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Der
oMdemkral
Erscheint wo ch entlich einmal in Zürich (Schweiz ). Merlag der »olstSbuchhandlnng Hottingen»Zürich . N-Sselldungell franko gegen franko. Oewbhnliche Briefe nach der Schweiz losten Doppelporto.
M 33.
Briefe an die Redaktion und Erpedition de3 in Deutschland und Oesterreich verbotenen.Sozialdemokrat� wolle man unter Beobachtung äußerster Vorsicht abgehen lasten. In der Regel schicke man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Deckadresten. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.
11. August 1886.
Für die Opfn des Fmdergtr Pmklsts gingen ein: Mk. 2300— von einem Brasilianer. Mk. 24—(Fr. 30—)-uom Arbeiter» Unterstützungsverein La Billette- Paris für die kämpfenden Brüder in Deutschland . Mk. 30 SO für die Opfer des Freiberger Justiz- mordes gesammelt von Berliner Bourgeois. Mk. 13 50„Es gibt noch Richter in Deutschland ." Mk. 1000— von der Administration des »Sozialdemokrat". Die Admimltration des„Ssstaldemlikrat". Ein Rechtsspruch und ein Rechtsbruch. Wozu preußische Gerichtshöfe— das Elberfelder und das Kieler Landgericht— und wahrscheinlich auch das Oberlandesgericht in Düsseldorf , sowie die Strafkammer des Landgerichts der nationalliberalen Hochburg Leipzig sich nicht hergaben, was das Landgericht Chemnitz nach mehr- teigiger Verhandlung als unmöglich aufgab, das hat nunmehr das Landgericht Freiberg glücklich zu Stande gebracht: es hat Männer, denen nichts nachgewiesen werden konnte als die Bethätigung ihrer Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei, für schuldig erklärt, einer strafbaren Verbindung anzugehören, einer „Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften." Wenn je von einem richterlichen Erkenntniß, so kann von diesem mit besonderem Recht gesagt werden: die Geschichte seiner Entstehung ist seine beste Kritik. Wozu es in unseren Tagen, wo die Gerichtshöfe in Bezug auf Alles, was sozialdemokratisch heißt, gewiß nicht blöde sind, so langer Vorbereitung, der Ueberwinduug so vieler vergeblicher An- läufe bedurfte, das kann nicht der Ausdruck des wirklichen Rechtes sein, die Sache muß unbedingt ihren gewaltigen Haken haben. Und den hat das Freiberger Erkenntniß, der„Rechtsspruch" des Freiberger Landgerichts, in der That. Bis weit in die Kreise unserer entschiedensten Gegner hin- ein herrscht darüber nur eine Stimme. Da uns die Urtheilsbegründung, deren Verlesung über eine Stunde in Anspruch nahm—„man schreibt nicht so ausführ- lich, wenn man im Rechte ist", parodirt mit treffendem Witz „Züricher Post"— erst im Auszüge vorliegt, so gehen wir auf ihre Einzelheiten heute noch nicht näher ein, sondern beschäftigen uns vorerst nur mit den bereits bekannt ge- wordenen Schlußfolgerungen desselben. Das Haupt-— nicht doch, das einzige Argument des Freiberger Gerichtshofes ist die Verbreitung des„Sozialdemo- krat". Die Verbreitung des„Sozialdemokrat" ist verboten, die Angeklagten gehörten einer Verbindung an, die„zu dem Zwecke geschaffen worden ist, den„Sozialdemokrat" und an- bere verbotene Schriften zu verbreiten", will sagen, das Ber - bot der Verbreitung des„Sozialdemokrat"„durch ungesetz- lichc Mittel zu verhindern oder zu entkräften." Das ist Alles. Mit der Richtigkeit dieser Annahme steht Und fällt der ganze künstliche Bau des Urtheils. Nun ist merkwürdigerweise noch kein Einziger der An- geklagten und jetzt Verurtheilten bis dahin je wegen Ver- breitung des„Sozialdemokrat" verurtheilt worden oder auch nur in Untersuchung gewesen. Es ist auch nicht einmal der Versuch gemacht worden, ihnen eine Theilnahme an der Ver- breitung verbotener Schriften nachzuweisen, sondern einzig und allein aus ihrer Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei, von der der Gerichtshof zugeben muß, daß das Band, welches sie verbindet, nur ein geistiges ist, folgert er ihre Theilneh- werschast an einer�verbindung zur Verbreitung des„Sozial- deuiokrat". Für die Existenz einer solchen hat er aber wieder nur einen Annahmebeweis. Die systematische Art der Ver- breitung des„Sozialdemokrat" führt„zu der Annahme, daß �ine solche Verbindung bestanden hat" zc. Unsere Genossen sind also verurtheilt worden wegen ihrer muthmaßlichen Theilnahme an einer muthmaßlichen Verbindung zur Verbreitung deS„Sozialdemokrat" und anderer verbotener Schriften. Worauf stützt sich nun diese muthmaßliche Theilnahme? Auf die Thatsache der Anwesenheit aus sozialdemokratischen Kongressen, auf denen über den Stand und die Verbreitung des„Sozialdemokrat" Mittheilung gemacht wurde. Die be-- eiskräftige„konkludirende Handlung", welche das Reichs- gericht verlangt, besteht in dem— Änpökttt eines Be« dichtes!! Ist eine fadenscheinigere Beweisführung denkbar? Schon das erste Argument derselben ist hinfällig. Die Verbreitung de«„Sozialdemokrat" ist verboten, das Abonnement auf den- selben dagegen nicht. Es ist also keineswegs so absolut noth- Mendig , daß eine Verbindung zur Verbreitung des„Sozial- Demokrat" innerhalb der Partei bestanden hat, die Genossen können sich denselben auf dem Wege des direkten Abonnements Schaffen, genau so wie eine Anzahl hervorragender Politiker aller Parteien, wie verschiedene namhafte Gelehrte und ge- %te Institute, Bibliotheken zc.:c. Jedenfalls, fehlt selbst der
Schatten eines Beweises dafür, daß irgend einer der verur- theilten Genossen zu einer strafbaren Verbreitung des„Sozial- Demokrat" auch nur angerathen habe. Wie sehr die Herren Richter selbst herausgefühlt, daß ihre ganze Beweisführung in der Luft schwebt, geht aus ihrem krampfhaften Versuch hervor, dem harmlosen, in ganz Süd- deutschland und der Schweiz gang und gäben Ausdruck Ad- ministration Gewalt anzuthun. Hinter diesem Wort muß nach ihrer Darstellung Fürchterliches stecken. „Augenscheinlich bedeutet das Wort Administration diejenige Zentralleitung, die mit den Parteigenossen Deutschlands behufs Verbreitung des„Sozialdemokrar" in Verbindung stand." Augenscheinlich, verehrte Herren, bedeutet das Wort: Ad- ministration Verwaltung, wie Sie sich u. A. aus Nr. 29 Jahrgang 1884 und Nr. 30 Jahrgang 1885 unseres Blattes selbst über zeugen können, wo beide Worte als gleichbedeutend gebraucht werden. Doch wozu mit Leuten rechten, deren böser Wille so klar auf der Hand liegt? Sie haben nicht verurtheilt, weil sie nach formalem Recht verurtheilen mußten, sie haben verurtheilt, weil sie verurtheilen wollten. Selbst das famose Reichs- gerichtserkenntniß, welches das freisprechende Erkenntniß des Chemnitzer Landgerichts aufhob, konnte sie nicht zwingen, sich über die Lücken ihres Bcweismaterials hinwegzusetzen, es bot ihnen nur die Brücke dazu. Und sie benutzten sie mit größter Bereitwilligkeit. Sie sind nicht die vom Reichsgericht Gezwun- genen, sie sind die Mitschuldigen des Reichsgerichts. Das beweist das unerhört hohe Strafmaß, das in ganz Deutschland und im Ausland einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervorgerufen hat. Selbst wenn die Angeklagten das gethan, dessen sie beschul- digt waren und weswegen sie verurtheilt wurden, so hatten sie es seit nahezu 7 Jahren offen und vor aller Welt gethan, ohne daß bisher irgend ein Gericht sich bemüssigt gesehen� einzuschreiten. Nicht nur ihnen, sondern auch hervorragenden Juristen, Richtern, Staatsanwälten fehlte das Bewußtsein von der Strafbarkeit der ihnen zur Last gelegten Handlungen. Die Niederschlagung des Prozesses Oppenhcimer und Genossen mußte diese Auffassung noch bestiHen. Alles Umstände, welche im höchsten Grade strafmildernd in's Gewicht fallen mußten. Statt dessen erkennen die Richter bei einem Straf- Maximum von einem Jahr— ein Minimal-Zeitmaß ist gar nicht gesetzt, es Heißtim§ 129 nur: Gefängniß bis zu einem Jahre— auf sechs, beziehungsweise neun Monate Gefängniß! Nun, wir wissen, welche Faktoren da mitgesprochen, wir wissen, wer Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, daß das Recht gebeugt werde, wir wissen, daß der Prozeß auf Betrei- ben der preußischen und auf Geheiß der sächsischen Regierung unternommen und von dem sächsischen Justiz- minister Herrn Abelen von Anfang an persönlich geleitet wurde. Ein neuer Beweis für die Demoralisation der Justiz durch das Sozialistengesetz ist geliefert worden— nicht juristischer Geist, sondern der Geist der jetzt allmächtigen Po- lizei spricht ans diesem Erkennwiß. Er hat es diktirt, auf daß es ihm zu Gute komme. Es ist von jeher eines der letzten Auskunftsmittel der poli- tischen Reaktion gewesen, auf dem Wege der„Gesetzes aus- legung" sich neue Handhaben zur Verfolgung unbequemer Gegner zu schmieden, wenn man sie von der Gesetzgebung nicht erlangen konnte. Was dem zweiten Kaiserreich des Louis Bonaparte die„gemischten Kommissionen", das ist dem ersten Kaiserreich des Otto von Bismarck das Reichsgericht. Verschiedene Blätter haben die Vermuthung, beziehungsweise Befürchtung ausgesprochen, daß mit diesem Rechtsspruch, ein Rechts bruch im ureigensten Sinne des Wortes, eine neue Praxis gegen unsere Partei werde eröffnet werden. Mag man es versuchen, wir sind auch darauf vorbereitet. Die Sozial- demokratie hat noch stets die Konsequenzen der Situation zu ziehen gewußt, und wird es auch diesmal thun. „Im Namen des Gesetzes" ist das Gesetz mit Füßen getreten, die Gesetzlosigkeit zum Gesetz erhoben und die Gesetzlichkeit in die Acht erklärt worden. Wer dabei gewinnt und wer verliert— das haben die Richter von Freiberg und ihre Hintermänner in ihrem „beschränkten Unterthanenverstand" schwerlich begriffen.
Die Sozialdemokratie und die Frage der Frauenarbeit.*) �Ein Beitrag zur Programmfrage. Bei der Umarbeitung unseres Programms dürfte die Forderung des Verbots aller die Gesundheit und Sittlichkeit schä« digenden Frauenarbeit einer der Punkte sein, die nothwendig einer Prüfung unterzogen werden müssen. Daß die Frage des Schutzes *) In Nr. 31 d. Bl. hatten wir im Anschluß an die Ausführungen eines Mitarbeiters einen Artikel über unsere Stellung zur Frage der Frauenarbeit angekündigt. Inzwischen ist uns von einer Parteigenossin ein Aufsatz über das gleiche Thema zugegangen, den wir nun zunächst zum Abdruck bringen, um erst nach seiner Verössentlichung unseren eige- nen Standpunkt zu der Streitfrage zu entwickeln, in der, wie man sieht, die Meinungen in der Partei noch recht weit auseinandergehen.
der Arbeiterinen keine leicht zu lösende ist, beweist die Meinungsver schiedenheit, die in dieser Beziehung innerhalb unserer Partei herrscht, wo der Standpunkt der allgemeinen Gleichberechtigung der Geschlechter ziemlich einstimmig vertreten wird. Bon den aufrichtigsten, ehrlichsten Vertretern der bürgerlichen Gleich- berechtigung der Frauen wird das Problem der Schutzgesetzgebung zu Gunsten der Frauen einfach als ein noch zu lösendes Problem hinge- stellt, wie aus der folgenden Klage eines Mannes hervorgeht, der seit einem Vierteljahrhundert für die Gleichberechtigung der Geschlechter bei jeder Gelegenheit auf das Energischste eingetreten ist. In einer Korre« spondenz an das Woman's Journal(Frauenzeitung) in Boston , Ver- einigte Staaten, veröffentlicht den 26. Juni 1880, schreibt Colonel Higginson von Massachussetts: ... Als ich Mitglied der Gesetzgebung unseres Staates war, ver- ursachte mir keine Frage mehr Schwierigkeiten, als diejenige der ge- setzlichen Beschränkung der Frauenarbeit. Die damals in dieser Bezieh« ung gemachten Vorschläge waren mannigfach, sie schloffen in sich ein sowohl Verkürzung des Arbeitstages, wie das Verlangen, daß für Verkäuferinen in den Läden Sitzplätze eingeführt werden. In einigen Fällen gingen diese Vorschläge von den besten Freunden der Frauen aus. Es wurde hervorgehoben, daß ihre physiologische Konstitution besondere Rücksichten erheische, und daß das allgemeine Wohl des Staates verlange, die Gesundheit seiner Frauen zu schützen. In anderen Fällen liefen Vorschläge ein von Personen, welche wirklich nur die Beschäftigung der Frauen erschweren wollten, jedoch dieselben Argumente der Sicherheit und Gesundheit geschickt ausnützten. Und es war nicht leicht, den Konflikt zwischen diesen Motiven nach irgend welchem klaren Prinzip zu erledigen. Jede sogenannte Schutz- Maßregel für Frauen hat in der That ihre Schattenseite, solange die Frauen auf dem Arbeitsmarkte mit den Männern zu konkurriren haben. Zwingt einen Händler, für jede weibliche Person, die er ein- stellt, einen Sessel anzuschaffen, und ihr liefert ihm einen Grund, Männer vorzuziehen, für die er keine Sessel anzuschaffen braucht. Beschränkt die wöchentliche Stundenzahl der Frauenarbeit, und ihr bringt den Unternehmer in Versuchung, Personen des anderen Ge- schlechts anzustellen, in Bezug auf welche diese Beschränkung nicht gilt. Allgemein ausgedrückt, darf man behaupten, daß jeder gesetzlich garan« tirte Schutz für die Frau als ein Nachtheil für sie als Konkurrentin auf dem Arbeitsmarkte wirken muß. Nun, welche Seite soll der Gesetzgeber da berücksichtigen? Ich gebe zu, für mich ist dies eines der ungelösten Probleme dieser großen Frage. Hier in Amerika haben die besonderen Vertreter der bürger- lichen Rechts der Frau keinen klaren, konsequenten Standpunkt in Bezug auf das Prinzip, das hier in Frage komint, eingenommen, und die Frage ist weder je erledigt, noch auch endgiltig objektiv besprochen worden. Ich gestehe es zu, ich bin noch im Zweifel in Bezug auf das allge- meine Prinzip. Indessen scheint es mir im Ganzen weniger gefährlich, gesetzgeberisch zu wenig einzugreifen als zu viel. Ich bin der M«i> nungi daß das, ivas von einem tüchtigen Schriftsteller in Bezug auf die Arbeiter neulich so lebhaft betont wurde, von den Arbeiterinen noch mehr gilt, daß man ihnen nämlich nicht helfen darf dadurch, daß man ihren Abhängigkeitsstun vergrößert, sondern nur dadurch, daß man versucht, ihr Unabhängigkeitsbewußtsein zu erhöhen." Ich aber bin der Meinung, daß es eine prinzipiell richtige Stellung hier gibt, ohne daß man an das Gerechtigkeitsgefühl, noch an das Ge- fühl der Empörung über die Ausbeutung der Frauen, der Mütter der zukünftigen Geschlechter, noch an irgend welche andere Gefühle appellirt. Ich will diese unsere Forderung des Verbots„aller die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit" vom Standpunkt des Sozialismus prüfen; und ich glaube den Beweis erbringen zu können, daß sie von uns nicht gestellt werden darf. Schon ihrer Form nach ist diese Forderung ein Kautschuk-Paragraph schlimmster Art. Was sind denn alle die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeiten? Welchen Maßstab soll man dafür anlegen? Oder welche Branche ist bei der Art, wie heute überhaupt gearbeitet wird, denn ohne schädliche Wirkung sowohl für Männer wie für Frauen? Freilich fällt es Niemand ein, die Männer aus einer Branche aus- schließen zu wollen, ausgenommen in solchen Fällen, wo man die Branche aus allgemein menschlichen Rücksichten ausrotten kann, um den betreffen- den Gegenstand aus eine ganz andere Weise herstellen zu lassen, wie z. B. bei der Zündhölzchenindustrie. Wollte man den Vorschlag machen, alle Arbeiter aus allen die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Branchen auszuschließen, so würde die utopistische, sowie die Kautschuk« Natur einer solchen Forderung sofort Jedem in die Augen springen. Die moderne Gesellschaft kann gar nicht alle die Gesundheit und Sitt- lichkeit schädigenden Frauenarbeiten verbieten. Man denke nur an die Textilindustrie und die Rolle, welche in derselben die Frauen- und Kinder- arbeit spielt. Nun aber verlangt unsere Forderung, wie sie dasteht, das Verbot so ziemlich aller Frauenarbeiten, da es äußerst schwer ist, zu beweisen, daß irgend ein Arbeitsgebiet heutzutage keinen Schaden für die Gesundheit und Sittlichkeit mit sich bringt. Wie kann jedoch unsere Partei ein« solche Forderung stellen angesichts der Thatsache, daß die Frauenarbeit ebensosehr wie die Kinderarbeit ein integrirender Theil des modernen wirthschaftlichen Entwicklungsprozesses ist? Unsere Forderung unterstellt, daß die Arbeitsgebiete, die heute ge- sundheits- und sittlichkcitsschädigend sind, es auch ihrem Wesen nach bleiben müssen, ohne Rücksicht zu nehmen auf den beständigen Fortschritt der Technik, ungeachtet des unaufhörlichen Wechsels, der das Wesen der modernen Produktion ausmacht, wie schon im kommunistischen Manifest (S. S) dargethan wurde. Da heißt es: „Die Bourgeoisie kann nicht existiren, ohne die Produktionsinstru- mente, also die Produktionsverhältnisse, also sämmtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutioniren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen. Die fortwährende Umwälzung der Pkoduktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zu« stände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnen die Bourgeois- epoche vor allen früheren aus. Alle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neu gebildeten veralten, ehe sie verknöchern können." Dieser Revolutionirungsprozeß sorgt schon selbst dafür, daß Bran« chen, die gestern den Frauen verschlossen waren, ihnen heute zu« gänzlich werden, um ihnen morgen wieder entzogen und von Kindern oder verbesserter Maschinerie besetzt zu werden, wie es in vielen Branchen der Baumwollindustrie schon längst geschieht. Hier ist die Wirkung der Gesetzesparagraphen verschwindend klein im Vergleich zu der Gewalt des Entwicklungsprozesses selbst, und keine Gesetzgebung kann in irgendwie entscheidendem Maße die Frauen dem einen Gebiete zu« weisen und von dem andern ausschließen, aus Gesundheits-, Sittlichkeits« oder irgend welchen anderen Rücksichten. Hier entscheiden die Konkurrenz und die Technik. Was sind heutzutage die die Sittlichkeit schädigenden Franenarbeiten?