baß sich eine Mehrheit für die Regierungsvorlage finden wird. Das ist schon schlimm genug. Schlimmer aber ist, daß durch dieses schandbare Treiben in Frankreich die allgemeine Befürchtung erwedt worden ift, ein Angriffstrieg von deutscher Seite stehe unmittel bar bevor; und daß gleichzeitig in Deutschland die Ueberzeugung mehr und mehr um sich greift, ein Krieg mit Frankreich set unvermeiblich.

Daß gerade dadurch die Gefahr eines Krieges wirklich ernsthaft ge­worden ist, liegt auf der Hand. Und die deutsche und die französische Sozialdemokratie steht vor schicksalsschweren Entschließungen und Ereig niffen. Jan di

Unsere beutschen Genoffen im Reichstag und außerhalb deffelben wer­ben ihre Schuldigkeit thun.

Und zu unseren französischen Genossen haben wir auch das gleiche Bertrauen."

So die Buschrift.

Es freut uns, in der neuesten Nummer des Pariser Socialiste " einen neuen Beweis dafür zu finden, daß unsere französischen Genossen in der That sich der Aufgabe, die ihnen in dieser Frage obliegt, voll und ganz bewußt und auch gewillt find, ihr in jeder Beziehung zu ent­sprechen.

Der Socialiste" bringt eine Uebersetzung des in Nr. 50 erschienenen Artikels: Die Kriegszettelungen der Diplomatie und die Sozialdemo Tratie" und fährt dann fort: The nung sic

Die französischen Sozialisten halten es für ihre Ehrenpflicht, sich diesem Appell der Sozialisten jenseits der Bogesen anzuschließen und ihn zu erwidern.

Brüder in Deutschland , die Ihr mit Gefährdung Eurer Freiheit die Annegion Elsaß Lothringens vermittelst des Bündnadelgewehrs bekämpft habt, Jr tönnt auf die Partei der wiedererwachten Rommune und auf ihren Eifer für ihre Revanche rechnen, die Euch bei Euren Bemühungen zur Seite stehen werden. Haltet Euren Moltke im Baume, wir werden unseren Boulanger im Baum halten( wörtlich: ben Maultorb an legen").

Man kann in ben Rafernen der Bourgeoisrepublik wie in den Raser­nen des Hohenzollernreiches rüsten. Aber diese Mordwaffen, mittelft beren man uns uns gegenseitig abschlachten lassen will, werden nicht ausziehen. Dber sie werden sich gegen Diejenigen richten, welche die Unverfichtigkeit begangen, Feuer zu fommandiren.

Wie Ihr vortrefflich sagt, kann Elsaß- Lothringen , weit entfernt, uns zu spalten, uns nur vereinigen, denn die Aufhebung der Grenzen, die auf Eurem Programmen wie auf dem unseren steht, muß unsere Elsaß­Lothringischen Brüder zu einem Bindemittel zwischen den beiden siegs reichen Arbeiterschaften machen.

Im Namen der französischen Arbeitervartei schließt sich der Socia Lifte" dem Sozialdemokrat" an, um einstimmig den Ruf zu erheben: " Friede und Einigung zwischen den Lohnsklaven aller Länder und Krieg Krieg bis auf's Messer unseren nationalen und internatio­nalen Ausbeutern!"

-

Auch der Cri du Peuple" hat in mehreren Artikeln sich sehr ener gisch in diesem Sinne geäußert.

Aber nicht nur in der Preffe allein, auch in Versammlungen erheben die französischen Sozialisten ihre Stimme gegen einen deutsch französischen Krieg. So hat der Klub: Die Menschenrechte" in einer Sonntag abgehaltenen Versammlung nach lebhafter Diskussion folgende Resolution einstimmig angenommen:

"

Jn Erwägung, daß der angeblich unvermeibliche Krieg der Sache Der Menschlichkeit und der sozialen Entwicklung Schaden bereiten würde,

Während auf Grund der Freiheit und Brüderlichkeit der Völker der einzige fittliche, nügliche und nothwendige Krieg, der gegen die kapita liftische Gesellschaftsordnung, fich vollziehen wird, um durch ein wahrhaft fozialistisches System zum Wohlfein Auer zu gelangen,

Entsendet daher die Versammlung den deutschen Sozialisten neben ihrem Dank und Glückwünschen zu ihrer Energie den Ausdruck ihrer Ergebenheit an die Sache der internationalen Gerechtigkeit;

Sie ladet die sozialistische Presse ein, ihren Feldzug zu Gunsten des Friedens fortzusetzen und nicht abzulaffen von ihrem Wert der Propa­ganda und Aufklärung behufs Aufhebung der Grenzen und Organisirung ber Gesellschaft im Sinne der Gleichheit,

Und fordert die Regierung energisch auf, sich zu Gunsten des Friedens auszusprechen."

-

Wir fönnen nur wünschen, daß diese Proteste sich mehren, sie werden ben Völkerverheßern ihr unsauberes Handwerk ganz bedeutend er schweren.

Ueber eine verunglückte hring- Mahlowiade schreibt man uns aus Königsberg :

Ein nettes Polizeistüden, beffen Helb ein putttamerisch burchgebilbeter, mit allen bazu nöthigen Charaktereigenschaften versehener Pflichttreuer Beamter" ist, verdient der Deffentlichkeit über­geben zu werden.

H

Bor zirka vier Wochen wurde der Führer der hiesigen Tischlerbewegung, Slomte, verhaftet, und in Untersuchungshaft behalten. Er hatte im Verein mit dem Rassierer der Tischler das Vermögen der letz teren, im Betrage von 550 Mart, vor der Polizei retten wollen. Neben bei bemerkt sei nur, daß er sowohl als der Kaffierer am 13. d. Mts. in Rönigsberg glänzend freigesprochen wurden.( Näherer Pro geßbericht folgt.) Nun hatten die recherchirenden Beamten bei Slomke ein Verzeichniß von Fachvereinsadressen, dabei auch Adressen von Freunden aus Tilfit, Insterburg und Gumbinnen gefunden. Einige Tage darauf besucht ein Buchbinder uttal aus Thorn" verschiedene Freunde in genannten Städten, um für Gründung von Fachvereinen zu wirken, ferner die Leute auf ein dem­nächst zu verbreitendes Flugblatt aufmerksam zu machen, eventuell Verbreiter zu werben; angeblich kam der Herr aus Königs­ berg und fuhr auch wieder dorthin, tam überhaupt im Auftrage berkönigsberger Genossen" und brachte Grüße von Go dau, Slomte u. f. w. Aber die Genossen waren auf der Hut, überall merkte man sofort den Spiel und Agent provokateur her aus. Jn Gumbinnen unterzog sich ein Genosse speziell der Aufgabe ber Entlarvung, lud den Burschen zum Abendessen ein, wobei der Pseudo Sozialdemokrat dem vorgesetzten Grog und den Spei fen wader zusprach; unser Genosse erzählte ihm in der Zeit verschiedene Räuberepisteln über Anhänger und Freunde der Bewegung in den höch ften Kreisen, was der Jhring- Mahlow Jünger auch richtig für baare Münze nahm. Nachdem er seinen irdischen Menschen gründlich an Speise und Trank erquickt und auch geistig von all dem Vernommenen gesättigt fchien, begleitete ihn unser Genosse nach dem Bahnhof, da er angeblich nach Rönigsberg zurüdfahren, sofort zu Godau gehen wollte u. f. w. Das war Abends 10 Uhr.

Den Tag darauf kommt er wieber, über Nacht hatte sich aber der Buchbinder 2uttalaus Thorn", in den interimistischen Polizeibeamten Vogt, Offizier a. D., verwandelt, ber jetzt seinen gestrigen Gastgeber in Begleitung eines zweiten Polizeibeamten behaussuchte, um ihn als moderner Judas" der Staatsanwalt schaft zur weiteren Beförderung in den Kerker zu überliefern. Daß für diesmal der Liebe Müh vergebens war, lag gewiß nicht an bem bieberen Herrn Vogt. Auf Ehre, Herr Lieutenant, in einem Buntt haben Sie Ihring Mahlom übertroffen. Jener fütterte und hielt seine Opfer frei, fie aber lassen sich von denselben noch füttern und freihalten. Wahrscheinlich entspricht dies dem höheren Ehrgefühl des Dffizierkorps", denn Jhring- Mahlow war ja nur Feldwebel! Schade, daß Sie nicht auch die entsprechende höhere Nachspeise erhalten haben. Doch bleibt sie Ihnen bei einem zweiten Bersuch hoffentlich nicht vorent halten.

Signalement des Burschen: Mittelgroß, breitschulterig, dicker brauner Schnurrbart, tahle Platte, etwas dices aufgedunsenes Gesicht.

-

Der Rechtsschutz des Proletariats. Aus Gießen, 16. Dez., schreibt man uns: Gegen einen hiesigen sozialdemokratisch Bers bächtigen wurde vor einiger Zeit Untersuchung eingeleitet und An­flage erhoben, welche indeß, Mangels genügender Beweise" eines Tages plöglich zurückgezogen wurde. Eine große Beugenvernehmung ( von faft lauter Nicht- Sozialdemokraten) hatte stattgefunden, was aber von der ganzen Angelegenheit öffentlich verzeichnet zu werden verdient, ift bie Thatsache, daß keiner von unsern Advokaten( f a st

I auter Freifinnige) die Vertheidigung übernehmen wollte. Wenn aber Solches am grünen Holze des Freisinns geschieht, was soll man erst vom dürren der offenen Reaktion erwarten?! Der Rechtsschutz des Proletariats ist in der bürgerlichen Gesellschaft ebenso pretär wie feine bürgerliche Freiheit". Beide werden durch die Länge bes Geldbeutels bestimmt.

- Das in unserem Leitartikel erwähnte Rlagelieb des Herrn von Holzendorff über den Servilismus in Deutschland , angestimmt in der Deutschen Revue", enthält u. A. folgende carats teristischen Säße:

Seloft Diejenigen, welche das Vorhandensein einer noch entfernten Gefahr in der angedeuteten Richtung geradezu leugnen oder doch be zweifeln, werden zugeben müffen, daß politische Ueberzeugungs losigkeit im Beamtenthum teine Eigenschaft ist, mit der sich in schwierigen Zeiten regieren läßt, und daß diese Baffivität ein taum haltbareres Fundament für die Verwirklichung der Staatszwecke abgibt als die durch Drohungen erzwungene oder durch Begünstigung hervor gelockte fogenannte Gesinnungstüchtigkeit und Devotionsbeuchelei. Gleichzeitig mag man aber auch anerkennen, daß bei der Untersuchung der hierbei in Betracht kommenden Ursachen der direkte Einfluß der Vorgesezten feine oder eine nur geringe Bedeutung hat. Wie es zu allen Beiten Rapläne gab, bie päpstlicher waren als der Papst, oder Leute, königlicher als

er im Buche steht. Mit der Sozialdemokratie des Herrn Nede und der Süddeutschen Preffe" wird es daher schwerlich besser aussehen als mit der Sozialdemokratie der Elberfelder 8tg." Trau, schau, wem?

-

-

"

- Von Nah und Fern. Das Reichsgericht hat die von unsern Münchener Genossen gegen ihre Verurtheilung einges legte Revision verworfen. War von dieser verworfenen Gesellschaft nicht anders zu erwarten. Die im Viereck'schen Verlage erschienene Thüringer Waldpost" ist nach wiederholten Versuchen, ihr durch Chitanen den Garaus zu machen, nunmehr entgiltig verboten worden. Seit der bismard fromme Luitpold regiert, weht in München mehr als je Berliner Wind. Unsere Nürnberger Genossen haben einen stenographischen Abdruck der Nede Grillenbergers wider die Militärforderungen in 25,000 Exemplaren im Wahlkreise verbreitet, wofür sie selbstverständlich hinterher­durch ein Verbot derselben erfreut wurden. In Augsburg ist Genoffe Ignaz Weber, weil man eine Anzahl Exemplare des " Sozialdemokrat und eine Liste von Abonnenten auf das Recht auf Arbeit" bei ihm gefunden, zu 3 Monat und 15 Tagen Gefängniß gefreibergt worden. Webers Verhalten vor Gericht war ein musterhaft muthvolles, konnte ihn aber natürlich nicht vor dem§ 129 schüßen, denn folgerten die schlauen Richter nehmen wir einmal an, Weber verbreite den Sozialdemokrat", so können wir auch an nehmen, er bilbe Geheimbund von Ges

-

"

-

"

rabitåler 355el, fo wird es auch Beamte geben, bie miniſterieller find leben zc. Und fo fonftruirten fie einen Bund, der aus einem

Pöbel,

als ihre Vorgesetzten und die Minister selber. Unserm Zwecke entspricht es im Gegentheil, wenn wir sagen: die Größe des in zunehmender Meinungslosigkeit hervortretenden Uebels steht mit den stärksten SLOF mungen des heutigen Zeitgeistes in Verbindung. Man muß anerkennen, baß kein Minister start genug fein werde, es durch entsprechende Gegen wirkungen zu beseitigen. Ist die Gesellschaft einmal von gleichsam epidemisch geworbenen Aeußerungen des attiven Ser vilismus oder jener passiven Form einer in ber gebildeten Masse um fich greifenden Ueberzeugungslosigkeit beim­aefucht, so tann fie meistentheils nur durch große Krisen geläu­tert werden."

-

Wie man steht, sehr zahm, denn wenn wir auch mit Herrn v. Holtens dorf durchaus der Meinung sind, daß die Wurzel des Uebels in den heutigen gesellschaftlichen Zuständen zu suchen ist, daß die politische Korruption in dem heute herrschenden Grade nicht möglich wäre ohne die in der gebildeten Masse ein vortreffliches Wort herrschende Ueberzeugungslosigkeit, so müssen wir doch das wieder holte Betonen der verhältnißmäßigen Bedeutungslosigkeit der ministe riellen Beeinfluff ingen als eine nicht zu rechtfertigende Schwäche ver urtheilen. Der Dieb bleibt Dieb, auch wenn er auf offene Thüren gestoßen, und wer den Diebstahl verurtheilen will, darf den Dieb nicht schonen. Es heißt die Verantwortlichkeit der Schuldigen aufheben, wenn man alles einzig und allein auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zurückführen will, und wer ein System bekämpft, wird gegen Windmühlen fämpfen, wenn er seine bewußten Träger außer Schußlinie stellt. Was Einzel personen vermögen, um die Korruption noch zu fördern, das ist in Deutschland geschehen, und wer über die Korruptionsära schreibt, kann und darf die Namen Bismarck- Puttkamer nicht schonen.

Was Holzendorf zum Schluß aber andeutet, daß die Rettung nur durch große Krisen" erfolgen tann, unterschreiben wir voll und ganz. Welcher Natur diese großen Krisen" sind, brauchen wir unsern Lesern nicht erst auseinanderzusehen.

-

Mit Bezug auf den Frankfurter Prozeß wird uns aus Ber : Iin geschrieben:

-

Das Wort, unmöglich" steht nicht im Wörterbuch unserer Richter und unserer Polizei. Wenigstens nicht im moralischen Sinn des Worts. Es gibt keine Rechtsbeugung, keinen Trugschluß, teine Nie­bertracht, keine Absurdität, deren sie im Dienste ber Gewalthaber nicht fähig, und wozu sie nicht mit Freuden bereit wären. Jm physischen Sinne gibt es zum Glück noch ein unmöglich für die sauberen Herren und so wenig die Nürnberger Herren weiland im Stand waren, Jemanden zu hängen, den sie nicht hatten ebenso wenig sind unsere Richter und Polizeileute im Stand, die Sozialdemokratie zu erbroffeln was sie für ihr Leben gern thun möchten. Und aus demselben Grund wie die Nürnberger . Sie können der bösen Sozialdemokratie nicht habhaft werden. Dann und wann wird zwar ein böser Sozialdemo frat gefangen, und dann fühlen sie ihr Müthchen an ihm, aber Ein Sozialdemokrat ist nicht die Sozialdemokratie; und wenn alle den Herren bekannten Sozialdemokraten gehängt würden, so wäre die Sozial demokratie nachher noch akkurat so start wie vorher. Doch in Bezua auf Alles, was vom Willen und Belieben der Herren Richter und Polizeier abhängt, gibt es nichts Unmöglich s für sie. Und nach dem das Opfer des letzten Reftes von Scham, Chr- und Rechtsgefüh im Freiberger Urtheil gebracht worden ist, besteht teine Schranke, teine Rücksicht mehr, und sucht Jeder den Anderen durch die groteskesten Kraftleistungen zu überbieten. Rein Tag ohne eine neue Monstrosität. Das Neueste ist, daß den Frankfurter Gefangenen ein Hover rathsprozeß gemacht werden sollte. Anfangs hieß es sogar Landes verrathsprozeß, aber davon scheint man zurückgekommen zu sein. Oder wars blos ein Druckfehler? Und Hochverrathsprozeß, das ist wahrhaftig genug. Es wäre selbst genug für den Staat des menschen freffenden Königs von Dahomey , in welchem Lande es Hochverrath ist, die kulturelle Bedeutung der Menschenfresserei in Zweifel zu ziehen Und es scheint in der That, daß unsere Staatslenker sich Dahomey zum Muster genommen haben. Und warum nicht? Da unsere Schnaps junfer feine Kultur nach frita zu egportiren hatten, so wäre es ganz logisch, daß sie sich Kultur aus Afrika importirten. So unser Genoffe.

-

Inzwischen ist die Nachricht vom Hochverrathsprozeß demen tirt worden. Wozu sich auch mit einem solchen blamiren, wenn's ein Geheimbundsprozeß auch schon thut. Die Gesinnung trifft man hier wie dort Dant der Rechtsgaunerei des Reichsgerichts.

"

-

-

Hüben wie drüben. Wir lesen im New- Yorker ,, Sozialist": Wieder hat ein Richter den Arbeitern ein nach schweren Anstren gungen erlaffenes Gesetzerrissen vor die Füße geworfen. Faft in allen Staaten gibt es Gesetze, welche Lohn Ansprüchen in Bankerottfällen den Vorzug einräumen, so auch in Pennsylvanien bis zum Betrag von 200 Dollars. Der Richter Goebel in Cincinnati , Ohio , wo ein ähnliches Gesetz besteht, hat dasselbe mit der Begründung als ungültig erklärt, daß Hypotheken ausgestellt würden, um Guthaben ficher zu stellen, da aber die Mechanics Lien Lam" einen solchen Kon traft aufhebe, so sei es un tonftitutionell. Das heißt mit andern Worten, Privat Kontrakte gehen unter allen Umständen vor Staats gesetzen. Und das darf so ein Richterling in aller Frechheit sagen, weil bagegen nichts zu machen ist. Ueber kurz oder lang wird man dieser heillosen Unfitte, daß ein einziges ober ein paar Jndividuen sagen können, was Gesetz sein soll oder nicht, ein Ende machen müssen. Eine solche Anmaßung wird in keinem anderen Lande geduldet."

In letter Beziehung irrt sich unter Bruderorgan nun, wie Figura zeigt*), aber Recht hat er in der Sache, dieser Unfug sollte nir gends geduldet werden. Indeß, der Klassenegoismus setzt sich überall über die elementarsten Begriffe von Recht und Billigkeit hinweg, und ehe er nicht gebrochen ist, wird dieser und ähnlicher Unfug in allen mög­lichen Formen geübt und geduldet werden.

-

"

Aus Bayern wird uns geschrieben: Vor einigen Tagen durch lief die Nachricht die Blätter, daß die Süddeutsche Presse", bas bisherige Organ der bayerischen Nationalliberalen, in ten Besitz des sozialdemokratischen Schrifts.gers Ne der, und damit in tie Hände der Sozialdemokraten übergegangen sei. Nun theilt aber der neue Redakteur dieses Blattes in einer wenige Tag vor Weihnachten erschienenen Nummer seinen Lesern mit, daß der fr hre Chefredakteur deffelben, Dr. Cajus Möller, seine freundschaftliche und uneigennüßige Mitwirkung bei dem allerdings schwierigen Unterne men zugesagt habe, das Ansehen der Süddeutschen Breffe" wieder auf jene Stufe zu heben, die sie einft unter seiner Leitung besessen."

17

"

Cajus Möller, jezt Redakteur der Elberfelder Zeitung" ist ein Biss märder, wir wollen nicht sagen vom reinsten Wasser, aber doch wie

*) Siehe die Rechtsgaunerei bei den Diätenprozessen, beim Fre berger Brozeß 2c.

-

Menschen besteht. Gegen diese Leiftung kommt Niemand auf. Chemnitz wurde der Arbeiter Model vom dortigen Landgericht zu acht Monaten Gefängniß verurtheilt, weil er einen Gefreiten im Gespräch aufgefordert hatte, bei einer etwaigen Erhebung des Voltes in die Luft zu schießen. Dieses schwarze Verbrechen konnte natürlich nicht streng genug bestraft werden. Uebrigens find solche Auf forderungen sehr überflüssig. Soldaten, die ihre Abstammung aus dem Bolte nicht vergessen haben, wissen was ste zu thun haben. Es gibt gegebenenfalls noch Besseres, als in die Luft zu schießen. Während Väterchens Verrücktheit mit jedem Tage offenfundiger wird, können wir in der Norddeutschen Allgemeinen" lesen, daß die deutsche Reichs. regierung nicht aufgehört habe, an die Weisheit und Charakters festigkeit des 8aren zu glauben. Sehr glaubwürdig. Die Versuche der Bismarckischen Reptile, einen Entrüstungssturm gegen den Reichstag zu organisiren, weil er nicht auf Kommando die Er. höhung der Präsenzziffer der Armee 2c. apportirt hat, sind kläglich ver unglückt. So flau ist die Stimmung in dieser Beziehung, daß die Hamburger Polizei fogar eine geplante Protestversammlung beshalb nicht gestattete, weil Theilnahme von Sozialdemokraten und daher stürmische Auftritte zu befürchten seien. Mit andern Worten, man befürchtete eine eklatante Niederlage der Entrüsteten", und damit hat der hohe Senat der Republik Hamburg bewiesen, daß er weiß, wie die große Masse der Bevölkerung Hamburgs denkt.

-

-England. Die vielberühmte Regierungskunst der eng lischen Tories ist auf dem Puntte, elend Schiffbruch zu leiden. In der auswärtigen Politik um kein Haar breit erfolgreicher als das Rabinet Gladstone, sieht sich das Kabinet Salisbury Churchill in der inneren Politik bereits in einer mehr als kritischen Situation. Die Jr ( änder haben den ihnen von den hochmüthigen Landjunkern hingewors fenen Fehdehandschuh aufgenommen und auf die Maßregeln der Regier rung gegen sie mit Bildung eines Kriegsfonds geantwortet, an bessen natürlich geheimes- Komite die Pächter derjenigen Landlords, welche die Pachtsinse nicht genügend ermäßigen wollen, von jest ab die ermäßig ten Bachtzinse abführen, den Landlords das Nachsehen lassend. Natür lich hat die Regierung die hierzu auffordernden Agitatoren, u. A. den Abgeordneten Dillon, in Anflagezustand versetzen laffen, aber daß sie mit diesem Kleinlichen Vorgehen feinen Erfolg erzielen wird, ist ebenso natürlich. Man tann nicht gegen Hunderttausende Prozesse einleiten, ges schweige denn sie einterfern. Mit Halbheiten macht man sich aber nur lächerlich.

-

Herr Randolph Churchill scheint mit feiner Nase gerochen zu haben, daß die Sache anfängt schief zu gehen, denn er ist urplözlich aus dem Rabinet ausgetreten und hat dadurch totale Verwirrung bei der Regies rung hervorgerufen Ratte Nr. I verläßt das sinkende Schtff. Wir begrüßen diese Entwickelung der Dinge mit vielem Vergnügen. Je schneller die alten Parteien abwirthschaften, um so besser für die sozialistische Agitation.

-

Amerika . Jn Columbus hat vom 7.- 11. Dezember ber 6. Jahreskongreß des Verbandes der vereinigten Gewerkschaft.n" statts gefunden, dessen Verlauf als ein für die Entwickelung der amerikanischen Arbeiterbewegung sehr günstiger betrachtet werden darf. Es ist zwar den Delegirten nicht gelungen, eine Einigung mit den seit langem gegen die offenen Gewertschaften intriguirenden Arbeitsrittern, die ein friebs liches Nebeneinandergehen ermöglicht hätte, zu erzielen, dagegen haben die Gewerkschaften selbst einen großen Schritt vorwärts gethan, indem sie erstens die Bildung einer, alle Gewerkschaften und Arbeiterorgas nisationen in Amerita umfassenden Föderation beschloffen und zweis tens eine Resolution annahmen, welche eine selbständige polis tische Aktion der Arbeiterklasse fordert. Diese Resolution lautet:

" In Anbetracht, daß die Frage politischer Aftion in früherer Zeit eine stetige Quelle von Streit und Wirren in den Reihen der Arbeiter var, jezt aber glücklicherweise die Umwälzung, welche sich bei den neus lichen Staatswahlen und namentlich in der außerordentlichen Demons Atration der Arbeiter von New- York , Milwaukee, Chicago und anderen Orten fundgab, uns zeigt, daß die Zeit jezt gekommen ist, wo das ars beitende Bolt über die Nothwendigkeit gemeinsamer Aktion am Stimm fasten, unabhängig von bestehenden politychen Parteien, entscheiden sollte, und in Anbetracht, daß diese Nothwendigkeit sich zeigt durch die Unter­ordnung der Polizeimacht unter die Intereffen der Rorporationen, wo­durch es Rapitalisten ermöglicht wird, ihren Arbeitern Bedingungen auf­uwingen, welche der freien Arbeit und der Freiheit überhaupt widers streben, und in Anbetracht, daß, wenn dem verdammenswerthen Wicken der Binkerton'schen Detektives ein Ende gemacht werden soll, die Are beiter sich einen größeren Antheil an der politischen Macht sichern müssen, deshalb sei beschlossen, daß diese Konvention die eifrigste Unterstübung or unabhängigen politisen Bewegung der Arbeiter bringend empfiehlt."

Dazu bemerkt der New Yorker, Sozialist":

Die Konvention hat sich genötigt gefeben, der fortschrittlichen Ent wickelung der Arbeiterbewegung ein 3 geftändniß zu machen, was durch die Annahme der politischen Resoluti bewiesen ist. Min muß sich ver= gegenwärtigen, daß unter den anm enden Delegaten sich wieder äußerst tonservative Arbeiterfürer befanden, darunter jogar ein Mitglied der Legislatur, nämlich McBride, Präsident der Rohlengräber von Dhio, der auf einer bemokratischen Liste erwählt wurde, und der anläßlich der Besprechung der fraalichen Resolution der Ailbuna einer Balance of power Party"*) das Wort redete. Die Res lution wurde nichtsdestoweniger angenommen, und wenn diese be auch in ezug auf Deutlichkeit vieles zu wünschen übrig läst, so darf nicht vergess n werden, daß es überhaupt bas erste Mal ist, daß eine Gewerks afts- Konvention. wenn auch nur im Prinzip, sich für unabhängige Politit erklärte. Es ist in der That mehr, als wir erwarteten, und es ist einer der Fortichritte, die der Arbeits- Ritter Agitation zuzuschreiben ist, welche die Gewerks schaften vorwärts schieben, während lettere weder von den Sozialisten des Landes geschoben werden. Goethes Worte du glaubst, du schiebst, allein du wirst geschoben", finden hier ihre handgreiflichste Bestätigung. Die nächste Gewerkschafts- fonvention wird wieder einen Shritt weiter gehen müffen, ob die Herren Führer dies wünschen mögen oder nicht; die Verhältniffe werden es er gen."

Und an anderer Stelle bemerkt unser amerikanisches Bruderorgan: Auch in organisatorischer Hinsicht hat der Ko greß eine bedeutsame Neuerung eingeführt und zwar hat er diese dem Aroeitsritter Orden ents lehnt. Die Ein ührung der gemischten arbeitervereine( Federal Unions) ist heutzutage eine notwendig: Ergänzung zu dem aur Berbindung ber Fachgenossen bafirten alten Gewerkschaftswesen und hat ohne Zweifel sehr viel zu dem Erfolg der Arbeitsrit er beigetragen, indem sie ihnen

*) Das heißt einer Partei, welche sich darauf beschränkt, auf den Ume stand hin, daß sie das Machtve ha tiß wen den ge.rschenden Pare telen zu verschieben vermag, von diesen Zugeständnisse zu erkaufen.