1 Dollars, auch 2 Dollars per Monat für Kohlen zugeschlagen, und hierzu kommen noch(50—75 Cents für das Fortbringen derselben. Es scheint allgemeiner Gebrauch zu sein, daß Pulver, Zündschnur, Oel, Baumwolle u. s. w im Kompagnie Laden gekauft werden muß. Und die Bergleute sagen:„Gehst Du anderswo hin, Dein Pulver zu kaufen, mußt Du anderswo hingehen, es zu verbrennen." Und eS scheint allgemein üblich zu sein, den Arbeitern von 20 bis 200 Proz. über die gewölnlichen Preise zu berechnen. Die großen Kompagnien, wie die R e ä d i n g- und die L e s i g h V a l l e y Company, die so viele einzelne Besitzer verdrängt haben, bewahrheiten das Sprichwort: Löwen fangen keine Mäuse, denn ob sie nun mehr Gewissen haben oder diesen Nebenverdienst verschmähen, oder ob ihre Verwalter zu sehr mit große- ren Methoden der Ausbeutung beschäftigt sind, sie haben bis jetzt keine Kompagnieläden eröffnet und erlauben ihren Arbeitern, ihre Lebensmittel zu lausen, wo eS ihnen gefällt. Mit diesen Ausnahmen aber sind die Kompagnie - oder, wie die Bergleute sie nennen, die„Rupf-mich">Läden in den pennsylvanischen Kohlenrevieren allgemein zu finden. Der„Rupf-mich"-Laden wird nicht immer von der Kompagnie gehalten, sondern ist oftmals an andere Firmen abgegeben, in welchen der Super- intendent oder andere Mitglieder der Kompagnie Interessen haben. Diese „Rups-mich">Läden scheinen den Namen, den die Arbeiter ihnen gegeben haben, wohl zu verdienen, da die Preise, die in denselben berechnet werden, 15—100 Proz. höher sind als die gewöhnlichen Detailpreise. Die Qualität steht dafür ebensosehr oft im entgegengesetzten Verhältniß zum Preise. Ein Bergmann klagte mir bitterlich, daß sie für Butter, „stark genug, eine Karre den Berg hinauszuziehen", 45 Cents iMk. 1 90) per Pfund bezahlen müßten, während man anderswo die beste frische Butter für 25 Cents kaufen könne. Mag sein, daß einige Kompagnie- Läden sich mit gewöhnlichen Preisen begnügen, ich habe in meinen Unter- Haltungen mit Bergleuten aus allen Distrikten nur von einem gehört. In diesem Fall war nämlich der Laden auf die Frau eines verstorbenen Mitgliedes der Firma übertragen worden, und sie, die in Newyork wohnt, hatte den strikten Befehl gegeben, nur nach allgemeinen Preisen zu ver- kaufen.
Frauenarbeit und Frauenstimmrecht. (Auch ein Beitrag zur Programmfrage.) Am 28. September referirte in Bern ein Genosse über die Frauen- frage, unter besonderer Berücksichtigung der obigen Punkte. An der Hand der von Bebel in seinem Buche:„Die Frau ic." niedergelegten Anschauungen und Thatsachen gelangte er zu nachstehenden Schluß- solgerungen: Wenn wir sehen» daß die Ehe als natürliche Versorgung der Frau nicht ausreiche, da sie nur einem Bruchtheil der Frauen mög- lich sei; die Ehe im Klassenstaat aber(speziell für die für uns in Betracht kommende überwiegende Mehrzahl aller Frauen, die Proletarier- frauen) eine Versorgung nicht darstellen könne, die Frage der Frauenarbeit also überhaupt nicht aus der Welt schaffe; ferner ein Verbot der die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit allerdings(wie die Verfasserin des in Nr. 33 ff. des „Sozialdemokrat" enthaltenen Artikels ausführt) eine Kautschuk- bestimmung sei und ein Verbot jeder Frauenarbeit ausdrücke, da man wohl bei jedem Industriezweig etwas die Gesundheit oder Sittlichkeit Schädigendes herausfinden könne; wir Sozialisten schließlich auch von dem uns einzig angemessenen Standpunkt der Gleichberechtigung Aller aus(denn dieser Stand- punkt ist die Grundlage aller sozialistischen Agitation, aller zuküns- tigen sozialistischen Organisation) den Frauen, die arbeiten müssen oder wollen oder können und Arbeit finden, das„Recht auf Arbeit " keinesfalls absprechen können; fo folge daraus, daß Punkt 5 des Programms in Bezug auf die Frauenarbeit gestrichen werden müsse. Hand in Hand damit müsse eine kräftige Agitation gehen, den a r- bettenden Frauen die ihrem B-rufszweige ent- sprechenden Gewerkschaften, resp. Arbeiter- oder Arbeiterinen-Vereine(gesetzlich und statutarisch) zugänglich zu machen und unter den Frauen für den Eintritt in solche, resp. zur Gründung eigener zu wirken, um so dem Lohndruck, der gegenseitigen Lohnschraube, nach Kräften entgegenzuwirken. Wenn außerdem gesetzlicher Schutz für schwangere und stillende Frauen verlangt werde, etwa zwei Monate vor und zwei Monate nach der Ent- bindung, resp. bis zur Beendigung des Stillens, ein Arbeitsverbot ein- treten solle, so verstoße das nicht gegen den Standpunkt der Gleich- berechiigung Aller, sondern decke sich mit der Forderung von Arbeiter- schütz überhaupt, um der wachsenden Degeneration entgegenzuwirken. Bezüglich des Stimm- und Wahlrechts derFrauen stand der Referent logischerweise auf demselben Standpunkt der Gleichberech- tigung Aller und vertrat die Forderung, daß dieses Begehren in unserem Programm klipp und klar auszusprechen sei. Er führte jedoch ein- schränkend aus, daß dem praktischen Jnslebentreten dieser Berechtigung vor allen Dingen vorausgehen müsse die Gewährung völliger K o a l i- tionsfreiheit, damit den Frauen erst Zeit und Gelegenheit zu politischer Schulung geboten sei, serner eine rege Agitation von Män- nern und Frauen, um letztere zu einem starken Bruchtheile zu dem Verlangen des Wahlrechtes(aktiv und passiv)— etwa wie die belgischen Arbeiter— zu bringen, da, wie er meinte, ei» richtiger oder auch nur ausgiebiger Gebrauch von dem Wahlrecht nicht gemacht werden würde, wenn es den Frauen als ein Geschenk in den Schooß fiele. Wenn man übrigens bedenke, ein wie geringer Theil von Männern erst klassenbewußt vom Wahlrecht Gebrauch mache, trotz langer politischer Schulung, so sei erst recht zu verlangen, daß nicht gleichzeitig mit dem Fallen so vieler für die Frauen noch bestehender Fesseln auch dieses Recht gewährt werde. Er ezemplifizirte hiebei aus die Negersklaven in Nordamerika , die auch von ihrem Wahlrecht den denkbar schlechtesten Gebrauch machen und oft ihre eigenen Unterdrücker wählen, wie es ja bei uns viele Arbeiter auch nicht besser machen. Schließlich warnte er davor, auf das Wahlrecht der Frauen für unsere Sache große Hoffnungen zu setzen, da dasselbe sich, namentlich im Be- ginne, sehr leicht gegen uns gebrauchen lassen werde, was uns natürlich nicht abhalten dürfe, dasselbe zu verlangen, ohne es jedoch(gerade wie mit der Bekämpfung der Religion, die auch in der Hauptsache Denen zu überlassen sei, die nur diese, nicht aber auch die soziale Ungleichheit bekämpfen) zu einem besonders wichtigen Punkte unserer Agitation zu machen, und zwar hauptsächlich, um unsere Kräfte nicht zu zersplittern und von der Hauptfrage: Befreiung der Arbeit, abzulenken, sodann aber auch, weil das Frauenstimmrecht neben uns ja von Berufenen und Un- berufenen genug gefordert werde und es uns auch nicht in den Sinn kommen könne, unsere Kräfte daran zu setzen, Schulden zu bezahlen, die Jahrtausende hindurch von allen Generationen aufgehäuft wurden. Dieses Referat scheint uns zur Klärung der Ansichten in dieser Frage Einiges beizutragen, weshalb es vielleicht gut wäre, demselben im „Sozialdemokrat" Raum zu geben.
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Sozialpolitische Rundschau.
Zürich , 12. Oktober 1S8S. — Das Reichsgericht hat seine Schuldigkeit gethan und die von unfern Genossen gegen das berüchtigte Freiberger Urtheil eingelegte Revision verworfen. Dieses Ende des schmachvollen Tendenzprozesses wird Niemand überraschen. Seit seinem Bestehen hat der„höchste Gerichtshof des deutschen Reiches " nicht ausgehört, sich alS ein jederzeit williges Werkzeug der politischen Reaktion zu be- thätigen, dem leisesten Winke von Berlin allerunterchänigst Folg« zu leisten.„Die ihr in politischen Dingen an uns appellirt, lasset jede Hoffnung fahren," sollte man über die Pforte des Gebäudes schreiben, in welchem das Kardinalskollggium des deutschen Rechtspfafsenthums seine„unfehlbaren" Sprüche zusammenleimt. Sie sprechen nicht Recht, sie machen Recht— aus allerhöchsten Befehl.
Nun, unsere verurtheilten Genossen haben nichts anderes erwartet, wenn sie überhaupt Revision einlegten, so geschah es nur, um den Ten- denzcharakter des gegen sie eingefädelten ProzeffeS nach allen Richtungen hin festzustellen, dem Volk zu zeigen, w:e es mit der Rechtsprechung unserer Tage beschaffen ist. Nichts wirkt revolutionirender als die Unter- grabung des Rechtsbewußtseins im Volk, und von diesem Standpunkt aus kann man dem Reichsgericht die Anerkennung nicht versazen, seiner Mission als Förderer der Untergrabung der heutigen Staats- und Ge- sellschaftsordnung treu geblieben zu sein. So hart daher die von dem edlen Dioskurenpaar Pattkamer-Abeken angezettelte Rechtsschurkerei die Einzelnen der Verurtheilten trifft, und es hieße die Schurkerei abschwächen, wollten wir das leugnen, so wird unsere Partei den gegen sie geführten Streich nicht nur ungeschwächt aushalten, sondern sogar neue Kraft aus ihm ziehen. Eine Anzahl un- serer in den vordersten Reihen kämpfenden Streiter wandert ins Ge- fänzniß, aber sie nehmen das erhebende Bewußtsein in dasselbe mit, daß die Armee darum doch um keinen Augenblick im Kampfe einhält, sondern rastlos vorwärts dringt, entschlossen, nicht nachzulassen, bis der Feind besiegt am Boden liegt. Dem Gegner aber, der geflissentlich bemüht ist, uns zu s ch ä d i g e n, wo er nur kann, töne von jetzt ab als Devise unserer Kämpfe ins Ohr: Rache für Freiberg ! — In Bulgarien wirthschastet sich Rußland gründlich ab. Der „diplomatische Agent" K a u l b a r s hatte geglaubt, durch rüpelhaste Unverschämtheit auf der einen und mit zynischer Offenheit betriebene Bestechungen auf der anderen Seite die bulgarische Regentschaft voll- ständig lahmlegen und einen Aufstand zu Gunsten Rußlands anzetteln zu können. Er hat aber weder das Eine noch das Andere erreicht. Die Handvoll bulgarischer„Patrioten", die sich von ihm haben kaufen lassen, entgehen, wo sie sich zu zeigen wagen, nur mit Mühe der Steinigung, und die Regentschaft hat in dem wesentlichsten Punkte: Hinausschiebung der Wahlen, nicht nachgegeben. Die Wahlen zur großen Nationalver- sammlung haben am 11. Oktober stattgefunden, und über das Resultat derselben besteht gar kein Zweifel: die übergroße Mehrhett der Ge- wählten wird der Regentschast gegenüber den russischen Zumuthungen entschieden zur Seite stehen. So hat der Unabhängigkeitssinn des bulgarischen Volkes der europäischen Diplomatie wieder einmal aus der Putche geholfen und namentlich Bismarck aus der Verlegenheit befreit, in die ihn feine Nachgiebigkeit gegenüber Väterchen gebracht. Hört man die Bismarck 'schen Lohnschreiber, so hat ihr Herr und Meister natürlich alles schon vorher gewußt, wie es kommen werde— nach ihnen war er über die Gesinnung jedes einzelnen Bulgaren im Voraus unterrichtet— aber das ist selbstverständlich eitel Flunkerei. Die zwei Milliarden russischer Staatspapiere, die sich in deutschen Händtn, und zwar fast ausschließlich in den Händen seiner Klassengenossen und seiner Freunde von der hohen Finanz befinden, spielen für den alten Zyniker von Friedrichsruh - eine ganz andere Rolle als die Unabhängigkeit des Bulgarenvolks. Erklärte er doch erst neuerdings wieder in seinem„Botschafter". Organ den „Streit zwischen Kaulbars und der Regentschaft", d. h. die Agitationen des Lümmels Kaulbars zur Herbeiführung einer militärischen Besetzung Bulgariens , für einen häuslichen Streit in der— slavischen Völker- familie. Slavische Völkerfamilie ist sehr nett, es ist der Lieblings ausdruck der panslavistischen Hetzpresse, für die der„Selbstbeherrscher aller Reußen" das geborene Väterchen dieser Familie ist. Wir haben schon zu häusig nachgewiesen, welche Gefahr für die Frei- heit der westeuropäischen und der slavischen Völker selbst in jeder Aus- dehnung der Machtstellung des zaristischen Rußlands liegt, als daß wir es noch nöthig hätten, darauf eingehend zurückzukommen. Wie tief diese Ueberzeugung Gemeingut des deutschen Volkes ist, hat die Haltung der großartig besuchten Volksversammlung in Dresden am K. Oktober bewiesen, in der Genosse Bebel über„Deutschland und die bulgarische Frage" referirte. Gegen 3500 Personen lauschten im Saale, über 1000 im Vorhofe des Lokales seinem Nachweis, daß und warum deutsche Interessen, entgegen den Behauptungen der Reptilien- presse, aus dem Balkan in Frage kommen, und nahmen am Schluß der- selben einstimmig folgende Resolution an, der wir uns nur voll und ganz anschließen können: „Die Versammlung erklärt, daß sie jede Erweiterung der Machtstellung Rußlands auf der Balkanhalbinsel als eine schwere Schädigung der Interessen Deuschlands ansieht und darin zugleich eine Gefahr für die gesammte westeuropäische Kuliurentwickelung erblickt, sie erachtet es daher als eine Hauptaufgabe der deutschen Politik, den Bestrebungen Rußlands nach Machterweiterung auf der Balkanhalbinsel mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten." Hinge die Versammlungsfreiheit in Deutschland nicht von der Willkür der Polizei ab, so würde allüberall im Lande dem Beispiel Dresdens gefolgt werden, ein wahrer Sturm sich gegen die russischen Anmaßungen erheben. Aber den Herren Staatslenkern paßt es nicht in den Kram, die Volksstimme zum Ausdruck kommen zu lassen, und N'emandem weniger als Bismarck . Das Volk soll ruhig mitansehen, wie der Karren in den Dreck gefahren wird, dafür bleibt ihm hinterher das Vergnügen, ihn mit Ausopferung seines Gutes und Blutes wieder herauszuziehen. Ihm die Kosten und seinen Regierern die Ehre, das ist die Devise. Und sie wird es auch solange bleiben, bis das Volk sich endlich aufrafft und der Zwingherrschast einer Handvoll Intriganten ein Ende inacht. — Seit Bismarck in den Belcidignngsprozcsfen ein Haar ge- funden, Stöcker sogar eine ganze Kollektion von Haaren, würden die politischen Beleidigungsprozesse im deutschen Reiche in Gefahr sein, gänzlich einzuschlafen, wenn— der Jhring-Mahlow nicht wäre. Dieser Biedermann, der mit Bismarck und Stöcker die Wahrheitsliebe theilt, th-ilt mit seinen hochgestellten Vorbildern auch die Eigenschaft eines Ehrgefühls von so feiner Verfassung, daß es bei dem geringsten Angriffe Schaden leidet. Und so ist er denn schon jetzt nicht nur der glaubwürdigste, sondern auch der leichtestbeleidigte Mann im deutschen Reiche. Das hat dieser Tage wieder der Tischler B e r n d t erfahren. Derselbe hatte es sich bei einem Ausfluge mit Kameraden nicht versagen können, in das Fremdenbuch des am Teufelssee bei Köpenik gelegenen Wirths- Hauses den in Berlin sehr populären Vers: „Den Sozialismus in seinem Lauf Hält weder Ochs noch Esel aus" einzuschreiben und mit„Jhring-Mahlow-Puttkamer" zu unterzeichnen. Darin fand Biedermann I h r i n g eine Beleidigung seiner persönlichen Ehre— er ist ja zweifelsohne tiesinnerlich überzeugt, daß jeder Ochs und Esel den Sozialismus in seinem Lauf aufhalten kann— und er stellte daher Strafantrag gegen Berndt. Der Staatsanwalt— Jhring ist ja„Be- amter"— beantragte denn auch, den Berndt für seine Frevelthat zwei Wochen hinter Schloß und Riegel festzusetzen, das Köpenicker Schöffen- gericht fand aber diese Strafe angesichts des„gemeingefährlichen Trei- bens" der Sozialdemokratie in der sonst so idyllischen Köpnicker Gegend für zu gering und verurtheilte Berndt zu vier Woche. n Ge- fängniß! Hoffentlich läßt es sich jetzt Niemand beikommen, in dem verhängniß- vollen Fremdenbuch Betrachtungen darüber anzustellen, ob, was weder Ochs noch Esel möglich, vielleicht von den Köpeniker— Schöpsen durch- gesetzt werden kann. — Ein Vertreter der Wissenschaft über die heutige Ge- sellschaft. llcber die Ursachen des Jrrseins schreibt i» berühmte englische Irrenarzt Henry Maudsley in seiner I8K7 publizirten und 1870 von Böhm ins Deutsche übersetzten Schrift„Die Physiologie und Pathologie der Seele"(S. 213 und 214) folgend« mit dem Arbeiterprogramm übereinstimmende Ansichten: „Eine weitere und sicherlich nicht die geringste von den üblen Folgen, welch« aus gewissen, durch unsere gegenwärtig« Zivilisatton ge- schaffenen Zuständen hervorgehen, ist die allgemein verbreitete Furcht und Abscheu vor der Armuth, und das leidenschastlicheStre- ben, reich zu werden. Das praktische Evangelium unserer Zett, das überall mit Worten und Werken bekannt wird» ist daS des Gelderwerbs; die Menschen werden hauptsächlich nach dem Grad ihres Wohlstandes geschätzt, und diese Rücksicht de- stimmt auch ihren sozialen Rang, demzufolge wenden sie auch all' ihre Kraft auf, das zu erreichen, was ihnen Achtung und Einfluß verschafft. Di« Folge davon ist, daß in den höheren Schichten von H a n- del und Verkehr Spekulationen aller Art eisnzst betrieben werde», und daß viele Wenjchen durch die Schwankungen des Geldmarkts in
einer beständigen Aufregung und Angst erhalten werden. In den niederen Schichten des Handels ist dieselbe hastige Begierde auf geringen Gewinn gerichtet, und die beständige Absorbirung der Seele durch diesen geringfügigen Gewinn erzeugt eine Kleinheit der Seele und eine Dürftigkeit d e S Geistes, wo sie nicht zu wirklicher Ehrlosigkeit führt, die man nirgends in bedauerlicherem Grade finden kann als bei gewissen kleinen Handelsleuten. Die Beschäftigung eines Menschen verfehlt nicht ihren modifizirenden Einfluß auf seinen Charakter, und die Rückwirkung, die ein Leben, das sich das einzige Ziel gesteckt hat, Reichthümer zu erwerben, auf die Natur eines Individuums ausübt, ist eine äußerst verderbliche. Es sind nicht Wogen innerer Aufregung, die die Seele des Kaufmanns verwirren und zu rasereiähnlichen Ausbrüchen führen— obwohl auch dies zuweilen vor- kommen kann— es ist nicht ein Fehlschlagen auf der Höh- einer Geld- krisis, das seine Kraft lähmt und ihn tiefstnnig macht— wiewohl auch dies manchmal zutrifft— sondern die Ausschlietzlichkeit seines Lebenszieles und seiner Beschäftigung ist es, die nur zu oft das moralische oder altruistische Element seiner Natur untergräbt, ihn zum theilnahmlosen Egoisten und Pedanten macht und in seiner Person die menschliche Seite der Natur zu Grunde richtet. Was ist die Konsequenz hiervon? Wenn irgend eine Ueberzeugung in meiner Seele durch Be- obachtungen und Beispiele fester geworden ist als eine andere, so ist es die, daß es ä'u Herst unwahrscheinlich ist, daß ein solcher Mensch gesunde Kinder erzeugen wird, im Gezentheil, es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß die von ihm erworbene Korruption seiner Natur als ein verhängnißvolles Erbgut auf seine Kinder übergehen wird. In verschiedenen Fällen, wo ein Vater sich aus Armuth zu großem Wohlstand aufgeschwungen hatte mit dem Ziel und der Hoff- nung, eine Familie zu gründen, habe ich eine geistige und phy- i sischeVerkommenheitseinerNachkommen erfolgen sehen, die zuweilen so weit ging, daß sie zum Aussterben der Familie im dritten oder vierten Grade führte. „Wenn, vielleicht durch den günstigen Einfluß einer Mutter, das Ver« derbniß nicht bis zum Jrrsein oder zur Lasterhaftigkeit führt, so zeigen sich doch Spuren davon in einer instinktiven verschlagenen Schlauheit und Falschheit und einem hohen Grade von Selbstsucht— Naturen, die keiner wirklich moralischen Empfindung, keiner wohlwollenden Gefühle fähig sind. Was auch andere, erfahrenere Beobachter hierüber denken mögen, ich muß nach dem, was ich gesehen habe, die Ueberzeugung aus- sprechen, daß eine übertriebene Leivenschaft für die Erwerbung von Reich- thümern, die die ganze Kraft des Lebens absorbirt, zu geistiger Degene- ration der Nachkommen den Grund legt— entweder zu Unmoralität oder zu sittlicher oder intellektueller Mangelhaftigkeit, oder endlich, unter ge- wissen Lebensverhältnissen, zum Ausbruch positiven Irrsinn s." Was Maudsley hier von den Wirkungen des leidenschaftlichen Stre- bens nach Reichthum auf die geistige Verfassung der Menschen und ihrer Nachkommen sagt, gilt in unfern Tagen— und das mögen sich die Herren Darwinianer hinter die Ohren schreiben, die stets nur von der Verooll«! kommnung der Menschen durch den Kampf ums Dasein zu erzählen wissen— in noch weit größerem Maße als zur Zeit, da die obigen, Zeilen geschrieben wurden. Die von allen Aerzten konstatirte Zunahm« der Nervenkrankheiten ist zum großen Theil auf Rechnung des gesteiger« ten Kampfes ums Dasein innerhalb der heutigen Gesellschaft zu schrei- ben, der fo zu einem Faktor der Entartung wird. So erklärt sich auch der geringe Einfluß deS so ungeheuer angewachsenen Wissensstoffes auf die Intelligenz der heranwachsenden Generationen. Das Lehr« Material ist reicher als je, die Lehrmittel zweckmäßiger als je, und die Jugend ist heute dümmer als je. Dem Verkommen der Menschheit da- durch entgegenzuwirken, daß der verderbliche Kampf ums Dasein durch eine höhere Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens ersetzt wird, ist die Kulturmission des Sozialismus. k. Bei der Begründung des Leipziger BelagerungSzn« stan des durch den sächsischen Kommissar, Herrn von Ehrenstein, wurde u. A. behauptet, daß ein Bruder des hingerichteten Reinsdorfs vom Drucker der„Freiheit" engagirt und in der Expedition der„Frei- heit" beschäftigt sei, ferner, daß dieser Bruder zuvor bei einem bekannte» Sozialisten in Leipzig gewohnt habe. Obgleich diese Behauptung, selbst wenn wahr, gar nichts zu Gunsten der Verhängung des kleinen Belage« rungszustandes über Leipzig bewiese, wie Herrn von Ehrenstein im Reichstag auch zur Genüge klar gemacht wurde, wollen wir zum Ueber- fluß noch konstattren, daß ein zweiter Bruder des Reinsdorff aus Pegau einem der bekanntesten unserer Parteigenossen schreibt, daß beide Angaben des Herrn von Ehren st ein aus UnlvahrheU beruhten. Der in Frage kommende Bruno Reinsdorff hat in Leipzig mit einem jungen Menschen aus Pegau zusammengewohnt, einem Schreiner, der weder als Sozialist noch sonst irgendwie„bekannt" ist, und in der Expedition der„Freiheit" war und ,st er auch nicht thätig. Die Herren in Dresden mußten in großer Verlegenheit sein, daß sie solchen Klatsch als„Gründe" für die Fortdauer des„Kleinen" über Leipzig am führten. Bei dieser Gelegenheit möchten wir den Herren in Dresden wie in Leizig einen andern Rath geben: sie sollen sich einmal offen klar machen, wie die Zustände in Leipzig und Umgebung vor der Verhängung deS „Kleinen" beschassen waren gegen heute, und wenn die Herren sich nicht selbst belügen und betrügen wollen, müssen siesichsagen, daßeinzigundallein ihre unterund feit dem Belagerungszustand getroffenen Maß- nahmen e s v er s chulden, wenn heute unter unseren Genossen im B e l a g er u n g sz ust and s g e b i et eine Er« bitterung und eine Empörung herrscht, wie sie vor- dem nie gekannt war. Nirgends in Deutschland hat sich die gegentheilige Wirkung der angeblich im Interesse der öffentlichen Orb- nung und Sicherheit erlassenen Polizeimaßregeln und getroffenen Chi« kanen so dem blödest-n Auge sichtbar gezeigt als in Leipzig und Um- gebung, nirgends ist ein größeres Maß von Verbitterung zwischen der Polizei und der sozialistisch gesinnten Bevölkerung anzutreffen, das habe» die Vorgänge der letzten Wochen und Monate zur Genüge gezeigt. Hieße Regieren die Anordnung weiser und gerechter Maßregeln zu» Beruhigung und Befriedigung der Bevölkerung, wie unsere Gegner ge- wöhnlich behaupten, vernünstige Staatsmänner Hütten nichts Eiligeres zu thun, als solche, Erregung und Erbitterung erzeugende Maßregeln» wie ben kleinen Belagerungszustand, aufzuheben. Wir wissen aber, daß Regieren heißt: Klasseninteressen wahren, Klassenjustiz üben, und f« wird fort„belagerungszustandelt". Es gibt Niemand, der mehr auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaft«- ordnung in einer den Frieden und die Eintracht de» Bevölkerungsklassen untergrabenden Weise hin- arbeitet, als unsere Gegner. Das ist zwar schon oft gesagt und bewiesen worden, aber es kann nicht oft genug gesagt und bewiesen werden. — In der vorletzten Nummer unseres Blattes berichteten wir über den Schweizerischen Stickcreiverband und den günstigen Erfolg desselben für die in der Stickerei beschäftigten Arbeiter. Nun, dieses Verband ist, wie wir aus einem neueren Eingesandt im„Grütlianer' ersehen, bereits wieder in der Auflösung begriffen. Ursache: die heilige, unantastbare„freie Konkurrenz." „Die Kaufleute", heißt es da,„sind nur darum in den Verband ge- treten, well es ihr Nutzen war. Dieselben hatten, bevor der Verband ifl Kraft trat, ganze Haufen Waar« auf Lager. Durch Ein' schränkung der Ueberproduktion und durch Ansehung eines Minimal- lohnes stieg dann der Preis der Waare, so daß sie dieselbe t h e u e r verkaufen konnten. Man sagt von einer Firma, sie habe für 2 Millionen Franken Lagerwaare gehabt und dann durch das Steigen des Preises daran eine halbe Million Franken gewonnen. Die meistenLag«' sind jetzt leer, und darum möchten die Kaufleute wieder billig Waare baben. Das erreichen sie nur durch Sprengung des Vel- bandet, woran sie wacker arbeiten. Es heißt bereits, einige de> größten Geschäfte wollen diesen Winter austreten. Die Einzslstia(- und Fabrikbesitzer mühten dann ebenfalls austreten, wenn sie Arbe>' wollten. Biel « Einzelsticker wären sogar froh, wenn der Verband au! gelöst würde; sie könnte» dann wieder IS Stunden per Tas arbeiten und würden dadurch natürlich die Löhne herabdrücken. Aber die den Bismarck, Windthorst, Richter ,c. so überaus theu� „wirthfchaftliche Freiheit" wäre wiederhergestellt.