Nicht länger damit plagen müssen, einander gegenseitig zu bekriegen undanzufressen. In den Staatskassen liegt zur Zeit nur wenig G-ld, dagegenade ich mir während meiner Regierung einige hundert Millionen G el-en Schulden bei Seite gelegt und gedenke damit die gestimmte tapfereArmee mit Repetirgewehren neuester"Konstruktion zu versehen. Schenketmir dabei Eure Geduld und Aufmerksamkeit, und ich fahre fort, Euchein gnädiger und wohlwollender Herrscher zu sein."Der schweizerische Bundeirath spricht zu den National»räthen:„Ich verkündige Euch große Freude. Heute Nacht fiel auf dem Gott-hard zwei Meter Schnee, so daß die dort angelegten Festungswerke«ohlverwahrt find und von den hinterlistigen Italienern nicht angegriffen«erden können. In Deutschland drunten und in Frankreich liegt zurZeit viel Nebel, so daß man die Zahl der dienstbereiten Kanonenrohrenicht genau zählen und die Abstchlen der Nachbarn nicht gut erkennenkann. Wir müffen unS also darauf gefaßt machen, unverhofft aus demSchlafe geweckt zu werden, weshalb wir beantragen, Mordwerkzeuge unddergleichen Proviant für den Bedarf der nächsten zwei Jahre schon jetzteinzukaufen."So sprechen sie überall, die Vorsteher und Regenten dieser Welt. Esnaht die Weihnachtszeit, das G-burtSfest Desjenigen, welcher der Weltden Frieden verkündet. Europa rüstet sich, den Tag festlich und feierlichbegehen, und in einstimmigem Volapük hallt der FriedenSrus durchLänder der gesammten Christenheit:„Mehr Repetirgewehrel"Die Lage der Arbeiter in Pennsylvanien.Bon Henry George.(Für den„Sozialdemokrat" übersetzt von G. M.)Neue Folge. I.Eine der bemerkeniwerthesten Erscheinungen in der neuen industriellenGeschichte PennsylvanienL ist das Hervortreten einer neuen Klaffe—der„Pauper Arbeiter Europas". Die Italiener, die nach und nach ausaewiffen Iheilen Philadelphias— früher der Sitz eingeborner Ameri-kaner—«in„neues Jlalien" gemacht und im Eisenbahnbau imganzen Staat die Stelle des Jrländers eingenommen haben, sind auchins Bergwerk eingedrungen. Polen sind in Schuylkill und in LuzerneCounties in bedeutender Zahl zu finden, während die Ungarn oderunnen", wie man sie häufig nennt— eine Bezeichnung, welche ohneandere Unterscheidung E.nwanderer aus verschiedenen Distrikten deskontinentalen Europa einschließt— ein tiefgreifender Faktor in dentart- und Weichkohlenseldern geworden sind. Zum größten Theil im«rgwerk unbewandert, können sie nicht sofort die Stellen der geübtenBergleute einnehmen; sie beginnen als gewöhnliche Arbeiter im Berg-bau und lernen so, wenn auch auf Kosten von mehr Unglücksfällen, alsbei Anderen vorzukommen pflegen, daS Handwerk des Bergmanns,während die an allen Zechen nothwendigen Arbeiten über der Erde, ganzbesonders die„Abdeckung" in den Weichkohlenwerkeu, viel Gelegenheitzu ihrer Einstellung geben.Da sie nicht einzeln, sondern in größeren oder kleineren Abtheilungenkommen, eine fremde Sprache reden, in Heerden zusammenwohnen undin einer Weise leben, die weit unter der g-w>b nicht rühmenswerthenLebenshaltung des pennsylvanischen Bergmanns steht, und da man sieals importirt betrachtet oder mindestens angelockt zu dem speziellenZweck, die Löhne herabzudrücken und die Arbeitgeber unabhängig vonihren Arbeitern zu machen, so wurden dort diese Ankömmlinge natürlichMit Abscheu und Furcht betrachtet.Dies ist ganz besonders der Fall bei den„Hunnen", deren Zahl,Gewohnheiten und ihre Verwendung, Streiks zu brechen und Löhne zureduziren, sie(mindestens bis vor Kurzem) zum Gegenstand besonderenHaffeS und besonderer Furcht machten. Man betrachtet sie ähnlich, wiedie Chinesen an der pazifischen Küste; und mit der Ausnahme, daßman sie nicht als Heiden und Aussätzige verschreit, werden gegen siedieselben Klagen geführt: die Bereitwilligkeit, um jedweden Lohn zuarbeiten, die Fähigkeit, von beinahe nichts zu leben, schmutzige G.-wohn-heiten, die Sucht, ihr Geld in's Ausland zu schicken ,c. Uno obwohl diecharakteristische Nicht Assimilation, die die Chinesen-Einwanderung in denAugen eines jeden denksähigen Mannes so gefährlich machen muß, denUngarn nicht nachgesagt werden kann, so ist doch viel in ihrer Lebensart,daS sie dem Chinesen an der Pazifikküste gleichstellt.Sie wohnen in derselben Weise zusammen, zu 18 bis 24 Personen,von denen 2 oder 3 Frauen sein können, werden oft in einem kleinenHause gesunden, welches mit plumpen Bettbanken, eine über der ande-ren, ähnlich wie in einem Auswandererschiff, aber mit mehr Sparsam-kest hinsichtlich deS Raumes, ausgestattet ist.*)In diesen Häusern scheinen sie nach der Mode der ärmsten KlaffenLondons zu leben, die in einem LogirhauS ein Gewiffes für Schlafenund die Benutzung de» gemeinsamen Feuers bezahlen, und ihr Effenselbst kochen. Ob sie nun, wenn in Verlegenheit, Suppe von Abfällenkochen und die tobten Minen�Maulesel in Beefsteaks und Rostbraten zer-legen mögen, wie man ihnen nachsagt, klar ist, daß sie, wie durchdas gelegentliche Aushängen von Schinken und Speck an diesen Hau-sern ersichtlich. beffere Kost nicht verschmähen, wenn sie dieselbe bekommenkönnen. Im Coke�Distrikt ging die ungarische Frau mit zur Arbeit. Siewurde nicht direkt vom Minenbesitzer beschäftigt, sondern von ihremManne, der auf diese Weise befähigt wurde, mehr Oesen zu bedienen.Der Anblick halbnackier Frauen beim Coke-Ofen wurde als ein öffent-licher Skandal empfunden, was, unterstützt durch den Widerwillen derArbeiterbevölkerung gegen die„Hunnen", in der letzten Session derLegislatur zum Erlaß eines strengen Gesetzes führte. Durch dieses Gesetzwurde es äls ungesetzlich erklärt, daß eine Firma, Kompagnie, Korpo-ration oder Assoziation, deren Buchhalter, Agentm, Superintendenten,Beamten und Diener Frauen in oder außer einer Mine oder Kohlen-sabrikation beschäftigen, oder zu beschäftigen erlauben, bei Gesär.gniß undGeldstrafe, von welch letzterer die Hälfte dem Denunzianten und dieandere Hälfte dem Schulsonds des Distrikts zukommen sollte. DiesesGesetz, welches am 1. Juli lSSS in Kraft trat, unterdrückte sofort dieBeschäftigung von ungarischen Frauen und trug vielleicht so zu einemStreik bei, der das Vorurtheil gegen die Ungarn bedeutend verminderte.Ich sprach von dem feindlichen Gesühl gegen die Ungarn in der ver-aangenen Zeit, weil seit dem B.-ginn dieses Jahres dasselbe wenigerstark hervortritt. Bis zu jener Zeit blickte der Arbeitgeber auf den Un<garn als den„gelehrigsten" Arbeiter, und die Bergleute, mit ihren über-triebenen Einbildungen über„Pauperarbeit in Europa", rechneten nichtauf Betheiligung der Ungarn an einem Streik, sondern betrachteten sieals eine beständige Drohung gegen einen organisirten Versuch, sich mitden Arbeitgebern auseinanderzusetzen. Diese Anschauungen sind zumgroßen Theil modifizirt worden durch den Connelsviller-Streik, der inmanchen Beziehungen bedeutungsvoll genug ist, um genauer angeführtzu werden.Connelsville, in Fayette County, ist eines der Hauptzentren der Coke-fabrikation von Weichkohle, eine Industrie, welche in den letzten Jahrengroße Dimensionen angenommen hat, da man entdeckte» daß Coke mitgroßem Vortheil beim Schmelzen angewandt werden könne, selbst in derHuitkohlenregion, wo man, durch Füllung des Hochofens mit halb Cokeund halb Harlkohle, fünfzig Prozent mehr Eisen produzirt, als wennman nur Kohle verwendet. In Connelsville wird die Kohle zufolge derDicke der Adern und der Brüche, die durch sie lausen, mit großer Leich-ttgkeit gegraben, ein gewöhnlicher Arbeiter kann oft mit einem Schlagedrei Büschel herunterhauen. Die Kohle wird auf einem Geleise aus derMine gefahren, das über eine Reihe von O-fen gebaut ist, in die dieKohle gefüllt wird. Wenn die Gase abgezogen sind, wird die Thür ge-♦) Dieses haufenweise Zusammenwohnen, welches freilich durch dieArmuth hervorgerufen wird, ist in manchen Fällen für die Kompagnieprofitabel, wie das gedrängte Wohnen ähnlicher Klassen in den Städtenfür die Besitzer der Mlelhkasernen profitabel ist. Z. B. wurde ein Kom-pagnieHaus in Jesserson Counly für b Dollars und 75 Cents proMonat vermiethet. J-tzt wird es von 24 Männern und 3 Frauen be-wohnt. Die Männer bezahlen 1 D.llar pro Koos, den Frauen wirdabsichtlich nichts berechnet, und so bekommt die Kompagnie 24 Dollar»pro Monat.öffnet, ein Strom Wasser mit einem Schlauch eingeführt, der Coke aus-gezogen und der Ofen wieder gefüllt, und durch die in den Mauern ver-blieben« Hitze von Neuem enhündet. Da verhältnißmäßig wenig Geschicklichkeit bei dieser Arbeit erforderlich ist, so wurden die Ungarn in großerZahl angestellt, und die Bergleute, deren Organisation durch einen srü<Heren erfolglosen Streik gebrochen war, wurden zu einer Lebenshaltungreduzirt, welche die Connelsviller-Region für den Bergmann zu derschlechtesten in Pennsylvanien machte, da nicht nur die Löhne sehr nied-rig, sondern auch Kompagnieläden und alle anderen Ungerechtigkeiten,über die die Bergleute klagen, gang und gäbe sind. Die Coke.Produk-tion wird in dieser Region durch ein Syndikat streng kontrolirt, welchesdie Hauptminen bearbeitet und das Produkt anderer Besitzer, die ebensoin einer Produzenten� Assoziation vereinigt sind, auskauft.Der Connelsviller Streik entstand durch einen Mann WilliamMüllen, jetzt Sekretär der Bergleute und Arbeiter-Afloziation injenem Distrikt. Die letzte Reduktion der Löhne wurde 1884 gemacht,als der Coke achtundneunzig Cents per Tonne am Ofen brachte. Ob-schon der Preis bald zu 1 Dollar und 20 Cents ver Tonne stieg, wurdeder Lohn nicht erhöht, im Gegentheil sagen die Bergleute, daß ihr Lohnnoch fortwährend reduzirt wurde durch Vergrößerung der Wagen unddurch die Forderung, daß dieselben nicht nur vollgeillllt, sondern auige.füllt werden sollten in einer Art, die man Kameelshöker nannte; gleich-zeitig wurde die Füllung deS OlenS vergrößert.Im letzten Dezember schrieb Mr. Müllen an vertrauenswürdige Leutein verschiedenen Distrikten, um sich am Weihnachtsabend in Ecottdalezu einer geheimen Versammlung zusammenzufinden, zur Ausarbeitungeines Organisationsplanes. Rur ein Mann fand sich außer ihm ein,aber diese Zwei fanden zwei vertrauenswürdige Bekannte, und die Viervereinbarten, ihre Zahl zu verschweigen und vertagten die„Konvention"bis zum Neusahrstag. Gleichzeitig wurden Briese, Resolutionen enthal-tend, ausgeschickt, und in der Pittsburgher„Labor Tribüne" ein Berichtüber die„zahlreich besuchte Versammlung" veröffentlicht. Am Neujahrs-tag erschienen ungefähr sechs Delegaten und die„Konvention" beschloß.die Rückgängigmachung der letzten zehnprozentigen Lohnreduktion zu ver-langen und vertagte sich bis zum 18 Januar. Ein noch energischererAusruf wurde ausgesandt, noch ein Brief in der„Labor Tribüne" ver-öffenllicht, und in wenigen Tagen war die Forderung daS Gespräch desganzen Distrikts. Die Bergleute indessen waren unorganisirt. arm undmuthlos, und daß eine Zahl von ihnen das Herz hatte, den Kampf mitdem gewaltigen Syndikat aufnehmen zu wollen, mag wohl bezweifeltwerden. Aber das Unerwartete geschah. Die Ungarn, die bisher imVerdacht standen, für achtzig Cents zu arbeiten, wenn sie keinen D ff«bekommen konnten, bekamen Wind von dem, was im Werke war. Mög-lich. wie die Bergleute sagen, daß dieselben mehr geneigt waren, anderBewegung theilzunehmen, weil die Beschäftigung ihrer Frauen verbotenwar und hierdurch in vielen Fällen ihr Verdienst bedeutend beschnittenwurde— genug, wie dem auch immer sei, sie verlegten sich nicht auf'sBriesschreiben oder Berichte in Zeitungen zu veröffentlichen, sie hieltensofort eine enthusiastische Versammlung ab, und streikten sofort, ohneauf irgend eine Konvention zu warten. Die Wirkung war ansteckend.Schnell dehnte sich der Streik über den ganzen Distrikt aus, und alsder 1 6. Januar ankam, waren zwischen zehn- nnd zwölftausendMänner und Knaben ausgestanden, und die Konvention hattebei ihrem Zusammentritt nichts Weitere? zu thun als formell den Streikzu erklären und Mittel und Wege auszufinden, um den Distrikt zu or-ganistren und Aufrufe zur Unterstützung auszusenden. Der Appell wurdegünstig aufgenommen, und so stark war die Sympathie für die unter-drückten Arbeiter, daß selbst die Farmer, die allem Anderen als denBergleuten und ihren Streiks gutgesinnt sind, Lebensmittel schickten.Die„Hunnen" streikten nicht nur schnell, sondern auch mit Energie.Weit entfernt, wie einem Reporter des PittSburgher„Lender" von einemMinenbeamten von ihnen gesagt wurde, al« er zuerst in den Distriktkam,„bis zum Tode furchtsam vor dem Geietz" zu sein, und„daß derbloße Anblick eines Polizisten selbst den wildesten von ihnen zur Unter-werfung einschüchtere," gingen sie viel weiter als die übrigen Bergleutein ihrem Entschluß, Niemand zu den Werken zu lassen, so lange derStreik dauere; und selbst als«ine groß« Zahl verhaft.t und ins Ge-fängniß geworfen wurde, übte daS augenscheinlich keinen Einfluß auf sieaus. Es wurden nun Versuche von den Komvaqnien gemacht, Ungarnaus andern Distrikten und Emigranten von Castle Garden(Landungs-platz der Einwanderer) zu bekommen, doch ohne Erfolg; wenn die Leutezum Platz kamen und die Situation überschauten, verweigerten sie dieArbeit. Dann wurde der Versuch gemacht, die ZwangSaus lreibung an-zuwenden, und einige Familien wurden aus den Kompagnie!,äas-rn auS-gewiesen. Die Stimmung aber, die dadurch erweckt wurde, schien dochzu gefahrvoll zu sein, und nachdem ein Monat ausgehalten, gab dieKompagnie nach und verpflichtete sich, die Löirne zu dem früheren Satzvon 1884 zu erhöhen. Zufrieoen mit dem, was sie als einen großen Siegbetrachteten, gingen die englisch Redenden an die Arbeit, die Ungarndagegen waren nicht so schnell zufriedengestellt, sondern verweigerten,zur Arbeit zu gehen, bis diejenigen, welche ins G-sängnitz geworfenwaren, befreit seien. Sie wurden schließlich beruhigt durch das Verspre-chen, daß die Kompagnie die Fälle nicht versolgen wolle, und von denarretirten„Hunnen" wurden nur zwei zu sechszig Tagen Gesängnißverurtheilt.So endete der Connelsviller Streik. Aber wenn eine der Kompagnien,nachdem sie die Leute wieder emgestellt, den Versuch mach!«, dieselbenzur Unterzeichnung eines„eisernen Kontrakts" zu zwingen, wodurch siesich gewisser gesetzlicher Boriheile begaben, so überzeugte ein ersolgreicherStreik von einem oder zwei Tagen die Kompagnie bald von demneuen Geiste der Leute.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 28. Dezember 1888.— Preußische Weihnachten. Wer sich seines Widersachers inoffenem Kampfe zu entledigen trachtet, wird selbst bei denen, die nichtaus seiner Seite stehen, noch auf Achtung Anspruch haben, so lange erdiesen Kampf mit loyalen Waffen führt. Wer aber den ohnehin inungünstigerer Position befindlichen Gegner erst seiner wirksamstenWaffe beraubt, ihn dann hinterrücks übersällt ihn an Händen und Füßenknebelt und dem so wehrlos Gemachten dann noch mit den Füßen in's Gestchttritt, ist«in erbärmlicher Feigling, den jeder ehrliche Mann,und stehe er in der Sache felvft aus seiner Se»te, nur durch unddurch verachten kann.Die Waffe de» infamen Ausnahmegesetzes, mittel» welcher diepreußische Regierung des deutschen Reiches der Sozialdemokratie denGaraus zu machen sucht, ist schon an sich das direkte Gegentheil vonehrlich und loyal, und ihre Verichärfung durch die Anwendung deskleinenBelagerungszustandes ein Kampfmittel, für welchesmindestens das Wort ehrlos am Platze ist. Aber weit mehr alsdas, nichtswürdig im höchsten Grade ist es, wenn di-seSehrlose Kampfmittel dazu benutzt wird, der niederträchtigsten p e r s ö n>lichen Rachsucht zu dienen, d-m Gegner, den man auf ehrliche Weisenicht besiegen konnte, Pfeffer in die Wunden zu streuen, die man ihmhinterrücks beigebracht.Und das ist in Frankfurt am Main geschehen.Am Abend des 24. Dezember, Vorabend des Festes der christ»l i ch e n L i e b«, dem sogenannten h e i l i g e n A b e n d, hat es dieFrankfurter Polizei für passend gehalten, ein« größere Anzahl unsererGenossen unter Androhung der Zwangsvorführung,auf den Vormittag deS nächsten Tages vorzuladen. Form und Artdieser Vorladung ließen gar keine» Zweifel darüber Raum, daß es sichum nichts anderes handelte, als um die« u S w e i f u n g. Daß vonirgend einem der Ausgewiesenen während der Feiertage eine Handlungu befürchten gewesen, welche die Ruhe und Sicherheit Frankfurts inrgend einer Weise gesährdete, wagt selbst die Polizei nicht zu behaupten,die Wahl gerave dieses Termins hat vielmehr nur den einzigen Zweckgehabt, ihnen dasWeihnachtsfest, das nun einmal in Deutsch-land das am höchsten gehaltene Famstienfest ist, gründlich zuzerstören. Dem Schandduben von Hacke genügte die einiacheAusweisung nicht, er mußte den verhaßten„Rothen" in seinem Ueder»muth auch den Fuß auf den Nacken setzen und ihnen»urufen: NichtRecht und Geietz. nicht die Gebote der Menschlichkeit gelten für Euch,meine Laune allein entscheidet!Und alles das, während die Lippen noch triefen von Lobgesänge«aus ven Gott der Liebe und der V-rsöhnung!Das ist das Christenthum dieser Vertheidiger der gefährdeten Religio«,daS die Achtung vor dem Familienleben Seitens dieser Kämpfer fürdie bedrohte Familie l Elende Heuchler, die es weit mehr als dierömisch?» R-chtsbeflissenen zur Zeit des Augustus verdient hätten, daßman ihnen die Zunge ausrisse und sie den H'-nden vorwürfe!Nun, die deutsche Sozialdemokratie wird auch in einer, ihrer heutige«Auffassung entsprechenden Weise für diese Verbrechen an ihr Sühne z«erlangen wissen.Die„Frankfurter Zeitung" schreibt in ihrer Rummervom 28. Dezember über die Ausweisungen u. A.:„Die Vorladungen wurden den Betreffenden gestern zwischen 5 und8 Uhr Abends zugestellt. Als Vorgeladene werden uns vorläufig ge>nannt: Sabor, Fleischmann, Jak. Schmidt, H. Gehr. Wir haben, ob«wohl uns eine Vorladung gezeigt wurde, doch heute Nacht Anstand ge»nommen, von der Mittheilung Notiz zu nehmen, weil wir eS fürabsolut ausgeschlossen hielten, daß die Polizeibehörde amersten WeihnachtStag eine solche harte Maßregel über eine An-zahl hiesiger Einwohner und ihre Familien verhängen könne. Leidersind uns im Laufe des Bormittags Mittheilunzen zugegangen, diekeinen Zweifel darüber lassen, daß die Landespolizeibehörde auch die«jenige Rücksicht, die selbst die feurigsten Befür»worter strenger Maßregeln gegen die Soztaldemo»krati« von ihr erwartet haben mögen, die Rücksichtauf das häusliche Glück am Weihnachtsfeste nicht hatwalten lassen. Den auf heute Vormittag vorgeladenen Personen— eine größere Zahl, darunter viele Familienväter— wurde einzelneröffnet, daß sie auS dem Bereich des kleinen Belagerungszustand«»ausgewiesen seien und bei Strafe der Verhaftung das bezeichnet»Gebiet bis spätestens Dienstag Vormittag verlaffen habe«müßten. Unter den Ausgewiesenen befinden sich die Herren Sabor,Jakob Schmidt, Emil Fleischmann, Conradi, HermannGehr, Schreiner Schäfer, Schreiner Neu» Schreiner Kurz undMaurer Adam Weber."Genaueres über die Gesammtzahl der Ausgewiesenen ist uns bis zurStunde, da unser Blatt in die Presse geht, nicht zugegangen.— Da es das Schandgesetz einmal so vorschreibt, so hat die preußisch«Regierung sich auch bemüßigt gesehen, dem Reichstag eine sogenannteBegründung des kleine« Belagerungszustandes in Frank-furt am Main zugehen lassen. Unser zivilistrtes Jahrhundert zeichnetsich eben vor früheren barbarischen Zeiten dadurch vortheilhaft au»,daß man selbst für Bubenstücke gesetzlich vorgeschriebene Formeninnehält— nur die V-rletzunz dieser Formen, nicht die Schurkereiselbst stempelt den Thäter zum Verbrecher. Ebenso kommt es bei der„Begründung" nicht auf die Beschaffenheit der vorgebrachten Gründean, sondern es genügt, daß überhaupt welche angegeben werden; nachdem W i e derselben zu fragen, heißt sich dem Fluch der Lächerlichkeitpreisgeben. Genug, die Frankfurter Polizei hat, um mit Heine zureden,„Grind'", und wenn man bedenkt, daß es in Frankfurt am Mai«Sozialdemokraten, und zwar in recht hübscher Anzahl gibt, daß dieseSozialdemokratie den bösen„Sozialdemokrat", und zwar ebenfalls inrecht hübscher Anzahl, lesen, und daß diese Sozialdemokraten keinenationalliberalen Waschlappen sind, sondern Männer, die ihre Gesinnungjederzeit zu bethätigen suchen, so wird man einsehen, daß die Frank»furter Polizei ihren— pardon, ihre Grind' dreist neben die derBerliner, Hamburger, Leipziger und sogar der Spremberger stellendarf. Ja, der— pardon, die Grind' der Frankfurter Polizei sind sogut, daß sie vollkommen ausreichten, die Verhängung des kleinen Be»lagerungSzustandes über ganzDeutschland zu„begrinden". ESsind eben Grind' für alles, die reinsten Königstrani- Grind'. Da»wird auch der deutsche Reichstag einsehen, und— Freisinnige undZentrum inbegriffen— sie mit eben derselben Unterwerfung hinnehmenwie alle srllhern und alle folgenden Polizeigründe.— Die gerettete Moral und die Arbeitergrosche«. Die invorletzter Nummer von uns besprochene Affäre der vornehmen KupplerinHeuser gestaltet sich immer erhebender. Im mattliberalen„BerlinerTageblatt" war üb-r dieselbe neulich zu lesen:„Frau Oberamtmann Heuser, welche bekanntlich wegen schwererKupoelei verhaftet, aber bald darauf gegen eine Kaution von 30,00 0Mark wieder auf freien Fuß gesetzt worden ist, hat jetzt selbst dafürSorge getragen, daß die pikante Affäre nicht zum Gegenstand einerweitläufigen Verhandlung werde, indem sie Berlin verlassenhat, nachdem sie vorher ihre kostbare stilvolle Einrichtung in dem HauseWilhelmstraße Nr.«8 zu Gelde gemacht. Eingeweihte behaupten mitBestimmtheit, daß Frau Heuser nicht mehr nach Berlin zurückkehren,sondern die von ihr, oder richtiger gesagt, für sie gestellte hohe Kau-tion im Stich lassen werde. Die zweite Etage in den, genannten Hause,welch- der vornehmen Lebewelt zum Tummelplatz gedient, ist j-tzt ge«räumt und verlassen, und die Eingangsthür schmückt augenblicklich einZettel folgenden Inhalts:„Frau Oberamtmann Heuser! Für Sie ist einBrief aus dem Postamt Mauerstraß- niedergelegt. Sie haben diesen dortin Empfang zu nehmen. Berlin, 20. Dezember 1888. Baumann, Ge«richtsvollzieher." Frau Oberamtmann Heuser, die übrigens als„trauerndeHinterbliebene" außer dem hohen Gönner, der die Kautions ü r s i e g e st e l l t. noch zahlreiche Gläubiger zurückgelassen hat, scheintinzwischen zu der Einsicht gelangt zu sein, daß der Einfluß der hohenKunden und Gönner, auf die sie sich gestützt und berufen hat, doch nichtso wett reichen dürfte, um sie vor dem Zuchthaus zu bewahren, und soist sie— wie eS in der Polizeisprache heißt— unbekannt wohinverzogen. Im Hause hatte sie freilich die Nachricht verbreitet, daßsie nach Breslau übersiedle; dort dürste sie aber schwerlich zu findensein."Dazu bemerkt die fortschrittliche Berliner„Volkszeitung" spöttisch:„So daS„Berliner Tageblatt": Wenn dasselbe, wie es scheint, gut unter»richtet ist, wird es auch wissen, daß die Frau Heuser gar nicht ängst»lich zu sein braucht."Wie man sieht, vermeiden beide Blätter sorgfältig, den Namen de»„hohen Gönner»" der Frau Heuser zu nennen; aus der Bemerkung der„Volkszeitung" geht aber hervor, daß derselbe in der That, wie es inder uns zugesandten Notiz hieß, bekannt ist, und daß er ein sehreinflußreicher Herr sein muß. Wer ist aber heute in Deutschlandeinflußreicher, als ein Mitglied der regierenden Dynastie Bismarck»Kein Zweifel, daß e» sich um ein solches handelt, daß, wie wir gemel»det, Herbert Bismarck derjenige war, der die Kaution von30,000 Mark gestellt. Sehr generös, für einen Bismarck etwas zugenerös, aber was thut man nicht, um einen Skandal zu hintertreiben»Namentlich wenn man es,„Gott— d.h. der Dummheit des Volkes—sei Dank", dazu hat. Frau Heuser hat zweifelsohne nichts zu fürchten,aber die Sache ist noch zu frisch, und so hat sich— Dank der HerbertBismarckichen 30.000 Mark— die biedere Dame so lange verzogen,bis der Skandal sich ebenfalls verzogen, und die Untersuchung, wen»eine solche überhaupt eröffnet werden sollte, in aller Stille niederge»schlagen werden kann. Und die Moral, die Moral ist gerettet.Wie viel Fachvereins-Agitatoren sich wohl unter de«Kunden der Frau Heuser befunden haben mögen? Diese„mästen"sich bekanntlich von den Arbeitergroschen, und werden daher sicherlichin einer Gesellschaft nicht fehlen, in der man für eine— menschen»freundliche Dame so flott 30.000 Mark spendet. Es lohnt sich, die Tyat»fache zu untersuchen, Onkel Putty l— Man schreibt unS aus Deutschland:„Clne schmachvollere Komödie, als sie jetzt von der deutsche»Reichsregierung ,n Sachen des neuen Militärgesetzes gespielt wird,ist nie von einer Regierung gespielt worden. Um da« Gebäude de»Militarismus zu krönen und die abermalige Mehrbelastung des Volke»durchzudrücken, malt sie daS Gespenst eine» französischen Angriffskriege»an die Wano, und da den Worten kemcs Anderen von der sauberenGesellschaft Glauben geschenkt worden wäre, hatte man dem altenM o l t k e die Rolle übertragen, das:„Der W-lf ist da I" zu rufen. DerReichstag hatte sich allerdings nicht einschüchtern lassen und die Beschtuß»faffang bi» nach den Wechnachtsserien vertagt; e» ist indessen ganz sich.»