Somit ist, wenigstens nach außerhalb, die Ehre dieser Gesellschaft gerettet. Wenn dafür auch eine große Zahl friedlicher Einwohner auf längere Zeit ihrer Freiheit beraubt wurden, danach fragen jene Herr» schaften nicht. Ja, ja, alle Menschen sind vor dem Gesetze gleich. Darum gehen auch, wo es sich um Verbrechen am Volke handelt, wie Figura zeigt, die Ver- brecher frei aus, und Diejenigen, an denen das Verbrechen begangen, werden angeklagt und verurtheilt, wobei häufig die eigentlichen Ver> brecher über die unschuldig Angeklagten zu Gerichte sitzen. In solcher Weise wäscht man die Hände in Unschuld, und so wird die Moral auf den Kopf gestellt. Am Morgen des 31. August, dem Todestage Lasialle's, flatterte an der Vogelstange auf dem hiesigen Johannisberge, weithin sichibar, eine große rothe Fahne lustig im Wind. Vielen der am gleichen Morgen zum Regiments-Exerziren ausrückenden Soldaten sah man, als sie den herrlichen Anblick der rothen Fahne im Scheine der frühen Morgen- sonne genosien, die freudige Ueberraschung deutlich an. Aber auch in den Arbeiterkreisen war dies Ereigniß eine freudige Ueberraschung. Da nun dafür gesorgt war(durch Anbringen eines starken eisernen Bolzen), daß das Herunterlaffen der Stange nicht so leicht bewerkstelligt werden konnte, so gelang es der Polizei erst nach vielen Anstrengungen und unter Zuziehung eines Schlossers, die Fahne um'/j8 Ahr herunterzu­holen. Alle angestrengten Bemühungen, den Thäter zu ermitteln, blieben erfolglos und werden es auch bleiben. Daß das Aufhiffen der rothen Fahne der Polizei und dem Philister- thum großen Aerger verursachte, kann man sich denken, den Genossen dagegen möge es als Ansporn dienen, unermüdlich thätig zu sein, und durch Wort sowie durch rege Verbreitung unserer Schriften immer mehr Aufklärung unter die Waffe zu bringen, unabläffig neue Anhänger für unsere Sache zu gewinnen, dann wird auch der Sieg endlich unser sein! G o d i e t a n n. --«/WtsA/W- Sozialpolitische Rundschau. Zürich , 1K. Dezember 1885. Rebellion im Lager derFreisinnige n". Während der jüngsten Debatten über das Arbeiterschutzgesetz gab der Fortfchrittler Halben bekanntlich die Erllärung ab, daß er nebst einigen Genoffen, entgegen dem Gros seiner Fraktion, für die Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit und andere Forderungen des Arbeiterschutzgesetzes stimmen werde. Wie sick vermuthen ließ und wie durch die nachträg- lichenEnthüllungen" bestätigt worden ist, hat das sozialdemokratische Arbeiterschutzgesetz zu sehr heftigen Debatten in der Fortschrittspartei Anlaß gegeben. Einige Mitglieder meinten, wenn die Fortschrittspartei auf ihrem starr manchesterlichen Standpunkt stehen bleibe, so werde sie mit Nothwendig- keit von den übrigen Parteien überflügelt und verliere vollends allen Boden in der Arbeiterwelt und im Volke. Herr Eugen Richten wider- setzte sich mit der ihm eigenen Brutalität, bewirkte dadurch aber blos, daß ihm heftige Vorwürfe gemacht und die Mißerfolge der jüngsten Zeit, insbesondere auch die Niederlage bei den letzten preußischen Land- tagswahlen, in die Schuhe geschoben wurden. Der Streit füllte mehrere Fraktionssitzungen aus und endete mit dem Sieg der Rebellen, die sich das Recht wahrten, ihren abweichenden Standpunkt im Reichstage geltend zu machen. Die Fraktionsdiktatur Richter's ist also endlich g e- krochen. Für die Fortschrittspartei ist's freilich zu spät: sie ist zu tief in den Sumpf des Manchesterthums hineingerathen und politisch zu sehr kompromittirt, als daß eine Neugeburt noch möglich wäre. Die Zahl derRebellen" beträgt schon 15, denen sich aber noch mehrere anschließen werden. An der Spitze steht L u d w i g L ö w e, der sich seiner Laffalle'schen Jugendsünden" erinnert hat on en revient toujours ä ses Pre­miers amours; und auch V i r ch o w ist unter dieRebellen" gegangen, wohingegen H ä n e l, der vor der Vereinigung mit den Sezeffwnisten starke Oppositions- und Rebellionsgelüste gehabt hatte, vor demedlen Ritter Eugen" reuig zu Kreuz gekrochen ist. Die Herren Fortschrittler haben sich inzwischen mit den Zentrums- leuten dazu verbündet, die polnische Interpellation auf die eine oder andere Weise zu beseitigen. Und diese Todtengräberdienste werden auch vorläufig ihren Zweck erreichen. Erst wenn der sozialdemokratische An- trag zur Verhandlung kommt, wird sich voraussichtlich Gelegenheit zur Besprechung der Ausweisungsfrage und zur Antwort auf die famose kaiserliche Botschaft" bieten. Vor den Ferien wird dieser Antrag jedoch nicht mehr auf die Tagesordnung kommen. Die Fortschrittler leben nur noch unter der nächsten Regierung. Sie denken an nichts als an den Thronwechsel und die Wunder, welche dieliberale Kronprinz" nach seinem Regierungsantritte wirken wird. Kurz, schlaraffenländische Zukunftsmusik. DasEreigniß", auf welches die Fortschrittsschlaraffen mit ausge- sperrtem Mund und in den Schoß gelegten Händen seit Jahren schon warten, wird gelegentlich wohl eintreten. Allein Junker Bismarck wird dann sicherlich nicht so leichten Kaufs abgeschüttelt werden. Er gibt sich alle erdenkliche Mühe, demliberalen" Kronprinzen und namentlich der liberalen Krön Prinzessin" Honig um den Münd zu schmieren neulich besuchte er sogar, was er bisher nie gethan, dieliberale Krön- Prinzessin" und gratulirte ihr zum Geburtstag demliberalen Krön- Prinzen" und derliberalen Kronprinzessin" zu Gefallen wird die all- mälige Kaltstellung des biederen Stöcker proklamirt. Kurz, die Einseifung desliberalen Kronprinzen" und derliberalen Kronprinzeffin" wird mit Hochdruck betrieben, und warum sollte das Einseifen nicht gelingen, wo man sich so gerne einseifen läßt? Die Herren Fortschrittler werden ihr blaues Wunder erleben, wenn der Traum vomliberalen Kronprinzen"(männlichen und weiblichen Geschlechts) der Wirklichkeit weicht. Macht und Recht. Zwei Ereigniffe, die sich in der letzten Zeit abgespielt, sind so recht geeignet, zu zeigen, wie sehr in unsern viel- gerühmten Kulturstaaten der Begriff des Rechts noch von dem der Macht abhängig ist: die bulgarische Affäre und die englischen Wahlen. Als Alexander von Bulgarien die Union mit Ost-Rumelien vollzog und Rußland und Oesterreich, Serbien und Griechenland Miene machten, über den frechen Verächter des Berliner Vertrages herzufallen, da war fast überall die sogenannte öffentliche Meinung ebenfalls gegen den Letz- tern und seine Leute. Man spottete über sie, und als die serbische Regie. rung sich wirklich zum Hausknecht Väterchens hergab und das slavische Brudervolk" mit Krieg überzog und einige Vorposten überwältigt hatte, da war all» Welt darüber einig, daß die Bulgaren absolut kein Recht auf Vereinigung haben. Nun aber, da das Blatt sich gewendet, da das Kriegsglück für die Bulgaren entschieden und das Kriegsglück kann doch höchstens als Maßstab für die subjektiv größere Kraft, nie aber als Maßstab für die objektive Berechtigung einer Forderung gelten jetzt ist alle Welt plötzlich darüber einig, daß die Bulgaren ein Recht auf Anerkennung der Union mit Ost-Rumelien haben. Warum ein Recht? Ei, sagt man, sie haben für diese Union ihr Blut vergossen. Schön, und wenn sie unterlegen wären, hätten sie da nicht geblutet? Nein, weil sie gesiegt, weil sie, aus welchen Gründen immer, den Serben gegen- über sich als die Stärkeren erwiesen, weil sie eine gewiffe Macht repräsentiren, darum sängt man auch an, ihnen ein gewisses Recht ein- zuräumen. Von den Bulgaren zu den Jrländern. Es ist bekannt, daß Herr Parnell im letzten Wahlkampf unter den Jrländern die Parole ausge- geben, überall, wo sie nicht auf Durchsetzung eigener Kandidaten rechnen können, für die Tories zu stimmen, so daß diese eine stattliche Anzahl sonst liberaler Wahlkreise eroberten. Bedenkt man, daß kaum ein eng- lischer Staatsmann den Jrländern mehr Entgegenkommen gezeigt als Gladstone, so wird man die Entrüstung der Gladstoneaner über dieUn- dankbarkeit der Iren" begreifen. Nun, Herr Parnell wollte verhindern, daß die liberale Majorität stärker werde als Tories und Iren zusammen- genommen, mit anderen Worten, daß keine der beiden großen Parteien die Majorität im Parlament habe, so daß die Iren in jeder wichtigen, Abstimmung den Ausschlag geben. Er hat diesen Zweck so ziemlich er-' reicht, es sind 333 Liberale, 249 Konservative und 84 Parnelliten ge­wählt; den Liberalen fehlen 2, nach andern Berichten 4 Stimmen an der absoluten Mehrheit und selbst wenn sie diese hätten, so genügt das noch nicht für eine Majorität, wie sie im Lande des Parlamenta- rismus jede Regierung braucht. So ist denn Parnell zu einer solchen Machtstellung im Parlament gelangt, daß das Schlagwort Parnell- m e n t für dasselbe überall als zutreffend bezeichnet wurde. Und was thun jetzt die Liberalen, die eben noch über die Undankbarkeit der Iren schimpften? Sie suchen die Iren durch weitere Zugeständniffe zu gewinnen. Herr Gladstone pfeift auf die Schmeichelworte, mit denen die irische Preffe ihn während des Wahlkampfes überhäuft, und tritt in Unterhandlung mit Herrn Parnell, denn Parnell mit seinen 84 Kollegen hinter sich ist eine Macht. Und daß er auf Grund dieser Macht wei- tere Rechte für Irland erlangen wird, daran zweifelt in England kein Mensch. Woraus übrigens zu lernen, daß der Parlamentarismus keineswegs unter allen Umständen zu verachten ist. Ein gutes Gewehr freilich auch nicht. rk. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich seit dem Wiederzusammentritt des Reichstags natürlich mit den Differenzen, welche in der Zwischenzeit seit der vorigen Session zu Tage getreten sind, insoweit es ihr zukommt, beschäftigen müssen. Die Aus- einandersetzungen, welche dabei stattfanden, haben jedenfalls zur Klärung geführt und manches Mißverständniß beseitigt, obgleich das letzte Wort nicht in und von der Fraktion gesprochen werden kann. Und jedenfalls ist durch diese Auseinandersetzungen, in Verbindung mit den prinzipiellen Berathungen über die parlamentarische Taktik, oder vielleicht richtiger ausgedrückt: die Taktik im Reichstag in Bezug auf unsere Parlaments- thätigkeit eine einheitliche Auffassung erzielt worden, die ein methodisches, planmäßiges Handeln verbürgt, und ein so bedauer- liches Auseinandergehen, wie es in der vorigen Session bei der Dampfer- subvention vorkam, einfach unmöglich macht. Die bisherige Thätigkeit der Fraktion im Reichstag zeigt jedem Genossen das Vorhandensein einer festen Verhaltungslinie. Die Debatten über den Helldorf schen Antrag auf 3jährige Legis- laturperioden und den sozialdemokratischen Gegenantrag nahmen zwei Sitzungen(9. und 10. Dezember) in Anspruch. Seitens unserer Partei sprachen K a y s e r und Bebel, welche die reaktionären Motive der Herren Helldorf u. Cie. bloslegten und die jetzt sich überall breitmachenden reaktionären Strebungen nach Gebühr geißelten. Zweifellos ist, daß die Herren Helldorf u. Cie. eine recht klägliche Rolle spielten und durch ihren verunglücktenVorstoß" blos ihren Gegnern und namentlich uns Sozialdemokraten in die Hände arbeiteten. Die Polen -Jnterpellation ist glücklich begraben; und zwar war es, wie wir voraussagten, Herr Windthorst, der das Todtengräber- amt versah. Er gestand es in einer Geschäftsordnungsdebatte(den 11. Dezember) ungenirt ein: das Zentrum habe sich schlüssig gemacht, daß die beste Art, die Angelegenheit, und insbesondere die Ver- f a s s u n g s frage im Zusammenhange mit der kaiserlichen Botschaft zu erledigen, durch den bekannten sozialdemokratischen Antrag geboten sei: wenn die Herren Polen nicht warten wollten, bis der An- trag auf die Tagesordnung komme, so sollten sie den Etat dazu be- nützen, ihre sachlichen Beschwerden anzubringen. Es zeigt dies, wie nothwendig der sozialdemokratische Antrag war; ohne denselben wäre die Diskussion der kaiserlichen Botschaft vollständig eskamotirt worden. Schade nur, daß der Antrag, wenn nicht andere Initiativanträge zurückgestellt werden wozu die Zustimmung der Antragsteller erforderlich nicht mehr vor den Ferien zur Verhand- lung gelangen kann. Die Ferien werden voraussichtlich schon am 17. d. beginnen und bis zum 10. Januar dauern. Daß aber in einer so wichtigen Materie, politisch vielleicht der wichtigsten, welche den Reichstag in dieser Session beschäftigen wird, die parlamentarische Führerschaft von den Sozialdemokraten übernommen werden mußte, ist ebenso charakteristisch für die Zerfahren- heit und Feigheit der alten Parteien, wie für die zunehmende Macht der Sozialdemokratie. Die dem Reichstag zugegangenen Petitionen zu Gun- sten des Arbeiterschutzgesetzes zählen bis jetzt bereits gegen drei malhunderttausend Unterschriften. Das ist eine stattliche, unseres Wissens in Deutschland noch selten übertroffene Anzahl, aber sie würde noch drei-, viermal so groß sein, wenn in Deutschland nicht selbst das Petitionsrecht von größeren Städten abgesehen todter Buch­stabe wäre. Ob die Petitionen im Reichstag den gewünschten Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, so würden sich die deutschen Arbeiter vor die Frage gestellt sehen, ob es nicht am Platze wäre, ihren Unterschriften etwa durch ähnliche Demonstrationen Nach- druck zu verleihen, durch welche z. B. ihre englischen Kollegen trotz ihrer gerühmten Gesetzlichkeit, den herrschenden Klaffen die Nothwendigkeit gewisser Reformen vor Augen zu führen wissen. Wir lesen in einem Leitartikel der fortschrittlichen Berliner Volks- zeitung": Wie jede heilsame und wirkliche Sozialreform, wie jede Sozial- reform, die nicht den Großgrundbesitzern, sondern den Arbeitern zu gute kommt, bei den patentirtenSozialreforniern" aus den heftigsten Wider- stand stößt, so ist auch die Einrichtung der Fabrikinspek- t o r e n in gewissen Kreisen ein Greuel. Namentlich seit der Zeit, in welcher der pommersche Fabrikinspektor die Papier - f a b r i k auf einem berühmten Hinterpommersch en Dorfe besichtigen wollte und einige der daselbst ausgestellten Geheimpol i- z i st e n(merkwürdiges Dorf!) auf den abgeschmackten Einfall geriethen, ihm in der Ausübung seiner gesetzlichen Befugnisse irgend welche Hinder- nisse bereiten zu wollen. Damals fiel das geflügelte Wort, einen Fabrik- besitzer von Staatswegen in seinem Betriebe zu beaufsichtigen, sei ebenso widersinnig, als wenn neben jede Schusterbank ein Schutzmann gestellt werden sollte, und unter dieser absonderlichen, wenn auch keineswegs genialen Anschauung leiden die deutschen und insbesondere die preußi- schen Fabrikinspektoren bis auf diesen Tag." Kleine Ursachen, große Wirkungen. Ein moderner Scribe, der dieses Thema behandeln wollte, fände reichlichen Ersatz für das veraltete Glas Waffer in der berühmtenKlinke", die bald gedrückt, bald fest angezogen wird. Gut ge brüllt", können wir nicht sagen, denn Reptile können nicht brüllen, allein einige können schreien, wie z. B. das Krokodil also gut geschrieen, Reptil! S ch a a m und tiefes Weh müssen jeden echten deutschen Mann erfassen, wenn er sich, wozu es allerdings einer allzukühnen Phantasie nicht bedarf, den Eindruck vergegenwärtigt, welchen die Reichstagsver- Handlungen des letzten Dienstags(1. Dezember: Poleninterpel- l a t i o n) in den Reihen der Pariser P a t r i o t e n l i g a, der ungarischen und derpanslavistischenDeutschenhasser, der tschechischen Pöbelhetzen und der Alliance Jsrae- l i t e hervorgerufen haben. War es doch ein Schauspiel, das k o m- Menden Generationen die Zornesader schwellen wird, den Staatsmann, um den die Welt uns beneidet, dessen G e- n i u s, defien T h a t k r a f t, dessen echt deutschemHerzen unser Vaterland das Höch sie verdankt, was je einem Volke ge- worden, von Polen , Ultramontanen , Dänen, Elsaß- Protestlern, Welsen und F o r t s ch r i t t l e r n vor die Schran- ken desdeutschen " Reichstages zitirt zu sehen" u. s. w. Also zu lesen in derSchlesischen Zeitung". Wie viel national-preußische Schnäpse das Reptilhinter die Binde" gegossen haben muß, um sich zu dieser Höhe des patriotischen Chauvi- nismus auszuschwingen? In seinem Eiser hat eS sogar in der Verbrecher- liste die Sozialdemokraten vergessen. Nun daßkommenden Generationen die Zornesader schwellen" wird, glauben auch wir, nur dürste das Zornesgericht ein anderes Ziel treffen, als das Reptil derSchlesischen Zeitung" glaubt oder doch zu glauben sich den Anschein gibt. Denn was dieses Gesindel glaubt, weiß man ja nicht es glaubt überhaupt gar nichts, als was von oben herab, par ordre du moufti, kommandirt wird. Es hat keineiz anderen Glauben, als den Glauben an den Reptilienthaler. Sind Geschworene vorzuziehen oder Berufs- r i ch t e r? Wenn diese Frage gestellt wird, fällt uns regelmäßig»» berühmte, aus der Zeit unmittelbar vor der französischen Revolutio» stammende«Frage der K ö ch i n an d i e H ü h n e r" ein: Wollt Ii' gekocht oder gebraten sein? Und da die Hühner meinten, sie wollie» weder das eine noch das andere, wird ihnen der parlamentarijP Bescheid, daß sie von der Tagesordnung abwichen. heutigen Klassenstaat läuft die Frage: Geschworne oder Berufsrichter' so ziemlich auf die gleiche Frage hinaus: Gekocht oder gebraten? Wir haben sicherlich keine Ursache, für die Herren Berufsrichter j« schwärmen, allein ebensowenig Ursache haben wir, für die Geschworne« zu schwärmen. Und es kann, nach tausendfältiger Erfahrung in England Frankreich und Deutschland , nicht dem leisesten Zweifel unterliegen, da! in Prozessen, wo die Klasseninteressen und Klassengegensätze scharf hes' vortreten, Berufsrichter unter Umständen noch eher eine gewisse Unaf hängigkeit des Urtheils bewahren, als Geschworene, die heutzutage j« ausnahmslos entweder selbst Bourgeois sind oder wenigstens den Bouv geoiskreisen angehören. Nur ein drastisches Beispiel sei angeführt. Man hat den Chew' nitzer Sozialistenprozeß häufig mit dem LeipzigerHoch' verrathsprozeß(>872) verglichen. Und es ist auch unleugbar eiia große Aehnlichkeit vorhanden: in beiden Fällen handelte es sich u«> einen Tendenzprozeß in des Wortes verwegenster Bedeutung; beiden Fällen fehlte jede substanzielle Begründung der Anklage, und soV beim Belastungsmaterial die Qualität durch die Quantitä> ersetzt werden. Der Leipziger Hochverrathsprozeß spielte sich Geschwornen ab, der Chemnitzer Sozialistenprozeß vor Berufs r i ch t e r n. Wohlan, die Geschwornen haben verurtheilt, und die rufsrichter haben freigesprochen. Wir könnten Dutzende von ähnlichen Beispielen beifügen. Was von den Schwurgerichten gilt, das gilt auch von den Schöffe� g e r i ch t e n, die wesentlich gleicher Zusammensetzung sind. Von de« bürgerlichen Schöffengerichten werden Sozialdemokraten und für Sozi� demokraten geltende Arbeiter mitunter geradezu horrend verurtheilt. S' wurde vergangenen Sonnabend in Berlin der Tischler Kreutz weg� einer ganz harmlosen Aeußerung, in der eineVerrufserklärunq" erblilk wurde(es handelte sich um den Streik einer Pianofortefabrik), v»s dem Schöffengerichte zu acht Tagen Gefängniß verurtheilt obgleich der Staatsanwalt blos zwei Tage beantragt hatte. Wie gesagt die Aeußerung war ganz unverfänglich, und nur der ausgesprochensls Klassen haß konnte eineVerrufserklärung" im Sinne des Gesetze' darin erblicken. DieMoral der Geschichte" ist: in dem heutigen Klassenstaat kai>> von einer Justiz, die gleichbedeutend ist mit Gerechtigkeit nicht die Rede sein; und zwar aus dem sehr einfachen Grund, weilf auf das Gegentheil der Gerechtigkeit gegründet ist, und durch eii« gerechte Rechtspflege seine eigene Basis zerstören, das heißt int anderen Worten einen Selbstmord begehen würde. Allezeit voran! Wir haben wiederum eine ganze Anza? von Erfolgen zu verzeichnen, welche von unsern Genossen in Deut$ land im Laufe der letzten Wochen errungen wurden. So siegten ce 18. November in B e l f o r t bei Wilhelmshafen bei den Gemeindf rathswahlen die Kandidaten der Arbeiter mit glänzendem Mehr über dt Kandidaten der Ordnungspartei. In Kannstatt (Württemberg ) brach ten die Arbeiter bei der kürzlich stattgehabten Gemsinderathswahl vo> K zu Wählenden 4, in Eßlingen von 7 zu Wählenden 4(und zwld gegen Konservative, Deutschparteiler und Volkspartei ihrer Kandidaten durch, in Heilbronn wurde Genosse Kittlsr 894 Stimmen in den Gemeinderath gewählt(worüber in nächster Numiitd Spezialbericht), in Stuttgart sind die Kandidaten der Arbeiterparlk zwar nicht durchgedrungen, doch ist die Zahl der für sie abgegeben� Stimmen von 595 im Jahre 1883 auf 956(wir zählen hier nur dt unveränderten Stimmzettel, sonst ist der Durchschnitt 1001) stiegen. In Weimar wurde Genosse G i e r tz in den Gemeinderath if wählt ic. K. Man sieht, unsere Genossen liegen nicht auf der Bärenhaut. So; recht, beschauliche Ruhe ziert den Philister, unser Element heißt Kamp- Kampf, und wiederum Kampf! ' Ein musterhafter OrdnnngSzeuge. Aus F r a furt am Main schreibt man uns: Im Jahre 1882 streikten Hierselbst in der Herrschen Schuhfabrik zif' 70 Schuhmacher, weil sie sich die Reduzirung der Arbeitslöhne ni<V gefallen lassen wollten. Polizei und Fabrikant suchten nach den Rädel» führern und fanden solche in zwei Arbeitern, denen im August desselbe' Jahres der Prozeß gemacht wurde, und die auch beide zu je 13 Tagd Gefängniß verurtheilt wurden. Als Hauptbelastungszeug' trat der Mitarbeiter, Ausputzer Georg Lützel aus Rödelheim jetzt in Frankfurt wohnhast, auf. Derselbe führte aus, daß ds beiden Angeklagten diejenigen Arbeiter, die nicht mitstreikten, mit Prä geln bedroht und als Schufte erklärt hätten, daß bnde gefährlich� Sozialdemokraten feien und beim Verlassen der Fabrik d- Rothe Fahne" gesungen haben. Lützel's 15jähriger Sohn bestätigt dieses, und die Verurtheilung erfolgte. Zur selben Zeit wurde n»' dieser brave, gutgesinnte Arbeiter unter dem Verdacht der Nothzucht seiner eigenen Tochter verhaftet, aber wegen nicht genügende' Beweises keineswegs etwa wegen Liebesdienste, die er der Polijs erwiesen hat wieder freigegeben. Doch mit des Geschickes Mächten>' kein ew'ger Bund zu flechten die Tochter, die jetzt IS Jahre zäh» gesteht in einer schwachen Stunde ihrem Liebhaber, der jedenfalls& ihrer Tugendhaftigkeit zweifelte, daß sie seit ihrem zehnte- Lebensjahre bis jetzt von ihrem Vater gemißbraucht wurde. Da' aufhin erfolgte die Anzeige, und nun sitzt derbrave Arbeiter" Hins Schloß und Riegel. Ein in derselben Fabrik beschäftigter Buchhalter, Namens Seifer> wurde kurz nach dem Streik, ebenfalls wegen Roth zu ls (vorgenommen an einigen Fabrikmädchen) eingesperrt, aber nach einigt Tagen, auf Verwendung des Herxn Pfarrer v. Seydewitz, desfl intimster Freund unser frommer Herr v. Hergenhahn ist, wie!» freigelassen. Ob aber im obigen Falle unser Pfäfflein seinenMitkämpfer g die Sozialdemokratie" noch retten kann, möchten wir bezweifeln. Schade ums Thierchen, es denunzirte so schön." Nun wissen wir es doch, warum Bismarck am30. Novemb« die Möglichkeit einer Schließung derReichsbude" weltschmest lich in Aussicht stellte: der Reichshund war krank, und was ist da deutsche Reich ohne seinen wir sollten eigentlich schreiben SEJnen Hund? Eine Sozialreform ohne Holzzölle. DerBerliner Börsen-Courier" schreibt und andere Zeitungen, lid« rale und konservative, drucken ihm diese Mittheilung nach, daß Tyra' der seit längerer Zeit an einem Krebsgeschwür litt(und man gab keip Bülletins aus? Skandalös!), seit dem 30. November die Thierarzn� schule mit seinem hohen Besuch beehrte. Dort mußte sich der durd lauchtigste Hund einer Operation unterziehen.Dieselbe," heißt es,fl sehr gut aus(Gott sei Dank!) und Tyras wurde darauf im Hunt» spital untergebracht, wo er ein etwas komfortableres f mach erhielt als seine Leidensgenosse n." Das möchten wir uns auch ausgebeten haben. Das wäre noch schönt wenn ein so einflußreiches Vieh etwa auf gleichen Fuß mit dem erst» besten hergelaufenen Köter, z. B. einem plebejischen Ziehhund, behandö würde. Die Zeiten der Freiheits- und Gleichheitsduselei sind vorübd Das wäre ein schlechter deutscher Hund, der das nicht begreift. Genug, Tyras ist hergestellt, und der R e i ch s b u d i k e r von seines Weltschmerz geheilt. Stimme Jubellieder an, deutsches Volk, d> verdammten Pollacken aber inag der Teufel holen. tDer,, rothe Becker" von Köln ist gestorben. Wir sif zwar, wie wir schon meyrmals bemerkten, keine Anhänger des v» mißbrauchten: l)s mortui» n!I nisi Kens, wollen es aber in diese' Falle gelten lassen, da der Mann seit einem halben Menschenalter d< politischen Bühne fremd geworden und über die meisten seiner Sund« Gras gewachsen ist. Aber wir dürfen uns wenigstens keine Geschichv fälschung auf unsere Kosten gefallen lassen. Der verstorbene Herr Becker, Oberbürgermeister von Köln , wird 1 den meisten Nekrologen als Redakteur derNeuen Rheinischen Zeitung bezeichnet. Das ist, wie uns Genosse Liebknecht mittheilt, falsch. Becks' schreibt Liebknecht - hat mit der, von Marx,, Engels