in falscher Scham(!) über den Vortritt der Weiber, schließlich die ärgstenExzesse ausführten!—Die Kommission kam nun auf Grund dieser von ihr gesammeltenThatsachen zu dem Vorschlage:1) Vom 1. Januar 1872 an sollen Frauen und Mädchen von denGrubenarbeiten unter Tage ausgeschlossen werden.2) Vom 1. Januar 1870 an sollen die B-rgbautreibenden in denKohlengruben Knaben nur im Alter von mindestens 14 Jahren und mitdem Nachweise ihrer Fertigkeit im Lesen, Schreiben und in den erstenAnfangsgründen des Rechnens zulassen dürfen.3) Von derselben Frist an soll überhaupt Niemand zugelassen werden,wenn er nicht versehen ist mit einem ärztlichen, vom Gouverneur oderder Grubenverwaitung unterzeichneten Attest, daß seine Konstitution ihnzur Verwendung bei den Grubenarbeiten geeignet macht.Die Handelskammer von Lüttich war aber trotz dem und alledem derAnsicht:„daß die Ausschließung der Frauen und Töchter von denunterirdischen Grubenarbeiten eine Maßregel ist, deren Nothwendigkeitnicht aus moralischem Gesichtspunkte konstatirt werden kann,eine Maßregel, die viele Wirthschaften ihrer einzigen Einnahmequelleberauben würde."„Indem sie muthig zu dieser Arbeit greifen, ermgölichen viele Familien-mütter, die ihren Gatten verloren haben, die Erziehung der Kinder, undviele Töchter finden so die Subsistenz, die sie ihren schwachen Elterngewähren. Wenn man sie(von der Grubenarbeit) ausschlösse, würdeman sie zur Bettelei veranlassen, und vielleicht noch zu anderen Ver-gehen."Der Gesetzesvorschlag der Kommission war in den Tagen vom 15—21.Januar 1869 in der Repräsentantenkammer zu Brüssel der Gegenstandeingehender Debatten, die mit der Annahme eines Antrages des Abze-ordneten D'Elhoungne endigten, die über diesen Gegenstand eingegange-nen Petitionen dem Herrn Minister des Innern zu überweisen, mit demErsuchen, um weitere Aufklärung« n."Der damalige Finanzminister Fröre-Orban, Führer der Liberalen-betheiligte sich natürlich auch an der Diskussion. Er sagte u. A.:„Jede Reglementirung der Arbeit ist eine Form der Knechtschaftund nichts Anderes. Wenn diese Reglementirung unbeschränkt ist, so istsie Sklaverei; wenn sie nur theilweise besteht, so ist sie Unfrei-heit und Dienstbarkeit. Wenn diese Reglementirung dahin kommt,daß sie der Freiheit des Menschen nur ein wenig mehr Raum gibt, soist sie Korporation«-, Zunft-, Meisterwesen, und bis jetzt hatte ich ge-glaubt, daß es ein immenser Fortschritt für die Menschheit gewesen, sichallmälig von Sklaverei, Hörigkeit und Dienstbarkeit, Jnnungs-, Zunft-und Meisterwesen befreit zu haben, um endlich bei der vollständigenBefreiung des Menschen anzukommen, indem sie Freiheit der Arbeitproklamirt."Vergebens wurde von verschiedenen Abgeordneten auf den Bericht,aus dem wir Einiges mitgetheilt, hingewiesen. Der Minister des Innernbestritt, daß die beigebrachten Nachweise bezüglich der physischen undmoralischen Verkommenheit der Bevölkerung, namentlich der Frauen inden Kohlenrevieren, genügten, um das Einschreiten der gesetzgebendenGewalt zu rechtfertigen. Er kann„keinen Unterschied sehen zwischen demRechts des Mannes und dem Rechte der Frau. Diese Rechte sind iden-tisch, weil diese Rechte alle aus der unverjährbaren Unabhängigkeit dermenschlichen Persönlichkeit fließen. Es ist unmöglich, einen Grund anzu-geben für die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, soweit es sichum die freie Disposition Beider über ihre Arbeit handelt. Unter allenBedingungen darf jedes menschliche Wesen im Alter der Vernunft sichder Arbeit zuwenden, die ihm konvenirt."—Stärker als es hier durch den Minister geschieht, kann wohl dermanchesterliche Standpunkt nicht betont werden. Die Regierung sowohlwie die Bourgeoisie in Belgien stehen heute noch auf demselben Stand-punkt. Daß man sich auch jetzt wieder durch die Enquete nur über die„schlimme Zeit" Hinweghelsen will, ist klar. Nach Jahren vielleicht, wenndie Berichte der neu eingesetzten Kommissionen erscheinen werden, wirdein anderer Fröre-Orban auftreten und haarklein beweisen, daß dieKinder, wenn sie nicht in den Gruben und Fabriken zur Arbeit ange-halten werden, dem Bettel verfallen, und daß die Frauen und Mädcheneigentlich in den Gruben am besten aufgehoben sind, da sie andernfallsder Prostitution in die Arme getrieben würden. Als ob, wie gezeigt,nicht gerade durch die Arbeit der Frau diese prostituirt würde. DerHerr Minister wollte die Grubenarbeit der Frauen nur deshalb nichtbeschränkt wissen, um nicht die Konkurrenz der weiblichen Arbeit inanderen Geschäftszweigen zu vermehren, wodurch der Lohn sinken würde.Er beklagt von Herzen, daß der Lohn in den Spitzenmacher-, Schneider-und Putzmacher-Werkstätten so gering ist, und ruft aus:„Ist es nichtin der That der Fall, daß viele Schneider- und Putzmacher-Werkstättendie Prostitution begünstigen"?-W\/XSA/V\r-Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 7. Juli 188«.— Daß das sogenannte Urtheil im Prozeß Jhring-Mahlow bereits vor der Verhandlung gesprochen war, ist eine ebensooffenkundige Thatsache wie das ganze politische System, als dessenVertreter der„Schutzmann" Jhring offiziell auf der Zeugen-, that-sächlich aber auf der Anklagebank saß. Die„Kreuzzeitung", diein der Aera Bismarck-Bleichröder-Stöcker ihre Chimborasso- Gemeinheitwiedergefunden, gesteht das auch mit der Schamlosigkeit einer Kasernen-hure triumphirend ein.„Wäre die Entscheidung im entgegengesetztenSinne ausgefallen ," schreibt das Organ des verlumpten Herrn vonHammerstein,„so ist nicht abzusehen, wie die nothwen-digeUeberwachungderSozialdemokratievonSeitender politischen Polizei fortgesetzt werden könnt t."Christensen und Berndt mußten verurtheilt werden, und darumwurden sie verurtheilt und ihre sämmtlichen Zeugen trotz bisherigerUnbescholtenheit als Lügner, Jhring, trotz erwiesener Lügenhaftigkeit,als absolut glaubwürdig hingestellt. Denn es gibt noch Richter inBerlin, und Landgerichtsrath Barth isius ist eine Perle seinesBerufs.Die famose, weniger an das„Stilet des Mittelalters" als an denStil des Pitaval- Gödsche, zeugeneidlichen Angedenkens, erinnerndeUrtheilsbegründung finden unsere Leser im Leitartikel dieser Nummergebührend gekennzeichnet, doch wäre es Unrecht, würden wir nicht auchdem wunderbaren Verfahren des ehrenwerthen und hoffentlich auchEhren empfangenden Barthisius während der eigentlichenVerhandlung die verdiente Anerkennung zu Theil werden lasse». HerrBarthistuS hat da wirklich Außerordentliches geleistet. Er hat dieRollenvertauschung zwischen Zeugen und Angeklagten in der Weise hinterdem grünen Tisch glücklich ergänzt, daß er, um den Reiz der Komödiezu erhöhen, eine Doppelrolle übernahm: Präsident und Staats-anwalt zugleich spielte. Der nominelle Staatsanwalt Wagner sankihm gegenüber zum erbärmlichen Statisten herab. Der Aermste hatte nurein Argument: Aus einer Notiz, die vor 4 Jahren, anläßlich derFreilassung Ibsens, in unserm Blatt erschien, die Unglaubwürdigkeitaller Sozialdemokraten zu deduziren. Dieser abgebrauchte Kniff hataber jede Zugkraft verloren, der Prozeß hätte durchaus denselben Ausganggenommen, wenn Herr Wagner während der ganzen Prozedur denMund gehalten hätte. Herr Barthisius verstand das Zeugen-Verdäch-tigen besser.Der wichtigste Zeuge war der Tischler Berndt, der mußte also umjeden Preis„vernichtet" werden. Hören wir, wie der ingeniöse Bar-thisius das anstellt.Berndt erzählt von einer Besprechung, an der Jhnng theilnahm, undin der er(Berndt) über die Luxusfrag- gesprochen habe.Vorsitzender:„Ist es der Beruf eines Tischlerge-sellen, über den„Luxus" zu sprechen?"Auf diese, den Geist des Patrons zur Genüge kennzeichnende Jmper-tinenz erhält er zur Antwort:„Der Beruf nicht, aber wir suchen unSgegenseitig zu belehren."Berndt erzählt, wie Jhring gesagt, man müsse Dynamitbomben in dieHäuser werfen, die Bahnhöfe zerstören, die T-legraphenleitungen ver-Nichten rc.Vorsitzender(zu Berndt, nicht zu Jhring!): Glaubten Sie, daßSie und Ihre wenigen Freunde dadurch etwas erreichen würden?Berndt: Wir hielten es für unmöglich.Vorfitzender:„Wohl nur taktisch, aber im Prinzipwaren Sie einverstanden?"Durchaus nicht, war die ruhige Antwort auf diese perfide Unter-stellung.Als Berndt auf eine Frage des Staatsanwalts bemerkt, daß er vieleVersammlungen besucht, fragt Barthisius auf's Neue protzig: Wie kommtein Tischlergeselle dazu, sich immerwährend in Versammlungen herumzu-treiben?Berndt: Ich nenne das nicht herumtreiben. Für mich sind Ver-sammlungen eine Bildungsstätte.Er hätte noch hinzufügen können: Das Herumtreiben überlassen wirden akademisch gebildeten Saufbrüdern.Der Tapezier P ü s ch e l erzählt, daß Jhring bei einer Zusammen-kunft gesagt, wenn bei ihm gehaussucht würde, bekäme er mindestenszwei Jahre Zuchthaus, soviel Dynamit finde man bei ihm.Berndt habe das mitangehört.Vorsitzender: Angeklagter Berndt, warum haben Sie uns diesenette Geschichte nicht erzählt?Berndt: Das habe ich gethan.Vorsitzender: Ich erinnere mich nicht mehr, die Herren Schöffenhaben ebenfalls nicht notirt.Vertheidiger Rechtsanwalt Freudenthal: Ich berufemich auf das Zeugniß des Berichterstatters Fränkel.Vorsitzender: Run, es mag sein!!!Kommentar überflüssig.Dem redlichen Elfer, den Angeklagten und deren Zeugen Widersprüchenachzuweisen, entspricht das nicht minder redliche Bestreben, die Wider-spräche, in die sich Jhring-Mahlow verwickelt, zu übersehen.Der„glaubwürdige" Schutzmann, der sich unter falschem Namenin einen Verein einschleicht, sich als eifrigen Anhänger einer Sache auf-spielt, die er verrathen soll, der berufsmäßig lügt und heuchelt,leugnet vor Gericht, den Arbeitern die Anwendung von Dynamit ge-rühmt zu haben. Als aber der Tapezier P ü s ch e l mit äußerster Be-stimmtheit erklärt, daß Jhring ihnen die Zubereitung des Dynamitauseinandergesetzt, antwortet dieser, er habe auf eine dahin gehende An-frage„nur" gesagt, über die Dynamitverfertigung existirten ja Bücher,wie z. B. die„Revolutionäre Kriegswissenschaft", wobei er noch Marxund Most verwechselt haben will. Wir würden dies Geständniß derUnwissenheit gewiß glauben, wenn es nicht zu lächerlich wäre,daß ein Angestellter der politischen Polizei nicht ganz genau überMost und dessen Richtung unterrichtet sein soll. Aber davon abgesehen,wie kam denn Püschel dazu, gerade an Jhring die Frage zu richten,wenn dieser nicht vorher schon von Dynamit gesprochen und aufdasselbe hingewiesen? Zu dieser Frage findet sich der Vorsitzende auchdann nicht veranlaßt, als Jhring, in die Eng« getrieben, es für„schonmöglich" erklärt, daß er gesagt, er habe Dynamit und Dynamitbombenin Masse in seiner Wohnung, da es ihm daran gelegen habe, daß dieLeute nicht eher Klarheit über ihn erhalten, bis ersein Ziel erreicht. Diese ganzen Unterhaltungen über Dynamitsind in den Augen des Mannes des Gesetzes nur„scherzhafte Ge-spräche."Wie dann aber, wenn ein Arbeiter diesen„Scherz" falsch verstanden,sich das Buch von„Marx oder Most" angeschafft und danach zu arbeitenversucht hätte? Würde Herr Barthisius das auch nur für einen„Scherz"erklären? Er, der es„sonderbar" fand, daß der Arbeiter Büscheldie chemischen Bestandtheile des Dynamit nicht im Kopf behalten hat?!Oder ist das Dynamitgesetz auch nur„scherzhaft"gemeint?Der Raum unseres Blattes verbietet uns, die ganzen Verhandlungenhier wiederzugeben, wir denken aber, schon das Mitgetheilte genügt vor-läufig. Auf andere Sonderbarkeiten behalten wir uns vor, später nochzurückzukommen.Soviel steht jedenfalls fest, dieser Prozeß übertrifft an FrivolitätAlles, was von Justizkomödien jje-dagewesen. Schamloser ist noch nieRecht in Unrecht verdreht worden. Und der Ruhm, zwar nicht derAnstister. aber der hervorragendste Akteur in diesem Spektakelstück ge-wesen zu sein, gebührt unzweiselhaft dem Herrn Barthisius, Land-gerichtSrath am Landgericht ll zu Berlin. Der Herr kann zufrieden fein.Dieser Prozeß hat seine Person der bisherigen Dunkelheit entrissen undihm einen dauernden Ruf gesichert. In der Geschichte der Korruptiondes verbismarckten deutschen Reiches wird der Name Barthisiusmit an erster Stelle prangen.— rk. Der Reichstag ist geschlossen, und am letzten Tag kamennoch die sogenannten„Denkschriften" zur Besprechung. Der Schluß er-folgte mit Ueberstürzung. Während der Reichstag, und zwar auch diekonservative Partei, mit einem parlamentarischen Streikdrohte, wollte der eisenstirnige Kanzler um jeden Preis eine Nach- undStrafsession haben, in der ihm eine Schnapssteuer apportirt würde.Erst als der Seniorenkonvent sich Freitag den 25. Juni einstimmig fürsofortige Erledigung der Schnapssteuer und unmittelbar darauferfolgenden Schluß der Session erklärt hatte, gab der Eisenstirnige nach;und man kam überein, gleich den nächsten Tag— Sonnabend den 26.—„die Bude zuzumachen". Unter solchen Umständen mußten die Sozial-demokraten energisch auftreten, um die Besprechung der„Denkschriften"noch zu erwirken. Es bedurfte der Drohung, das Haus auszählen zulassen. So wurde denn vereinbart, daß der Belagerungszustand vorder Schnapssteuer auf die Tagesordnung gesetzt werde. Natürlich waran eine längere Debatte nicht zu denken— die Mitglieder wollten fort,und hatten nur die Verwerfung der Schnapssteuer im Auge. Mit Aus-nähme der Fortschrittspartei, für die Eugen Richter eine Anstandsredeversprach, wollte keine Partei sich betheiligen. Und das wurde auch ein-gehalten. Singer, als der momentan am ärgsten Gefährdete, hatte sichdie Ehre erbeten, den Puttkamer und die Puttkämerei an den Prangerzu stellen. Und er that es. Herr Bötticher vertrat seinen Kollegen Pqtt-kamer, der sich wohlweislich„gedrückt" hatte, bei einer späteren Geleqesi-heit aber der reichlich verdienten Züchtigung nicht entgehen wird. HerrBötticher ist eine Art parlamentarischer Naturbursche, dabei jedoch ganzgerieben. Er ging natürlich nicht in die Sache ein, und begnügte sichmit allgemeinen Redensarten, war aber wenigstens nicht so verlogenund roh wie sein Kollege Puttkamer. Der ebenso stereotype als alberneVorwurf, die sozialdemokratische Fraktion habe sich nicht an der gesetz-geberischen Arbeit betheiligt, wurde von F r o h m e widerlegt, nachdemHerr Eugen Richter gegen die Minister den banalen Vorwurf erhoben,sie zögen die Sozialdemokratie groß. Eine persönliche Bemerkung Hasen-c l e v e r s, der die Verhängung des Belagerungszustands über Sprem-berg einen Dummenjungenstreich nannte, wofür er den obli-gaten Ordnungsruf empfing— und die Debatte war zu Ende.Manchem der Herren, die vor drei Monaten für die Verlängerunggestimmt, schlug aber doch das Gewissen, als Singer die haarsträubendenDetails der Ausweisung W e s e n a ck's erzählte. Freilich, das Gewissender Herren ist so schwach, daß die Schläge desselben bald wieder auf-hören. Wesenack ifl seit längerer Zeit R-staurateur; er hat sich nie inder Bewegung hervorgethan. Den Zorn der Polizei zog er sich voreinigen Jahren dadurch zu, daß er das Anerbieten, die Gesprächeseiner Gäste zu belauschen und darüber zu berichten,mit Entrüstung von sich wies. Man konnte ihm jedoch bis jetzt nichtsanhaben. Vor 14 Tagen war endlich die Gelegenheit da. Bobkiew itz,der an der Lynchjustiz gegen Mahlow-Jhring Theil genommen habensollte, vom Gericht aber freigesprochen worden ist, hatte bei Wesenackverkehrt. Dieser wurde nun vorgeladen und befragt, ob er nicht wisse,daß Bobkiewitz in seinem Lokal sich wiederholt gerühmt, den Mahlow-Jhring durchgeprügelt zu haben. Wesenack weigerte sich, der Polizei zuLiebe einen Meineid zu leisten, und weil er kein Stöckerhat werden wollen, ist er a u s g e w i e se n w o r d e n ISo weit haben wir es gebracht im Reich der Gottesfurcht und frommenSitte.——Der„Leipziger Belagerungszustand", der in der letztenBundesrathssitzung ohne Diskussion erneuert wurde, war dem Reichs-tag noch nicht bekannt gegeben, konnte also nicht in die Debatte herein-gezogen werden.—Die Verwerfung der Schnapssteuer erfolgte einstimmig—allerdings eine bös« Ohrfeige für den Eisenstirnige»; die verschiedenenFraktionen erachteten es nicht für nöthig, Grabreden zu halten; es wur«den nur kurze Erklärungen abgegeben. Im Namen der sozialdemokratische« �—Fraktion sprach K a y s e r.lleber die am 26. Juni beendigte Session werden wir in der nächstenNummer ein kritisches Resüme geben.— Jetzt nach dem Schlüsse der ReichStagssessio« und nach-dem mit Hülfe eines Berliner Schöffengerichts dem Jhring-Mahlowdie Tugendrose des p r eu ß i s ch e n Polizei- undKlasfen-staats überreicht worden ist, kann das Trifolium Puttkamer-Bismarck-Jhring-Mahlcw nach Herzenslust wirthschaften, und es kommtein rascheres Tempo in die Ausweisungen. Natürlich ist nun auchSinger dafür bestraft worden, daß er an der Tugend des Jhring-Mahlow gezweifelt. Wenn wir hier Singer besonders erwähnen, so thunwir es nicht, weil wir glaubten, daß ihm mehr Unrecht geschehen sei alsirgend einem Anderen. Im Gegentheil: bei der hervorragenden Stellung,welche er in der Berliner Bewegung einnahm, hatte er auch eine hervorragende Anwartschaft auf die Ausweisung. Daß er sich keiner Unge-setzlichkeit schuldig gemacht, daß er stets vor„Ausschreitungen" gewarnt— das kann selbstverständlich nicht in's Gewicht fallen, denn von allenanderen Ausgewiesenen läßt sich mehr oder weniger dasselbe sagen. Wen«wir seiner Ausweisung hier besonders erwähnen, so geschieht es wegender eigenthümlichen, für das herrschende System charakteristischenUmstände, unter denen sie erfolgt ist. Singer erfuhr nämlich sein«Ausweisung nicht durch den üblichen Polizei-Ukas, sondern schon Wochenund Wochen vorher durch die infamen, von uns bereits gekennzeichneten,Denunziationsartikel der Stöcker'schen Polizeipresse, die fürdie damals bereits beschlossene Maßregel„Stimmung" zu machen beauf'tragt war. Diese Schandartikel— das wissen wir auf's Genaueste �waren auf dem Molkenmarkt geschrieben. Und der letzte schamlos«Hetzartikel in der„Kreuzzeitunz", der Allem die Krone aufsetzte undvon Singer in der Belagerungszustandsdebatte gebrandmarkt ward, istist von keinem geringer» veranlaßt, als von dem kaiserlichen deutschenPolizeiministerPuttkamer inPerson, der ihn durch seinenBruder(Puttkamer-Plauth) dem bankrotten Lumpazius Hammerfleinsouffliren ließ. Und nun mit zugehaltener Nase und sorgfältig emporge-hobenen Rockschößen weg von diesem Schmutz!»lfi«ndinPr«nlassi»ertro— Man schreibt uns aus Berlin:m. Ausweisungen in Berlin, Ausweisungen in Paris,der Monat Juni des Jahres 1386 wird als Ausweisungsmonat in derGeschichte einen dauernden Platz bekommen. Zwischen den Berlinelund Pariser Ausweisungen ist nur ein kleiner Unterschied: in Berli«sind es Arbeiter und Sozialdemokraten, die ausgewiesen wurden, inParis Prinzen und Reaktionäre. Beide Ausweisungsarten ge«hören zu einander wie Anfang und Ende. Erst kommen die Kleine«und Unterdrückten daran, bis die Kleinen und Unterdrückten sich zu zäh«!len beginnen und entdecken, daß sie die Macht haben, wenn sie nui:wollen, und dann kommen die Großen und die Unterdrücker an di«Reihe. Frankreich ist uns Deutschen, namentlich uns preußischen Deut-schen durch seine Revolutionen politisch voraus, und erreicht so die ge-!schichtlichen Entwicklungs- Etappen etwas früher als wir. Die Putt-ikamer, Bismarck, Jhring-Mahlow und Genossen mögen hinüberblicke«nach Paris;— dort sehen sie ein Stückchen deutsche Zukunft.Ganz ebenso wirds ja bei uns nicht gehen; kein Kulturvolk kopirt dalandere, aber eins lernt vom anderen, eins macht sich die Erfahrung««und Errungenschaften des anderen zu nutz, und das deutsche Volk hatvon dem französischen schon so Vieles gelernt— sogar die Puttkamer,Bismarck und Konsorten mußten ihr Bischen Weisheit sich dort holendaß wir überzeugt sind, es wird, wenn denn einmal durchaus ausg«-wiesen werden will, von ihnen auch das richtige Ausweisen lerne«.Apropos, unsere Reptilblätter, denen die Pariser Ausweisungen ar«in die Glieder gefahren sind, machen es den Franzosen zum Vorwurfdaß sie nicht gerecht handelten, denn die„ausgleichende Gerechtigkeiterheische, daß wenn Fürsten und Prinzen ausgewiesen würden, man au«?— Sozialdemokraten und„Anarchisten" ausweisen müsse.Nun— die Gerechtigkeit fängt zu Hause an, um ein bekanntes Sprichwort etwas modifizirt, aber dem Geiste nach korrekt zu zitiren. Untwenn die„ausgleichende Gerechtigkeit" die Ausioeisung von SozialdeM«"kraten als noihwendige Ergänzung der Ausweisung von FürstenPrinzen verlangt, dann verlangt sie nach unwiderleglicher Logil auch di«Answeisung von Fürsten und Prinzen als nothw endig«Ergänzung der Ausweisung von Sozialdemokraten und— nun, meine Herren, fangen Sie in Berlin an und besorgen S««die nothwendige„Ergänzung"! An Ausweisungsobjekten fehlts dort j»nicht; es wimmelt nur so von Fürsten und Prinzen. Und wer weiß-ist in Berlin der Fürstenschub dem Sozialdemokratenschub gefolgt, da««lassen die Franzosen sich vielleicht erweichen und arrangiren ihrerseitseinen Sozialdemokratenschub nach dem Prinzenschub. Nur immer hübs«?gemüthlich und konsequent.Abentletzte..DUM dlbesetztd» taNichtder*jeneseheßch nsprechst«,.blass-lschwi,die EParlo«achtlommAlsBertateress-Un»eisnursvlgei»E7 MiNehm«Idageblundsüencßerei,� Al-des zEsZeit»sollenDivortrUemalsDenkdasler u«ineiu dc°n d>überI-parla»ieltlich.heit— Aus Darmstadt wird uns geschrieben:Wie vorauszusehen war, hat der„sekrete" Erlaß des hessische'Ministeriums nicht nur in Darmhessen, sondern weit über die Grenzefhinaus gerechtes Aussehen erregt. Ein Theil der deutschen Presse w«sversucht, die Echtheit des Erlasses zu bezweifeln, und drückte den Wunssaus, es möchte recht bald dieser Erlaß seitens des Ministeriums offizieals„apokryph" bezeichnet werden. Mittlerweile recherchirt mannach dem, der das„Amtsgeheimniß" so schnöde mißbraucht hat; obErfolg, muß abgewartet werden. Die„Frankfurter Zeitung" berichtin dieser Sache:„Der von dem Zürcher„Sozialdemokrat" wiedergegebene Ministe,Erlaß wird bei dem Äiederzusammentritt der zweiten Kammer Gegefstand einer Interpellation bilden. Mehrere Abgeordnete, darunterhervorragender Ultramontaner, haben beschlossen, das Ministerium diüber zu interpelliren, ob es bei dem Erlaß aus eigenem Antrieb geh-delt habe und wodurch es hierzu veranlaßt sei, oder ob das Zirkulieiner allgemeinen Weisung von Berlin seine Entstehung verdankt."Zweifelsohne werden unsere beiden Mainzer Landtagsabgeordneten Jösund Ulrich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, die Initiative>'dieser„sekreten" Angelegenheit zu ergreifen. Material steht ja denselbe>!reichlich zur Verfügung, und wir werden nicht verfehlen, darüberberichten. Die Genossen wittern unter diesen Maßregeln die Vorbote'des kleinen Belagerungszustandes und ergehen sich schon in allerlei Koi«'binationen. Wie dem auch sei,«in enges Zusammenfassen aller Kräst'ist nöthig, die Opferwilligkeit unserer Leute muß, wenn der Schlag paWwerden soll, auf die Spitze getrieben werden. Wir müssen zeigen, d«>?„jsie" nicht uns, sondern wir„sie" haben.Sveasolleder-wahrinnerthaProvgericklineDers-hattePlandie ider,dasffiDiasstrutschaß«rarhchte«n, 1»efü!®l««icht«ttngiNv sM— Die Art�und Weise, wie die preußische Regierung bei d«'Ausweisungen zu Werke geht, ist recht charakteristisch. Sie Hände«kaltblütig und mit raffinirter Methode. Als Herr von Puttkamer WReichstag den famosen Ausspruch that, daß dem Jhring-Mahlow-Proz�eine Menge von Ausweisungen folgen würden, hatte die Polizei bereitsmehrere hundert Personen für die Ausweisung notirt, von den«'jedoch die größere Hälfte vorläufig zurückgestellt wurde. Im Momentwo wir dies schreiben, liegen auf dem Berliner Polizeiprästdium unz«fähr 100 Answeisungsformulare, vollständig ausgefüllt bis auf da-Datum. Als Wesenack vor 3 Wochen auf die Polizei zitirt wurd«um di« Ausweisungsordre zu empfangen, wurde sein Formular an'einem dicken Stoß herausgenommen. Da die Formulare nachNamen alphabetisch geordnet sind, so lag sein Formular ziemlichunterst. Paßt es den Puttkamer» und Puttkamerlingen, dann wirdFormular herausgezogen; aber nicht zu viel auf einmal. Die Wirlist bei tropfenweisem Ausweisen nachhaltiger, meinen die Herren,*■wenn mit einem einzigen Wolkenbruch Alles auf einmal abgemaVwerde. Der erste Eindruck eines solchen Wolkenbruchs wäre gewaltige�allein auch der gewaltigste Eindruck verliert sich mit der Zeit, llwdie Zeit der Ausweisungen soll recht lang dauern— damit d'Schrecken recht lang dauern. Nun— die Rechnung dürfte ein Loshcbei� Charakteristisch ist sie indeß jedenfalls. Uebrigens liegt die'ruhige, berechnende Grausamkeit ganz in der Hohenzollern'schen Nat�und Tradition. Man nehme nur die Badischen Standrecht«l»ien im Jahr 1849. Während die Oesterreicher nach NiederwerftdeS ungarischen Aufstandes brutal mit Massenexekuttionen kamen, da«-aber auch mit dem Gemetzel aushörten, wurden die gefangenen Reich-verfassungskämpser in Rastatt, Mannheim und Freiburg einen nach de«anderen, Monate hindurch, mit kaltem Blut und raffinirter Grausamwerschossen.Mit«ebo:»er idirwelqgehe«Eozi«irdtauSSdasEejitaiUnddie(