nicht umhin können, hier und da schüchterne Bedenken über die Zu-lässigkeit und vor Allem Zweckmäßigkeit solchen Vorgehens laut werdenzu lassen. Damit, und mit einer etwas schärferen Verurtheilung vonSeiten der oppositionellen Presse ist die Sache für das„öffentliche Ge-wissen" in Deutschland abgethan.Diese stumpfsinnige Hinnahme einer mit allen Grundsätzen derMenschlichkeit in Widerspruch stehenden Maßregel kennzeichnet mehr alsalles Andere den Grad der Versumpftheit des politischen Lebens, welchesdie glorreiche Aera Bismarck in Preußen-Deutschland zu Stande gebracht.In jedem anderen Lande würde sich Alles, was noch ein Gefühl fürMenschlichkeit und Gerechtigkeit in der Brust hat, zum leidenschaftlichenProtest gegen solche Barbarei erheben, in Tausenden von Volksversamm-lungen würde man gegen eine solche Purtfizirungspolitik, welche dendeutschen Namen überall im Auslande mit Schmach bedeckt, als unwür-dig zurückweisen— in Deutschland nichts von Alledem. Stumpfsinnigresignirt nimmt man die Sache hin. Die Regierung thut ja doch, wassie will, das ist der stets wiederkehrende Refrain, mit dem man dasschlechte Gewissen beruhigt.Es ist ein Skandal.Aber, wir sind eine grrroße Nation, wir haben ein herrliches Kriegs-Heer, Panzerschiffe, Torpedoboote, Krupp'sche Kanonen— mit einemWorte, wir sind eine Weltmacht geworden, und wehe Dem, der es wagt,unserem Appetit nach Kolonien entgegenwirken zu wollen! Er wird eszu fühlen bekommen, was es heißt, mit einer grrroßen Nation anzu-binden. Wir stehen glänzend da in der Welt. Das wiegt Alles auf.So ist's. Nach Außen beglissen und nach Innen besch--, wie einderbes Sprichwort sagt.— Halb Revolution, halb Staatsstreich, so kann mandie Umwälzung bezeichnen, die sich vergangene Woche auf der Bal-kanhalbinsel vollzogen. Die Bulgaren der Provinz Ost-Rumelienhaben den Generalgouverneur Gavril Pascha Chrestovich gestürzt undden Fürsten Alexander von Bulgarien als Landesherrn ausgerufen.Dieser hat die neue Würde auch eiligst angenommen und sich als„durchGottes und des Volkes(— wirklich?—) Willen" Fürst von Nord- undSüd-Bulgarien proklamirt. Soweit wäre alles in schönster Ordnung—angeblich ist bei der ganzen Geschichte auch nicht ein Tropfen Blutesgeflossen— wenn nicht die Türkei und der„Berliner Vertrag" von1878 da wären, durch welch letzteren dieser mit nachahmungswerther Ge>schicklichkeit inszenirte und ausgeführte„Befreiungsakt" einen ganz nettenRiß macht und einen noch netteren zu veranlassen droht.Daß Verträge nicht dazu da sind, gehalten zu werden, weiß heutzutagejeder, und daß der Berliner Vertrag keine Ausnahme machen werde,dürften sich seine Macher gewiß nicht verhehlt haben. Die Frage, wor-auf es ankommt, ist nur die, ob es im Interesse dieser Macher, oderim Interesse welcher der Macher es liegt, daß ihr Machwerk schon jetztdurchlöchert werde. Und berücksichtigt man, daß Herr Alexander vonBattenberg erst vor 14 Tagen in Franzensbad mit dem russischen Mi-nister Giers konferirt hat, so weiß man auch, was die Glocke geschlagenund was man von der offiziösen Nachricht zu halten hat, daß in russi-schen Regierungskreisen das Vorgehen des Fürsten„nicht gebilligt" wird.Diese Kreise liegen wahrscheinlich auf dem Monde.Rußland, das in Zentralasten soeben einen Bissen verschluckt hat, denes erst wieder verdauen muß, um von Neuem auszuholen, fängt ebenwieder an, auf dem Balkan zu mogeln; das ist so seine traditionellePolitik. Da in England ein Tory-Ministerium am Ruder ist, sieht essich veranlaßt, den Schein etwas mehr zu wahren als zur Zeit, woGladstone in Bulgarischen Greueln machte. Zudem hat der BerlinerVertrag noch«in Gegenstück zu der nicht türkischen und nicht bulgarischen„Provinz" Ost-Rumelien geschaffen: die bosnische Frage. Grade imjetzigen Moment, wo Franzi„zufällig" zum ersten Mal bosnischen Bodenbetreten und sich von dazu bestellten bosnischen Führern hat anhochenlassen, würde die offene Zustimmung Rußlands zu den Borgängen inSophia und Philippopel eine Erlaubniß für Oesterreich sein, die Okku-pation Bosniens in Annexion zu verwandeln. Daher Rußlands mora-lische Bedenken. An dem Stande der Dinge wird durch sie nichts geän-dert, es ist eine vollendete Situation geschaffen, und wenn die Türkeiden Versuch macht, mit Waffengewalt wiederzuholen, was ihr genommen,was thut das? Auf jeden Fall werden ihre Kräste festgelegt, und fürdie schlimmste Eventualität gibt es ja noch„macedonische Greuel". Waskommt es den Herren in Petersburg auf etwelches Blutvergießen an?Ebenso wenig wie ihrem„Düpe" oder Komplicen in Berlin.— Wie weit die politische Entwickelung in Deutsch-land noch zurück ist gegenüber der der Weststaaten Europas, da-für hat jüngst die„Frankfurter Zeitung" wieder einmal einen überausdrastischen Beweis geliefert. In seiner Morgennummer vom 18. Sep-tember schreibt das Hauptorgan des vorgeschrittenstenFlügels des deutschen Bürgerthums bei Besprechung desClemenceau'schen Programms wörtlich Folgendes:„Verweilen wir einen Augenblick bei dem neuesten Produkt der Pariserpolitischen Weisheit. Das Manifest hat von dem früheren ProgrammEiniges gestrichen, enthält aber immer noch etwa hundert Forderungen,deren Verwirklichung, wenn sie überhaupt möglich ist, mindestenstausend Jahre in Anspruch nehmen würde."„Mindestens tausend Jahre." Das müssen sicherlich haarsträubendeUtopien sein, zwischen deren Aufstellung und Verwirklichung—„wennsie überhaupt möglich ist"— eine Spanne Zeit verfließen soll, größerals die Epoche, innerhalb deren die Deutschen aus kräftigen Halbbar-baren, die sie noch zur Zeit der Karolinger waren, zu den gesittetenPhilistern des glorreichen zweiten Kaiserreichs von Bismarcks Gnadenwurden. Hören wir also:„Im politischen Theile des Programms wird u. A. verlangt:Ausarbeitung einer Verfassung durch eine konstituirende Nationalversamm-lung, die eigens zu diesem Zwecke zu berufen ist; Abschaffung des Senatsund der Präsidentschaft der Republik; Bestätigung der Verfassung durchVolksbeschluß, d. h. durch Plebiszit. Einzige und permanente Volks-Vertretung, die jährlich zu einem Drittel zu erneuern ist; vollständigeUnterordnung der Exekutive unter die Legislative. Die Richter werdengewählt und ihr Mandat ist unwiderruflich. Bürgerliche Gleichstellungder Frau mit dem Manne; Gleichstellung der unehelichen mit den ehe-lichen Kindern. Autonomie der Gemeinden; Rückkehr des Departementsder Seine unter das gemeine Recht. Besoldung aller Wahlfunktionen.Im wirthschaftlichen Theile wird verlangt: Progressive Steuernauf Kapital oder Einkommen, je nach dem Falle; spezielle Steuern aufunproduktives Kapital; Unterdrückung des Erbrechts der Seitenlinienund progressive Besteuerung der direkten Erbfolge und der Schenkungenunter Lebenden. Stufenweise Reduktion der öffentlichen Schuld. Neun-stündiger Arbeitstag in allen staatlichen oder vom Staat ab-hängigen Werkstätten. Staatsverstcherung gegen Unfälle der Arbeiter,gegen Invalidität, Feuer, Hagel und Ueberschwemmungen. Berufungeines internationalen Kongresses zur Herstellung einer internationalenArbeitsgesetzgebung."Dreiviertel dieser Forderungen sind in der Schweiz, wie männiglichbekannt, bereits verwirklicht und werden dort nicht einmal von denReaktionären mehr bekämpft, die übrigen, wie die bürgerlicheGleichstellung der Frau mit dem Manne, die Unterdrückung des Erbrechtsder Seitenlinien k. werden längst in der Tagespreffe erörtert und sindanerkanntermaßen mit dem Bestände der gegenwärtigen Staats- undGesellschaftsordnung keineswegs unvereinbar— für die„Franks. Ztg."aber bedarf es zu ihrer Verwirklichung„mindestens tausend Jahre".Ja, das leitende Organ der bürgerlichen Demokratie Deutschlands nimmtkeinen Anstand, gleich darauf von diesen„zum Theil„unpraktischen odergefährlichen Forderungen" zu sprechen. Welch eine Demokratie,der selbst diese im Grunde so harmlosen Forderungen gefährlicherscheinen! Welch begeisternde Perspektive eröffnet sie dem deutschenVolke!— Aus Sachsen. Das sozialdemokratische Programm für dieLandtagswahlen ist diesmal schärfer präzisirt als bei früherenWahlen, was darin seinen Grund hat, daß diesmal die Agitation, weilin den meisten Wahlkreisen Versammlungen stattfinden konnten, eine vielausgedehntere war als früher, und die Forderungen eingehend entwickeltwerden konnten. Ich will die Hauptpunkte hier folgen laffen, wie sie inden meisten Wahlaufrufen ausgestellt sind.Nach einer Darlegung der Aufgaben und Befugnisse des Landtagsund nach einer allgemeinen Skizzirung unseres Stre-b e n s wird von dem jeweiligen Kandidaten gesagt:„Insbesondere wird er eintreten: Für Einführung des all-gemeinen Wahlrechts zu Gemeinde- und Landtags-wählen, für Vereinfachung und gerechteVert Heilungdes Steuerwesens durch Reform der progressiven Einkommen-steuer und Beseitigung aller übrigen Steuern in Ge-meinde und Staat, für gerechte Vertheilung der Armenlast durchErhebung des G e s am mt a r m e n w e s e n s zur Staats-fache, so daß nicht mehr, wie das jetzt der Fall ist, vielfach die ärmstenGemeinden die höchsten Armenlasten zu zahlen und z. B. die LeipzigerLandgemeinden die Arbeiter, welche die reiche Bourgeoisie der StadtLeipzig noch mehr bereichern, in ihren alten Tagen zu ernähren haben;für Ersparniß im Staatshaushalt, aber Ersparniß am richtigen Ort,d. h. oben, nicht unten, für bessere Besoldung der unterenStaatsbeamten(Eisenbahn-, Gerichtsbeamten:c. k.) und derArbeiter im Dienste des Staates, für Hebung derVolksschule, Unentgeltlichkeit des Unterrichts undReform des gesammten Unterrichtswesens, dergestalt,daß die Möglichkeit höherer Bildung den Söhnen der Armen ebensogeboten wird wie denen der Reichen, und daß nicht länger, wie bisher,die Reichen ihre Kinder auf Kosten der Armen erziehen können, die fürdie höheren Blldungsanstalten beizusteuern haben, aber durch ihre Armuthverhindert sind, ihre eigenen Kinder in dieselben zu schicken, für R e<form des Dissi d e nt e n g e s e tz e s nach dem Grundsatzder absoluten Gewissensfreiheit, und für Regelungdes Knappschaftswesens in dem Sinne der Gerechtigkeit undder Selbstverwaltung.Außerdem wird unser Kandidat mit aller Kraft dahin wirken, diesächsische Regierung zu veranlassen, daß sie im Bundesrathdie Wünsche und Forderungen des gesammten Volkes zumAusdruck und seine Interessen zur Geltung bringt;daß sie insbesondere wirkea) für Abschaffung des Ausnahmegesetzes,durch welches die größte Partei unseres Landes schwer ges chädigtwird,b) für Beseitigung des Militarismus und Ersatzdes stehenden Heeres d u r ch ei n V o l k s h e e r;o) gegen die gewiß nicht segenbringende Zoll-und Steuerpolitik des Fürsten Bismarck,welche darauf ausgeht, die Lebensmittel gründlich zu ver-t h e u e r n und die Großen(Grundbesitzer, Großfabrikanten u. s. w.)aus Kosten der Kleinen(Arbeiter, Handwerker und Bauern) zub e r e i ch e r n."Das Programm bedarf keiner Erklärung. Besonders hingewiesen seiblos auf den das A r m e n w e s e n betreffenden Punkt. Die bisher nurvon einzelnen Abgeordneten befürwortete Erhebung des Armen-wesens zur Staatssache ist hiermit von den sächsischen Genossenals Parteiforderung aufgestellt. Es versteht sich, daß es sich hier nichtum eine theoretisch-prinzipielle Forderung handelt, denn in einer sozia-listischen Gesellschaft kann es selbstverständlich keine Armen geben, undfolglich auch keine Armenunterstützung. Aber unter den jetzigen Verhält-nissen ist die Frage eine eminent praktische. Und das ist gewiß,daß wie die Dinge liegen, eine gerechte Vertheilung derArmenlasten blos dadurch erzielt werden kann, daß das Armen-wesen zur Staatssache gemacht, und die Armensteuer in die eine pro-greffive Einkommensteuer einverleibt wird, welche, unserem Parteipro-gramm gemäß, sämmtliche Staats- und Gemeindesteuernersetzen soll.— Die sächsischen Landtagswahlen haben für unserePartei ein günstiges Resultat geliefert. Zwei sozialdemokratische Man-date waren erloschen und drei sozialdemokratische Mandate wurdenerkämpft. Leipzig-Land, wo Liebknecht vor sechs Jahren nur mitrelativer Majorität gegen zwei andere Kandidaten gewähltworden war, ging an die vereinigten Ordnungsparteien verloren; dafürwurde Chemnitz-Land(Geyer) und ein Dresdener Bezirk(Kaden) er-obert, während Zwickau-Land in unseren Händen verblieb(Stolle anStelle Puttrichs). Das Stimmverhältniß war durchweg ein befriedigen-des— natürlich wenn man den Zensus in Betracht zieht. In Leipzig-Land hatten wir fast doppelt so viel Stimmen wie vor 6 Jahren. Daßder Kreis uns diesmal verloren gegangen, kann den Kundigen nichtüberraschen. Der Zensus lichtet überall unsere Reihen, auch da, wo diebestbezahlten Arbeiter wohnen, und der in Frage kommende Kreis ent-hält zum Theil rein bäuerliche Ortschaften. Vielen unerwartet kam aberdas Resultat von Chemnitz-Stadt. Daß der Kandidat der vereinigtenOrdnungsparteien mehr als doppelt so viel Stimmen auf sich vereinigte,als unser Kandidat, das war manchem überraschend. Und doch ist essehr natürlich. In der Stadt Chemnitz hatten wir bei der letzten Reichs-tagswahl zwar die Majorität, jedoch keine sehr beträchtliche. Unsere mas-sige Majorität verdanken wir den umliegenden, ausschließlich vonArbeitern bewohnten Ortschaften. Wenn man nun bedenkt, daß der3 Mark-Zensus unsere Gegner gar nicht berührt, und auch in einerStadt wie Chemnitz gut die Hülste unserer Reichstagswähler trifft,und wenn man weiter bedenkt, daß eine große Zahl von Arbeitern keinesächsischen Staatsangehörigen sind, während sich unter unfern Gegnernvergleichsweise nur sehr wenig„Fremde" befinden, so hört das Ergeb-niß auf, etwas Ueberraschendes zu haben.Jedenfalls hat die Sozialdemokratie alle Ursache, sich des Gesammt-resultates zu freuen: sie zieht stärker in den Landtag ein, als sie ihnverlassen hatte.».„Der König marschirte den Hügel hinauf, undmarschirte wieder hinunter"— fo heißt es in einem altenenglischen Volkslied, das eine nicht geschlagene Schlacht verspottet. Wiejenem König, so erging es den lustigen und traurigen Rittern der söge-nannten neuen demokratischen Partei, die am 13. dieses Monats genHamburg zogen, um Musterung zu halten und sich in feierlichem„Parteitag" als Partei zu konstituiren. Sie marschirten in die Stadthinein und marschirten wieder hinaus. Nur mit dem Unterschied, daßihr Herz beim Hinausmarschiren betrübter oder weniger gespaßig warals bei dem Hineinmarschiren.Es sollte ein Programm entworfen werden. Wie kann man sich einePartei ohne Programm denken. Ebenso gut einen Verein ohne Fahne.Ein Programm macheu— nichts leichter als das. So leicht, daßjeder der lustigen und traurigen Ritter von der neuen demokratischenPartei mindestens ein halbes Dutzend Programms auf Lager hatte.Also ein wahrer embarra» de richesse». Das war schon schlimm.Jndeß die Herren haben ja sämmtlich Ueberfluß an freier Zeit, und sowäre dieses Hindernih allmälig überwunden worden. Es fand sich aberunglücklicher Weise ein Stein des Anstoßes, oder sagen wir lieber einApsel der Zwietracht, welcher den lustigen und traurigen Rittern ver-hängnihvoll wurde, und ihr erhabenes Werk zum Scheitern brachte, be-vor es„epochemachend" werden konnte— wie die lustigen und trau-rigen Ritter mit der, allen großen Reformatoren und Entdeckern eigenenZuversicht erhofft hatten. Dieser Stein des Anstoßes oder Apsel derZwietracht, nannte sich soziale„Frage" oder, genauer präzisirt,„Normal-arbeitstag".Und die Katastrophe trug sich zu wie folgt:Der Hamburger demokratische Verein oder Klub hatte sich in dersozialdemokratischen Luft Hamburgs der Thatsache nicht verschließenkönnen, daß es auf der zivilisirten Erde so etwas Aehnliches gibt wieeine soziale Frage; und demgemäß brachte er aus dem„Parteitag" einenAntrag ein, dahingehend— auf den Wortlaut kommt es ja nicht an—daß die„neue" Partei auf eine Lösung der sozialen Frage hinwirkenmüsse, und daß sie insbesondere auch für den Normalarbeitstag einzu-treten habe.Dieser Antrag fiel wie eine Bombe in die sonst so friedliche und ge-müthliche Gesellschaft— denn eine Gesellschaft wars, auch in demheiter geselligen Sinne des Worts. Waren doch die lustigen undtraurigen Ritter allesammt gen Hamburg geeilt mit der mehr oder we-Niger ausgesprochenen Absicht, dort ein paar vergnügte Tage zu verleben.Es ißt und trinkt sich ja gut in der Stadt der wohlgenährten Hammonia,und man braucht kein Heine zu sein, und keinen C a m p e zu haben,um in Hamburg gut„schlampampen" zu können.Und so war denn der Friede unserer Gesellschaft, wenn auch gradenicht der gesellschaftliche Friede, gestört— es kam zu hitzigen Kämpfen,so hitzig, wie sie unter gemüthlichen Leuten nur vorkommen können, unddas Ende vom lustigen und traurigen Lied war, daß die bösen Ham-burger den Normalarbeitstag höher schätzten, als die neue Partei, undmit grausamer Verbissenheit erklärten, sich von ihr trennen zu müsse»beziehentlich ihr nicht beitreten zu können. Und da gabs dann zues»verblüffte, dann betrübte Gesichter. Einige wollten die Sache traMnehmen; indeß sie erinnerten sich bald, daß sie nach Hamburg nicht g»kommen waren, um sich zu streiten, sondern um sich und ihre Mitmensch»zu amüsiren— so machten sie zu guter Letzt gute Miene zum bos»Spiel,— wer den nöthigen Verstand dazu hatte, schnitt ein ernst»Augurengesicht; die andern lächelten vergnügt nach dem Sturm, uisein fröhlicher Versöhnungs-, ich wollte sagen Trennungs schma»'sämmtlicher Betheiligten feierte die Sprengung der„neuen" Part»Leichenschmaus« sind ja von sprichwörtlicher erheiternder Wirkuchund so können wir uns denn auch nicht wundern, daß dieser p ol>'tische Leichenschmaus: den fröhlichsten Verlauf nahm. Als w»beim zehnten Glas war, fielen die feindlichen Brüder einander gerüpin die Arme, und gingen dann, so gut sie gehen konnten, gerührt a»*einander, nachdem sie sich gelobt, noch recht oft mit einander zu„schlaupampen". Und so endete der„Parteitag" der neuen Partei und d»neue Partei. Gott habe sie selig, und möge sich recht bald ein Säi>S»finden für diese neue Jobsiade.s—„Der Sozialdemokrat HerrFrohme hat die Aeußerung getha»Liebe zur Menschheit könne nur haben wer von Vaterlandsliebe erfüllt!»„Ein sozialdemokratisches Blatt schließt daraus, daß Herr Froh»»selbst nicht frei von Vaterlandsliebe sei, und macht ihm bittere Vorwür»deswegen. Und dieses Blatt, das einem Manne Vaterlandsliebe vorwir'-erscheint in der Schweiz, in Zürich. Pfui, was für ein Gesindelsich in der freien Schweiz eingenistet seit den Tagen des Tell, seit den»des Winkelried!"Dieser tugendhafte Erguß ist wörtlich entnommen der neue?»Nummer des—„Kladderadatsch".Es ist dieser Parodie auf alles, was Witz heißt, würdig. Von d»fettgewordenen Lohnschreibern des Millionärs Hoffmann, die nichtsderes können, als im ewigen Einerlei Bismarck anwedeln und den Splitülim fremden Lande zum Balken umlügen, die nach echter Schmarotztart die Schwachen verhöhnen und vor den Mächtigen bauchrutschen, ¥über die Polenausweisungen mit einem nichtswürdigen Kalauer hinwtgehen, von Leuten, die zu den Zeiten des Tell denselben als ein Ra�mörder beschimpft, sich über einen Winkelried auf einen Wink von ob»lustig gemacht hätten, von Burschen, welche die freien Institutionen d»Schweiz nur nennen, um sie zu denunziren, von diesen ehrenwerth»Vaterlandsfreunden wollen wir begeifert sein. Und nicht, d a ß �uns anzapfen, veranlaßt uns, von ihrem Geschreibsel Notiz zu nehm«»sondern die Art, wie sie es thun. Die Jammerkerle sind so all»Witzes baar, daß sie nur noch nach Muckerart heuchlerisch die Aug»verdrehen können. Wir sind nicht so beschränkt, daß wir über ein»guten Witz auf unsere Kosten nicht gelegentlich selbst mitlachten—ist aber nichts als die platteste Plattheit der arroganten Impotenz,für diese haben wir nur e i n Gefühl, das der mitleidigen Verachtull?— Auch die„Kleine Press e", das HauSknecht-Organ der„Frtf�furter Zeitung", fühlt sich in ihrer Nummer vom 13. September d»müssigt, über diejenigen herzuziehen, die an dem Frohme'schen Vor»»über die„spezifisch-deutsche Arbeiterbewegung" Kritik zu üb»wagten. Das speziell zu dem Zweck gegründete Blatt, der Sozialdea»kratie in der Domäne der Franlfurterin den Garaus zu machen, schU"den betreffenden Artikel mit folgenden Worten:„Soviel steht fest, daß Herr Frohme gut thut, eine derartigGegnerschaft in der eigenen Partei nicht ernst zu nehmen. Die Leutch»bemühen sich selbst ja redlich, unmöglich zu werden.Nun, vorläufig beurtheilt man in der deutschen SozialdemokratieMöglichkeit oder Unmöglichkeit der Genossen noch nicht danach, ob'sich der Patronage der Macher der Volkspartei erfreu»oder nicht.— Mit Bezug auf die Frage der„Besteuerung der fremdesB i e r e in Berlin" theilt man uns mit, daß die Aeußerung Görcki'eseine Kollegen, d. h. die übrigen sozialdemokratischen Stadtverordnet»hätten seinem Vorgehen in dieser Frage zugestimmt, auf einem JrrthU>Görcki's beruhte, wovon sich dieser inzwischen auch überzeugt hat. Uebtgens hat auch Görcki eingesehen, daß die Gesichtspunkte, von denen!bei Beurtheilung der Biersteuer ausging, mit unserem Programm nizu vereinbaren seien, und ist demgemäß von seiner ersten Auffassu"zurückgekommen.Damit ist die Angelegenheit selbstverständlich für uns erledigt.— Polizeistaatlich-Jnquisitionelles. In Preuß/müssen bekanntlich alle Vereine, welche sich mit Fach- ic. Angelegenheit�befassen, der Polizei das Verzeichrnh ihrer Mitglieder einreichen, und'gewissen Zeiträumen ergänzen. Wozu diese Maßregel dient, das w»in Preußen jedes Kind, und dem Ausländer braucht man nur zu sagtdaß das Vereinsgesetz, welches sie vorschreibt, ans der Aera Manteuskdatirt, dann weiß er auch BescheidAus irgend eine Art— das P i e ist vorläufig„Amtsgeheimniß"sind wir nun in den Besitz so eines Mitgliederverzeichnisses gelaNZnachdem dasselbe bereits behördlicherseits zu den Akten gelegt war.»ist dies das Mitgliederverzeichniß desSchneider-FalbVereins zu Frankfurt am Main, eingereicht am K. Oktobt1884. Auf demselben finden sich folgende Bemerkungen:Vom 10. Oktober— drei Tage nach Empfang:„Herrn Polizeirath Dr. Rumpff mit dem er!Ersuchen um Markirung der bekannten Sozialdemokraten.(Name unleserlich.— Hergenhahn?)Vom 13. Oktober:„Nach Markirung mit Bleistift, jedoch ohne G*währ, daß die übrigen Mitglieder ebenfallSoziali st en, ergeben st zurück.Dr. Rumpfs."Daran erkennen wir den pflichttreuen Beamten. Ohne Gewähr. Vbiedere Horsch-Erzieher hätte offenbar am liebsten alle Mitglieder d'bedenklichen Vereins— ein Fachverein, wie jeder Arbeiterverein übsHaupt, ist in Preußen ja stets„bedenklich"— als Sozialisten markirtAber Rumpff wußte, daß er damit den Werth der einzelnen„M»kirung-n", der ja in der Besonderheit steckt, abschwächen würde, i»begnügte sich daher damit, einige„notorische Umstürzler" durch energiflBteistlftstriche als sehr gefährlich, einige andere durch schüchternere Stri«und ein angehängtes Fragezeichen als gefährlich und den Rest generali�als verdächtig zu bezeichnen. So handelt eine gewissenhaft und g'orientirte Behörde..Und nun wandert die Liste zum Präsidenten zurück, der am 1 4. O'tobet die Verfügung erläßt:„1. Bescheinigung zu ertheilen.jj. ad acta..Die Bescheinigung wird, wie ein weiterer Vermerk besagt, am 15.£tober an den Vorsitzenden des Fachvereins abgeschickt, und das Verz»niß, mit dem Aktenzeichen 883» l versehen, den Akten einverleibt.'es von da in unseren Besitz gelangt, und unter welchem Aktenzeichennun bei uns ruht, das bleibt, wie gesagt„Amtsgeheimniß".Genug, wir haben an diesem Dokument wieder einen sprechenden�weis dafür, wie die moderne Inquisition, genannt politische Polizei,Staate der Ausklärung„arbeitet"— Gut gegeben. Dem spanischen General Salamanca,>aus Anlaß der Karolinen-Annexion einen ihm deutscherseits verliehe»Orden zurückschickte, wird in der deutschen Presse jetzt allerlei Schlechtnachgesagt. Ein Korrespondent der„Kölnischen Zeitung" nennt ihnGemisch von Habgier und Hochmuth", Die, welche ihn kennen, ha»nur„ein Lächeln der Verachtung". Seine eigene Mutter hätte, um s»Unersättlichkeit anzudeuten, gesagt,„er sei kein Kind, sondern ein Ba«wurm."T»zu bemerkt die demokratische„Züricher Post":„Sonderbar, daß all' Das erst jetzt bekannt wird: oder hat>»sich denn gar nicht näher erkundigt, bevor man diesem„Bandwurm" tOrden umhängte?"*) Die Schönheit des Stils:„ohne Gewähr, daß" anstatt„ohne �währ, daß nicht" setzen wir auf Konto des Patrioten. Wer seinlieb hat, züchtigt es, heißt es in der Bibel, und in sklavischer Anlehn»an dieses Bibelwort mißhandelt Niemand die deutsche Sprache ärger»die Pächter der patriotischen Gesinnung.