Tsetzen, es ruhig mit ansehen, wie um nichts und wiedernichts Hunderte von Menschen theils mit ihrem Leben,theils mit l e b e n s l ä n gl i ch e m S i e ch t h n m den frivolenLeichtsinn Anderer bezahlen müssen, es ruhig mit ansehen, wiediese Anderen obendrein mit allen möglichen Ehrenerweisungenbelohnt werden— das ist human, das ist aufgeklärt, das istzivilisirt.Aber freilich, alles das wäre nicht möglich, wenn sich nichtdas Bürgerthum mit dem Militarismus ausgesöhnt hätte,wenn es nicht vor ihm anbetend im Staube läge, in ihmseinen Schntzgott erblickte. Es duldet die Opfer, die er bean-spracht, weil es von ihm Schutz für seinen Geldsack, Schutzfür sein ganzes Ausbentungssystcm erwartet. Was kommt es.ailf die Hand voll Proletarier an, die dem Militarismusjährlich zum Opfer fallen, gegenüber den Tausenden von Pro-letarierleichen, welche der Moloch Kapital alljährlich ver-schlingt? Der eine Abgott stützt den andern.Sei's drum. Ihre Herrschaft wird deshalb nicht ewigdauern. Es kommt der Tag, da das Volk sie beide durch-schaut, wie schon heute Hunderttausende sich von diesen Götzenabgewendet haben. Und wie noch stets in der Geschichte, wird.auch dann die bisher genasführte Masse mit gewaltiger Faustdie Götzen vernichten, hinter deren Trug sie gekoinmen—die Götzen und ihre Priester.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 30. September I88S.— D i e Eventualität der Aufhebung des Soziali-st e n g e s e tz e s ist von einem Theil der offiziösen Preffe zum Gegen-stand geheimnißvoller und natürlich bauernfängerischer Ausführungengemacht worden. Es sei wahrscheinlich, so heißt es, daß die„verbün-Veten Regierungen" in der nächsten Session dw Verlängerung des, be<kanntlich nur bis zum 80. September des künftigen Jahres bewilligtenSozialistengesetzes nicht beantragen würden. Das Sozialistengesetz,— wird zur Motivirung dieser wunderbaren Thatsache mitgetheilt,—.«dasSozialistengesetz sei wesentlich zu dem Zweck erlassen worden, der Reichs-regierung die nöthige Muße und Ruhe für die Sozialreform zu verschaffen.Und das schöne Werk(der Sozialreform) sei jetzt glücklicherweise so weitgediehen, daß es nicht mehr verdorben werden könne.Daß nichts daran zu verderben ist, muß freilich zugegeben werden.Wo nichts ist, hat nicht blos der Kaiser sein Recht, sondern auch derFeind die Möglichkeit des Angriffs verloren. An nichts ist nichts zuverderben.In welcher Absicht die offiziöse Presse jene Ente hat fliegen lasten,das bleibe ununtersucht; ists doch höchst gleichgültig, wer damit ge-nasführt werden soll.Amüsant ist, wie die gegnerische Preffe sich zu der Ente verhält. Dienationalliberalen Blätter mucksen sich nicht; ebensowenig die konservativen.Auch die Fortschrittspreste schweigt. Dagegen hat das pseudodemokra-tische Sonnemanns-Organ den betreffenden Reptilartikel zu einer Reklamefür den Reichstag benützt. Die Reichsregierunz— und das istrichtig— werde niemals frei- und gutwillig auf das Sozialistengesetzverzichten; das Sozialistengesetz könne nur und werde durch denReichstag beseitigt werden.O du heiliger Sonnemann! Durch den Reichstag!Durch den Reichstag— das heißt doch, daß eine Majorität imReichstag entschlossen sein muß, das Sozialistengesetz zu besei-tigen, und koste es auch einen Konflikt nnt der Regierung.Aber wo ist denn diese Majorität? Daß die Konservativen und Ratio-nalliberalen keine prinzipiellen Gegner des Sozialistengesetzes sind, wirddie„Franksurterin" uns zugeben; und sie wird die politische Heucheleioder Raivetät wohl auch nicht so weit treiben, zu behaupten, das Z e n-trum, d. h. die Partei des Papstes, der den Sozialismus und dieSozialdemokratie feierlich in Acht und Bann gethan hat, sei prinzipiellgegen das Sozialistengesetz. Es bleibt also— von den 7 Schwabenabgesehen, die nicht zählen— nur die F o r t s ch r i t t s p a r t e i übrig.Nun ist aber die Fortschrittspartei erstens so schwach, daß sie sür sichallein, auch mit Hülfe der Sozialdemokraten, keinen Beschluß im Reichs-tag durchsetzen kann. Und zweitens ist sie— was nicht oft genug her-vorgehoben werden kann— diejenige Partei, welcher dasSozialistengesetz die meistenVortheile gebracht, undw e l ch e d e s h a l b a n d e s s e n V e r l ä n g e r u n g das größteInteresse hat. Wohl dürften die Herren Fortschrittler sich bei dernächsten Abstimmung hüten, einen Theil der Ihrigen für das Soziali-stengesetz stimmen zu lassen, indeß dann blieben ja die famosen Abkom-mandirungen, falls es auf die fortschrittlichen Stimmen ankommenwürde, was nicht der Fall.Der Mai des Jahres 1884 ist in frischem Gedächtniß. Wer durch diedamaligen Vorgänge nicht von den letzten Illusionen in Bezug auf diegegnerischen Parteien geheilt ist, der ist unheilbar.Rein— der Reichstag wird nie und nimmermehr auseigener Initiative, gegen den Willen der Reichsregierung, das Sozia-listengesetz aufheben.Und nie und nimmermehr wird das Soziali st engesetzfrei- und gutwillig aufgehoben werden.Das Sozialistengesetz ist der Regierung, wie allen gegnerischen Parteien,gar zu angenehm und nützlich.Aufgehoben wird dasSozialistengesetz erstwerden,wenn es anfängt unseren Feinden unangenehm zuwerden, und schlimme Folgen für sie zu haben.Das haben wir schon hundertmal gesagt. �Richten wir Sozialdemokraten uns hübsch gemüthlich auf das Sozia-listengesetz ein, ducken wir uns schmiegsam, reichen wir der Polizei dielinke Wange, nachdem sie auf die rechte geschlagen— oh, dann bekommenwir„gemüthliche Zustände", eine„milde Praxis", aber das Sozia-listengesetz bleibt, und das höhnende Wort des Buben Bismarckist schimpfliche Wahrheit:„Belagerungszustand und Sozia-listengesetz geniren weniger alsdieHundesperr e."Diesen Buben muß klar gemacht werden, daß Belagerungszustand undSozialistengesetz doch etwas anderes sind als die Hundesperre; und daßdas Spielen mit dem Feuer der menschlichen Leidenschaften ein gefähr-liches Spiel ist. Schon Manches ist geschehen, was den Urhebern,Patronen und Handlangern des Sozialistengesetzes dessen Gesährlichkeitgreisbar demonstrirt hat— allein das Geschehene ist noch langenicht genug.---— In Chemnitz hat am Montag die Verhandlung gegen unsereder„Geheimbündelei" angeklagte Genoffen begonnen. Den ersten Tagnahm die Feststellung der Personalien und die Verlesung des Anklage-akts in Anspruch. Derselbe ist ein wahres Monstrum staatsanwaltlicherAuslegekunst. 120 Zitate aus allen möglichen Publikationen sollen dasVorhandensein einer geheimen Organisation im Sinne des Gesetzes be-zeugen. Gerade aus dieser Anhäufung von„Beweisstücken", von deneneine ganze Anzahl sogar bis aus das Jahr 1879/80 zurückgehen, gehtaber am deutlichsten hervor, auf wie schwachen Füßen die Anklage steht.Auch hier heißt es: weniger wäre mehr gewesen.Einen Abdruck der 108 Seiten starken Anklageschrift verbot sich füruns schon aus technischen Gründen, wir glauben aber auch von einerlediglich auszugsweise» Wiedergabe) absehen zu können, da das Wesent-liche derselben ja im Verhör genügend erörtert wird. Ueber dieseswerden wir in nächster Nummer einen zusammenhängenden Berichtbringen.Einstweilen weisen wir auf den höchst bezeichnenden Kontrast hinzwischen diesem Prozeß, der sich ja im Grunde um die Frage handelt,wie weit man einer Partei zumuthen kann, sich einem gegen sie gerichtetenAusnahmegesetz zu unterwerfen, und dem Verlauf des am letztenSonntag in London stattgehabten Protestmeeting, dessen Arrangementeine Zuwiderhandlung gegen ein Polizeiverbot war. Wahrlich, wenndie andern Völker daraus warten sollten, bis wir Deutschen ihnen dieFreiheit bringen, so müßten sie vor allem— deutsche Geduldbesitzen.—„Humor in der Weltgeschichte" nannten es jüngst dieBlätter, als Kaiser Wilhelm in Gastein mit dem von Preußen steck-brieflich verfolgten Fürstbischof von Olmütz aus einer Schüsselaß. Run, wenn das Humor war, dann ist jetzt auf den Humor die Possegefolgt. Die deutsche Reichsregierung, das heißt, die preußisch-prote st antische Spitze des deutschen Reichs hat den P a b stLeo XIII. als Schiedsrichter zwischen DeutschlandundSpanien in der Karolinenasfäre anerkannt. Man denke,den P a b st in Rom, den„Antichrist" Luthers, den Vertreter des alleProtestanten verfluchenden Syllabus, den Hort der UltramontanenDeutschlands, der ihnen erst jüngst zum Katholikentag in Münster seinenSegen sandte und sie zum Ausharren im Kampf für die Rechts derKirchs, d. h. für vis Herrschaft der Kirche aufforderte! Das istin der That der Gipfel aller weltgeschichtlichen Komik, eine Satire, wie sieder beste Satyriker nicht schärfer hätte erdichten können. Dahin ist es alsomit dem so hochtrabend eingeleiteten Kulturkampf gekommen! Dasmächtige deutsche Reich, das den Pabst und seine Ansprüche auf diekirchenpolitische Gesetzgebung so lange bekämpft hat und bekämpsenmußte, dieses deutsche Reich versetzt eben denselben Papst jetzt in dieLage, eine politische Rolle zu spielen, die sein Ansehen und damit seineMacht ganz erheblich stärken muß. In der That, das übertrifft Alles,was die größten Gegner des Kulturkampfes vorausgesetzt. Daß derKamps zwischen dem himmlischen Zurück und dem irdischen Zaruck miteinem Fiasko enden werde, konnte jeder vernünftige Mensch voraus-sehen, daß der Zaruck sich aber in jetzt so jämmerlicher Weise vor demZurück demüthigt, das ist nur dadurch möglich, daß an der Spitze diesesZaruck ein unfehlbarer Staatsmann und ein 83jähriger Schlottergreissich befinden.Ueberaus charakteristisch ist das Gebahren der deutschen Presse zudiesem neuesten Stücklein BiSmarckscher Staatskunst. Die Organe derprotestantischen Orthodoxie sind zum Theil ganz sprachlos, zum Theilgeben sie, wie der hochkonservatioe„Reichsbote", ihrer Entrüstung ver-zweifelten Ausdruck. Nach dem Fußtritt, den die„Norddeutsche"aus Wahlrücksichten dieser Tage dem evangelischen Hofprediger desKaisers gegeben, ist dem Organ Stöckers der dem Oberhaupt der Katholiken zu Theil gewordene Faßfall aber doppelt schmerzlich. Die eigent-lichen Kulturkampforgane aber, die natürlich von dem Schritt nichtminder betroffen sind, als der„Reichsbote", zeigen ihren Verdruß wenigeroffen als dieser. Sie verstecken ihren Aerger hinter ver blöden„Ver-muthung", daß die Anrufung des Papstes ein„überaus feiner Schach-zug Bismarcks" ist. Die„Feinheit" soll nämlich darin bestehen, daßver Papst sich nun entweder in eine schiefe Lage zu den spanischen oderzu den deutschen Ultramontanen setzen muß. Als ob sich die deutschenUltramontanen aus den Karolinen etwas machten. Und als ob, wieder Schiedsspruch des Papstes auch aufgenommen werden möge, dieThatsache, daß der Papst in einer rein politischen Angelegenheit alsSchiedsrichter zwischen zwei europäischen Staatenjfigurirt, nicht auf jedenFall bestehen bliebe.Nein, die Diplomatie, die Deutschland auf oder richtiger, unter denPapst bringt, hat sich damit unsterblich blamirt. Und daß es die famoseKolonialpolitik, richtiger Kolonial manie, war, wegen der die Blamageerfolgte, dürfte gar manchem ihrer Bewunderer die Augen öffnen.— Die Bedeutung des Normalarbeitstags und derA r b e i t e r sch u tz g e s e tz e für die endgültige Emanzipation des Pro-letariats wurde von Genosse Liebknecht jüngst in einigen Versamm-lungen sehr eingehend erörtert. Mnn schreibt uns darüber:Bremen, den 19. September. Am Dienstag hielt Genosse Lieb-k n e ch t hier einen Vortrag über„Sonntagsruhe und Arbeiterschutz-gesetze", nachdem er Tags zuvor in Wilhelmshafen über„diePreffe der verschiedenen Parteien und über das Arbeiterschutzgesetz" ge-sprachen hatte. Beide Versammlungen waren sehr zahlreich besucht undverliefen ausgezeichnet. Die Ausführungen des Redners, welche durch-weg die Billigung der Zuhörer hatten, richteten sich unter Anderemgegen die Ueberschätzung des Normalarbeitstags, wiesie neuerdings in verschiedenen Kreisen zu Tage tritt. Die Bedeutungdes Normalarbeitstags bestehe darin, daß er die Arbeiterklasse körper-lich stärke, moralisch hebe und ihr Gelegenheit zu ihrer geistigen Aus-bildung gebe. Allein, so hoch dies auch zu veranschlagen sei, so liegedarin doch noch lange nicht die Lösung der sozialen Frage. Das Pro-letariat werde nur, indem es kampffähiger gemacht werde, zurLösung, der sozialen Frage, zur Durchführung seiner Emanzipationbesser vorbereitet. Das Beispiel der Länder, in welchen derNormalarbeitstag herrsche, zeige aufs Klarste, daß der Normalar-beitstag weder die Beschäftig ungslosigkeit zahlreicher Ar-beiter, noch die Krisen beseitigen könne, wenn auch entschiedenin Bezug auf Stetigkeit und Dauer der Beschäftigung eine Besserunggeschaffen worden.Als die wichtigste Errungenschaft der letzten Reichstagsseffion bezeich-nete Liebknecht die Lehre, daß die Arbeiter in ihrem Emanzipations-kämpf weder auf die Unter st ützung der Regierungen,noch auf die irgend einer politischen Partei rechnenkönnten, sondern ausschließlich auf ihre eigene Kraft an-gewiesen seien. Durch die bekannten manchesterlichen Aeußerungendes Reichskanzlers in Betreff der Sonntagsarbeit und durch die Artund Weise, wie man die Sonntagsarbeits-Enquete inszenirt habe,sei der Beweis geliefert worden, daß Fürst Bismarck nicht einmaldas dürftige Bischen Sozialreform, für welches er sich früher erklärtund die Person des Kaisers engagirt habe, mit den Interessen desKlasse nstaates, dessen Vertreter er sei, für vereinbar halte.Wer die Sozialreform ernsthast wolle, müsse die Vernichtung o e sKlassen st aates wollen. Fürst Bismarck aber wolle nur dieStärkung des Klassen st aats, die Befestigung derHerrschast des mobilen und im mobilen Kapitals.Der Anwalt des armen Mannes habe sich als Züchter von Millionären ent-puppt. Die Sozialresorm müsse gegen ihn erkämpft werden, gegenihn und gegen alle übrigen Parteien.- Das Beispiel Eng-lands zeigt uns, wie schwer der Kampf ist z das Beispiel Englands zeigtuns aber auch, daß es in der Wacht des Volks liegt, denSieg zu erringen. Tragen wir unsere Ideen in immer weitereKreise, verbreitern und vertiefen wir unsere Bewegung, verlassenwir uns aus Niemand, als auf uns selb st und wir wer-den zum Ziel gelangen. In den Händen der deutschen Arbeiter ruhtdas Schicksal des Arbeiterschutzgesetzes, ruht ihr eigenes Schicksal. Er-lahmen wir nicht im Kamps. Hegen wir keine I l l u s i o n enund wir werden keine Täuschung erleben, drängen wirunablässig vorwärts, des guten englischen Worts eingedenk: porasve-rance wina the day— Ausdauer gewinnt die Schlacht.— Kaiser- und Königsworte. Vor sieben Jahren schloffendie Regierungen Europas, darunter auch„die drei Kaiser", den BerlinerVertrag, welcher die Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel„ordnete",unter andern der Türkei Rumelien zusprach, und von den„hohen" Kon-trahenten feierlich beschworen ward. Jetzt hat der Fürst von Bulgariendurch einen einfachen Akt des Raubes Rumelien in seine Tasche gesteckt,und die Spatzen pfeifen von den Dächern, daß er im Auftrag derKaiser von Rußland undOe st erreich, und aller Wahrschein-lichkeit nach auch desjenigen von Deutschland gehandelt hat.Wo bleibt da das Kaiserwort, an dem, gleich einem Königswort,„mannicht deuteln soll", wie die famose Hohenzollernphrase lautet?Die„hohen" Herren dürfen sich natürlich nicht wundern, wenn dieVölker von den Kaiser- und Königsworten und den Kaiser- und Königs-eiden keine höhere Meinung haben als die Kaiser und Königeselber.uns aus unserem Leserkreise zum„niedriger Hängen" eingesandte Likanntmachung:„Bei der hiesigen Polizeiverwaltung sind drei Stellen für K a n zHülfs arbeiter zu besetzen. Reflektanten, welche den Anft�derungen des Reglements vom 23. Juni cr. entsprechen, namentlsm i n d e st e n s den Unterrichtskursus einer Elementarschule w>gutem Erfolge absolvirt haben, über 16 Jahre alt, ks>perlich und g ei st ig gesund und im Besitz einer g e l 8>f i g e n, deutlichen und ansprechenden Handschri'sind, werden zur Meldung bis spätestens den IS. d. Mts. mit d«Bemerken aufgefordert, daß die anzunehmenden Hülfsarbeiter mi>destens einJahr lang unentgeltlich zu arbeiten Hafnach Ablauf dieses Zeitraumes aber bei befriedigendenLssst u n g e n und tadelloser Führung eine Vergütung e#ten, die anfangs monatlich 15 Mk. beträgt, mit jedem weite«'Jahre aber um monatlich 5 Mk. bis zur Höhe von 60 Mk. swDen direkt an die Polizeiverwaltung zu richtenden Bewerbunggesuchen ist das Schulabgangszeugniß, sowie ein selbstgeschrieben"Lebenslauf beizufügen.Halle a/S., den 7. September 1885.Der M a g i st r a t/Man greift sich unwillkürlich nach dem Kops, wenn man das WIst so etwas erhört? Schämt sich der ehrenwerthe Magistrat der reich"Stadt Halle gar nicht, solche hundemäßige Bezahlung öffentl»auszuschreiben? O, nicht im Geringsten, weiß er doch, daß es selbst"solchen Bedingungen heutzutage an Bewerbern nicht fehlen wird. Ab"welche Verurt Heilung unserer Zustände liegt in dieser Thatsache!.Mindestens ein Jahr unentgeltlich arbeiten, und dann,„bei tad"loser Führung", 15, sage fünfzehn Mark monatlich, das heißt fünfjs!Pfennige pro Tag. Dann von Jahr zu Jahr 5 Mk. pro MoBd. h. 16% Pfennige pro Tag mehr, bis nach zehnjähriger angestreng!"Thätigkeit und Uebung im Rückenkrümmen das Xov plus ultra errwist: 60 Mark monatlich, zwei Marktäglichj!Körperlich und geistig gesund müssen die Bewerber s«"sollen sie Gnade vor den Augen der Ausschreiber finden. Wir glaub"es. Man muß in der That einen sehr großen Fonds von Gesundh"mitbringen, um bei solcher Bezahlung nicht bald zu Grunde zu gehen.Und nun vergleiche man mit dieser Bezahlung die Gehälter, wel?die Herren Oberbeamten beziehen, die Pensionen, welche man ihnen d"willigt, wenn sie sich in den Ruhestand begeben, und dann sage in"noch, wir leben nicht in einer vortrefflich eingerichteten Welt, dann b"streite man noch, daß Preußen der Musterstaat ist, berufen, den ander'Staaten zu zeigen, wie man die Hydra, genannt soziale Frage, am best"und am einfachsten löst!O es ist etwas herrliches um den preußischen Staat und sei»"Staatssozialismus.— Immer moralisch.„Die Religion muß dem Volkejerhalt"werden." Deshalb wird auch in dem gottesfürchtigen deutschen Reivfür die Erhaltung der durch Sakrament geheiligten Ehe Seitens d"Behörden von Rechtswegen Sorge getragen. Jeder höhere Beamte, d"die Frau seines Untergebenen verführt— wir wollen nicht sagen vr'.gewaltigt— wird, wie männiglich bekannt, auss Strengste bestraft;es aber gar ei» Prinz, der sich in den Weinberg seines Nächsten v"irrt, so wirb er— vgl. Prinz Kart, Friedrich Karl, Wilhelm, Leopoldohne Gnade und Barmherzigkeit in das Zuchthaus gesperrt. Die ko»'sequente Befolgung dieses erhebenden Systems seitens der von Gott ei"gesetzten Obrigkeit ist unseren Lesern durchaus nicht Neues, sie kön»«es daher auch weder hart noch befremdlich, sondern im Gegentheil n»'logisch finden, wenn die Hüter der wahren Sittlichkeit zum besser"Schutze derselben sich nicht blos mit der rücksichtslosesten Ahndung des eigenslichen Ehebruchs begnügen. Soll die Ehe in allen Schichten der Beb"'kerung zu dem musterhaftesten und untadligsten Institut sich entwickelnwie es sich uns in den höheren und höchsten Ges<llschajtskreisen, bssonders aber bei Hofe selbst— vgl. Prinz Karl, Friedrich Karl, ÄssHelm, Leopold w. ic.— präsentirt,— so muß auch der geschlechllivVerkehr zwischen Unverheiratheten mit dem allerschliminst"Mackel behastet werden. Und ebenso selbstverständlich ist es, daß de"jenige, welcher einmal nach dieser Richtung gesündigt hat, nur dal"auf Wiederherstellung seines guten Rufes Anspruch erheben darf, wi"er den von ihm begangenen Fehler erkennend, daS Mädchen, das 1verführt hat, verleugnet und verstößt— vgl. Prinz Karl, FriedlinKarl, Wilhelm, Leopold ic. ic.—Denn wer da etwa an einer so leichtsinnigen Person fortgesetztschmack findet oder mit ihrer traurigen Lage dergestalt Mitleid sühndaß er sie zu seiner gesetzlichen und rechtlichen Frau macht, der santüsnirt gewissermaßen die stattgefundene Verletzung der göttlichen Mor�und hat es sich daher nur selbst zuzuschreiben, wenn er vor den Aug"eines preußischen Landraths oder Regierungspräsidenten Puttkamer'M"Schule nicht als em Mensch von„untadelhasten Sitten" erscheint. A>'Illustration diene nachsolgende, preußischen Blättern entnommene„Für Schulzen stellt das Allgemeine Landrecht(Theil üTitel 7,§51) das Erforderniß auf, daß sie„von untadelhaft'Sitten" sein sollen. Gestützt aus diese Borschrist focht der Landr�eines Kreises im Regierungsbezirk Gumbinnen(Ostpreußen) einenschluß des Kreisausschuffes klagend an, durch welchen der Wahl des Ka"'manns Z. die Bestätigung ertheilt war. Es wurde behauptet, daß de"Z. die gesetzlich geforderte Qualifikation zur Bekleidung des Gemein»"vorsteheramlS fehle. Die Ehefrau des Z. war früher Kellnerin..(es folgen Angaben über das Leben der verehelichten Z. und i!Mannes vor ihrer Ehe). Der Kreisausschuß dagegen weist darauf h'"daß Z., indem er die Mutter seines unehelichen Kindes geheirathet,ehrenhaft gehandelt, und daß er gleich seiner Ehefrau, seit derschliehung, also seit 13 Jahren, völlig mackellos lebe und in allgemein"Achtung stehe. Auch das Bezirksverwaltungsgericht in Gumbinnen skannte aus Abweisung der Klage. Gegen diese Entscheidung legte n"nur der Landrath, sondern auch der Regierung',Präsident Berufung ein. Das Oberverwaltungsgericht erkann'jedoch auf Bestätigung der Vorentscheidung, weil nur dann(!) v-'einer Gesetzverletzung die Rede sein könnte, wenn der§ 51 cit. da?!)auszufassen wäre, daß Niemand Schulze sein könnte, der sich jemalsseinem Leben mit irgend einem sittlichen Mackel behaftet habe. Wo!der Regierungspräsident diesen Grundsatz mit den Worten der Berufung'schrist ausstellen, von einer gründlichen Besserung sei im Gesetz nirgen»die Rede, so wäre dem doch nicht beizupflichten. Nichts deutet darashin, daß der§51 oit. im Widerspruch mit den allgemeinen Normen rdie Besetzung öffentlicher Aemter grade für das Schulzenamt jede s)hadilitirung ausschließe. Wie der§ 51 vielmehr das freie, sachgeininUrtheil der Wählenden und der Kommunalaussichtsbehörde m der Mdigung der Schwere und Bedeutung sittlicher Versehlungen sür die»'urtheilung der schulzenamtlichen Qualifikation walten läßt, so auch'der Frage nach der Sühne srüherer sittlicher Verstöße, nach der Wied"rerlangung bürgerlicher Ehrbarkeit und allgemeiner Achtung durch frteren ladellosen Wandel." ,,Daß das Oberverwaltungsgericht ein so geringes Verständniß sür»wahren Bedürfnisse des Volkes resp. für die amtlichen und daher v"Gott gebotenen Anschauungen über Sittlichkeit gezeigt, ist nur zu&dauern, und wir fühlen uns in unserer Trauer völlig eins mitSr.$n der bei der Lektüre des betreffenden Entscbeides sicber�v. Puttkamer, der bei der Lektüre des betreffenden Entscheides sicher!geseufzt hat:Es wär so schön gewesen, es hat nicht sollen sein.— Beamtenproletarier. Der schlimmste Ausbeuter in derAusbeutergesellschaft ist und bleibt doch ihr offizieller Repräsentant: derStaat, und was mit ihm zusammenhängt. So schamlos wagt selbstder unverschämteste Bourgeois nicht, die ihm unterstellten Arbeiter aus-zupressen, als es die Staats- und von Staatswegen eingerichteten An-stalten mit ihren Lohnsklaven thun, wahrscheinlich als Ergänzung dafür,daß sich dieselben„Beamte" nennen dürfen. Man lese z. B. folgende,— Deutschlands Ordnungsstützen. Aus Leipzschreibt man uns:Drei„ehrbare" Hüter des Belagerungszustand«Nicht unerhebliches Aufsehen und Erregtheit herrscht gegenwärtig!hiesig«: Eiwohnerschast über das plötzliche Verschwind'dreier Po l i z i st e n des Polizeiamts Leipzig.Der erstere, Schutzmann Streine, der unter dem Schutze»'Polizeilieutenants Knobloch jahrelang Betrügereien ad'Art ungestraft hatte ausführen können, wurde, nachdem es Knoblocheinem Unterschlagungsfalle nicht hatte verhindern können, daß er in Un«'suchung gerieth und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Leipzig zu v"Wochen Gesängniß verurtheilt wurde, kurz vor Antritt sein'Strafe vom Polizeiamt Leipzig aus dem Grunde, unter Zurücklaff�seiner Familie, unsichtbar gemacht und nach Amerika spedirt, well erDer iStreifeinten, Der tin seineiI'hr bedeÄltestendaß die1SerrouniiesörderHierüTageblmanwaltsischweigstTrau,Knobloch ein allzulästiger Zeuge dessen sauberer Stückchen gewoi'war.