schende Geld- und Wirthschaftssystem aus der Schußlinie zu bri«"»e« Bor gen, gibt man die Juden preis, von denen viele in Folge der ihne" durch brutalste Unterdrückung aufgezwängten Entwicklung in diesem"!■— b i serem herrschenden Geld- und Wirthschaftssystem eine hervorragende Roll' I and: spielen, ohne jedoch für daffelbe verantwortlich zu sein. Der Antisev"„Natür tismus ist im Interesse des Großkapitalismus und zu dessen Deck»"! viel mit erfunden worden, und ebenso soll die Bäckerhatz nur den vornehm!» Um von Brodvertheurern als Blitzableiter dienen. sei gesagt Es ist nothwendig, daß diesem Versuch mit aller Macht entgegengetreten„Posiren" und jede Gelegenheit benutzt wird, um dem Volke zu sagen, daß nicht df...... Bäcker*) es sind, sondern die Herren Bismarck und Konsorte» welche dem Volke das Brod vertheuert haben. Die 40,000 Mark jährlich, um die Junker Bismarck durch die neues Getreidezölle sein Einkommen vermehrt hat,— die 40 Millionen M»»' jährlich im Ganzen, die Dank den neuen Steuern als Mehreinnahme>' schichte de die Taschen der reichen Herren Grundbesitzer und anderer Ausbeute! Wetter zu fließen, sie müssen in Gestatt von vertheuertem Brod und vertheuert� seiner Un sonstigen Lebensmitteln bis auf den letzten Pfennig von d e» präzisen i arbeitenden Volke bezahlt werden. Das können unse»-- man 1 Genossen nicht oft genug und nicht laut genug aussprechen!— stfolisherz drückte — Der a l t e W i l h e l m ist bekanntlich sehr legitimistisch gesin" g-nomme und hat jedenfalls heftige Gewissensbisse, wenn er gegen das legitiff»Us betrc stische Prinzip verstößt. Im Jahr 18KK weinte er Thränen, als'ÖOetlji Hannover und die übrigen Länder der Depoffedirten in die Tasche steck» Hugo'z v sollte— was ihn jedoeh nicht hinderte, sie in die Tasche zu stecken u» Von le in der Tasche zu behalten. Jetzt wiederholt sich bei Braunschwei Julttager dieselbe Prozedur.„Aber das widerstreitet doch dem legitimen Ree? dj « wenn der Herzog von Cumberland seines Erbes verlustig erklärt wirb- Jahr ig- soll er, ganz zerknirscht, zu Bismarck gesagt haben.—„Die Sicherh! stommun Deutschlands erheischt es, Majestät!"—„Ja, wenn Sie mir Ihr dag IhMpathisi falten- dedeutend PtfönUet d0 Jahre der, °n pH geben, daß die Sicherheit Deutschlands es erheischt, dann muß ich freilieh thun— im Interesse Deutschlands ." So wird erzählt.„I enthüllt Interesse Deutschlands " wird er sich also auch Braunschweig in die Prumair> räumige Hohenzollerntasche stecken, die eine so gute Verdauungskraft h» auch h x, wie der sprichwörtliche Hohenzollernmagen, der freilich beim alten W« b Helm naehgerade in die Brüche gegangen ist. großer z Beiläufig ist es nicht das erstemal, daß dieser seinen Hausmeier au- Oh et als Gewissensverwalter betrachtet hat. Bei Gelegenheit der famos« dient wl Juni-Ordonnanzen des Jahres 1883 pasfirte eine ganz ähnlick nicht Geschichte. Wilhelm hatte Skrupel:„Die Ordonnanz scheint mir ab« Pexso doch gegen die Verfassung zu verstoßen!" Der angehende Hausmeiel Tobte „Wie hätte ich sie dann Ew. Majestät vorschlagen können?" Majestv Götzeudi „Ich muß die Verfassung respektiren, ich habe sie beschworen!" Ä" Genuc gehender Hausmeier, mit salbungsvollem Pathos:„Auch i ch und mei" f ch �( Kollegen haben sie beschworen, und Ew. Majestät werden uns doch nid die Hu zutrauen, daß wir Ihnen eine Versassungsverletzung anrathen?!" SlSj losen jestät, gerührt:„Sicherlich nicht. Nun— wenn Sie alle mir Jh' O die Hand geben, daß Ihrer Ueberzeugung nach die Ordonnanz Verfassung nicht abe mäßig ist, dann werde ich unterschreiben!" Der angehende Hausme'' Ties gab Wilhelm die Hand, die übrigen sieben Minister— es war vorg" Ministerrath gewesen und alle zur Hand— thaten desgleichen, u" Wilhelm unterschrieb. So wirds gemacht!— �'gliche UNg le Wiktor i Vichts waltn »er kein *«1 Fei Neber — Gewerkschaftliches aus Deutschland. *) In der Pst woche fanden in Deutschland eine ganze Reihe von Generalversam: hingen von Fachorganisationen und sachlichen Unterstützungsverbänt statt. So in Berlin die Generalversammlung des Unte> xtoa jtützungsvereins deutscher Buchdrucker, der über 70 Pl»«tietifehei zent der Berufskollegen repräsenttrt; in G 0 t h a die Generalversam» Dichter- lung des Unterstützungsvereins deutscher Schuhmacher; in Magd Nacht' bürg der zweite Handwerkertag deutscher Zimmerleute und' g b Frankfurt am Main die 7. Generalversammlung der Z e n t r a- � Kranken- und Sterbekasse der Tischler und anders gewerblicher Arbeiter. Diese letztere Organisation zählt bereit>t den über 72,000 Mitglieder, welche auf der Generalversammlung durch 1»! Delegirte vertreten waren. Fast alle diese Versammlungen galten der Erledigung geschäftlich« Angelegenheiten, insbesondere der Durchführung derjenigen Aenderung« welches «Men„ Und vo »er Ba vii»vt[ veK-'vv v w»|».. in Statuten ic., welche sich auf Grund der gemachten Erfahrungen«' 5. nothwendig herausgestellt.— Der Streik der Tischler Königsbergs dauert noch im«» fort. Die Streikenden harren, trotzdem sie fast auf ihre eigene Kr» angewiesen sind, muthig aus. Es ist dringend zu wünschen, daß W (3t)« *) Die als Ausbeuter nicht besser und nicht schlechter sind als ih' Kollegen in andern Erwerbszweigen. *) In voriger Nummer leider aus Versehen fortgeblieben. Jude »ls die des Di »orhebr S-leugn Frankr- Hugo r Aber l Genius
Ausgabe
7 (11.6.1885) 24
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