NichiS betsufl bte LScherlichkiit der OschklhZuIer Ich'» B-Hauvlung drastUcher, als die ReichsiZüsreden der soi>alisli<chen Abgeordneten in den letzten Selsionen vor Schaffung des Pollzeiqeletzes. Was war zum Beispiel die letzte Rede Johann Most's im Reichstage? Die Be- fürwortung eines Gesetzes über die Legirung der Goldwaaren! Wie„erzieherisch" hat doch das Sozialistengesetz auf diesen Mann gewirkt! Aber da kommen wir bei Herrn Oechelhäuser an den Rechten.„Und wenn die Sozialdemokraten behaupten", sagt er,(wir zitiren nach der „Nationalliberalen Korr."),„dieses Gesetz hätte nur die Anarchie groß- gezogen, so könnte es ja fraglich sein, ob eine solche Scheidung im Schooße jener Partei beklagenswerth erscheint, indem ein starker Staat sicherlich leichter mit den offenen Anarchisten, den Verbrechern, fertig werden kann, als mit den Demagogen des Wortes und der Feder". Das ist des Pudels Kern, da haben wir den w i r k l i ch e n Zweck des Schandgesetzes. Es soll Anarchisten züchten, weil ein„starker Staat"— und welcher Staat ist stärker als der Polizeistaat von Be- ruf?— mit ihnen leichter fertig wird, als mit den verdammten Sozial- demokraten, die den Puttkamer und Konsorten nicht den Gefallen thun wollen, Putsche zu veranstalten, sondern sich darauf kapriziren, die Vorschläge gewifler Leute, die sich für Sozialreformer ausgeben, auf ihren wirklichen Werth für die Arbeiterklasie zu prüfen und jede Halb- heit unbarmherzig zu kennzeichnen, jedem Schwindel rückhaltslos ent- gegenzutreten. D a s ist unser Verbrechen, und darum muß das Sozia- listengesetz bestehen bleiben, ob Bismarck am Ruder ist oder B e- ningsen, ob Puttkamer über die Jugend des deutschen Volkes «acht oder Schorlemer-Alst , der im Jahre 1878, in der Sitzung vom 12. Oktober, pathetisch erklärte: „Wer wie wir unter solchen Ausnahmegesetzen ge» standen hat, kann nun und immer mehr für«in Aus- Nahmegesetz stimmen". Was Herr Schorlemer unter„nun und nimmer" versteht, siehe unten. — Eine Ohrfeige für die Freiberger Richter. Der Gouver- neur des Staates N e w- I o r k hat die aus Anlaß des bekannten Theiß'schen Boykotts zu längeren Gefängnißffrafen verurtheilten Arbeiter begnadigt. Welche Beweggründe den Mann wirklich dabei geleitet, haben wir nicht zu untersuchen, darüber werden unsere amerikanischen Genosien sich mit ihm auseinandersetzen. Für uns sind vielmehr die Gründe von Interesse, mit welchen Herr Hill seinen Gnadenakt vor der Oeffentlichkeit motivirt, von denen er also voraussetzt, daß sie allgemeine Zustimmung finden» dem allgemeinen Rechtsgefühl ent- sprechen. Er sagt da: „Es muß zugestanden werden, daß die Anklage neuinihrerArt und daß dies die ersten derartigen Schuldigsprechungen in diesem Staat gewesen sind. Es mag mit Gewißheit erklärt werden, daß vor diesen Schuldigsprechungen es nicht allgemein begriffen wurde, daß solche Handlungen, wie die von den Gefangenen begangenen, nach dem Straskodex Verbrechen konstituirten. Kein Gericht hatte sie durch sein Urtheil als solche erklärt und die Gefangenen waren keine Gesetzesgelehrte, sondern einfache Arbeiter, die ihre Ideen über das Ge- setz aus dem allgemeinen Gespräch des Volkes schöpften. Es ist schwer, sich der Schlußfolgerung zu verschließen, daß diese Gefangenen keine Idee hatten, daß sie durch ihre Handlungen irgend ein Gesetz des Staats ver- letzten, und daß sie in gutem Glauben handelten, wenn auch irrig und unweise. Es ergibt sich, daß Personen, die wegen der VerÜbung von fast gleichen Handlungen verhastet wurden, schon früher von den Polizei- richtern Rew-Aorks mit der Begründung entlasten worden waren, daß solche Handlungen kein Vergehen konstituirten» und die Gefangenen hatten diese Entscheidungen erfahren. ... Dlstriklsanwalt Martine, welcher die Prozesse führte, schrieb mir: Es sind starke Gründe für den Glauben vorhanden, daß die Angeklag- ten instruirt worden waren, daß die von ihnen begangenen Handlungen Nicht ungesetzlich waren, und daß sie, als sie dieselben be- gingen, nicht glaubten, daß sie das Gesetz verletzten. Diese Betrachtungen, aus solcher Quelle kommend, sind sicherlich nicht ohne Gewicht.... Die Prozesse fanden statt in einer Periode höherer öffentlicher Er- regung über die Arbeiterwirren, während Streiks im Gange waren und mit dergleichen gedroht wurde, und ist es möglich, daß die Motive der Gefangenen etwas zu streng gerichtet wurden. Nichtsdestoweniger wurden die Verurtheilungen in regelmäßiger Weise aus Grund vorliegender Beweise erlangt, welche von einem kompetenten Gericht als genügend be- trachtet, und keine Appellation wurde versucht. Die Verurtheilung muß deshalb als gerecht betrachtet werden und ist deshalb entscheidend für die Schuld der Gefangenen. Aber die Verkürzung der Straf- Perioden zieht die Rechtskraft dieser Erkenntnisse nicht in Zweifel. ...Bei der Verurtheilung der Gefangenen gab Richter Barett zu, daß „einige entschuldigende Umstände" vorhanden seien und er sagte zu ihnen: „Sie sind vielleicht auch durch falschen Rath getäuscht oder mißleitet worden...." Er erklärte serner:„Ich würdige die Thaisache, daß Sie irregeleitet wurden— daß Sie bei dem einleitenden Boycott möglicher Weise sich bezüglich der Gesetzlichkeit dessen, was si' thaten, geteusch! haben." Doch scheint es, daß diese entschuldigenden Umstände bei der Milderung der Strafurtheile nicht so in's Gewicht sielen, wie sie sehr Passender Weise hätten thun sollen." So Herr Hill. Wie man sieht, läßt sich fast Wort für Wort des hier Gesagten auf das Freiberger Urtheil anwenden. Auch unsre Genossen hatten nicht im persönlichen Interesse gehandelt, auch sie waren durch frühere Ge- richtsentscheidungen zu der Ueberzeugung gebracht worden, daß was sie gethan, nicht strafbar sei, ja sie konnten erst verurtheilt werden, nach- dem das Reichsgericht eine neue Definition des Wortes„Verbindung" konstruirt, und trotzdem erkannten die Herren Freiberger Richter nicht, was sie unter diesen Umständen„s e h r p a s s e n d e r W e i s e" hätten thun sollen, auf das niedrigste Strafmaß, sondern auf durchschnittlich achtmonatliche Gefängnißstrafe. Und die Ehrenmänner des Reichsgerichts gaben ihren Segen dazu. In Nr. 33 unseres Blattes gaben w,r der Hoffnung Ausdruck, den Namen der biederen Freiberger Rechtstreter bei der nächsten Ordens- Verleihung wieder zu begegnen. Nun, zwei derselben ist ihr Lohn schon geworden. HerrVollert, der Vorsitzende des Gerichtshofes, hat kluger- weise—„mir Sachsen sein helle," sagtAbeken— pränumerando, kurz vor dem Prozeß, seinen Orden erhalten, und Herr O e s e r wurde Unmittelbar nach dem Prozeß zum Landgerichts- direktor inZwickau befördert. Wann kommen die Herren B u r- sian, Jacobi und Riebold dran? �. Mögen sie sich einstweilen mtt rhrem Anthetl an der von New-York eingetroffenen Ohrfeige trösten. Sie reicht für alle Betheiligten auS. — AUS einer Quelle, die als die denkbar beste angesehen werden kann, erfahren wir. daß Junker Otto nicht nur. wie schon mitgetheilt ward, in das„anarchistische" Komplott gegen den Battenberger emge- weiht war und dasselbe ausdrücklich gebilligt hatte, sondern daß auch er «s war, der den Battenberger dazu verleitete, den bekannten Bettel- irief an den Zaren zu schreiben. Er erklärte nämlich, wenn dieser Brief geschrieben würde, werde der Zar sich zufrieden geben und Alles in Güte geordnet. Es war dies nur eine Falle, und man weiß, wie dieser Bettelbrief von den Bismarck'schen Repttlien dann gegen den �attenberaer ausgenutzt wurde, der so dumm gewesen, an Junker Otto s Ehrlichkeit zu glauben.— Daß die 5000 Millionen Mark, um welche der nämlich- Junker Otto den deutschen Philister zu Gunsten des unge- waschenen„Erbfreunds" beschwindelt hat, bei dem letzten Gang nach dlmütz eine Rolle spielten, ist unbestreitbar; allem es darf doch mcht vergessen werden, daß Junker Otto jenen S000 M.ll.onen-Schwmdel nicht »-macht hätte, wenn er nicht in der ruffischen Knute die Verwirklichung I-ines politischen Ideals erblickte. Der langjährige nationale Abgott Unseres Philisterthums ist eben ein russischer Agent. _ Ein freches Banditenstück wird aus Altona berichtet. Am vorigen Sonntag brach die Polizei bei einer Anzahl Maurer ein, »Nitt andern auch bei dem Maurer Stüven. Mitglied einer in einer Ssoße, i öffentlichen Versammlung gewählten Kommission, die den Aus trag erhalten hatte. Sammlungen für unterstützungsbedürftige Berufs- pnossm vorzunehmen, und später über die ordnungsgemäße Verwendung v-iselben öffentlich Bericht zu erstatten. In der Wohnung Stüvens fan- v«n nun die polizeilichen Langfinger in einer Kommode einen Beutel■ mit 93 Mark baar, und sofort bemächtigten sie sich desselben unter dem Vorgeben, es sei Spendengeld oder heimliches Fachvereins- geld. Vergeblich erklärte Stüven das Geld als seinen persönlichen Sparpfennig, vergeblich präsentirte er den freilich nur aus 30 Mark bestehenden Saldo der Spendengelder— was die Polizei hat, gibt sie nicht wieder heraus. Das Geld wurde als„gute Prise" mitgenommen, und als Stüven Tags darauf bei dem Banditenhäuptling Engel sein Geld zurückverlangte, erhielt er zur Antwort, es sei bereits dem Oberstaatsanwalt zugesandt, und auf eine Eingabe bei diesem wurde ihm der Bescheid, er solle doch beweisen, daß das Geld ihm gehöre, wo nicht, werde er, der Ober— staatsanwalt, darüber„verfügen". Heilig ist das Eigenthum, d. h. gestohlenes. — Bravo ! Mtt Bezug auf die Breslauer Denunzianten» Affäre schreibt die Breslauer„Volksstimme": „Nach den hier geschilderten Vorkommnissen hat die Arbeiterschaft der Provinz Schlesien , soweit sie zur Arbeiterpartei gehört, eine Ehrenpflicht zu erfüllen. Sie muß aufs unzweideutigste darthun, daß sie mit Leuten wie Zimmer, Störmer, Hövel und Kuhnert nichts gemein hat und mit ihnen nicht identistzirt werden darf. Zwischen dem ehrlichen Arbeiter, unter dessen geflicktem Wamms ein braves Herz schlägt, und dem Denun- zienten sowie seinen Handlangern darf keine Gemeinschaft mehr sein." Wir gehen schwerlich fehl, wenn wir in diesen Worten den Ausdruck des Urtheils der sozialistisch gesinnten Arbeiterschaft Breslaus erblicken. Obwohl wir keinen Augenblick darüber in Zweifel waren, daß dasselbe in diesem Sinne ausfallen werde, können wir doch nicht umhin, zu die- ser so energischen Zurückweisung der Denunzianten von Herzen Bravo! zu rufen. Mögen die Burschen, die sich eines verhaßten Konkurrenten dadurch zu entledigen suchten, daß sie ihm aus einer Rechtspraxis, die in keinem freien Lande besteht, einen Strick zu drehen suchten, sich ihres gelungenen Streiches freuen, der Verachtung aller anständig Denkenden, gleichviel welcher Partei, sind sie gewiß. — Verdientes Schicksal eines Denunzianten. Aus Chicago wird unterm 10. Oktober gemeldet: Dem Ex-Anarchisten Waller, der im Anarchistenprozesse den Angeber gespielt hat, ist es gestern Abend schlecht ergangen. Er wagte es, in eine Bierwirthschaft in der Welle Str. zu gehen, in der die revolutionären schweizerischen Arbeiter verkehren. Ungefähr 50 Arbeiter befanden sich in dem Lokale, die sofort aufrührerisch wurden, als sie den infamen Kerl erblickten. So wie er an den Schenktisch trat, wurden von den Tischen her Zurufe laut, die den Mann veranlaßten, sofort den Rückzug anzutreten. Das nützte aber nichts. Die Arbeiter verfolgten und umzingelten ihn; er wurde ge- packt, gewürgt und erhielt einige derbe Püffe, die ihn niederstreckten. Es gelang ihm jedoch bald, sich zu erheben und zu fliehen. Von einiger Entfernung aus richtete er auf die Arbeiter, die ihn noch immer ver- folgten, seinen Revolver und gab einige Schüsse ab, jedoch ohne Je- manden zu treffen. Er wurde abermals gepackt und gewürgt und ge- orseigt und wieder losgelassen. Er eilte von da aus zu Capt. Schaak's Polizeistation und meldete den Vorfall. Es gelang aber der sofort aus- rückenden Polizei nicht, der Verfolger Waller's habhaft zu werden. Waller hat seit dem Anarchistenprozeß noch keine Arbeit in seinem Gewerbe finden können und mußte in Folge ano- nymer Drohungen mehrere Male seine Wohnung ändern. Ein Bravo den Chicagoer Arbeitern! — Beliebig auszufüllen.„Wir halten die deutsche Politik gegen« über den............ Parteien für die einzig richtige. Nirgends sind die....... so zahm, so anständig, so bescheiden, als in Deutschland , und wenn wir der Wahrheit die Ehre geben wollen, so müssen wir sagen, daß das hauptsächlich die Bismarck-Puttkamer'sche Erziehung zu Wege gebracht hat. An ihren Früchten soll man auch jede Politik erkennen, und wenn wir behaupten, daß Bismarck die deutschen ...... mehr eingeschüchtert hat, als man in jedem anderen Lande der Welt bei ihren Gesinnungsgenossen finden wird, so fragen wir jeden Unbefangenen: Ist das wahr, oder ist das nicht wahr?" Der vorstehende Satz ist entnommen dem ultramontanen „Westsälischen Courier", dem Organ deS westfälischen„Bauernkönigs" Schorlemer-Alst. Die von uns weggelassenen Worte beißen der Reihenfolge nach:„sozialrevolutionären",„Revolutionäre ",„Rothen", man kann aber, ohne das Gewicht der Ausführungen zu beeinträchtigen, beliebig andere Worte in die Lücken hineinsetzen, so z. B.:„ultra- montanen",„Klerikalen",„Katholiken". Es ist ein Schema, das auf alles und jedes paßt, und mtt Hilfe dessen man jede Polizei- Infamie beschönigen kann. Und wenn wir behaupten, daß keiner Partei solche Hundsfötterei mehr zur Schande gereicht als den Ultra- montanen, deren Tiraden gegen alle und jede Ausnahmegesetzgebung noch unvergessen sind, so fragen wir jeden Unbefangenen:„Ist das wahr, oder ist das nicht wahr?" — Ein göttliches Weib. Vor dem Landgericht zu Augsburg hattte sich letzte Woche eine Bauersfrau zu verantworten, welche längere Zeit bei ihren Milchlieferungen an einen Käsereibesitzer einer Quantität von sieben Liter Milch etwa einen Liter Wasser beimengte. Die Bauersfrau gab die Anklage zu, wollte aber hierbei nicht eine Nah- rungsmittelfälschung begangen haben, denn sie habe ihren und den religiösen Gefühlen ihrer verstorbenen Eltern ge- horchend, nicht gewöhnliches Wasser, sondern aus Gottesfurcht, und um weiter einerBersündigung gegenGott zuent- gehen, Weihwasser beigemischt. Sie betrachte die von ihr begangene Handlung, Spendung von Weihwasser an die Milch, als einen Dank für die von ihren Kühen ihr gewordene Gabe Gottes. Das Landgericht, heißt es, war anderer Ansicht und verurtheilt« ste zu 30 Mark Geldstrafe. Mag gellen, denn die Kunden wollten Milch und kein Weihwasser. Aber doch war die Argumentirung der Bäuerin unan- fechtbar— so unanfechtbar wie ein K a i s e r w o r t. Schade, daß sie sich nicht auf Wilhelm's Beispiel berufen, der, um Gott dafür zu danken, daß er ihn von den Nobiling'schen Schrotkugeln gerettet, Ausnahme- gesetze und Belagerungszustand verhängte, und seinen glücklichen Einzug in Berlin aus Gottesfurcht und um einer Versündigung gegen Gott zu entgehen, durch Ausweisung von Familienvätern feierte. Jedenfalls hat sie ein Kaiserwort in feinem ganzen Werth« ersaßt:„Die Religion muß dem Volke erhalten bleiben." — Die amerikanische Arbeiterbewegung kommt immer mehr in Fluß, und folglich auch in das sozialistische Fahrwasser. Henry George hat sich bald überzeugt, daß es nicht genügt, als Arbeiter- kandidat aufzutreten, und hat sich in seiner Kandidatenrede als sozio- l i st i s ch e n Arbeiterkandidaten, wo nicht ausdrücklich bezeichnet, doch unzweideutig hingestellt. Es zeigt sich an ihm recht schlagend, wie die Logik der Thatsachen die Menschen beherrscht und vorantreibt. In seinen bisherigen Schriften ist Henry George stets aufs Sorgsamste dem Sozia- lismus aus dem Weg gegangen; er hat ihn fortwährend angestreift, und niemals bekannt und niemals— erfaßt. Er hat unter dem Druck der Bewegung, die ihn auf den Schild erhoben, einen Schritt vorwärts machen, und eine Forderung ausstellen müssen, die einen entschieden sozialistischen Charakter hat. Wir meinen die Forderung, daß die Lohn- arbeit abgeschafft und durch die kooperative Produktion ersetzt werden soll. Daß die Lohnarbeit die Grundlage des Kapitalismus ist, brauchen wir unsern Lesern nicht erst auszuführen. Ein konsequenter, zielbewußter Kampf gegen die Lohnarbeit ist ein Kampf zur sozialistischen Emanzipa- tion des Proletariats. Leider— und es wäre thöricht, wollten wir uns m Illusionen wiegen, oder Illusionen erwecken— darf nicht außer Acht gelassen werden, daß in englischen und amerikanischen Köpfen diese For- derung noch von mancherlei tradesunionistischem Nebel umhüllt ist, der noch beseitigt werden muß. Die englischen und amerikanischen Trades- Umonisten sowie die Arbeitsrttter und andere amerikanische Arbeiter» organisationen sind nämlich zum Theil noch in dem Wahne besangen, dle Lohnsklaverei laffe sich allmälig durch kooperative Assoziationen ver- drangen, welch« von den Arbeitern mit ihren Arbettergroschen begründet werden. Arbeiter sind sich in Bezug auf diesen Punkt !?' f.6 welch gewaltiger Humbug die Schulze» Delitzsch schen Genossenschaften waren, die ja dem, was man in England un->r.msnka unter Kooperativgenoflenschaften versteht, genau entsprechen. Und ebenso wie Schulze-Delitzsch es that, legen auch die Trades-Uniontsten w e.,n üanz besonderes Gewicht auf die Cooperativ Stores •Ii-km>>umv�eine, die den kapitalistischen Produktionsprozeß gar mcht direkt treffen. Wenn der gesammte Groß- und Kleinhandel durch Konsumvereine ersetzt würde, würde die Ausbeulung und Aussaugung der Arbeiter durch den Kavitalismus noch ungeichwächt forldauern können; und wenn der Kapitalismus sonst unberührt bliebe, würde eine allge- meine Einführung der Konsumvereine nur die Herabdrückung der Löhne um den Betrag der durch die Konsumvereine ersparten Summen zur Folge haben— so daß also die Arbeiter thatsächlich gar nichts gewonnen hätten. Das, worauf es ankommt, ist die Beseitigung der kapitalistischen Produktion, welche den Löwenantheil des Ertrags der Arbeit in die Taschen der Kapitalisten bringt, den Arbeiter zu einer proletarischen Exi- stenz verurtheilt, und die Urquelle all jener schmachvollen Zustände und Ungerechttgkeiten bildet, deren Ausrottung sich der Sozialismus zur Auf- gäbe gesetzt hat. Produktiv- Assoziationen können allerdings dem Kapitalismus gefährlich werden, jedoch nur unter der einen Bedingung, daß sie auch solide genug fundirt sind, um die Konkurrenz mit der kapi- talistischen Großproduktion auszuhalten. Sind aber die Arbeiter im Stand, die hierzu nöthigen Mittel durch freiwillige Beiträge zu beschaffen? In Deutschland ist die Frage zur Genüge ventilirt worden, und wir wissen, daß es nicht der Fall ist. Es gibt nur eine Möglichkeit: daß die Ar» beiter, um den Bismarck 'schen Ausdruck zu gebrauchen, die Klinke der Gesetzgebung in die Hand nehmen, und zwar kräftig, und für die rich« tige„Staatshülfe" aus den Taschen der Herren Kapitalisten selbst sorgen. Mit kleinen Experimenten ist da nicht gedient. Und das ist es, was die englischen und anglo-amerikanischen Arbeiter noch nicht begriffen haben und was ihnen begreiflich gemacht werden muß. — Aus den Zeitungsnachrichten, die uns jetzt über die zweite Auf- läge des Chicagoer BombcnprozesseS vorliegen, geht hervor, daß es sich um den Antrag der Angeklagten auf Gewährung eines neuen Prozesses handelte. An Stoff zur Begründung des Antrages fehlte es nicht, aber da die Entscheidung über den Antrag nach dem eigenthüm« lichen amerikanischen Gebrauch in den Händen desselben Richters liegt, der den ersten Prozeß leitete, ihm also zugemuthet wird, selbst einzu» gestehen, daß er Fehler begangen oder mindestens passiren ließ, so ist ein solcher Antrag schon unter gewöhnlichen Umständen in 99 von 100 Fällen aussichtslos, um wie viel eher in diesem Falle, wo der Richter es gar nicht für nöthig hält abzuleugnen, daß es sich um einen reinen Tendenzprozeß handelte. So sagt er in seiner Begründung der Zurückweisung des Antrages wörtlich:„Es erfolgte die Verurtheilung auch nicht auf den Grund hin, daß die Angeklagten direkt an der That betheiligt waren, welche den Tod des Polizisten Degan zur Folge hatte, sondern auf Grund, wie auch in den Instruktionen erläutert wurde, daß die Angeklagten durch Reden und Zeitungs» artikel die Volksmassen zur VerÜbung von Mord und Gewaltthaten aufreizten und die Zeit, den Ort rc. zur Ausführung derselben dem persönlichen Willen der Betreffenden überließen, und daß in Folge dieser Aufreizungen, schlechten Rathschläge k. und dadurch beeinflußt, irgend eine Person die Bombe warf, welche den Tod von Michael Degan veranlaßte. „Jeder derjenigen, welche in jener aufgeregten Zeit am Heumarkt durch Reden, in welchen die Massen abermals zur Gewaltanwendung aufgefordert wurden, die Aufregung auf's Höchste steigerten, so daß beim Herannahen der Polizei eine Person, ob nun identifizirt oder nicht, in dem Uebermaß der Au'rezung die verderbenbringende Bombe warf, jeder dieser Redner ist erst recht des Mordes schuldig. Wenn irgend etwas durch Umstandsbeweise«»wiesen wurde, so war es dies» daß der Bombenwerfer die That in Folge des Einflusses beging, den die von den Angeklagten gehaltenen aufreizenden Reden und die in den von denselben redigirten Zeitungen enthaltenen Brandartikel auf ihn ausübten. Die Lehren dieser Angeklagten waren es somit, welche diesen Bombenwurf erzeugten. Es steht dieser Fall beispiellos da und ist daher ein Berufen auf richterliche Entscheidungen bei demselben nicht möglich; es ist der e r st e Fall dieser Art." So wörtlich der Richter und Ehrenmann Gary. Ja, beispiellos, das ist in der That das richtige Wort, denn beispiellos ist es, Leute wegen der Tendenz ihrer Reden als Mörder hinzurichten. Was haben nicht schon Anhänger der bürgerlichen Parteien in Amerika in pun 'io Aufreizung zum Morde geleistet! Und doch ist es keinem eingefallen, sie zur Verantwortung zu ziehen. Das Horrende dieser Art Rechtsprechung kommt daher auch immer weiteren Kreisen zum Bewußtsein, so daß selbst die„Illinois Staatszeitung" sich veranlaßt sieht zuzugestehen, daß„nicht nur unter der eingewanderten, sondern auch unter der eingeborenen Bevölkerung die Zahl der- jenigen, welche eine Umwandlung des Todesurtheils in Strafgefangen- schast wünschen, täglich zunimmt. Davon kann sich Jeder über» zeugen, der Ohren zum Hören hat. Wir sprechen hier nicht von Kom» munisten oder Sozialisten, sondern von streng konservativen Leuten, welche das Urtheil der Geschworenen im Prinzip durchaus billigen, aber dennoch seine Milderung durch den Gouverneur wünschen." Und das bürgerlich-konservative Blatt fährt fort: „Es sei Unrecht", sage man in jenen Kreisen,„nur die Anarchisten zu hängen, während so viele erbarmungslose Monopolisten und Blutsauger in allen Theilen des Landes ungehängt, ja ungestraft bleiben. Es sei unbillig, sieben Schüler Johann Mosi's zu hängen, während Most selbst in New Jork mit einer kurzen Freiheitstrafe davongekommen sei, und während es, nach der Erklärung des Richters Gary selbst, nicht in der Macht des Staates Illinois stehe, ihn seinen hiesigen Opfern beizu» gesellen. Wieder Andere sagen: Nach dem Strafgesetze der meisten anderen Staaten würden die Chicagoer Angeklagten, da keinem von ihnen eine unmittelbare Mitwirkung bei den scheußlichen Mordthaten auf dem Heumarkt nachgewiesen worden sei, der Todesstrafe, wenn auch nicht der Gefängnißstrafe, entgangen sein und es sei allzu hart, gerade in Illinois den Galgen in einem Falle walten zu lassen, in welchem anderswo die Strafanstalt walten würde." Die Haltung der Verurtheilten vor Gericht verdient im allgemeinen volles Lob. Sie haben sich sämmtlich als gesinnungstüchtige Männer erwiesen und keine Spur von Schwäche gezeigt. Gegenüber den Schim- pfereien der kapitalistischen Presse halten wir uns verpflichtet, das aus- drücklich anzuerkennen. Von den Schlußreden ist besonders die Spies'sche hervorzuheben, und wir denken im Sinne unserer Leser zu handeln, wenn wir dieselbe in der nächsten Nummer zum Abdruck bringen. Natürlich verlassen sich die Verurtheilten nicht auf einen Gnadenakt, sondern werden an das Obergericht des Staates Illinois , bezw. an das Oberbundesgericht gehen, um ihr R e ch t zu erkämpfen, ohne sich freilich darüber Illusionen hinzugeben, was sie von diesem Kollegium zu erwarten baben.„Das Obergericht des Staates", sagt das„Illinois Tagbl.",„ist jedenfalls nicht weniger, sondern eher mehr identifizirt mit den Geldsacks-Jnteressen und die Schmiegsamkeit deS höchsten Bundesgerichts ist zu bekannt, als daß man erwarten dürfte, es werde sich dem Willen der herrschenden Klasse widersetzen." Man wird sie durch alle Instanzen verurtheilen und dann zu lebens» länglicher Einkerkerung„begnadigen". Auf diese Weise beruhigt man zugleich den Geldsack und das Gewissen. — Der arme abgebrannte Bismarck hat eine Erbschaft gemacht. Ein in Mexiko kürzlich verstorbener Deutscher . Namens Philipp Muth, hat, nach dem„Börsen, Courier", in seinem Testament u. A. auch dem Reichskanzler Fürsten Bismarck die Summe von dreitausend Dollars vermacht. Der Verstorbene wird als ein etwas sonderbarer Hagestolz geschildert, der jeden Cent sparte, sehr nothdürftig lebte und sich jeden Genuß entzog, obgleich er sich nach seinem Ver- mögensstande ein sehr behagliches Leben hätte schaffen können.—„Sollte," fragt die„Freisinnige Zeitung",„der Verstorbene bei gesunden Sinnen gewesen fein?" Ei, warum nicht? Geizhälse vererben am liebsten an Leute, von denen ste wissen, daß sie den Werth des Geldes zu schätzen wissen. — Auch eiue„Beleidigung". In Reichenbrand beiChem» nitz hat ein dortiger Sttumpswirker bei Gelegenheit einer Armen» vereinLsitzung den anwesenden Pfarrer Koch einfach mit Herr Koch angeredet, wofür ihn dieser wegen„Beleidigung in Ausübung seines Berufs" verklagt hat. Muß ein recht d e m ü t h i g er Christ sein, dieser empfindliche Pfaffe. Wir würden es an des Beklagten Stelle einmal versuchen und ihn mit dem, seinem Berufe entsprechenden Titel— Pastor ist lateinisch und daher nicht mehr zeitgemäß— Herr Schafhirt anreden. — Von Rah und Fern. Vom alten Wilhelm hieß es dieser Tage, er sei am Sterben. Dem ist aber nicht so. Als Beweis, daß
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8 (28.10.1886) 44
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