Mit diesem Leitmotiv, nach dem es in Deutschland und speziell imRheinland vor und während der 1848er Revolution überhaupt keineArbeiter gab, und das vermuthen läßt, daß London auf dem Mondeliegt, beginnt der zweite Akt der Trilogie.Bei Marx zeigt sich nun die moralische Seite der Schramm'schenKritik in ihrer ganzen Glorie. Darüber im nächsten Artikel. Für heutenur zum Abschied— pour la bonnebouche, wie die Franzosen sagen—«ine Blüthe aus dem reichen Kranze, das Finale des zweiten Aktes:„Erst nachdem(!) L a s s a l l e die gewaltige Bewegung in Fluß gebrachthatte, tauchte Marx aus seiner bisherigen Zurückzezogenheit wieder auf,betheiligte sich durch Artikel am„Sozialdemokrat", gründete die Jnter-nationale Arbeiter-Asioziation und verSfsentlichte sein„Kapital"! Da«Alles wäre ja ohne L a s s a l l e's Thätigkeit schwerlich geschehen."Die einleitenden Schritte zur Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation wurden im S o m me r 1862, gelegentlich des Besuches einerDelegation französischer Arbeiter auf der Londoner Weltausstellungunternommen. Die Leipziger Deputation ging im Spätherbst 1862nach Berlin, das„offene Antwortschreiben" datirt vom 1. März 1866!Marx hat die Internationale nicht„gegründet", wohl aber hat er ihrein Programm gegeben, wohl hat er verhindert, daß sie zu einerVerschwörungspartei im Sinne Mazzini's wurde.Marx's„Zurückgezogenheit" bestand darin, daß er während der Reak-tion der Fünfziger Jahre nicht in Deutschland konspirirte, sondern inEngland arbeitete, theils wiffenschastlich, theils literarisch, da ernicht, wie Laffalle, über eine Rente von 7000 Thalern verfügte. 1859veröffentlichte er seine„Kritik der politischen Oekonomie"; hätte irgend einUmstand den Druck verzögert, so würde auch diese Schrift auf die Liste dererkommen, die wir nach Herrn Schramm Lassalle verdanken. 186» publizirteMarx seine Streitschrift„Herr Vogt". Herr Schramm kennt diese Schrift,aus ihr m u ß t e e r w i s s e n, daß Marx in London trotz seiner wiffenschast-lichen Arbeiten Zeit fand, für die radikale und Arbeiterbewegung thätig zusein, er mußte das Dankschreiben des Chartisten-Komite vomS.Mai 1856 kennen, welches Marx als Anerkennung für sein„großesVerdienst zugeschickt wurde," das er sich durch sein„bewundcrungs-würdiges" Exposö im„People's Paper" über den Fall von Kars„um dieallgemeine Sache erworben, aber alles das hindert den strengen Denkerund gewissenhaften Kritiker nicht, den obigen Satz zusammenzudichten.Immer nur hübsch moralisch.-'WVWV/V'U—Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 27. Januar 1886.— Ueber diePolen-Ausweisungs-Debatte wird uns ausDeutschland geschrieben:Endlich einmal hat der Reichstag sich zu einer That er-mannt! Einer That? Es ist ja blos ein Beschluß.— Nun, unter denobwaltenden Umständen kann auch ein Beschluß eine That sein, wenig-stens ein Ereigniß. Und ein E r e i g n i ß war jedenfalls die zweitägigePolendebatte im deutschen Reichstag und das mit allen Stimmengegen die der Konservativen und ihres nationalliberalen„Schwanzes"angenommene Tadelsvotum gegen die preußische Regierung. Und dadie preußische Regierung identisch ist mit der Reichsregierung, und dabeide sich in der Person des Junkers Otto von Bismarck verkörpern,so ist es dieser, dem das Tadelsvotum wie eine schallende Ohrfeige,als Antwort auf seine Herausforderung vom 1. Dezember, applizirtworden ist.Der lange Zwischenraum zwischen Herausforderung und Ohrfeige— vom 1. Dezember bis zum 15. und 16. Januar, über 6 Wochen—spricht zur Genüge dafür, daß der Reichstag nicht in der Erregung desAugenblicks, nicht mit Uebereilung gehandelt hat. Der deutsche Reichs-tag ist eine der zahmsten parlamentarischen Körperschaften, die es jemalsgegeben hat. Die wunderbare Geduld und Langmuth, welche im Laufevielhundertjähriger Unterdrückung die böse Eigenthümlichkeit des deutschenZweigs der germanischen Raffe geworden sind, haben im deutschenReichstag ihren vollendeten Ausdruck gefunden. So wie Junker Ottovon Bismarck mit dem deutschen Reichstag umgesprungen ist, wagteNapoleon der Kleine nicht mit seiner Bedientenbande, genannt Corpslegislatif, umzuspringen; sie hätten es sich nicht gefallen lassen. Junker Ottovon Bismarck benutzte geflissentlich jede Gelegenheit— und fand erkeine, so machte er sich eine— um den Reichstag zu ärgern, zu kränken,zu beleidigen, zu demüthigen. Welche Absicht er hierbei gehabt hat undFeuilleton.ZHe Mekigion des Kapitals.Originalbericht des„Sozialdemokrat".Die Fortschritte des Sozialismus beunruhigen die besitzenden Klassendiesseits und jenseits des Ozeans immer mehr. Es sind daher vor eini-gen Wochen in London Männer aus allen Weltgegenden zusammen-getreten, um gemeinsam zu berathen, welche Mittel am besten geeignetwären, dem bedrohlichen Umsichgreifen der sozialistischen Ideen zusteuern.Unter den Vertretern der kapitalistischen englischen Bourgeoisie bemerkteman Lord Salisbury, Lord Randolph Churchill, Mr. Chamberlain, denKardinal Manning, Sir Charles Dilke, und Mr. Herbert Spencer. Bis-marck, der durch eine akute Alkoholvergiftung abgehalten war, hatte seinenBusenfreund, den Geheimen Rath Bleichröder, geschickt. Die Großindu-striellen aller Länder, die Vanderbilt, die Gould, die Rothschild, dieSoubeyran, die Krupp, die Dollfus, die Dietz-Monnin, die Schneider, dieHerzog, die Heimendahl waren entweder in Person anwesend oder hattenVertreter geschickt. Noch nie hatte man in einer und derselben Versamm-lung Leute von so verschiedener Nationalität und Gesinnung sich sofreundschaftlich die Hände drücken gesehen. Herr Ernst von Eynern setztesich neben den Bischof Krementz, Gladstone und Hartington gingen Armin Arm mit Parnell auf und ab, Eugen Richter plauderte mit Herrnvon Puttkamer, und Mottle unterhielt sich freundschaftlich mit Deroulödeund Ranc über die Möglichkeit eines Revanchekrieges.Die Sache, die sie zusammengeführt, gebot ihren persönlichen Gefühlenund ihren nationalen Eifersüchteleien Stillschweigen.Der päpstliche Legat ergriff zuerst das Wort:Man regiert die Menschen sowohl durch die brutale als durch diegeistige Macht. Früher war die Religion die magische Kraft, welche dieGemüther der Menschen beherrschte: sie gebot dem Arbeiter, sich nie zuempören, sie lehrte ihm, für den Schatten die Beute preiszugeben, seinirdisches Elend über den Traum von der himmlischen Glückseligkeit zu ver-geffen... Aber der Sozialismus, der böse Geist der Neuzeit, treibt denGlauben aus den Köpfen der Menschen und nistet seine Lehre dafür ein;er kündet an, daß er aus der Erde ein Paradies machen werde, unddaß das Glück nicht auf das Jenseits verschoben werden soll. Mit seinerpestartigen Stimme ruft er dem Lohnarbeiter zu:„Man bestiehlt dich!Auf, mach' zu! Empöre dich!" Er bereitet die einst so gefügigenund unterwürfigen Arbeitermassen auf eine allgemeine Erhebung vor,welche die bevorrechtete Klaffe beseitigen und die Familie ausheben wird,welche den Reichen ihr Eigenthum nehmen wird, um es den Armen zugeben, welche die Kunst und die Religion zerstören und die Nacht derBarbarei über die Erde bringen wird. Wie den Feind aller Zivilisationund allen Fortschritts bekämpfen? Welches sind die Waffen, die gegenden Sozialismus in Anwendung zu bringen? Fürst Bismarck, derSchiedsrichter Europas, der Nebukadnezar, der Dänemark, Oesterreichund Frankreich besiegte, ist von sozialistischen Schustern und Schneidernbesiegt worden, die französische Konservativen haben 1848 und 1871gleich Fleischern Tausende und Abertausende von Sozialisten niederge-metzelt und aus Paris ein großes Schlachthaus gemacht, und das Blutdieser Riesenschlächtereien ist der Thau gewesen, der den Sozialismus inallen Ländern sprießen gemacht. Nach jedem Blutbad wächst der Sozia-lismus kräftiger empor. Das Ungeheuer hat die Probe der brutalenGewalt überstanden. Was thun?hat, ist eigentlich schwer zu begreifen. Sollte für ihn auch der Reichs«tag nur das Feigenblatt des Absolutismus sein, so mußte er grade umdeffentwillen ihm wenigstens Schein-Achtung bezeugen. Napoleonder Kleine war klüger, und je mehr er seine parlamentarische Bedienten-bände verachtete, desto größer» Respekt erwies er ihnen vor der Oeffent-lichkeit.Doch Junker Otto von Bismarck hat preußische Junkermanieren, dienach dem Stall und der Kaserne zu riechen pflegen, und sein Junkerhaßgegen das Volk und die Volksvertretung ist zu groß, um durch Rück-sichten der Klugheit gebändigt zu werden. Und den deutschen Reichstaghaßt er mit doppeltem Haß, weil er in dem Reichstag das Kind erblickt,welches sich gegen den Vater, das Werkzeug, welches sich gegen denMeister auflehnt. Junker Otto von Bismarck hat sich im allgemeinenStimmrecht und in dessen Wirkungen getäuscht. Das allgemeineStimmrecht sollte die Lockspeise sein, die das deutsche Volk in das Netzder Bismarck'schen Junkerpolitik zog, es ist aber vom deutschen Volkernst genommen worden; und der Reichstag, statt blos eine Puppe zusein, hat mitunter Anflüge von Selbständigkeit und könnte sich möglicher-weise zu einer wirklichen Volksvertretung entwickeln. Und das ist demJunker Otto von Bismarck ein unerträglicher Gedanke. Darum seinoffner und geheimer Krieg gegen den Reichstag, darum das systematisch-Bestreben, ihn jeder Machtvollkommenheit zu entkleiden, und in deröffentlichen Meinung herabzusetzen.Nach den letzten allgemeinen Wahlen, welche die Hoffnungen des einerMameluken-Majorität bedürftigen Junkers Otto von Bismarck nicht er-füllten, trieb derselbe es ärger als je. Die Entziehung der Fahrkarten,die Diätenprozeffe— die vielen anderen ebenso kleinlichen und gehässigenMaßregeln und Handlungen ähnlicher Art hatten fämmtlich nur den EinenZweck: Beleidigung und Herabwürdigung des Reichstags. Eine englische,eine französische Volksvertretung, der nur der zehnte Theil dieser Schmachwäre geboten worden, hätte den frechen Urheber dieser sortgesetzten Atten-täte auf die Volksvertretung sehr rasch von der politischen Bühne weg-gejagt. Der deutsche Reichstag leerte lammfromm den Becher der Schmachbis auf die Neige, und verstieg sich höchstens einmal zu einem kleinenAusbruch des Mißvergnügens(wie beim„zweiten Direktor,,), der jedochrasch bereut wurde. Allmälig hat sich nun aber eine Summe von Grollangesammelt, zu groß, um selbst in der deutsch-n Philisterbrust ruhig ver-schloffen werden zu können.Am 1. Dezember vorigen Jahrs warf Junker Otto von Bismarck demReichstag die kaiserliche Botschaft an den Kopf. Hätte in Frankreich,in England ein Minister Solches gethan und der Volksvertretung dasRecht, eine Regierungsmaßregel zu diskutiren, bestritten, er wäre einfachzum Tempel hinausgeworfen worden, und entweder ins Irrenhaus oderaus die Anklagebank gewandert. Der deutsche Reichstag verschlucktefeinen Zorn, und that dem frechen Urheber dieses neuen Attentats aufseine Ehre und sein Recht insofern den Gefallen, als er für den Augenblick auf die Diskussion der fraglichen Maßregel verzichtete. Es kannauch keinem Zweifel unterworfen fein, daß innerhalb der nicht gouver-nementalen Parteien, namentlich im Schooße der Fortschrittspartei unddes Zentrums die Absicht vorhanden war, über die ganze Sache Graswachsen zu lassen und um jeden Preis einem Konflikt auszuweichen.Zum Glück hat die Wählerschaft mehr Ehrgefühl als Viele der Erwähl-ten. Der parlamentarische Staatsstreich des I.Dezember erregte in denweitesten Kreisen eine so lebhafte Entrüstung, die Polen, an deren Unterstützung dem Zentrum sehr viel gelegen sein muß, überhäuften Windthorstmit so bitteren Vorwürfen, daß die„kleine Exzellenz" sich entschließen mußte,die Interpellation aus dem Papierkorb, in den sie bereits befördert war,wieder herauszuholen. Und auch die Fortschrittler konnten nun nichtlänger zurückbleiben.Für den 15. Januar wurde die Debatte über die Polen-Jnierpella-tion und über die auf dieselbe bezüglichen Anträge der Sozialdemokraten,Polen, Fortschrittler und Zentrumsleute auf die Tagesordnung desReichstags gesetzt. Und Jedermann hatte das Gefühl, daß ein Wende-punkt unseres parlamentarischen Lebens eingetreten war. Am Tag, woder Reichstag den Beschluß faßte, die Frage der Polenausweisungen derkaiserlichen Botschaft zum Trotz zu diskutiren, war, unmittelbar vorher,der preußische Landtag mit einer Thronrede eröffnet worden, welche diePolenausweisungen als eine spezifisch preußische Angelegenheit behandelteund— so deutlich als es indirekt geschehen kann— die ganze VerHand-lung der Frage vor den Landtag verwies. Die Thronrede war so-nach gewissermaßen eine zweite Auflage der kaiserlichenBotschaft. Jndeß der Reichstag ließ sich nicht irre machen: derBecher der Schmach war geleert. Dem Reichstag war nur noch übrig,den Becher zu Boden zu schmettern, und dem pommerschen Junker, derihm den Becher aufgezwungen, die verdiente, nur zu lang aufgeschobeneZüchtigung zu ertheilen, und ein kräftiges: Bis hierher und nicht weiter!zuzurufen.Die Gelehrten und Philosophen in der Versammlung, Paul Bert,Ernst Häckel, Herbert Spencer, standen einer nach demandern auf und schlugen vor, den Sozialismus durch die Wissenschastzu bändigen.Seine Eminenz Herr Krementz, Erzbischof von Köln, zuckte dieAchseln:Aber Eure verfluchte Wissenschast liefert ja den Sozialisten ihre schnei-digsten Argumente!Sie kennen, die Naturphilosophie, die wir lehren, nicht, erwiderteHerbert Spencer. Unsere wissenschaftliche Entwicklungstheorie be-weist, daß die niedrigere soziale Stellung der Arbeiter in den unver-änderlichen Gesetzen der Natur begründet ist, und daß die Bevorrechtetender höheren Klassen sich fortgesetzt vervollkommnen und schließlich eineneue Raffe bilden werden. Die Menschen dieser Rasse werden in nichtsjenen Bestien in Menschengestalt der niedrigeren Raffe gleichen, welchenur mit der Peitsch- in der Hand zu regieren sind...*)Möge Gott verhüten, daß Ihre Entwicklungstheorien jemals in derArbeiterklasse bekannt werden; sie würden sie in Wuth versetzen,-sie zurVerzweiflung, diesem Anstifter aller Volksaufstände, treiben— unterbrachihn der Protestantenvereinler B a u m g a r t e n. Sie sind in der Thatsehr naiv, wenn Sie sich einbilden, daß man Ihre enttäuschende Wissenschaftdem Sozialismus entgegensetzen kann, der den Arbeitern die Gleichheitder Güter und die volle geistige und körperliche Entwicklung aller Men-schen verspricht. Wenn wir privilegirte Klaffe bleiben und fortfahrenwollen, auf Kosten der Arbeiter zu leben, dann müssen wir die Einbil-dungskraft befriedigen und, während wir das Menschenvieh scheeren,seinen Geist durch bezaubernde Märchen und Luftspiegelungen unterhalten.Die christliche Religion erfüllte diese Aufgabe wunderbar. Sie aber,meine Herren Freidenker, haben sie ihres Glanzes entkleidet.Sie haben Recht, wenn Sie eingestehen, daß Ihre Religion in Miß-kredit gerathen, warf ihm Paul Bert brutal entgegen, sie verliertjeden Tag an Boden. Und wenn wir Freidenker, die Ihr ohne alleUeberlegung angreift, Euch nicht unter der Hand unterstützten, obwohlwir den Dummen zu Liebe uns die Miene geben, als bekämpften wirEuch, wenn wir nicht die Kultusbudgets bewilligten, so würdet Ihr undalle Priester, Pastoren und Rabbiner die heilige Bude schließen und vorHunger krepiren müssen. Man entziehe den Priestern ihre Bezahlungund die Religion ist futsch.... Ihr beklagt Euch, daß wir nicht in dieMesse gehen, aber den Teufel auch, warum hat man uns eine so lächer-lich blöoe Religion fabrizirt! Mit dem besten Willen von der Welt kannich nicht bekennen, daß ich daran glaube, daß eine Taube eine Jungfraubefruchtet habe, und daß aus diesem, wider alle Moral und Natur-geschichte verstoßenden Akt ein Osterlamm hervorgegangen sein soll, das einbeschnittener Jude wurde.Ihre Religion steht nicht einmal mit den Regeln der Grammatik imEinklang, setzte Herr M e n ar d- D o r i a n, der sich auf seine Sprach-reinigung etwas zu Gute thui, hinzu. Ein einziger Gott in drei Per-») Wir bedauern, daß der beschränkte Raum es uns unmöglich macht,die bedeutenden Reden wörtlich wiederzugeben, die auf diesem Kongreßgehalten wurden, an welchem die Spitzen der Wissenschaft, der Philo-sophie, der Religion, der Politik, der Finanz, der Industrie und desHandels theilnahmen.— Wir verweisen den der englischen Sprachemächtigen Leser auf den von Herrn Spencer im Aprilheft 1884 der„Contemporary Review" veröffentlichten Artikel:„Tbs oomingslavery"(Die herannahende Sklaverei), der alle Sozialisten empörte,und in welchem der Philister von Philosoph Zellengesängniß und Peitschefür die Regierung der niederen Klasse empfahl.Das ist geschehen. Es hätte besser geschehen können, der sozialdemo-kratische Antrag, welcher die kaiserliche Botschaft abfertigte und, außereinem positiven Tadelsvotum, die Aufforderung enthielt, die Aus-weisungsmaßregel rückgängig zumachen, war unter den vier vorliegendenAnträgen der einzige, welcher der Lage vollständig entsprach. Der An-trag Windthorst, welcher angenommen wurde, drückt nur eineUeberzeugung aus, und enthält auch keine prinzipielle Ver-urtheilung der Masienausweisungen. Immerhin ist es eine That, zuwelcher der Reichstag sich endlich aufgerafft hat— dem getretenen Wurmgleich, der seinen Peiniger sticht. Und was auch immer die Form derResolution sei— thatsächlich ist es ein Tadelsvotum, undthatsächlich trifft dieses Tadelsvotum den Fürsten Bismarck. Esist das erste Mal, daß der Reichstag in einer großen, hochpolitischenFrage sich gegen den Reichskanzler gestellt hat; es ist das erst- Mal,daß der deutsche Reichstag die Politik des Reichskanzlers durch einenfeierlichen Beschluß verurtheilt hat. Und wie verurtheilt! Als dieInteressen und die Ehre Deutschlands verletzend; als barbarisch; alseine Schande für das deutsche Kulturvolk!!Auf die Debatte selbst wollen wir nicht eingehen; erwähnt sei nur,daß unsere Partei und unser Standpunkt durch die Genossen Lieb-knecht und Singer vertreten wurde; und daß die Vertheidiger derAusweisungen, die Hammerstein. Rheinbaben, Helldorf,nebst nationalliberalem„Schwanz", sich die erdenklichste Mühe gaben,die Mameluken des zweiten französischen Kaiserreichs zu kopiren.Ueber die Folgen des Votums vom 16. dies in nächster Nummer.—„Einen Nutzen wenigstens hat das Sozialisten-gesetz gehabt,"— pflegen gewisse Freunde desselben, in die Engegetrieben, zu sagen—„wenn es auch im Allgemeinen der sozialdemo-kratischen Partei nicht geschadet, ja in den Städten ihr vielleicht positivförderlich gewesen ist: die Verbreitung der Sozialdemokratie auf demLande hat es wenigstens verhindert."Es thut uns leid, einen schönen Wahn zerstören zu müssen, allein einWahn ist es, wenn auch möglicherweise kein schöner. Richtig ist, daßwir nach Inkrafttreten des Sozialistengesetzes, gleich einer von Ueber-macht angegriffenen Armee, uns momentan zusammenziehen und auf dieHauptpunkte beschränken mußten. Und richtig ist ferner, daß in solchenKreisen, wo die Genossen nicht in größeren Städten zusammenwohnen,also namentlich in ländlichen Kreisen, eine momentane Lockerung deSParteilebens, verbunden mit einer nicht zu leugnenden Entmuthigung,eintrat. Das war notorisch im 19. sächsischen Wahlkreis(Schneeberg-Stollberg) der Fall, der nur in der ersten Wahl unter der Herrschaftdes Sozialistengesetzes verloren ging, weil ein großer Theil der Genossenvon der Wahlurne fern blieb. Aber das war doch nur ganz vorüber-gehend. Bei der nächstsolgenden Wahl(1884) hatte die Zahl d-r sozia-listisch Wählenden schon wieder so ziemlich die frühere Höhe erreicht,und die bevorstehende Neuwahl wird zweifellos den Beweis liesern, daßwir wieder den alten Stand vollständig erreicht haben und auch an derWahlurne die Majorität besitzen, welche wir in Wirklichkeit unzweifel-Haft haben. Hier und da mag es allerdings Kreise geben, in welchenes schwer sein wird, die bei irgend einer früheren Wahl(vor dem Sozia-listengesetz) erlangte Stimmenzahl wieder zu erreichen, allein das ist ent-weder auf rein zufällige und lokale Ursachen zurückzuführen, oder eserklärt sich daraus, daß wir für unsere Agitationsarbeit fruchtbarereFelder gefunden haben. Jedenfalls ist die Hoffnung der Gegner, unswenigstens auf dem Land durch das Sozialistengesetz einen Damm ent-gegengesetzt zu haben, durchaus hinfällig; und die künftigen Wahlenwerden den Beweis liesern, daß die allgemeinen Fortschritte, welche un-sere Partei laut der amtlichen Wahlstatistik auch seit 1878 gemacht, sichaus die ländlichen Bezirke nicht minder erstrecken als auf die Städte.— Die Roth läge der Landwirt hschaft, dieses stehendeThema auf allen Versammlungen, in allen Zeitungen und in allen Redender Krautjunkerpartei, Agrarier genannt, hat durch die neuesten Ver-öffentlichungen der preußischen Domänenverwaltung einedrastische Illustration gefunden. Danach haben im abgelaufenen Ge-schäftsjahr im Ganzen 43 Neuverpachtungen von Domänen-Vorwerken, von denen das kleinste einen Flächeninhalt von 85 Hek-taren, das größte von 1606 Hektaren hat, stattgefunden, und es ist bei2 5 Verpachtungen eine höhere Pacht als bisher, nur bei 18eine niedrigere— bei vier Verpachtungen unter Mk. 36— Pacht erzieltworden. Im Ganzen haben die Neuverpachtungen einen Jahresertragvon Mk. 847,387.75 gegen den bisherigen Betrag von Mk. 646,927.08ergeben, und ist zu beachten, daß dieses Plus von Mk. 200,000trotz einer Verringerung der verpachteten Fläche um183 Hektaren erzielt worden ist. Im Durchschnitt hat sich bei den Neu-Verpachtungen der Pachtschilling für ein Hektar auf Mk. 45.33 gestelltsonen ist zu beständigen Barbarismen verurtheilt, wie: Ich denken, ichschneuzen uns, ich wischen uns...Meine Herren, wir sind nicht hier, um unsere Glaubensartikel zudiskutiren, lenkte mit sanftem Vorwurf der Kardinal Manning ein,sondern um uns mit der sozialen Gefahr zu beschäftigen. Sie können,Voltaire und Andere wiederholend, die Religion verspotten, aber Sieschaffen damit die Thatsache nicht aus der Welt, daß sie der bestemoralische Zügel ist wider die Begehrlichkeiten und Leidenschaften derniederen Klaffen.Der Mensch ist ein religiöses Thier, begann mit sentenzenhaster Ge-meflenheit P. Lafitte, der Papst des Positivismus. Die ReligionAuguste Comte's enthält weder Taube noch Lamm, aber obwohl unserGott weder Haare noch Federn hat, ist er doch ein positiver Gott.Ach, gehen Sie mir weg, fuhr ihn Virchow an. Ihr Humanttäts-Gott ist noch weniger reell als der blonde Jesus. Die Religionen unse-res Jahrhunderts sind eine soziale Gesahr. Fragen Sie Herrn v. Giers,der Ihnen lächelnd zuhört, ob die neugebildeten Sekten in Rußland wiein den Vereinigte» Staaten nicht mit Sozialismus und Kommunismusinfizirt sind? Ich anerkenne die Nothwendigkeit einer Religion, geradeweil ich Materialift bin; ich gebe auch zu, daß das Christenthum, dasnoch famose Dienste bei den Buschmännern und Papuas thut, für Europaetwas altmodisch ist. Aber wenn wir eine Religion haben müssen, sonehmen wir uns in Acht, daß sie kein Plagiat des Katholizismus ist unddaß sie nichts vom Sozialismus an sich hat.Warum, unterbrach ihn Herr Em. Rittershaus aus Barmenglücklich, auch ein Wort an den Mann bringen zu können, warum nichtdie theologischen Tugendideale durch die liberalen Jdealbegriffe ersetzen?Statt Glaube, Hoffnung, Liebe setze man Freiheit, Gleichheit, Brüder-lichkeit. Man könnte noch eine vierte hinzusetzen: Vaterland.Diese Jdealbegriffe sind in der That die herrlichst« Entdeckung unsererZeit, nahm jetzt Herr v. Giers das Wort. Sie haben in England,in Frankreich, in Amerika, mit einem Wort, überall, wo man sie an-wandt«, um die Massen zu leiten, vortreffliche Dienste gethan; wir werdenuns ihrer eines Tages auch in Rußland bedienen. Sie, meine HerrenWesteuropäer, haben uns die Kunst gelehrt, die Massen im Namen derFreiheit zu unterdrücken, im Namen der Gleichheit auszubeuten und imNamen der Brüderlichkeit niederzukartätschen— Sie sind große Meister.Aber diese theologiegemäßen Ideale genügen allein noch nicht, um eineneue Religion zu bilden. Es bleibt noch der höchste Gott zu suchen.Die einzige Religion, die den Bedürfnissen der Jetztzeit entspricht, istdie Religion des Kapitals— erklärte mit Nachdruck der berühmteStatistcker G i f f e n. Das Kapital ist der wirkliche allmächtige Gott,der sich in jeder Gestalt offenbart: es ist glänzendes Gold und stinkender Guano, Hammelherden und Kaffeeladungen, Lager heiligerSchriften und Ballots pornographischer Bilder, gigantische Maschinenaus härtestem Stahl und elegante Päckchen„Gummi- Artikel". DasKapital ist der Gott, den alle Welt kennt, sieht, fühlt, riecht, schmeckt:er existirt für alle unsere Sinne. Er ist der einzige Gott, der noch aufkeinen Atheisten gestoßen. Der Prediger Salomo betete ihn an, als allesihm eitel erschien, Schopenhauer entdeckte berauschende Reize an ihm,als alles ihm Enttäuschung war und Eduard von Hartmann, der unbewußtePhilosoph, ist ihm gegenüber zum bewußten Schriftgläubigen geworden.Bleichröder, Gould, Baring, Hope, Rothschild, Worms, alle beschntt-tenen Christen und unbeschnittenen Juden der goldenen Internationaleklatschten m die Hände und riefen:Giffen hat Recht, das Kapital ist Gott, der einzige, lebendigeGott!(Schluß folgt.)