bet Nähe befindlichen Straße aus mit Kükelhahn in dem fraglichen Zimmer packen sehen, was, wie der Untersuchnngsrichter fest- Pellte, gar nicht angehen konnte, 14 Tage im Gesängniß sitzen ueß und mit anklagt«. Gegen Engel Anklage zu erheben, der in dem Prozeß wegen der Versammlung bei Anwesenheit Frohme's erwiesener- maßen einen Meineid geleistet und bezüglich Paßburg's die Un- Wahrheit ausgesagt, was wissentlich falscher Anschuldigung gleich- tommt, fällt natürlich der Staatsanwaltschaft gar nicht ein; in Fällen wie dieser scheint ihr jedes Verbrechen erwünscht zu sein." Aber das schönste von Allem kommt noch. Während für Verbreitung � �rbotener Schriften aus Grund des Sozialistengesetzes das Maximum • r"mate beträgt, beantragte der Staatsanwalt gegen Kükelhahn m cht weniger als K Jahre Gesängniß, weil sich derselbe des gedach. ten Vergehens in 26 Fällen(!) schuldig gemacht habe I Und dieser un- Rotten Auslegung des Gesetzes schloß sich der ehrenwerthe Gerichtshof »?, auch an und verurtheilte unfern Genossen zu «/, Jahren Gefänguisi. P a ß b u r g, der der„wiederHollen" Bei- tzulse angeklagt war, erhielt 5 Monate, und L i p p o l d 3 Monate Ge- lüngniß. Die Entrüstung in Arbeiterkreisen über diese skandalösen Ur- on allgemein." b-'f �en für einen derartigen Rechtsspruch nur das eine Wort: tufirsch. Russische Justiz muß natürlich auch russische Zustände erzeu- »en, und darauf geht ja das ganze Streben unseres großen Staats- Mannes und seiner liebedienerischen Subjekte. Aus ihr Haupt die Kon- Pguenzen. .— Gehetztes Wild . Es sind uns von einem deutschen Arbeiter mne Anzahl Papiere zur Verfügung gestellt worden, die ein schlagendes --'cht werfen auf die Gemeinheit und Rücksichtslosigkeit ---deutschen Behörden gegenüber einem Proletarier, gegen den absolut nichts vorliegt, als der Vorwurf einer den Polizeiseelen nicht genehmen »Überzeugung. Seit nahezu Jahresfrist bemüht sich der Betreffende, der «rberter Oswald Röhnifch aus Rauscha , Kreis Görlitz in - ub° n, vergeblich uui einen Heimatschein, dessen er bedarf, um sich Ai. ��n>e>z, wo er Arbeit hat, aufhalten zu können. Eine Behörde nach der andern weist sein Gesuch ab, sämmtlich ohne Angabe 'nies Grundes, obwohl Röhnisch seiner Militärverpflichtung nach- gerommen und, wie gesagt, nichts Strasgesetzliches gegen ihn vorliegt. Weder von seiner Heimatsbehörde, noch von der Regierung zu Liegnitz , n°ch vom Polizeipräsidium in B e r l i n— wo er sich zuletzt aufhielt— "Melt Röhnisch die verlangten Papiere oder wenigstens Bescheid.„Ich Muß es ablehnen, Ihnen den gewünschten Heimatschein zu ertheilen"— antwortet unterm S. Februar d. I. lakonisch Herr von Richthofen, der Neugebackene Polizeipräsident von Berlin . Bis jetzt hat sich Röhnisch wenigstens durch interimistische Legitima- "»nen des deutschen Konsulats in Zürich Helsen können; nun aber die letzte Frist um ist, ist er vollständig rathlos, was zu thun, jeden Augen- blick gewärtig, aufs Pflaster zu fliegen, weil es den deutschen Behörden Nicht paßt, ihm auch nur Bescheid zu ertheilen, woran er ist. Wir begnügen uns für heute damit, diese infame Handlungsweise, die an die verrotteten Polizeizustände von 1848 erinnert, zu kennzeichnen. vielleicht öffnet dieser Rüffel den vornehmen Herren den Mund. Die Geschichte macht sich. In Sachen der famosen Diäten- Hrozeffe hat das OberlandeSgericht in N a u m b u r g in der zweiten Instanz beschlossen, Beweis darüber erheben zu lassen, ob der Beklagte — der Freisinnige Lerche— thatsächlich Parteidiäten empfangen habe. 3n diesem Beschluß steht der Vertheidiger des Lerche, Rechtsanwalt T o l k i e m i t t— der auch die Genossen Hasenclever unv Heine in der zweiten Instanz vertritt— bereits eine indirekte Anerkennung des Kon- «iskationsrechts des preußischen Fiskus. Diese juristische Ungeheuerlich- "it veranlaßt ihn, in der„Nation" die Frage noch einmal zu erörtern, worauf er zum Schluß zu folgender elegischen Betrachtung kommt: .»Daß hier die richterliche Findigkeit auf einen vorläufig im Dunkeln liegenden Ausweg gekommen ist: das ist das Neue in dem bisherigen Verlauf der Diätenprozeffe. Und weil böser Wille ausge- schloffen ist, so fürchten wir, daß wieder einmal der Zug der Zeit sich in charakteristischer Weise bethätigt hat. Die Richter sind Menschen wie mir Alle, klug oder dumm, stark oder schwach. Auch auf sie und ihre Usberzeugun., haben wie sonst überall die bewegenden Faktoren des öffentlichen Lebens offenbaren Einfluß. Erinnern wir uns der Straf- sMozesse Twest en-Frenz-l, der Prozesse wegen der Stellverlretungskosten in der Konfliktszeit! Denken wir an die Behandlung der Majestäts- beleidigungen im Jahre 187 8. Betrachten wir, um etwas nur indirekt Politisches zu erwähnen, die Entwickelung, welche die Recht- sprechung wegen Körperverletzungen der Arbeiter im Betriebe genommen b°t, die schließlich die Gleichheit von Arbeitgeber und Arbeiter vor dem Gesetz materiell aufhob! Ueberall da wer- den wir kein vorsätzliches Beugen des Rechts, wohl aber ein unwillkür- »iches Nachgeben der Ueberzeugung gegen Einflüsse statuiren dürfen, ' welche außerhalb der Sache und des Rechts liegen, mögen es die p o- i> t i s ch e n A n s i ch t e n, die vermeintliche Opportunität, die übertriebene Hochachtung vor einer illustren in die Sache verflochtenen Persönlichkeit, instinktive Furcht oder Begehrlichkeit oder was sonst sein. Unsere Zeit ist zu solcher Deklaration der Ueber- Zeugung wohl vorbereitet. Das starre Feststehen auf dem strikten Recht und der eigenen Meinung ist nicht mehr zeitgemäß, seitdem Ver- letzungen von Recht und Humanität aus Staatsraison sich zur Tugend ausbilden. Was Wunder, wenn sich diese Zeitstimmung auch in der Rechtsprechung sühlbar macht! Wollten Manche dasür das Urtheil des Reichsgerichts im Chemnitzer Sozialistenprozeß als ein erstes Symptom ansehen: so fürchten wir, die Entscheidungen der höheren Instanzen in den Diätenprozesfen werden dazu mehr Beispiele liesern. Niemals aber wird der großen Masse klar werden, daß der preußische Fiskus auf diese Gelder einen rechtlichen Anspruch hat." Der Schluß stimmt, und auch von dem Vorhergehenden ist Vieles sihr richtig. Was aber den Satz betrifft, wo von„keinem vorsätzlichen Beugen des Rechts" die Rede ist, so erlauben wir uns da doch ein be- scheidenes: Na! Na! Richter, die sich zu Werkzeugen eines Aktes noto - nscher politischer Rachsucht hergeben, wissen, was sie thun. Wenn die Naumburger Herren aus Bismarcks Befehl Ordre pariren, dann ver- dienen sie ihren Orden, oder es gibt keine Gerechtigkeit mehr. Ehre, dem Ehre gebührt. — Man schreibt uns: Auf Grund des„gemeingefährlichen" Gesetzes zur Verrichtung des bürgerlichen Rechts fanden im Laufe letzter «-oche m S ch w e tz einige Haussuchungen nach Schriften statt. Eine Denun- ziantenseele, des Namens D r a v e r t, Schuhmacher in Bromberg, kol- portirte das Gerücht— jedenfalls bis an die Ohren des Staatsanwalts — daß unser Genosse Z a r b o ck in Bromberg den„Sozialdemokrat" ver- breite, und ihn auch an verschiedene Genossen in Schwetz spedire. Die nächste Folge war die, daß einige derselben den Besuch des Untersuchungs- richters empfingen, der den Inhalt aller ihrer Kästen und Kisten einer umgehenden Analyse unterzog, ohne darin etwelches Futter für die leeren Magen sozialistenfresserischer Staatsretter vorzufinden. Das ganze Ergebniß der Requisition bestand in einer Nummer deS Parteiorgans und einem„Offenen Antwortschreibe n". Um dem verunglückten Raubzuge ein möglichst imposantes Finale zu geben, wurde Genosse B o g s am andern Tage auf das Gericht beschieden und von ihm Zeugniß gegen den Schuhmacher Zarbock verlangt. Er kam dem Verlangen nach, so gut es bei dem Mangel jeder thatsächlichen Un- .b'e Anschuldigung möglich ist, d. h. der Erfolg war Null. Die Verlängerung des Gesetzes steht jetzt grade im Parlament zur Diskussion. Voraussichtlich wird die Majorität den oft abgeblitzten Schnüfflern und Oberschnüfflern die traurige Pflicht auferlegen, noch ferner zu schnüffeln und— abzublitzen. — Der Antrag der Sozialdemokraten auf Schutz der Wahl- freiheit ist nun emgebracht. Er enthält die Forderung der Wahlzettel- Umschläge, die Forderung der Wahl am Sonntag und eine Reihe son- stiger Bestimmungen zum Schutz des Wahlgeheimniffes und der Wahl- Neiheit. Natürlich wird die Mehrheit des Reichstags sich sehr wohl hüten, den Antrag anzunehmen, und ebenso wenig denkt die Regierung an Einführung eines solchen Gesetzes. Alle Parteien der Herr- Ichenden Klassen haben ein gemeinsame? Interesse, die jetzige laxe Praxis zu erhalten. Die Klassenherrschaft würde durch absolute Wahl- freiheit ein gefährliches Loch bekommen, und schließlich durch sie vernichtet werden. Deshalb spielt sie, in richtiger Selbsterkenntniß, lieber das! Prävenire und vernichtet die Wahlfreiheit. Wohlgemerkt'
der Sache nach, nicht dem Wort nach. In unserer Zeit der poli- tischen Heuchelei kann man das Prinzip der Wahlsreiheit anständiger- weis« nicht ableugnen— man erkennt es also prinzipiell an, wie das die dentfche Reichsverfassung thut, hebt dann aber in der Praxis die Wahlfreihett auf. Mit den Mängeln unseres deutschen Wahlgesetzes und Wahlverfahrens hatten wir uns so oft zu beschäftigen, daß wir jetzt nicht in Einzelheiten gehen wollen. Genug: durch die laxen Bestim- münzen über die Qualität und die Abgabe der Stimmzettel ist die Mög- lichkeit geboten, das Wahlgeheimniß zu vernichten, und haben s ä m m t l i ch e Parteien der besitzenden Klassen: Konservative, Ratio- nalliberale, Fortschrittler, Zentrum es in der Gewalt, die Wahl zu einer ebenso öffentlichen zu machen, als wenn das Reichswahlgesetz die öffentliche Stimmabgabe verlangte. Mit S t r a f p a r a g r a p h e n, wie das der R i n t e l n'sche Antrag gegen die WahlbeeinflussungeN durch Arbeitgeber will, läßt sich da nichts ausrichten, weil nur in den seltensten Fällen, und nur in solchen, wo mit besonderer Plumpheit gehandelt worden, ein gerichtliches Vor- gehen Aussicht aus Erfolg hätte. Womit übrigens nicht gesagt sein soll, daß wir einer kriminellen Bestrafung abgeneigt seien. Im Gegentheil. Hier, wie in anderen Fragen, liegt das Heilmittel nicht in der R e- pression, sondern in der Prävention � im Verhüten und Vorbeugen, statt im Bestrafen. Die Möglichkeit der Wahl- beeinfluffungen unerlaubter Art muß abgeschnitten werden. Wir sagen Wahlbeemflussungen unerlaubter Art, weil es ja auch erlaubte Wahlbeeinflussungen gibt. Ist doch die ganze Wahlagitation und Wahl- Propaganda: Wahl beeinflussung. Die Wahlbeeinflussung durch Mittel der Ueberzeugung und Neberredung ist nicht blas erlaubt, sie ist Pflicht. Genug— der sozialdemokratische Antrag auf Schutz der Wahlsreiheit ist nun eingebracht, und wird wohl schon in einigen Wochen zur Diskussion gelangen, da die vorher eingebrachten Initiativanträge mit wenigen Ausnahmen bereits erledigt sind. Ueber den Antrag Rintelen ward am 13. d. verhandelt. Den Stand- punkt der Sozialdemokratie vertrat dabei G. V o l l m a r, welcher na- mentlich auch Gelegenheit nahm, dem Zentrum tüchtig ins Gewissen zu reden, und ihm die jüngsten Münchener Kammervorkommnisse, veran- laßt durch den Wahlsieg Vollmars in München , unter die Nase zu reiben. Die Herren Ultramontanen, die sonst so tapfer für„Freiheit und Recht" eintreten, erklärten sich dort bekanntlich für die M a ß r e g e l u n g eines jeden Beamten, der dem sozialdemokratischen Kandidaten seine Stimme gegeben habe. Mittwoch den 17. d. stand der sozialdemokratische Diätenantrag auf der Tagesordnung. Er wurde von Hase«clever begründet, der mit den Fortschrittlern scharf ins Gericht ging, weil sie aus bornir- ten Opportunitätsrücksichten und aus Angst vor den Diätenprozessen ihren Diätenantrag diesmal nicht eingebracht haben. Der Fortschrittler Meyer(Biermeier) hielt eine recht ungeschickte Verlegenheitsrede zur Entschuldigung seiner Fraktionskollegen. Er hätte besser geschwiegen. Der Antrag wurde übrigens mit allen gegen die Stimmen der Konser- vativen und Nationalliberalen angenommen. Montag den 8. Februar gelang es den Sozialdemokraten(vertreten durch Kays er), zu bewirken, daß das Gesetz auf Garantie des egyp- tischen Anlehens vor eine Kommission verwiesen wurde. Ohne das Eingreifen der Sozialdemokraten und insbesondere Kayser's hätte der Reichstag ohne alle und jede Debatte dem deutschen Volk die umfassendsten Geldverbindlichkeiten(bis zum Betrag von 160 Millionen Mark) aufgehalst. Nun hat freilich in dieser Sache die deutsch - Regie- rung Hand in Hand mit der englischen und französischen gehandelt, welche die Mitgarantie übernommen haben, indeß einer gründlichen Prü- fung durch den Reichstag bedarf es doch unter allen Umständen. — Am letzten Sonntag fand in London wiederum ein großes, von den Sozialisten einberufenes Meeting statt. Mehr als 20,000 Menschen hatten sich- im Hyde-Park eingesunden, wo Hyndmann, Burns, Williams ic. Ansprachen an die Menge hielten und eine Resolution angenommen wurde, welche die Regierung tadelte, daß sie dem Nothstand gegenüber in Unthätigkeit bleibe, u. A. Einführung des achtstündigen Arbeitstages verlangt und mit dem Hinweis auf die Nothwendigkeit der Aenderung des heutigen kapitalistischen Aus- beutungssystem schließt. Irgend welche nennenswerthe Zwischenfälle kamen nicht vor. So schreiben wenigstens die Londoner Zeicungen— die Kapitalistenblätter „Standard" und„Times" einbegriffen. Die deutsche Ordnungs« presse weih natürlich wieder von allerhand Schauerdingen zu berichten. Wozu hätten wir sonst das Wolff'sche Telegraphenbureau und ein Ge- sandtschaftshotel in London l — Der Deutsche Arbeiterverein Genf erklärt seine Zustimmung zu der in Zürich gefaßten und im„Sozialdemokrat" veröffentlichten Resolution, die Polenausweisungen betreffend.
Korrespondenzen.
Hamburg-Altona , Anfangs Februar. Zu Anfang des neuen Jahres glauben wir auch einmal einen kleinen Raum dieses Blattes in Anspruch nehmen zu sollen, um darin die besonderen Vorkommnisse, die sich im vorigen Jahre sowie auch in diesem Jahre hierorts abspielten, und die größtentheilS den Genossen in- und außerhalb Deutschlands unbekannt geblieben sind, zu veröffentlichen, und um gleichzeitig darzuthun, wie sich der Gang der hiesigen Arbeiterbewegung überhaupt gestaltet. Zunächst wollen wir konstatiren, daß als wir zu Anfang des vorigen Jahres mit zufriedener Miene aus unsere Wahlstege blicken konnten, die wir trotz vieler Hemm- und Hindernisse seitens Privater und der Bs- Hörden erfochten hatten, und noch als geschlossene Armee in Reihe und Glied dastanden, wir uns nicht etwa sagten: Das alte Jahr war voller Anstrengungen und Mühen, jetzt wollen wir so lange ruhen, bis wieder eine Wahlschlacht zu schlagen ist— nein, wir sagten uns: Der Wahl- kämpf ist nur ein besonderer Akt in dem großen Emanzipatiionskampfe des Proletariats; in diesem Kampfegibtes kein Ausruhen, schon darum nicht, weil das Erwerbsleben, dieExistenz des Volkes, speziell des Arbeiterstandes, den unaufhörlichen Kampf bedingen. Und so waren wir auch stillschweigend entschlossen, nicht nur günstige G-l-g-nheit-n zu benutzen, um vortheilhafte Koups auszu- führen, sondern als eine gut organistrte Revolutionsarmee fortwährend für unsere Idee zu wirken.-j/jSS Der engere Zusammenhalt der Genossen von Hamburg-Altona und Umgegend, einem Gebiet, das sechs Wahlkreise in sich faßt, besteht seit drei Jahren und bastrt vollständig auf demokratischer Unterlage, wie unsere„Hochlöbliche", die ja den Stoff zur Denkschrift über die Ver- längerung des Belagerungszustandes geliefert, es uns bezeugt hat. Ohne formelle Organisation bilden wir einerseits die Genossen zu tüchtigen Förderern unsrer Sache aus und verrichten die Arbeiten, welche die Agitation erheischt, anderntheis bringen wir die Mittel zusammen, um Agitattonsmaterial in Menge beschaffen zu können, und um die Opfer des Sozalistengesetzes und die des Kampfes um die Befreiung der Ar- better von jeglicher Knechtschaft überhaupt zu entschädigen, so gut es geht. In beider Hinsicht ist hier Großes geleistet worden. Außerdem nahmen wir lebhasten Antheil an den Vorgängen, die sich in Deutschland und über seine Grenzen hinaus in der Arbeiterbewegung abspielten. Namentlich aber war es der Reichstag, auf den wir gleich zu Anfang unser Augenmerk richteten, da unsere Fraktion Gelegenheit nahm, sich für eine Gesetzesvorlage der Regierung, die Dampfer- subvention, zu intereffiren, die nach der Ansicht Vieler verdiente, einfach ignorirt zu werden, weil weder die verheißenen Vortheile, noch die eventuellen Nachtheile von Bedeutung seien, nicht aber, wie es unsere Genossen im Reichstag dem Anscheine nach auffaßten, bei Annahme oder Ablehnung dieser Borlage der Ruin oder das Wohlergehen deS Volkes in Frage stehe. Unsere hier gewählten Genossen, die gegenthei- lige Ansichten hatten, wurden zur Rechenschaft gezogen, nachdem die Sache bereits im Reichstag erledigt war, in der Partei selbst aber noch der Gegenstand der Diskussion bildete und zu recht unliebsamen Erörte» rungen Anlaß gab. In großen, im Freien abgehaltenen Zusammen- künften legten sie die Mottve, von welchen sie geleitet wurden, klar, und
zollten die hiesigen Genossen jedem derselben Anerkennung, da ihr Han» dein ersichtlich von der besten Absicht diktirt war. Im Weiteren hielten die Genossen im vorigen Sommer bis spät in den Herbst hinein noch mehrere große Besprechungen ab, in welchen uns neben unseren Reichstazsabgeordneten die Genossen Hasenclever, Lieb- knecht und Pfannkuch Bericht über die Thätigkeit der Fraktion erstatteten. Alle diese Zusammenkünfte verliefen bis auf eine ruhig und ohne ge- stört zu werden. In dieser sprach Frohme und war grade mit seinem Referat zu Ende, als die Altonaer Polizei auf der Bildfläche erschien und die Selbstauflösung der„Versammlung" bewirkte. Die darauf an- gestrengte Klage gegen mehrere vermeintliche Betheiligte endigte mit deren Freisprechung— zum großen Aerger für den Polizeikommissar Engel, der sich bemüht hatte, durch falsches Zeugniß die Verurtheilung der Angeklagten herbeizuführen. Seinen Verdruß zeigte er in echt bru- taler Weise dadurch, daß er gleich nach der Verhandlung dem Genossen Denk die Ausweisung in die Hand drückte, worauf dieser jedoch pfiff; er hatte es schon vorausgesehen. Der im Reichstag von unserer Fraktion eingebrachte Arbeiter- schutzgesetzentwurf fand hier volle Würdigung dadurch, daß wir für die Verwirklichung desselben in großer Zahl petitionirten und auch die Bevölkerung in der Umgegend veranlaßten, dasselbe zu thun. Ebenso verbreiteten wir in der Umgegend in Masse eine von Hasenclever ge- schriebene Broschüre, betitelt:„Was will die Sozialdemokratie?" und in über 100,000 Exemplaren Hierselbst die Rede Bebels, gehalten im Reichs- tag zu dem Antrag betreffend die Verlängerung der Legislaturperioden des Reichstages. Beides wird bestimmt seine Wirkung nicht verfehlen. Daß wir 2000 Franken für die französischen Brüder zur Wahl her- gaben, womit wir bekundeten, daß wir uns des internationalen Charak- ters der Arbeiterbewegung bewußt sind, wollen wir nur beiläufig be- merken. Aber unsere Polizei, ließ sie uns ruhig gewähren? In Hamburg hatte es im vorigen Jahre den Anschein, weil nur wenige Haussuchun- gen, Verhaftungen und Ausweisungen stattsanden. Anders war es in Altona . Dort war die Polizei stets in fieberhafter Thätigkeit, um uns verhaßten„Staatsoerbrecher" auszurotten. Sie scheute sich nicht, sich der unsaubersten Mittel zu bedienen und suchte in der schamlosesten und bru- talsten Weise von Genossen und Anderen Geständnisse zu erpressen. Sehr viel hat noch keine Polizei durch eigene Schlauheit zu Tage ge- fördert, sondern stets haben blinde Zufälle und Verrath eine Rolle ge- spielt, die Attonaer Polizei aber hat durch eignen Schliff noch gar nichts ausgekundschaftet, dazu ist ihr Chef Engel viel zu tölpelhaft. Wie könnte es sonst angehen, daß von Engel's Wirkungskreis aus lange Zeit hin- durch das sozialistische Gift in Masse nach allen Orten Deutschlands verschickt werden konnte, ohne daß die Missethäter ertappt worden wären. Hätte sich nicht ein Tischler, Namens Mündt(die genauen Personalien dieses Subjekts sind noch nicht festgestellt), zum Verräther herge- geben, es würde jetzt noch von hier expedirt. Ueber den sich an diese Angelegenheit knüpfenden Prozeß berichten wir an anderer Stelle. Im neuen Jahr zeigt die Hamburger Polizei auch ein anderes Gesicht als im alten Jahr. Fast täglich hält sie Haussuchungen ab und nimmt Sistirungen vor, wo bei sie mit einer Niedertracht und Rohheit zu Werke geht, wie es anderswo gewiß nicht schlimmer vorkommen dürfte. So ist es hier vorgekommen, daß man junge Burschen, die noch von nichts wissen, durch Prügel zum Geständniß zu bringen suchte. Aber es kommt noch besser. Die Genossen Dieckmann, Korbmacher, aus Altona , Koch und P y a r, beide Tischler, und Grüneberg, Tape- zierer, aus Hamburg , wurden von hier ausgewiesen. Der Erstere ward abgefaßt, als er etwa 60 Exemplare des„Sozialdemokrat" über die Ottenser Zollgrenze schmuggelte, die Letzteren bei Verbreitung der schon genannten Hasenclever'schen Broschüre im Holsteinischen. Bei ihrem Fortgang wurden die drei Ersten von den hiesigen Genossen, die sich zu Tausenden eingefunden hatten, zum Bahnhof begleitet, wobei, wie hiesige gegnerische Blätter bezeugten, alles in musterhafter Ordnung verlief. Trotzdem war solches„Demonstriren" der Polizei zuwider, weshalb sie Grüneberg schon am letzten Tage seines hiesigen Ausenthalts in Gewahr- sam nahm und unter polizeilicher Eskorte nach Hannover expedirte. Die Genossen, die hiervon nichts wußten, fanden sich wiederum in großer Zahl aus dem bestimmten Platz vor dem Holstenthor, von wo aus die andern ausgewiesenen Genossen ihren Abschiedsmarsch angetreten hatten, ein, um auch Grüneberg das Geleit zu geben, wurden aber als- bald gewahr, was geschehen war. Nun fand ein Hin- und Herwogen der erschienenen Genossen statt, auf deren Gesichtern die Erbitterung deutlichen Ausdruck fand, während die bewaffnete Polizeimacht mit her- untergelassenen Helmketten, wie es schjpn, auf einen Straßenkampf war- tete. Doch alles blieb ruhig. Die Genossen entfernten sich, die Bergel- tung für diese Schmach bis auf eine bessere Zeit aufsparend. Auch die Polizei zog mit ihrem Kummer, nicht in Thätigkeit gekommen zu sein, ab, und ließ den großen Ziezelhaufen, der auf dem Platze stand, und den sie, was Jeden komisch berührte, mit großer Umsicht bewacht hatte, unbeschützt zurück. Grüneberg hat nun darüber, wie eS ihm ergangen ist, etwa wie folgt geschrieben: Am Freitag Morgen(29. Januar) wurde ich überrascht, als der Polizeioffiziant Schulke mich auf meiner Werkstelle aufsuchte und mir bedeutete, ich müsse mit ihm aufs Stadthaus kommen. Ich ging, nichts Böses ahnend, sofort mit und wurde, dort angekommen, sogleich vor den Inspektor Schröder geführt. Dieser fuhr mich gleich mit den Worten an:„Euch Sozialdemokraten will ich das Demonstriren ab- lernen!" und als ich auf seine Frage, wohin ich reisen wollte, geant- wartet hatte, sagte er:„Sie haben so lange hier zu bleiben, bis der Zug fährt." Ich wollte Beschwerde führen, doch gab man mir keine Gelegenheit dazu; auch schenkte man mir kaum Gehör, als ich sagte, meine Zeit sei erst um 12 Uhr Nachts abgelaufen, bis so lange mir Bewegungsfreiheit gesichert werden müsse; nein, der famose Schröder, ein Preuße von der richtigen Sorte, warf ein:„Sie haben hier gar nichts zu räsonniren, Sie sind in unserer Gewalt und haben sich ruhig zu verhalten, sonst werden Sie eingesperrt." Meine Bitte, in Begleitung eines Beamten nach meiner Wohnung zu gehen, um von meiner Frau und meinen beiden Kindern, mein Liebstes in der Welt, Abschied zu nehmen, wurde mir kurz abgeschlagen. Das that mir weh. Der Offi- ziant Schulke veranlaßt- schließlich, daß meine Frau, die in Bälde ihre Niederkunst erwartet noch ins Stadthaus kam, um mir Adieu zusagen. Sie weinte. Ich verbot es ihr, weil ich nicht wollte, daß sich die Diener der brutalen Gewalt an einer Schmerzensszene ergötzen sollten, die sich zwischen den Opfern derselben abspielt. Es war so Nachmittags nach 3 Uhr geworden, als ich aufgefordert wurde, mich zur Reise bereit zu machen. In ein- Droschke, die bestellt war, stiegen ein Polizist und ich ein und rollten dem Bahnhof zu. Ich sah noch, daß mehrere Drosch- ken, die Polizisten in sich aufgenommen hatten, hinter unS herfuhren. Am Bahnhof erwartete uns bei unserer Ankunft ein ganzes Heer von Polizisten und Konstablern, was aus mich den Eindruck machte, als er- warte man eine Katastrophe. Mein Begleiter forderte mich auf, ein Billet zu lösen, was ich natürlich nicht that, sondern sagte, weil man mich per Schub wegbringe, möge man auch bezahlen, worauf mein Be- gleiter für uns Beide Bill-ts löste. Aus den Perron durste Niemand anders, als wer ein Billet hatte. Mein Begleiter kam bis Lüneburg mit, während ich von dort allein bis Hannover reiste, mit einem Gefühl in der Brust, das zu schreiben ich nicht im Stande bin." Wir glauben jetzt, Genossen allerorts, gezeigt zuhaben, wie der Gang der Ding- sich hier gestaltet, und schließen mit der Versicherung, daß wir trotz allen Verfolg ungen und Chikanen seitens der herrschenden Klasse, die uns mit ihrem Sozialistengesetz, woraus wir pfeifen, den Garaus machen will, ruhig vorwärts schreiten, bis unser Grundsatz: Alle für Einen und Einer für Alle," zu Fleisch und Blut geworden ist. Die Hamburg -Altonaer Genossen. Crimmitschau in Sachsen , I. Februar. Am 23. Januar Abends wurde hier beiliegendes Flugblatt, in Druck und Form ähnlich wie unser Wurst, und Käseblatt, genannt„Crimmitschauer Anzeiger und Tageblatt", verbreitet. Die Verbreitung muß sehr schnell von Statten gegangen sein, denn Niemand weiß, wie und woher es ge- kommen. S-lbstv-rständlich hat die Polizei alle ihre verfügbaren Krea- turen sofort in Thätigkeit gesetzt, um den Verbreitern sobald als mög- lich aus die Spur zu kommen, es ist ihr aber bisher nicht gelungen. Bei dieser Gelegenheit hat sich beiläufig deutlich herausgestellt, daß der hiesige Polizei-Apparat nicht nur in„Unisormirten" besteht, auch ein« Anzahl„Geheimer" haben sich entpuppt. Es sind die» nämlich die schon längst in Verdacht stehenden Austräger de«„Crimmitschauer An- zeiger". 1) Friedrich Oskar Täubert; derselbe ist auch Be-