WB Votum gestimmt haben, sind nicht wiedergewählt worden. Möge der Regierung diese Ohrfeige wohl bekommen. In Marseille , wo sich aus Zlnlaß der Feier des lg. März der aleiche Vorfall ereignet hatte und wo die Neuwahl nach dem Listen- strutinium stattfand, haben die Opportunisten, die französische Ausgabe der Nationalliberalen, auf der ganzen Linie gesiegt. Die sozialistische Liste hat trotzdem über SOOD Stimmen erhalten. Dies zeigt, wie schwierig die Wahlen für die Sozialisten werden, so- bald sie auf Grund des Listenskrutiniums erfolgen. Aber ge- rade dieser Umstand macht der Bourgeoisie das Listenskrutinium so dverth. Od. Sozialpolitische Rundschau. 8 strich, 4. Mai 1897. ' Die Schnäbele-Affäre ist vorläusiz beizelegt. Nachdem sich Bismarck überzeugt, daß die Verhaftung des französischen Grenzkommtssars zwar die Franzosen auss Aeußerste zu erbittern, aber zu keinen unüber- legten Streichen verleiten tonnte, hat er, um der Welt einenBeweis großartiger Mäßigung" zu geben, denselben wieder frei- gegeben. Die Motivirung des betreffenden EntschluffeS ist eine über- K aus gewundene und zeigt, daß e« um die Gründe für das gegen Schnä- bele eingeschlagene Verfahren sehr schwach bestellt war. DerLandes- i Herrath", von dem in deutschen Blättern so viel die Rede war, beschränkt sich auf einen Brief SchnäbeleS an einen gewiffen Klein in Straß- * bürg, der überführt worden war, der sranzösischen Regierung Mitthei- ' lungen über Interna der preußischen Armee gemacht, d. h. Spionen- '>i e n st e geleistet zu haben. Der Brief enthielt aber nichts als eine ' Adreßangabe. Die gegenseitige Ausspionirerei in militärischsn Dingen ist heute eingestandenermaßen in allen Ländern Sitte so gut wie . Herrn Schnäbele konnten die deutschen Gerichte den ganzen französischen Generalstab de« LandeSverrathS gegen das deutsche Reich an- klagen. Wir sind die Letzten, Spionirerei schön zu finden, aber wir können ' uuch die Entrüstung, die sich stets breit macht, wenn ein solcher Spion abgefaßt wird, nicht schön finden. Sie ist so lange pure Heuchelei, so lange man nicht selbst erklären kann, man treibe keine militärische Spionage.' Wie man aber auch über die Handlungsweise des Herrn Schnäbele ; lenken mag, seine Verhaftung war eine völkerrechtliche Ungeheuerlichkeit. Das ist in der Bismarck 'schen Note an Herrn Herbette indirekt zuge- standen:Wenn der Unterzeichnete," heißt es da,es dennoch für seine Pflicht gehalten hat, den Befehl zur Freilaffung Schnäbeles vom Kaiser zu erbitten, so ist er von der völkerrechtlichen Auffaffung geleitet wor- den, daß Grenzüberschreitungen, auf Grund dienstlicher Verabredungen zwischen Beamten benachbarter Staaten erfolgend, jederzeit als unter der l stillschweigenden Zusicherung freien Geleites stehend anzusehen seien. Es ist nicht glaublich, daß Gautsch Schnäbele zu einer Besprechung in der i Absicht ausgefordert habe, seine Verhaftung möglich zumachen; es liegen , ober Briefe vor, welche beweisen, daß Schnäbele, als er verhaftet wurde, ".sich an der Stell?, wo dies geschah, in Folge einer mit dem -diesseitigen Beamten getroffenen Verabredung be- i fand, um gemeinsame amtliche Geschäfte zu erledigen. 'Wenn die Grenzbeamten bei derartigen Gelegenheilen der Gefahr aus- vesetzt wäre», aus Grund von Ansprüchen, welche Gerichte des Nachbar« staat-s an sie machen, verhastet zu werden, so würde darin eine Er- schwerung der laufenden Grenzgeschäfte liegen, welche mit dem Geiste und den Traditionen der heutigen inter - nationalen Beziehungen nicht im Einklang steht. Der Unterzeichnete ist daher der Meinung, daß derartige geschäftliche Zusammenkünfte jederzeit als unter dem Schutze des gegenseitig zuge- Iicherten freien Geleites stehend gedacht werden sollten. In diesem sinne hat er, unter voller Anerkennung der Berechtigung des Versah- rens der dieffeitigen Gerichte und Beamten, das Sachverhältniß beim Kaiser zum Vortrag gebracht. Allerhöchstdteselben haben dahin zu ent- scheiden geruht, daß in Betracht der völkerrechtlichen Mo- t i v e Schnäbele, trotz seiner Festnahme auf deutschem Gebiet und trotz der gegen ihn vorliegenden Schuldbeweise, in Freiheit zu setzen sei." Wenn dem so ist, so bleibt nur die Frage übrig: Gehören die von Brielia entsendeten Spitzel, die, nach der Betheuerung des Herrn Gautsch, ohne sein Vorwissen die Verhaftung Schnäbeles besorgt, auch zu denBeamten ", deren Verfahren oben mitvoller Anerkennung" bedacht wird? Und in wessen Auftrage handelten sie, als sie, wieder nach Angabe des Herrn Gautsch, den- selben aushorchten, um hinterseinemRücken Herrn Schnä� bele gegen alles Völkerrecht zu verhasten? Bei der gespannten Situation zwischen Frankreich und Deutschland mußten sie oder ihre Auftraggeber sich doch der Wirkung bewußt sein, welche der völkerrechtswidrige Alt auf die Franzosen machen werde. Wie kamen sie dazu, so frevelhaft leichtfertig mit einem Feuer zu spielen, deffen Flammen Deutschland Feuilleton. Kwe denkwürdige revolntionäre KuudgeVnng in Wußland. (Dem ChicagoerVorbote" entnommen.) Niemals innerhalb der letzten drei Jahre hat der Professor der Ge» schichte an der Petersburger Universität eine so große Zuhörerschaft in seiner Klaffe gehabt, wie am 2. Februar dieses Jahres. Als er seinen Sitz einnahm, wunderte er fich, daß statt der gewöhnlichen geringen Zuhörerzahl Hunderte von jungen Männern sich in dem Saale versam- tnelt hatten. Aber er unterdrückte sein Erstaunen, öffnete seine Kollegien- hefte und fragte: Was liegt heute vor? Vorlesung der Ferienarbeiten l" antwortete ein Dutzend kräftiger Stimmen. Die Studenten waren gerade von den Weihnachtsferien zurückzekom- men. Am Morgen des 2. Februar hieß es in den Gängen der Univer- sttät, die Studenten der Geschichte hätten etwaS Besonderes vor. Jeder Student eilte deshalb nach der Klasse, und die große Halle war bald gefüllt mit Vertretern der vielen Raffen, welche Rußland bewohnen. Auch eine ziemliche Anzahl Studentinen hatte sich eingefunden. Heiterkeit und jugendlicher Uebermuth machte sich unter der Menge geltend. Späße wurden gemacht, man lachte und erzählte fich Ferienabenteuer, auf die Eröffnung der Klaffe harrend. Sobald aber der Professor erschien, wurde es stumm. Der Professor musterte die Anwesenden und rief dann: Jene, welche Ferienaufsätze geschrieben haben, mögen vortreten und die- selben vorlesen." Ein halbes Dutzend Studenten bestiegen die Platform. Einer von ihnen las einen ermüdenden Aussatz über die Geschichte der Raikolniki, die griechisch-katholischen Sel rer in den Provinzen Tschernigow und KurSk; ein anderer las etr as vor über die alte Geschichte der Krim , andere folgten mit ähnlichen historischen Skizzen. Schließlich begann«in schmächtiger junger Mann mit langem blonden Haar, einem glatten bleichen G sicht, der eine blaue Brille trug, einen Aufsatz vorzulesen, betitelt:Au« der alten Geschichte." Er schickte seinem Aufsätze einige Worte voran«, und sagte, daß er sich genau an die alten klassischen Schriststeller Tacitus , Suetonius , Dio Casstus, V-llejus Paterculus, Seneca , Philo und Andere gehalten habe(die alle in dem l. und 2. Jahrhundert nach Christi Geburt lebten und über römische Geschichte schrieben). Mit wohltönender, leidenschaftlicher Stimme la« er dann, wie folgt: Em ungeheures Reich, zusammengefetzt aus dm verschiedenartigsten Theilen, die einfach durch Gewalt zusammengehalten werden, dehnt fich von den kalten nördlichen Marschen und Forsten bis nach den grünm Küsten der warmen südlichen See. Es nimmt einen großen Theil der Erve ein, Dutzende von Millionen Menschen bilden seme Bewohnerschaft, aber seine ganze Verwaltung»st in den Händen eines Mannes konzentrirt. Nicht minder bedrohten als Frankreich ? Das Interesse de« deutschen Volkes, da« den Frieden wünscht und ihn zur gesunden Entwickelung seiner Verhältnisse braucht, erfordert eine gründliche Unter- f u ch u n g dieser Frage, die viel wichtiger ist als alle andern bei der Schnäbele-Affäre aufgeworfenen. Aber grade darum wird sie nicht beantwortet werden. .-De « Berliner Reptilien scheint die friedliche Bei« legung der Schnäbele-Affäre gar nicht in den Kram zu passen. Insbesondere zetert diePost", die schon oft zu gewissen Liebes- diensten verwendet wurde, und die speziell als Kanal fürkalte Waffer- strahlen" zu dienen pflegt wir erinnern nur an die Artikel:Krieg in Sicht",Auf des Messers Schneide" k. hintennach noch stärker als vorher und droht ganz unverholen mit der Verhängung des Kriegszustandes über Elsaß -Lothri ngen als einer gegen Frankreich gerichteten Maßregel. Unter solchen Umständen gewinnt natürlich die Auffassung, als sei dem hohen Gönner derPost" der friedliche Busgang der Sache sehr unerwünscht, ganz bedeutend an Wahrscheinlichkeit. Und daß diese Auffassung nicht nur in Frankreich , sondern auch in Deutschland selbst verbreitet ist, zeigt folgende, uns aus dem Reiche oder vielmehr der Reichshauptstadt selbst zugegangene Zuschrift: Er wird wirklich alt. Es ist zwar ein altes Kunststück schon von dem Mazedonierkönig Philipp vor länger als 2000 Jahren mit Vir- tuosität ausgeübt und in ein System gebracht daß, wer Krieg führen will, den Gegner zum Angriff zwingen soll, um ihn vor der Welt ins Unrecht und sich ins Recht zu setzen, aber es hat sich bis in die neueste Zeit trefflich bewährt, und unserm eisenstirnizen Kanzler wiederholt aus- gezeichnete Dienste geleistet. J-n Jahr 1868 wußte er eS so einzufädeln, daß Oesterreich, und 1870, daß Frankreich den Krieg erklärte, also das Odium des Angreifers und Friedensstörers aus sich luden. Es gehört dazu ja nicht viel nur eine starke Dosts Geriebenheit und eine sehr starke Dosis Verlogenheit und Heuchelei immerhin pflegt man vor gelungenen Leistungen dieser Art einen gewissen Respekt zu haben ähnlich wie vor genialen Schwindel- oder Spitzbubenstreichen. Wenn aber die Sache mißlingt und der Gauner sich in seiner eigenen Schlinge fängt, so wird er ein Gegenstand der Verachtung und des Spotts. Der Heiligenschein desErfolgs" fehlt, und man steht blos noch den ertapp- ten Verbrecher. In dieser wenig beneidenswerthen Lage ist jetzt unser Kanzler Eisenstirn. Seit Anfang dieses Jahres hatte er die Franzosen so raffinirt insultirt und gereizt, daß er zu der Ueberzeugung gelangte, es bedürfe jetzt blos einer geschickt applizirten Realinjurie eineszu- fälligen" Peitschenhiebs oder Fußtritts, um den Becher zum Ueberlaufen und die heißblütigen Franzosen zu Ausbrüchen der Leidenschaft zu brin- gen, welche den gewünschten casus belli(Kriegsfall) mit obligater Kriegs­erklärung an Deutschland herbeiführen ließen. Der Schnäbele- Fall wurde in Szene geletzt. Ein französischer Beamter wird von einem deutschen Beamten über die Grenze in einen Hinterhalt gelockt, von Berliner Spitzeln überfallen und überwältigt, und aus Grund irgend einer beliebigen Anklage in«in deutsches Gesängniß geworfen. Eine flagrantere Verletzung des Völkerrechts, eine ärgere Beleidigung der französischen Republik kann man sich nicht denken. Natürlich mußte dem Ding ein legales Mäntelchen umgehängt werden. Schnäbele ist an Akten des Landesverraths gegen Deutschland betheiligt gewesen und aus eigenem Antrieb wahrscheinlich in landesverräheri- scher Absicht über die deutsche Grenze gegangen, und dort, krast eines richterlichen Haftbefehls, in Form Rechtens verhaftet worden. Kurz, Alles ganz korrekt wurde in die Welt hinausgelogen. Natürlich wußten die Urheber des internationalen Mißgriffs, daß diese Lüge keinen Bestand haben konnte. Aber sie wußten auch, daß sie die Erbitterung der Franzosen nur noch vermehren mußte, und bis die deutsche Regierung zur Richtigstellung des Thatbestandes schreiten und das Unrecht der deutschen Behörden eingestehen würde, war 10 gegen 1 zu wetten, daß die französische Volkswuth in Paris oder sonstwo auf die eine oder andere Weise den erwünschten und erstrebten oasus belli verschafft haben würde. Allein es kam anders. Die heißblütigen Franzosen vermieden mit peinlichster Sorgfalt jeden Ausbruch der Leidenschast: der deutsche Gesandte in Paris wurde nicht insultirt, nicht einmal der letzte seiner Spitzel nichts, gar nicht«, was einigermaßen als Handhabe benutzt werden konnte. Kurz, die Franzosen merkten die Absicht und waren so gescheidt, nicht in die Falle zu gehen. Und jetzt steht ER vor der ganzen Welt als der geprellte Friedensstörer da, der sich in seiner eigenen Falle gesangen hat. Wie er herauskommt, ist gleichgültig. An der Thatsache und an der Blamage ist nicht« mehr zu ändern." Soviel ist sicher, daß Bismarck mit seiner vielbewunderten auswärt!- gen Politik in einer Sackgaffe angelangt ist, aus der ihn nur ein glück- licher Krieg retten kann. Aber nicht jeder Krieg endet glücklich, und ein Krieg, der große Opfer erfordert, ohne große Erfolge zu liefern, ist fast noch gefährlicher als ein schnell beendeter unglücklicher Feldzug. Der letztere sacht erst recht den politischen Fanatismus an, der erster« macht die Völker ungeduldig und fordert ihre Kritik heraus. Ein Mann hat unbegrenzte, unkontrolirte Macht über dieses riesige Reich. Lang Jahre regiert« der alte Kaiser Tiberius und nicht ohne Ruhm, wie einige feiner ergebenen Schriftsteller Vellejus Paterculus sagen. In den immer ruhelosen westlichen Provinzen wurde eine gefährliche Empörung niedergeschlagen, eine Empörung, durch nichts anderes ver- ursacht wie durch die Dieberei und den Raub der von der Regierung dahin geschickten Beamten und den Patriotismus einer unterdrückten und unterjochten Nation ich meine den Ausstand von Julius Florus und Julius Sacroviru«, von welchen Tacitus im dritten Kapitel seiner Jahr- bücher erzählt* Längerer Beifall und Bravorufe, sowie der Ruf:Es lebe Polen !" unterbrachen den jungen Leser, al« er den letzten Satz als etwa« Selbst- verständliches aussprach. Als die Ruhe wieder hergestellt worden war, fuhr er fort:Sueton in seinem Buch über Tiberius , 88. Kapitel ebenso TacituS und Dio CassiuS erzählen uns, daß während der Regierung desselben einige Reformen durchgeführt wurden, besonders im Gerichtswesen, das vorher im völligen Zustand der Korruption war. Interessant ist eS, zu wissen, unter welchen Umständen er seine Regierung antrat. Julius Cäsar , der Vorgänger seine« Vaters die Thatsache, daß Tiberiu« nur ein Adop- tivsohn de« OctaviuS Augustus war, macht keinen Unterschied war ein gebildeter, glatter, gutmüthiger Herr, der es verstand, wie man sich Freunde macht. Er errang sich unsterblichen Ruhm durch seinen Feldzug in Frankreich , wo er eine groß« Armee der Gallier aufrieb und einen sehr berühmten General besiegte Bercingetorix.(Beifall und Rufe: Napoleon !) Cäsar '« Nachfolger(Nikolaus! rief ein Zuhörer), OctaviuS Augustus , war ein grausamer, mitleidsloser Mann von eisernem Willen und strengem Charakter. Er bestieg feinen Thron, nachdem er die Stufen desselben mit Blut befleckt hatte, indem er Tausende tödtete und ver- bannte, welche die Freiheit liebten. Man haßte ihn. Das Volk seufzte unter seiner Unterdrückung. Die zahllosen Kriege, welche er unternahm, führte er glücklich zu Ende, aber eine verderbliche militärische Katastrophe, welche hauptsächlich der Räuberei und Unfähigkeit seiner Generäle ent- sprang, bewölkte die letzten Tage seiner Laufbahn ich meine die Riederlage der Legionen deS QuinuliuS Varus.(Sie meinen Sebastopol, " verbesserte einer der Hörer.) Dio Casstu» und TacituS berichten- daß der Tod de« Kaiser « unter so verdächtigen Umständen erfolgte, daß das Volk glaubte, er fei ver- giftet worden. Sein Vorgänger war ein eleganter Frauenanbeter, er war «in roher Wüstling. Als fein Sohn zum Kaiser ausgerufen wurde, ward derselbe vom Volk mit Freuden empfangen. Indem er, wie oben berichtet wurde, einige Reformen einführte und die Lage der unteren Klaffen um ein Geringe« verbesserte, gewann er bald den Ruf eine« freisinnigen Mannes.(Zuruf: Alexander II. ist gemeint.) Die Nation erwachte aus einem langen Schlummer, Jeder athmete freier; ein frischer, gesunder Geist durchdrang die Literatur, eine Schaar junger und begabter Schrift- steller und Poeten, betraten die öffentliche Arena, und manche« Feld, auf dem seit Jahren die Lieder der Sklaverei ertönt, erscholl von den Gesängen freier Männer. Dieser Zustand dauert« aber nicht sehr lange. Di« großen römischen Geschichtsschreiber Sueton , Dio Ca»»»», Vellejus Paterculus und TacituS sind Autoritäten für die Thatsache, daß Tiberius Nun ist aber ziemlich wahrscheinlich, baß die Franzosen , wenn angek griffen, diesmal alles aufbieten werden, Widerstand zu leisten, und wenn sie auch in manchen Dingen gegen Deutschland militärisch noch zurüt sind, so haben sie doch seit 1870 ganz wesentliche Fortschritte gemacht, und ist namentlich an eine Anarchie unter den Heersührern, wie fit 1870 einriß, nicht zu denken. Daher das unablässige Gepolter der Ossi' ziösen und die fortgesetzten offiziellen Beihsuerungen der Friedensliebe, die zu erster«, passen wie die Faust auf's Auge. Unterdessen wird auf beiden Seiten fieberhaft fortgerllstet, und wäh» rend die Geschäfte, angesichts der Kriegsgefahr, immer schlechter gehen, wird die Steuerschraube immer stärker angespannt wird auch der Friede von Tag zu Tag unerträglicher. Kurz, uns-re Staatskünstler sind am Ende ihres Witze« sie Habel! es verstanden, ihre Volker zu verhetzen, aber sie verstehen es nicht, sie mit einander zu versöhnen. Und sie werden eS nie verstehe, denn in ihrem großen, großen Lexikon fehlt das eine Wort, da« die Herz«! bezwingt: Gerechtigkeit. - Aus de« voestehenven«utzführnugen, sowie überh aus der Haltung unseres Blattes geht deutlich hervor, daß wir geg das französische Volk keinerlei Vorurtheil hegen, sondern im Gegenth seiner eigenthümlichen Situation in jeder Beziehung Rechnung zu trag«* bemüht sind. Umsomehr sühlen wir uns daher berechtigt, gegen die rohe« Ausbrüche des französischen Chauvinismus zn protestiren, wie sie sich in den letzten Wochen in den Spalten gewisserradikaler" Blätter vo» Paris gellend gemacht. Die Art, wie derJntransigeant", dieAktion' und ähnliche Blätter aus Anlaß der Schnäbele-Affäre ohne Nnterschie? gegen Alles, was deutsch ist, gewllthet, überschreitet bei Weitem dak berechtigte Maß entrüsteten Zorns über eine noch so brutale Vergewab gung. Das ist nicht die Art, das deutsche Volk der Republik de« Nach' barvolkes günstiger zu stimmen, mit solch' wüsten Schimpfereien arbeite! man vielmehr grade denen in die Hände, die man zu bekämpfen vorgibt Wenn der nationale Gedanke in Frankreich heute noch eine gewisse Bei rechtigung bat, so höchstens wegen bestimmter freiheitlicher Prinzipien) welche die Republik gegenüber ihrer reaktionär-monarchischen Umgebung verlritt, nicht aber zu Gunsten irgend eines bornirten Rassen-Bo<i urtheils. Indem wir das feststellen, konstatiren wir mit Genugthuung, daß sich unsere engeren Genoffen, die französischen Sozialisten, keinen Augenblick beirren ließen, sondern unentwegt an dem internationalen Gedanke/ festhielten. Hier zeigte sich recht deutlich der Unterschied zwischen den kleinbürgep lichen Demagogen und den revolutionären Kommunisten. Der klein- bürgerliche Demagoge schmeichelt den Vorurtheilen und Stimmungen der Masse, weil er ohne die Masse eine Null ist der Kommunist ab«? hat stets den Muth, ebenso der Masse zu trotzen wie einzelnen Despote« er folgt einem Prinzip, das unabhängig ist von der Gunst der Tagest Strömungen, weil es stärker ist als sie. Dcr Infamie die Krone aufgesetzt. Unser, im Posenek Sozialisten prozeß, wegen eines Wahlflugblattes zu zwei Jahren Gesängniß verurtheilter Genosie Constantin Ja> n i s z e w s k i wird im G-fängniß schlimmer behandelt als der g e f ä h W Ii ch st e Einbrecher. Es sind ihm, wie dieVossische Zeitung schreibt, eiserne Handfeffelu, zwischen denen sich eine ebeck solche Stange befindet, angelegt worden. Aus hiergegen erhobene Beschwerde, heißt es weiter, wurde darauf hingewiesen, daß seinerzeit während deS Mendelsohn'schen Prozesses ein Versuch» unter/ nommen wurde, Ianiszewski zu besreien. Der Jnhaftirte erhi-lt Proz.ß ziemlich dre«, in diesem zwei Jahre und eine Woche Gesängniß zudiktirt. Genossen des Ianiszewski wollten demselben Selbstbeköstt- gung verschaffen, das dieserhalb eingereichte Gesuch wurde aber vock der Gefängnißdirektion abgeschlagen." Also weil vor Jahren einmal der Versuch gemacht wurde, ihn all« einer, allerdings ebenso ungerechtfertigt wie die diesmalige, aufgehalstei! Kerkerhaft zu befreien, darum legt man einen ehrlichen, braven Arbeiter/ der k-mem Menschen ein Haar gekrümmt, in Ketten. Und daS iv einem Lande, das sich zivliisirt, einen Kulturstaat nennt I Wir rufen die rechtlich Denkenden aller Parteien zum Protest auf gegen diesen Akt der Barbarei der wie Freiligrath sie einst nannte schmutzigen Westkalmüken. Preußen« Finger in Süddentschlaud. Au« Darmstadt geht uns von wohlunterrichteter Seite die folgende Mit» theilung zu: Wenn ich heute zur Feder greife, so sind dies nicht Darmstädtet Angelegenheiten, die mich dazu veranlassen, fondern die Polizei« f ch u r t e r e i, die sich gegenwärtig in Mainz abspielt. Bekanntlich wurden am 19. und 20. d. M. daselbst 16 Mann wegeil angeblich geheimer Verbindung ver haftet. Dieselben befinde ll sich jetzt noch in Haft. Wie nun für jeden mit unseren Verhältnissen Vertrauten sofort Hat war, daß dieses Manöver nur zu dem Zwecke unternommen wurde, einetl billigen Vorwand zur Verhängung deskleinen B-lazerungszusiandes" zu haben, so dürfte doch Manchen überraschen, zu hören, zu welchen ver- seinen Sinn änderte, al« sein Sohn CajuS Cäsar, der junge Kronprinz; ein ausschweifender, aber talentvoller Jüngling, starb. DrusuS Cäsar , der jüngere Bruder, ererbte beides, seinen Thron und seine Braut/ und dieses Weib, mit praktischem Sinn begabt, flog ebenso willig in DrusuS ' Arme, als sie sich Cajus hingegeben haben würde.(Beifall und Rufe:Da« ist die jetzige Kaiserin von Rußland. ") Je länger der Kaiser regierte, desto weniger dachte er an sein Volk. Tacitus sagt wörtlich: Die Regierung unterdrückte die vom Volk am meisten begünstigten Schriftsteller, aber ihre Bemühungen waren natürlich ein Fehlschlag. Die unterdrückten Bücher wurden im Geheimen gelesen und verbreitet. Wie thöricht ist die K urzsichtigkeit jener, welche glauben, daß ihre zeitweilige Macht so groß»st, daß sie die Gedanken künftiger Generationen beetn- fluffen können. Verfolgung vergrößert immer den Ruhm des Talente«. Herrscher, welche solche Grausamkeiten ausüben, thun das zu ihrer eigne« Schande und für den Ruhm ihrer Opfer." Als Enttäuschung folgte, als Alles, was Freiheit andeutet«, unlet- drückt wurde und da« Volk einzusehen begann, daß seine geliebtest«» Hoffnungen nicht« wie Träume seien, versuchte«S zu protestiren ver­mittelst Petitionen, Schriften und Demonstrationen. Kerker, Htnrichtua- gen und Verbannung war die Antwort der Regierung. Di« Zahl der Unzufriedenen wurde von Tag zu Tag größer. Sie begannen Verschwö- rungen zu bilden, und ein Netz geheimer revolutionärer Organisationen bedeckte bald das ganze Land. Frauen arbeiteten so eifrig wie Männer auf den Sturz der Tyrannei hin. Der wachsenden revolutionären Be- wegung gegenüber kannte die Negierung nur eine Antwort den Galgen. Hunderte von Männern und Fraum wurden in die Gerichts- Höfe geschleppt und nach kurzem Verhör dem Henker überwiesen. Dann begannen die Hinrichtungen der Henker. Eine Anzahl Präko» rianerhäuptlinge wurden ermordet, und in einer der südlichen Provinzen in Spanien wurde ein Gouverneur getödtet.(General Strelnikow in Odessa .) Gegen den Kaiser selbst wurden mehrere Versuche gemacht. Ein demoralistrendes Spionensystem wurde eingerichtet, welches die Leben vo» Tausenden von unschuldigen Personen vernichtete. Der Tyrann schöpfte Verdacht. Da er sich unablässig von den Geistern seiner Opfer verfolgt und von Schaar«» von Brutussen und Cassiuffen bedroht glaubte, floh er nach dem Süden. Dort auf der Insel Capri (Sie sollten sagen, die Insel Krim, " rief Jemand), beschützt von einer Präiorianerhorde, sich erfreuend des blauen Himmel«, der ruhigen See und der grünen Berge, ergötzte er fich an den rasfinirtesten«usschweisungen, während sei» Günstling Sejanu« in der Hauptstadt ein Schreckensregiment führte. (Genkral Gurko l" bemerkte Jemand, während«in Sturm von Ge- lächter losbrach.) Da« war der Zustand der Dinge im Reiche während der Jahr« 79 und 80 ich meine der Jahre 779 und 780 der römischen Zeitrech- nung.(Stürmischer Beifall) Nach TacituS machte besonders ein Bor- kommniß im Leben des TiberiuS auf ihn großen Eindruck. Eines Tages fielen die Gewölbe im Speisesaal« des Palastes«in,«in« Anzahl Män- n-r kamen in den Trümmern um, und der Kaiser felbst emrann mit knapper Roth dem Tod. Der alt« Kaiser begann ernstlich an den Tos