schein ab. Durch diesen Willkürakt waren außer den Kutschern auch ihre Brodherren geschädigt, und letztere beschwerten sich bei dem Präsidium, wo es sich herausstellte, daß nicht der geringste Grund zu dieser Maß- regelung vorlag. Kurze Zeit darauf war ihm die hohe Mission zu Theil geworden, bei einem Sozialdemokraten Haussuchung abzuhalten. In der Frühe, kurz nach 6 Uhr,*) erschien der neue Herr Kommissär mit ent- sprechender Begleitung. Unser Genosse, der nicht auf den Mund gefallen, verlangte die nöthige Legitimation und später ein Verzeichniß der be- schlagnahmten Schriften, wurde aber von diesem Muster-Beamten in flegelhafter Weise belehrt, daß er das nicht nöthig hätte und ihn ver- haften lassen könne,„weil er ein Buch:„Winke für die Agitation" im Besitz habe, woraus er gelernt hätte, wie man die Polizei hintergeht."! Eine kurz und bündig gehaltene Beschwerde unseres Genossen an das Präsidium hatte zur Folge, daß die beschlagnahmten Schriften, die sonst niemals zurückkehren, andern Tags schon von einem Polizisten zurück� gebracht wurden und nach einigen Tagen ihm die Mittheilung ward, daß der Herr Kommissär wegen seines ungesetzlichen Vorgehens einen Verweis erhalten habe. Er sei eben noch nicht lange im Dienst und mit den be- treffenden Gesetzesparagraphen unbekannt. Dummheit schützt vor Strafe nicht, müsse auch in diesem Falle ange- bracht sein— war die Antwort unseres Genossen. Herr Wiemer, dessen Dummheit amtlich anerkannt ist, wird mit derartigen Sachen kaum mehr betraut werden. In den letzten Tagen hat Wiemer abermals einen Geniestreich ge> macht, indem er ein hübsches Mädchen, das ihm gegenüber wohnt und öfters mit ihm lächelte, in sein Bureau kommen lieh und dort gebrauchen wollte. Als das Mädchen dies nicht zugab, sagte er ihm, daß es unter Kontrole käme. Nun ist dasselbe die Mätresse eines reichen Juden, der, als er die Geschichte hörte, seinen Advokaten zu dem Kommissär schickte und ihm einen Prozeß androhte. Wiemer zeigte diesem die Thüre, und so werden wir nächstens Gelegenheit haben, zu sehen, wie sich Geldsack und Polizeigewalt um ein schönes Mädchen streiten. Polizeikommissär S e i b: Eine traurige Gestalt, der man nur in die Augen zu sehen braucht, um ein unruhiges Gewissen zu konstatiren. Im VolkSmund wird er nur noch der„Mörder von Darmstadt " genannt. Vor einigen Jahren brachte der„Sozialdemokrat" einen ausführlichen Artikel darüber. Seine ihm untergebenen Beamten behandelt er wie Hunde. Die Wirthe seines Reviers müssen viel„Wein lassen", wenn sie nicht den Chikanen dieses Wütherichs ausgesetzt sein wollen.„Sozial - demokratische Wirtschaften dulde ich in meinem Reviere keine", gab er einem Hausbesitzer zur Antwort, der seine Wirthschast, die durch öffent- liche Tanzbelustigungen in einem schlechten Ruse stand, an die Wittwe unseres verstorbenen Genossen Hiller vermiethet hatte. Vorher, als jeg- liches Gesindel dort verkehrte und alle Sonntage Schlägerei stattfand, gab es keinen Feierabend. Als aber diese Wirthschast nur von anstän- digen Leuten besucht wurde und Tanzmusik gar nicht mehr stattfand, mußte um 11 Uhr geschlossen werden. Frau Hiller, die sich beschwerte, erhielt von ihm zur Antwort:„Die Sozialdemokraten haben bis 1 l Uhr genug getrunken, nachher fangen sie doch Streit an." Die Vereine konnten den Saal nicht gut miethen, weil sie allen Chikanen dieses Lümmels ausgesetzt waren, und so war die Frau gezwungen, zu Neujahr die Wirthschast wieder aufzugeben.— Der Hausbesitzer, der ein rechtlich denkender Mann ist und sich von dem Kommissar nicht beeinflussen ließ, hat nun für seinen neuen Wirth, der von Sozialdemokratie keine Idee hat, um Feierabendverlängerung und Erlaudniß zur Tanzmusik nach- gesucht, ist aber abgewiesen worden, weil er vorher gegen das Verbot des Herrn Kommissärs seine Wirthschast an Sozialdemokraten vermiethet hatte. Einen guten Fang glaubte Herr Seib unlängst in der Schött'schen Wirthschast zu machen. Er begab sich mit acht Schutzleuten ins Neben- zimmer und fand dort vier Personen mit einem Packetchen. Sofort stürzten sich auf seinen Wink einige der Polizeibüttel aus das letztere, um die verbotene Frucht bloßzulegen, währenddem die Andern gründliche Körpervisitationen vornahmen. Doch, welche Enttäuschung! Das Päckchen enthielt Fournierholz, und die Personen waren der Vorstand eines Gesangvereins, der seine Sitzung in diesem Lokale abhielt. Mit langem Gesichte zog der Herr Kommissär mit seinen acht Mann ab, um nach einigen Tagen zur Abendstunde mit etwas weniger Hilfe wieder zu kommen und sämmtliche Gäste einer körperlichen Visitation zu unter- werfen. Zu bedauern ist nur, daß der Wirth. ein Parteigenosse etwa« ängstlicher Natur, sein HauSrecht diesem Burschen gegenüber nicht besser zu vertheidigen wußte. Im Privatleben ist dieser Mameluk« Seib be- deutend vorsichtiger als seine Herren Kollegen. Der Schutzmann Georg, genannt der rothe Georg, war früher in Bockenheim und treibt jetzt hier sein Unwesen. Aus dem Friedhofe war er einer ver ersten, die den Säbel schwangen. 1882 wurde er wegen Mißhandlung eines Kindes zu'/, Jahr Gesängniß verurtheilt, aber vom Kaiser zu 1 Monat begnadigt. Unlängst hat er eine arme Frau denun- zirt, die an vier Personen Essen gibt und keine Konzession dazu habe, was aber erst bei fünf Theilnehmern nöthig ist. Der Schutzmann Renk, auch auf dem Friedhofe thätig, hatte im Spätjahre einen 13jährigen Jungen, der mit Kreide an einem Hause zeichnete, mit einem Lattenstück derartig geschlagen, daß der Junge län> gere Zeit das Bett hüten mußte. Renk wurde zu mehreren Monaten *) Der Nachfolger des seligen Rumpff, Rath v. Hacke, hat seit Beginn seines Wirkens die frühest erlaubte Morgen st unde zum Haussuchen bestimmt, um unsere Leute in schlaftrunkenem Zustande zu überraschen. Also aufgepaßt! Es kann jedoch bald wieder Aenderung eintreten. Feuilleton. Die Religion des Kapitals. (Vergleiche Feuilleton in Nr. s und 8 des„Sozialdem.") II. ZHe Hkredigt der Kourtisane. (Das Manuskript ist nur unvollständig in meinen Besitz gelangt; die ersten drei Blätter fehlen. In der Form einer Einleitung sollen sie eine Anrufung Gottes, des Kapitals, enthalten, das Diejenigen unterstützt, die da verachtet werden. Da ich es mir zum Grundsatz gemacht, nur als bloßer Kopist zu fungiren, so unterlasse ich jeden Versuch einer Vervollständigung. Randnoten lassen vermuthen daß der Verfasser der Predigt, der päpst- liche Legat, zur Mitarbeiterschaft den Prinzen von Wales, zwei weit- bekannte Industrielle, die Herren Bonnet und Herzog jun., sowie die be- rühmte Cora Pearl hinzugezogen, diese gefeierte Courtisane, die sich rühmt, die ganze kosmopolitische Genußwelt von Paris in ihrem Bell gesehen zu haben.) Gesängniß verurtheilt, verfiel aber, ehe er die Strafe antrat, in Trüb- sinn und starb unlängst. Der Schutzmann Zabel, das Mädchen für Alles, wird stets geholt, wenn die nöthigen Eide zu leisten sind. Er war bei der Hiller's en Beerdigung der Kourier zwischen Polizeipräsidium und Friedhos. Früher wohnte Zabel mit Hiller in einem Hause, denunzirte ihn bei dem Haus- besitzer und verwandte seine Frau zur Spionage in der Hiller'sch-n Fa- milie. Als die hiesigen Genossen ihrem verstorbenen Freunde, Professor Gambs, ein Denkmal setzten, mußte er den Stein überwachen, damit er vom Redenhalten nicht umfiel. Zabel hatte als Feldwebel im Chikaniren viel geleistet. Er ist öfter in Zivil ausgestellt. Schutzmann Z i e g e m e r. Ein Freund des Letzteren und bekannter Schuldenmacher. Steht in gutem Andenken bei seiner Waschfrau und seinem letzten Hausherrn. Bei der Friedhofsaffäre zeichnete er sich be- sonders aus. Dieser, sowie sein Kollege Martin, der nebenbei das edle Handwerk eines„Louis" treibt, von seiner Frau geschieden ist und unlängst, an Geschlechtskrankheit leidend, einige Wochen im Hospital zu- bringen mußte, übersielen am 20. September, als sie von Gambs' Grab, wo es nichts zu hauen gab, zurückkehrten, eine Gesellschaft junger Leute vom Lande, die das„Reservelied" langen. Sie erwischten nur einen davon, traktirten ihn mit Schlägen und wollten ihn gefesselt auss Revier bringen. Ein des Wegs kommender Kommissär entließ den jungen Mann. Auf die Vorstellung des Letztern, oaß sie das„Reservelied" gesungen hätten, erwiederte Ziegemer:„Was? Ihr habt ein Saulied gesungen!" Besonders zu erwähnen ist hier der bei Tage Steuer eintreibende und des Abends im Opernhaus an der Gallerte als Billeteur fungirende Polizeispitzel Beck, der im obigen Falle mit dem Schirm auf die Ge> sellschaft einhieb. Er hinkt mit dem einen Beine und befindet sich immer in polizeilicher Gesellschaft. Derselbe hatte früher eine Wirthschast am Bockenheimer Thor und denunzirte 1870 einen Soldaten, der bei ihm Gast war, weil Letzlerer sich über Bismarck beleidigend geäußert, was dem Soldaten mehrere Jahre Festung eiabrachte. Der Schutzmann Ruß ist einer von denen, die, eh« sie sich zur Friedhofsschlacht begaben, bei dem Wirth G. zusammen 16 Viertel Apfel- wein getrunken haben, die heute noch nicht bezahlt sind. Ruß ist Stamm- gast bei diesem Wirth und läßt gewöhnlich die Gäste seine Zeche bezah len. Auch ist bekannt, daß Ruß Strafzettel ausstellt und die Gelder selbst einkaffirt. Die Stammgäste von G. wissen Bescheid. Der Schutzmann Wagner in Sachsenhausen , ein Liebling des Kom- missärs Flacke, macht auch viel in Straszetteln, arbeitet, ebenso wie Ruß, etwas billiger wie der Staat. Wagner kam einmal schwer betrunken nach Hause,, fing mit seiner Frau Streit an und warf etliche Möbel zum Fenster hinaus. Bei dieser Gelegenheit drohte die Frau mit den Straf- zetteln. Schließlich wollen wir noch des servilen Strebers, Schutzmann Herr von Kosmali, gedenken. Dieser hinterpommersche Bettel-Adelige bewirbt sich schon seit Jahren um die Stelle eines Kommissärs. Er ist einer von denjenigen rohen Polizeisoldaten, die Vater und Mutter er- schießen, wenn es daS„Vaterland" verlangt. Auf dem Friedhof sollte er damals mit dem Revolver Signgl für's Militär abgeben, aber das Projekt des Herrn Hergenhahn war ohne den Stadtkommandanten ge- macht. Wir haben noch verschiedene dieser Herren„Ordnungsbengel" auf Lager, befürchten aber, daß Herr Puttkamer sie nicht alle auf einmal in Schutz nehmen kann und vertrösten ihn bis später. Den Einwohnern Frankfurt's aber rufen wir zu: Merkt Euch vorläufig diese Burschen! Der rothe Hergenhahn. Zur Frage der Religion. (Eingesandt.) Gestatten Sie mir ebenfalls meine Meinungsäußerung bezüglich der Stellung unserer Partei zur Religion, welche dahin geht: So lange die religiöse Weltanschauung noch nicht wissenschaftlich überwunden war, hemmte sie sehr stark die vernfciftig« Entwickelung des gesammten Kulturlebens, speziell auch der politischen Verhältnisse. Der Kampf gegen den religiösen Aberglauben war darum noch vor wenigen Jahrzehnten von eminent politischer Bedeutung, da die Religion die Stütze der Reaktion bildete. Inzwischen aber sind der Religion durch die Hegel, Strauß, Feuerbach ic. einerseits und durch den Darwinismus«. anderseits ihre Giftzähne ausgebrochen worden, eine Fluth von Wissenschaft- lichen und populären Schriflen haben in allen Schichten die religiöse Weltanschauung entwurzelt oder doch erschüttert, so daß man in"den politisch maßgebenden Kreisen die Religion eigentlich nicht mehr recht Ernst nimmt, und ihr keinen Einfluß auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens verstattet. Weitaus der größte Th-il derer, welche die Klinke der Gesetzgebung in der Hand haben, sind Atheisten oder stehen wenig- stens aus nichtkirchlichem Standpunkt. Wenn sie äußerlich dennoch manchen religiösen Hokus-Pokus mitmachen und Gläubigkeit heucheln, sogar dafür eintreten, daß„dem Volke die Religion erhalten werden müsse", so geschieht es, weil der„Ober-Ober" noch stark auf Religion hält, noch mehr aber, weil si- in der Kirche eine geistige Polizei gegen radikale Ausschreitungen, eine Assekuranz gegen revolutionäre Feuers- gefahr erblicken. Aufrichtig, im innersten Herzen der Kirche ergeben sind fast nur noch solche Kreise, welche in schlechten ökonomischen Verhältnissen leben, denn ____ Die Menschen, die in der Finsterniß des Daseins umhertappen und nur das flimmernde Licht der blöden Vernunft als Leitstern nehmen, spotten und schimpfen über die Courtisane. Sie stellen sie an den mora- lischen Pranger, sie schlagen ihr ihre eignen Paradetugenden um die Ohren, sie stacheln zu Haß und Entrüstung wider sie auf. Sie ist die Sklavin des Bösen und die Krone der Verruchiheit, der Mahlstein der Verthie- rungsmühle. Sie demoralisi't die blühende Jugend, sie entehrt die weißen Haare des Alters, sie entführt der Gattm den Galten und saugt aus seinen verhexten und unersättlich gierigen Lippen Glück, Ehre und Wohl- stand seiner Familie. O meine Schwestern! Brutale Wuth und niedriger Neid haben mit bitterer Galle das edle Bild der Courtisane besudelt, trotzdem der letzte der falschen Götter, Jesus von Nazareth, eine Maria Magdalena der Schmach der Menschen entrissen und in sein Paradies versetzt hat neben die Heiligen und Seligen. Die Götter, die nach einander den Himmel bewohnt, und die Reli« gionen, die sich die Herrschast auf Erden streitig gemacht, ehe das Kapital, der wahre Gott, gekommen, haben alle die Courtisanen hochgeehrt. In der Gesellschaft des Alterthums war sie die einzige Frau, der man erlaubte, von der Frucht des Baumes der Erkenntniß zu naschen. Die g,oße babylonüche Göttin Mylitta, die„geschickte Zauberin", die„versührerische Prostituirte", wollte mittels der Prostitution verehrt werden. Als Buddah nach Vesali kam, kehrte er bei der ersten Courti- sane des Ortes ein, vor der sich die Behörden in ihren Feiertags- gewändern ausstellten. Der finstere Gott Jehova beherbergte Courtisanen in seinem Tempel.*) Die Menschen der ersten Gesellschaften, die der Glaube erleuchtete, ver- setzten die Courtisane unter die Götter; sie stellte die Kraft der ewigen Natur dar, die da erschafft und zerstört. Die Kirchenväter des Katholizismus, der die Menschheit in ihrer Kindheit jahrhundertelang mit seinen Märchen unterhielt, suchten die göttliche Eingebung in der heiligen Gesellschaft von Courtisanen. Wenn der unfehlbare Papst seine Priester und Bischöfe zu einem Konzil zu- sammenberief, um über ein Glaubensdogma zu berathen, so strömten, geleitet von der Hand Gottes, die Courtisanen aus allen Ländern der Christenheit herbei; sie brachten den heiligen Geist hin, sie erleuchteten den Verstand der Schriftgelehrten. Der Gott des Christenthums legte die Macht, Päpste, seine Stalthalter auf Erden, ein- und abzusetzen, in die Hände der Theodora, der kaiserlichen Courtisane. Das Kapital, unser HEcr, weist den Courtisanen einen noch höhern Platz an. Nicht hinfällige und stupide Päpste sind es mehr, denen sie kommandirt, sondern Taufende junger und kräftiger Arbeiter, Meister aller Wissenschaften und Schöpfer aller Erzeugnisse der menschlichen Kunst: sie weben, sticken, nähen, sie bearbeiten das Holz, das Silber, das Gold, sie schleifen Diamanten, st- suchen auf dem Meeresgrund Korallen und Perlen, ziehen im Winter die Blumen des Frühjahrs und die Früchte des Herbstes; sie erbauen Paläste, schmücken ihre Wände, bemalen Leinwand, erfinden Romane und Dramen, Opern und Ballets , spielen und tanzen, um die Wünsche der Courtisane zu befriedigen. Nie hatten Kleopatra , nie Semiramis ein so zahlreiches Heer von Ar- beitern aller Berus «, aller Kunstzweige zur Eriüllung ihrer Launen zur Verfügung. Die Courtisane ist die Königin der Zivilisation, und sie wird solange über der Menschheit thronen, als das Kapital der souveräne Herricher über Menschen und Dinge ist. Wenn die beschiänkte Vernunft die Menschen nicht verdummt hätte, wenn der wahre Glaube die Thore ihres Verstandes geöffnet hätte, so würden sie einsehen, daß in den Händen Gottes die Courtisane ein Faktor wird, der die Völker aufrüttelt und die Gesellschaften umgestaltet. *) Der Legat des Papstes spielt hier zweifelsohne auf den Satz im Buch der Könige an:„Und er(Josia) zerstörte die Häuser der Sodo- miter, die an dem Hause deS HErrn waren, darinnen die Huren Zelte wirkten."(2. Buch der Könige, Kap. 23 Vers 7.) Im Tempel der Mylitta hatten die Prostituirte» Babylon'» ähnliche Quartiere. ihnen bietet die Religion einen eingebildeten Trost in ihrem elendes Dasein,„Stab und Stütze" in Roth und Sorge. Sie leistet ihnen du Dienste, welche die Krücke dem Lahmen leistet(wobei noch in Betracht kommt, daß sie zufolge ihrer ökonomischen Lage nicht im Stande sind, sich die Kenntnisse zu erwerben, durch welche die Religion von selbst hinfällig wird). Sollen wir nun darauf ausgehen, die Lahmen zu über- reden, daß sie ihre Krücken wegwerfen? Ich glaube, weit vernünftiger ist es, dahin zu wirken, daß die Lahmen gesunde Beine bekommen, dann werfen sie ihre Krücken von selber weg. Unbildlich gesprochen: Schaffen wir gesunde soziale Zustände, beseitigen wir die kapitalistische Wirthschast durch die gesellschaftliche Produktion, und die religiöse Ausklärung ergibt sich von selbst. Ein eklatantes Beispiel sind die Juden. So lange sie noch in ihren Ghettos eingepfercht waren und von der Gesellschaft als Parias behandelt wurden, hingen sie mit beispielloser Zähigkeit an ihrem Talmud und seinen albernen Observanzen. Kaum aber waren die Schranken der Judengassen gefallen, kaum war die Emanzipation der Juden da, als sie sich vom Talmud lossagten, ihrem alten Jehovah des Lauipaß gaben und Schweinefleisch aßen mit gleichem Appetit wie der vollblütigste Christlichgermane; und wenn noch manche mehr oder minder am Judenthum hängen, so hat das seinen Grund theils in der nach- wirkenden Vergangenheit und Familienbeziehungen, theils darin, daß su sich in ihrer sozialen Besserstellung noch nicht ganz sicher fühlen. Item: Gegenwärtig führt nicht die Aufklärung zum So- zialismus, sondern umgekehrtder Sozialismus führt zur Aufklärung. Den ersten Theil dieser These beweist auch der Umstand, daß es eine ganze Menge von Aufgeklärten, sogar Freidenker- gemeindler gibt, welche die ausgesprochensten Gegner der sozialdemo- kratischen Bewegung, hartgesottene Nationalliberale oder Fortschrittler sind. Den Satz des Programms:„Religion ist Privatsache" halte ich daher für vortrefflich, umsomehr als mir eine Menge sehr gute und eifrig- Parteigenossen bekannt sind, welche noch einigermaßen Anhänger ihrer Religion sind. Würden wir die Bekämpfung der Religion im) Parteiprogramm aufnehmen, so könnte das unserer Propaganda nur nachtheilig sein.— Ich verkenne indeß nicht, daß der Kampf gegen die Religion unserer Sache indirekt zu Gute kommen mag, daß manch« Personen erst vom Einfluß des Pfaffen losgelöst werden müssen, um sich uns anzuschließen, und daß es deßhalb ebenso gut ist, dem religiösen Köhlerglauben zu Leibe zu gehen. Aber in's Programm gehört es nicht. Nur noch ein Wort über die Stellung der Sozialdemokratie zum Freidenkerthum. Es ist ein großer Unterschied zwischen Freidenker und Freidenker, und es kommt ganz darauf an, welcher Geist in den betreffen-\ den Freidenkergemeinden oder-Vereinen herrscht. Ich hielt einmal is einem Freidenkerverein einen Vortrag über„Halbes und ganzes Frei»! denkerthum", der darauf hinauslief, daß das Freidenkerthum, das nur die religiöse Aufklärung sich zum Ziele setzt(ä la David Strauß ), ein halbes Freidenkerthum sei; das wahre und ganze Freidenkerthum müsse auf allen Gebieten frei denken, auch auf dem politischen und sozialen. Das freie Denken auf dem politischen und sozialen Gebiet führe aber nothwendig zum Sozialismus; ein ganzes Freidenkerthum müsse daher die sozialistische Bewegung ebenso sehr zu fördern bestrebt sein wie die religiöse Aufklärung. Ich sage also, daß je nachdem die Freidenkerei, betrieben wird, sie unserer Bewegung nützlich oder schädlich sein kann.- Rekrutiren sich ihre Anhänger hauptsächlich aus Sozialisten und ist der Sprecher ein überzeugter, warmherziger und feuriger Sozialist, so kann: sie die sozialdemokratische Bewegung ganz bedeutend fördern. Mir z. B. fällt es gar nicht ein, in meinen Vorträgen religiöse Themata zu be- handeln, höchstens dient mir das Religiöse als Anknüpfungspunkt. Die Vorträge behandeln allgemein belehrende Gegenstände und zwar in der Regel solche, denen sozialistische Seiten abzugewinnen sind, beziehungs' weise die sozialistisch pointirt sind. xyz. zu ver! Vorträ Jahr Umsiä, keinen sobald Viereck ten B- dieser geordn- Lauf auf dei lassen � nnßlan einmal wäre, alle Z in ihre »eugen träge i 1878. Und deutsche Merkt i „Sei der Le dligem dcmokr daß da gegen? Ich sri Freihei irgend d e m o das S- wicklun tung lozra Sie dü besten l Hat wird- ling ui Blödsir !chwun! dreht aber d Nicht u! Ersch nicht b Er be scheint die Nei wir ih gedenk sein PI Sozialpolitische Rundschau. Zürich . 17. März 1886. — Unseren Puttkamer kennen wir inwendig und auswendig. Wir> kennen ihn in seinem Privatleben— in seinen Moraltheorien und seiner Moralproxis; wir kennen ihn in seinem politischen oder richtiger Polizei- lichen Leben— denn für diesen preußisch-junkerlichen Musterknaben ist Politik Polizei und Polizei Politik; wir kennen seine großen„Gesichts- punkte-' und seine kleinen Kniffe, wir kennen seine großen Spitzel und kennen seine kleinen— auch etwelche bis dato noch nicht entdeckte. Vor der letzten Sozialistendebatte sagten wir bis auf's Tüpfelchen über'm i, was er im Reichstag sagen— wie er das wohlfeile Doppelspiel treiben würde, die A n g st m e i e r durch das„Rothe Gespenst" und die B i e d e r- meier durch„milde Praxis" für die Verlängerung des Sozialisten- gesetzes zu stimmen. Und jetzt wollen wir unfern Lesern die Trumpf« karte zeigen, welche er bei der zweiten und dritten Lesung im Plenum des Reichstags auszuspielen gedenkt— und, trotzdem wir den Coup jetzt verrathen, auch ausspielen wird. Der Plan besteht darin, den sozial- demokratischen Reichstagsabgeordneten eine Art von Zeugenzwang zu Gunsten der„milden Praxis" aufzuerlegen. Der Zeugnißzwang als politisches Zucht-, Züchtigungs- und Erziehungsmittel ist ja jetzt in der Mode. Die Sache verhält sich so: Wie überall, haben die Genossen in Berlin ein lebhaftes Bedürfniß, mit den parlamentarischen Vertretern der Partei _< tagsre! stünde, und m wellen t-n. Z involvi ließ de Namen leine I Mal er Jmmu drängt- der Re thaner könnte, lebhaft- verwid Widers; Jntere Abgeor rechtig: freil neien giger- im öf auf S schwiec wir fo Das 85 N Im Mittelalter, damals, als das Kapital, unser HErr, noch dem Kinde glich, das in der Mutter Schooß sich regt, erst in den Tiefen des Wirthschaftslebens geheimnißvoll zu' keimen begann, als kein Mund sein« Geburt verkündete, als die Menschen noch keine blasse Ahnung hatten von dem Nahen des wahren Gottes, damals begann trotzdem daS Kapital bereits die Handlungen der Menschen zu leiten. Es hauchte in den Geist der Christen Europas den wilden Taumel ein, der sie, in Heeren, enger geschaart als Ameisentrupps, auf die Straßen nach Asien trieb. Zu jener Zeit waren die Führer der Menschen plumpe Feudalherren, die in ihren Rüstungen lebten wie Hummern in ihrer Schale, die sich von grobem Fleisch und schweren Getränken ernährten, kein anderes Vergnügen schätzten als Lanzenstechen, keinen anderen Luxus kannten als ein wohlgehärtetes Schwert. Unser Gott mußte sich auf das Niveau der bleiernen Intelligenz dieser Viehnaturen herablassen, um sie in Bewegung zu setzen. Er pflanzte ihnen die Idee ein, das Kreuz zu nehmen, nach Palästina zu ziehen und die Steine eines Gra- bes zu befreien, das nie existirt hatte. Aber der himmlische Plan Gottes war, sie zu den Füßen der Courtisanen des Orients zu führen, sie in Luxus und Wohlgenuß zu berauschen, in ihren Herzen die göttliche Leiden- schast, die Liebe zum Gold, zu nähren. Als sie in ihre düsternen Behausungen zurückkehrten, die Sinne noch verwirrt von dem Glanz der Feste, von den Wohlgerüchen Arabiens und den Küssen der glatten Courtisanen, da bekamen sie einen Ekel vor ihren linkischen und behaarten Weibern, die nur spinnen und Kinder gebären konnten, sie«rrötheten über ihr Barbarenthum, sie erbauten die Städte des Mitt-.lmeers, sie riefen die königlichen und herrschaftlichen Höfe in's Leben, und bereiteten so die Ankunft des Gott-Kapital vor. Ich sage es Euch aufrichtig, die Courtisane ist unserem Gott theurer als dem Finanzmann das Geld des Aktionärs. Sie ist seine heißgeliebt« Tochter, von allen Frauen diejenige, die am gelehrigsten seinem Willen gehorcht. Die Courtisane handelt mit dem, was man weder wägen noch messen kann, mit der immateriellen Sache, der die geheiligten Regeln de» Tausches nicht ankönnen: sie verkauft die Liebe, wie der Krämer Seife und Talg verschleißt, wie der Dichter Verse losschlägt. Aber in- dem sie die Liebe verkauft, verkauft die Courtisane sich selbst, gibt sie ihrer Persönlichkeit einen wirthschaftlichen, einen Markt-Werth. Der Körper der Courtisane nimmt damit an den Eigenschaften unsres Gottes Theil; qr wird ein Stück Gott , er wird Kapital. Die Courtisane ist die Menschwerdung Gottes. O über Eure Taubenklugheit, ihr Dichter und Romanciers, die ihr die Courtisane herunterreißt, weil sie ihren Körper nur gegen Bezahlung hingibt, die ihr sie mit Schmutz bewerft, weil sie ihre Reize in schwerem Geld taxirt! Ihr wollt wohl, daß sie das Göttliche, was ihr Körper birgt, prosanirt, daß si« es so gemein macht als Steine am Wege? O Ihr Moral- weil si sinnige einen eurem Werth Brod vergess die Ke Abe dienen angehö sie um Liebe- liebt.> ihr Hei so fint schöpft Die Marm Käufer trächti ormuv beraus- richtet. Die C gnüge, ihre L »hm a! Fra der ri So wählte spricht Blut! Sie sendet. Und d Sie ihr ve Landr
Ausgabe
8 (18.3.1886) 12
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten