Die politische Oekonomie will und soll nichts als eine Theoriesein; sie will die vorhandenen Thatsachen, namentlich den TauschwerthLer Werthobjekte der bürgerlichen Welt erklären. Behufs deffen sagtDavid Ricardo im ersten Kapitel seiner„Prinziples":.„Diejenigen Dinge, welche Nutzen gewähren, erhalten ihren Tausch«'Verth aus zwei Quellen, aus ihrer Seltenheit und aus dem Quantum'Arbeit, die erforderlich ist. Es gibt Dinge, deren Werth einzig vonihrer Seltenheit abhängt. Dergleichen sind vorzügliche Statuen und Ge«mälde, seltene Bücher, Münzen, Weine von vorzüglicher Güte ic. DieseKlasse von Dingen macht indessen nur einen kleinen Theil derjenigenaus, welche täglich umgesetzt werden. Bei weitem der größte Theil derGüter, die man zu besitzen wünscht, wird durch Arbeit hervorgebracht,nicht in einem Lande allein, sondern in mehreren kann man sie verviel«sältigen, und zwar auf eine unendliche Weise, sobald man nur die zuihrer Hervorbringung nöthige Arbeit auswenden will."Bei Anführung dieser Worte schlägt der Karl KnieS die Händeüber dem Kopf zusammen und rust:„Wo in aller Welt ist nur das«ine wirthschaftliche Gut, das man auf„unendliche" Weise ver«vielfältigen kann?"Sind denn die Zündhölzchen nicht ein solches Gut, welches man un«endlich vervielsältigen kann? Das Holz, die Bäume und Wälder, wor-aus man sie verfertigt, sind allerdings begrenzt. Das Universum alleinist das einzig Unbegrenzte. Insosern hat der Knies Recht. Aber ist erdenn nicht ein überspannter Mensch, der sich mit seinem Kopf in einemüberspannten Gedankenkreise bewegt? Gibt es denn neben der über«spannten nicht eine verständige Unendlichkeit? Ist denn die Zahl derSterne am Firmament und der Haare auf unseren Köpfen nicht eineunendliche Zahl? In diesem Sinne sind nicht nur die Zünd«Hölzchen, sondern auch die Ellen Kattun, die Tonnen Eisen, die ZentnerSchafwolle, ja auch die kultivirten Aecker durch menschliche Arbeit„un-endlich" zu vervielfältigen. Die Unendlichkeit im Sinne Ricardo's isteine verständige und verständliche— sofern man Verstand und gutenWillen mitbringt. Sie bedeutet nichts weiter, als daß alle für dasmenschliche Bedllrfniß nöthigen Produkte von der wachsenden Produktiv-; kraft der Arbeit in unabsehbarer Masse hergestellt werden können. Nichtnur die Tuchvorräthe, auch die Wollvorräthe sind beliebig zu vermehren.WaS hält uns ab, die Wolle, die wir zu Hause nicht finden, in Austra-lien zu produziren? Keine abstrakten, sondern nur ganz k o n«krete Hindernisse, namentlich auch der bornirte Gesichtskreis unserergelehrten Mandarine.Abstrakt betrachtet, ist die rohe Handarbeit, die allgemein menschliche�Durchschnitts arbeit— wie sie Marx nennt— der Autor, der Matadornicht nur der politischen Oekonomie, sondern der ganzen menschlichen�Gesellschaft. Nun aber leben wir nicht in der abstrakten, sondern in derkonkreten Welt. Wer verkennt das? Die konkrete Welt will doch abstraktbetrachtet sein, damit wir klug werden aus ihrer Mannigfaltigkeit. Dazuleisten die theoretischen Ecksteine der Sozialdemokratie vorzügliche Dienste,und die Professoren, die es verkennen, sind eben nur Quasselköpfe.Daß die Werththeorie eine Abstraktion, ist nicht zu verkennen. Daßman dabei von der Natur und dem Gebrauchswerth abfirahirt, um deniTauschwerth„rein" zu erfassen, ist sehr natürlich. Ricardo macht dieArbeit zu seiner einzigen Quelle. Marx ergänzt Ricardo, indem er diegesellschastlich nothwendige Arbeit zu dessen Substanz und die Arbeitszeitzum Maßstab des Tauschwerthes macht. Die Zeit, welche die menschllche�Gesellschaft nothwendig gebraucht zur Herstellung einer Waare, bedingtderen größeren oder kleineren Werth. Damit ist schon gesagt, daß auchder Gebrauchswerth seinen Einfluß übt. Nutzlose Arbeit ist keine noth-wendige. Ferner fügt Marx die Unterscheidung zwischen W�rth undPreis hinzu. Nicht der Preis, der auf diesem oder jenem Markts ge-�zahlt wird, ist identisch mit dem Werth. Angebot und Nachfrage ändern'nur die Preise, nicht aber ihren Werth. Dann wies er noch klar unddeutlich die Verschiedenheit der lebendigen Arbeitskraft von dem geleisteten.Arbeitsprodukt nach und zeigte, wie daS Werthgesetz ein geschichtlichesWachsthum ist, welches erst in der modernen Gesellschaft von Tag zuTag mehr zum exakten Ausdruck gelangt.'Aber alle diese spitzen und scharfen Unterscheidungen hat Marx nichtsowohl gemacht, weil sie in der Wirklichkeit vorhanden sind(? Red.)..Da gibt eS noch zehnmalhunderttausend Unterschiede, die er nicht er-wähnt hat und nicht erwähnen mochte; vielmehr sollen die Marx'schen�Unterscheidungen dienen, die Wirklichkeit zu erklären. Für diesen'Zweck sind sie unübertroffen und bleiben die Ecksteine der sozialen Be«� wegung.VDem Knies leuchtet ein, daß der Sozialismus in seiner Literatur aus!d«n letzten Jahrzehnten„einen großen kritischen Scharfsinn be-Mtigte."„Die Bedeutung dieser Kritik hat wenigstens dadurch nicht abgeschwächtwerden können, daß sie von keiner phantastereichen, detaillirten Aus-imalung der nach einer verlangten neuen Organisation des Wirth-schastslebens für Alle erwartlichen Glückszustände begleitet ist."Und dann wieder:...„ist vorab zu konstatiren, wie wenig(beimSozialismus) von einem andauernden Festhalten und einer gemeinsamenAnerkennung bedeutsamer Forderungen und wichtigster Lehrsätze dre Redesein kann."Was eben gelobt wurde, daß die Sozialisten keine thörichten Plan-schmiede und Zukunstsmaler sind, wird dann auch wieder getadelt: dieLaffalle'schen Pläne von staatlich subventionirten Produltivassoziationenhaben diese unbeständigen Sozialisten schon fallen gelassen. Auch diedem Knies unbegreifliche Forderung,„daß jedem Arbeiter der ganzeArtrag seiner Arbeit zufallen müsse, ist innerhalb eines arbeits-theilig organistrten Gemeinwesens kaum verständlich." Auch will ihm diesozialistische„ N i v e l l i r u n g" gar nicht in den Kopf, wie sie in dem„Motto einer sozialistischen Zeitschrift ausgesprochen ist: Alle Menschen.gleich geboren, sind ein adelig Geschlecht."„Der Sozialismus, sagtKnies, bekennt sich zur Gleichwerthung der Handarbeit mit der Kops-arbeit, ein gleiches Maß von Arbeitsanstrengung und Arbeitszeit soll dengleichen Erwerbsanspruch bedingen."Diese Zitate sind insoweit klassisch, als die ganze Klasse der sozial-.demokratischen Widersacher an denselben Mißverständnissen laborirt, überwelche der Karl Knies soeben(Seite 300 bis 304) gestolpert ist. Auchverläuft und verfließt die feindliche Klasse mit der arbeitenden in gra>duelle Uebergänge und trägt ihren Unverstand und ihre Begrisssverkehrt-heit betreffs der sosialdemokratischen Lehren bis in das Innerste derhartarbeitenden Masse. Das muß denn rechtfertigen, wenn wir wiederund immer wieder uns herbeilassen, dieselbe, so oft schon vom Gegnererfahrene Begrisssverdrehung umständlich zu expliziren und zurechtzu-setzen..Die Sozialdemokratie lehrt allerdings, daß alle Renschen, gleichgeboren, ein adelig Geschlecht seien; aber sie verkennt nicht, daß dt-gleich geborenen Menschen trotzdem und zugleich auch alle mit indivi-duellen Gesichtern und sehr ungleichen Eigenschaften zur Welt kommen.Wem es angelegen ist, die sozialistische Lehre zu verstehen, der dars.sich besonders angelegen sein lassen, dem Sätzchen von der Gleichheit/dessen, was ein menschliches Antlitz trägt, ein wenig mehr als die ge-wohnliche Aufmerksamkeit zu schenken.„Freiheit und Gleichheit" sino alte Forderungen, um welche seit Jahr-taufenden viel, sehr viel hin und her geredet worden. Um sie im Lichteder gewonnenen Kultur zu sehen, thut wieder der„geschichtliche Stand-punkt" noth. DaS Pflänzchen war erst so winzig klein, daß nicht femAnsang, sondern nur e»n merklich gewachsenes Stückchen dem Auge ficht-bar ward. Das Keimchen hat sich entfaltet, hat Form und Bestand ge-wonnen und nunmehr ist das Bild davon besonders in soj alistlsch ge-schulten Köpfen ein viel vollendeteres als in den rückständigen Hirn-konz-ptionen der„gelehrten" Schranzen.„Freiheit und Gleichheit" sind zunächst ideale Begriffe, das Abbildeines realen Gegenstandes, der in Zeil und Raum ,m faktischen L-beneine ausgebreitete mannigfache mater iale Existenz hat. Ideale haben d»eMenschheit vielfach berüät. Der Sozialist, der sich um dt« Erkennt-ni ß derselben beworben, läßt sich nicht mehr berücken, aber ebensowenigläßt er sich seine Ideale eslamotiren. Die von ihren Idealen so viel-berückte Menschheit wird, nachdem sie die eigenlhümliche Wesenheit derIdeen und Jd-ale erkannt hat, nicht auf daS ideal« Slreven, sondernnur auf den Mißbrauch desselben verzichten.DaS nun ist der Punkt, der uns von der herrschaftlichen Piosessor«,markant unterscheidet: wir kennen unsere Jd-ale al» Bord Uder.wir find vollkommen nüchtern bei Anschauung derselben; wir wollen die-sejhen realtstren. Dabei wird dem Sozialismus von S-iten der Vo-ks-ausbeutung und ihrer professionsmäßigen Fürsprecher eine Eselei unter«schoben, die wir mit der größten Entschiedenheit zurückweisen. Die demSozialismus untergeschobene Verkehrtheit in Betreff der Ideale, derIdeen und Begriffe sitzt und heckt und brütet nur in der duseligen Weltdes Widersachers.Das Ideal der Gleichheit alles Dessen, was«in Menschenantlitz trägt,verwirklicht sich zusehends. Wir find uns bewußt, daß unsere Ideale sodem wirklichen Leben entstammen und entnommen sind, wie der Dessein-maler seine idealen Blümchen an den Blumen der Wirklichkeit abgesehenhat. Die wirkliche Gleichheit, das Gleichheitsideal und die zufolge diesesIdeals modifizirte Gleichheit der Zukunft sind drei Verschiedenheiten,welche die Dialektik ebenso klar auseinanderzuhalten weiß, als die Reak-tion daraus einen Mischmasch zu machen versteht, der ihre PrivUegienkonserviren soll.I. D i e tz g e n.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 2S. Mai 1387.— Die internationale« politischen Beziehungen Europasverschlechtern sich von Tag zu Tag. Während alle Regierungen offiziellvon Friedensbetheuerungen überfließen, wird unter der Hand stärker alsje gehetzt, geschürt und— gerüstet, daß es nur eine Art hat. DieSituation ist aufs Aeußerste gespannt, jeder Augenblick kann den Aus-Bruch des Krieges bringen, der nur deshalb aus sich warten läßt, weilNiemand die Verantwortung dafür übernehmen will, angefangen zu haben.Und doch sagt sich wiederum jeder, daß es auf diese Art nicht fort-gehen kann, der Friede, dessen sich Europa in diesem Augenblick er-freut, ist kein„lieblicher Knabe, gelagert am ruhigen Bach", sondern einkostspieliger, die Kulturentwickelung der Völker lähmender Wegelagerer,den jeder am liebsten zum Teufel wünschen würde, wenn nicht hinterihm der Krieg stünde, und zwar ein Krieg, der wahrscheinlich mehrOpfer kosten wird als irgend ein früherer, und von dem man nichteinmal sagen kann, daß es nach ihm besser werden wird— wenigstensso lange die heutigen politischen Zustände fortdauern.Das alte politische System, das in Bismarck bis jetzt Scheintriumphefeierte, erlebt in diesem Augenblick seinen inneren„moralischen" Bank-rott, dem hoffentlich der äußere thatsächliche bald folgen wird. Er istdie einzige Möglichkeit einer wirklichen Besserung. Um ihn zu verdecken,werfen sich die Vertreter der hohen Diplomatie in diesem Moment gegen-seitig allerhand„Enthüllungen" an den Kops, aber sie bewirken damitnur das Gegentheil— sie vergrößern ihn. Der nichtswürdigste Schachermit dem Wohle der Völker tritt da an den Tag, ein„Staatsmann"spielt immer eine schoflere Rolle als der andere. Ganz besonders kom-promittirend für Bismarck, und damit für Deutschland, sind die neuestenEnthüllungen des General Leflo. Sie werden die allgemeine Antipathiegegen das deutsche Reich nur noch steigern.Deutschland erntet jetzt die Früchte seiner glorreichen Einigung durch„Blut und Eisen". Wer es nach 1871 bisher wagte, diese nicht als dieeinzig mögliche und vernünftige anzuerkennen und zu preisen, der wurdevon den Erfolgsanbetern als unzurechnungsfähiger Schwärmer verlacht.Schöner als Bismarck, der Einzige, Unübertreffliche, das Alles gemacht,hätte es ja niemand anders machen können. Und jetzt? Nie war derName des Deutschen im Auslande so verhaßt als im gegenwärtigenMoment— ehedem die Verkörperung des Idealismus, ist er heute für alleaußerdeutschen Nationen der Inbegriff der brutalen Gewaltpolitik.So rächt sich die Thatsache, daß die Einigung Deutschlands durchgeführtwurde im Kampf gegen die Demokratie, daß sie eingeleitetwurde durch eine flagrante Verletzung des Selbstbestim-mungsrechts der Nationen. Der Mißbrauch des Nationalitäts-Prinzips seitens des siegenden Deutschland hat rings umher dem natio-nalen Chauvinismus neue Nahrung gegeben, ihn zum Theil erst geweckt.Es wäre unhistorisch und hieße dem Einzelnen zu viel Bedeutung bei-legen, wollten wir sagen, Bismarck allein trage die Schuld an der jetzigenRassen- und Nationalitälenhetze, aber was ein Einzelner überhaupt dazubeitragen konnte, die Völker zu verhetzen, das hat Bismarck g-than.Dieser Mensch, über dessen Lippen nie ein Wort für das Recht vonUnterdrückten geflossen, der für alles, ob geistiger oder sonstiger Kampf,nur Eines kennt: Gewalt, Gewalt, und wiederum Gewalt, der es fertigbekam, in Deutschland dem Papst zum Triumph zu verhelfen, der dieSchutzzöllnerei eingeleitet hat, aus der er jetzt nicht herauskann, e r trägtden Haupttheil der Verantwortung für die schändlichen Zustände, unterdenen der Wohlstand der Völker Europa's, und speziell des deutschenVolks heute leidet. Und ehe nicht mit seinem» System gebrochen wird,ist an eine Besserung nicht zu denken.Aber wer hat den Muth, das offen auszusprechen? Ohne ein Wortder Kritik seitens der Opposition hat der Reichstag 8ZZ MillionenMehrausgaben für das Militär bewilligt. Man schwieg— auspatriotischen Gründen.Welch schönes Ding ist doch der Patriotismus!— Wozu die„Bolksstimme" gut ist. Jedesmal, wenn es sichum Erkämpsung irgend eines demokratischen Rechtes handelt, wissen diereaktionären Skribenten im Reiche Bismarcks nicht laut genug auf diegeistige Unreife der großen Volksmasse hinzuweisen, angesichts derenes ein Verbrechen sei, derselben die Entscheidung über die wichtigstenFragen des öffentlichen Lebens zu überlassen. Wo es sich um Anregungzu irgend einem Fortschritt handelt— und sei es das bescheidensteArbeiterschutzgesetz— da ist die Volksmeinung inkompetent, da müssendie Fachleute aus den„besseren Ständen" entscheiden. Ein Fortschrittvon unten— pfui! Ganz anders, wenn es sich um die Vorurtheilehandelt, die in gewissen Volkskreisen obwalten, die werdm von ihnensorgsam gehegt und gepflegt, und jederzeit ausgespielt, wenn es gilt,die Gesetzgebung nach rückwärts zu revidiren oder gegen andere Länderzurückgebliebene Einrichtungen zu verherrlichen. So lasen wir jüngst ineinem pharisäerhaften„Kriminalstotislisches aus Frankreich" überschriebe-nen Artikel des ganz verbismarckten„Hamburgischen Korrespondenten"folgende charakteristische Verherrlichung der„Volksstimme":„In dem richtigen Gefühl, daß mit dem Glauben an die sittliche Frei-heit und Verantwortlichkeit der Einzelnen die unter Menschen bestehendeOrdnung steht und fällt, hat die Bokksmeinung die von gewissen Ge«lehrten zu Gunsten der sogenannten Manien geforderten Ausnahmenstets abgelehnt: das Volk als solches glaubt weder an die Kleptomanie(Diebskrankheit) noch an die Pyromanie(krankhafte Neigung zur Brand-stistung! und stellt sich in jedem hierher gehörigen zweiselhasten Fallefast regelmäßig auf die Seite der strengeren Meinung. Mate-rialistische und sentimentale Auffassungen des Verbrechens find fast immerResultate der Verbildung gewesen, und demgemäß unter den mitt-leren und oberen G-sellschastsklassen sehr viel verbreiteter alsunter dem Volk(im engeren Sinne des Worts). BezeichnenderWeise ist auch die— zeitweise siegreich gewesene— Agitation gegen dieTodesstrafe niemals recht populär gewesen. Wohl haben demokratischeund sozialistische Zeitungen zeitweise ausgedehnte Kreise zur Parteinahmegegen diese äußerste Strafe bestimmt: echte Bürger und Bauern sindnichlsdestoweniger stets der Meinung geblieben, daß das alte Wort:„Wer Blut vergießt, dess' Blul soll auch vergossen werden," sür alleZeiten Geltung behalte, und haben dieser Meinung nachdrücklichen Aus-druck gegeben, so oft außergewöhnliche Verbrechen vorlagen. Auf diesemGebiete, wie auf anderen, steht die Sache gegenwärtig so, daß die alt«.echle und unversälschte Volksmeimmg im Lause der letz'.en Jahre unterBeseitigung gewisser x'eudopopulärer, dem Volte untergeschobener Partei-Meinungen zu ihrem Reihte gekommen ist.«Daß die Brulalnät früherer Zeilen in der Aera Bismarck vielfachwieder Boden gesaßt, ist nach drei„glori eichen K liegen" und der lleber-ziehung des Landes mit BiSmarck'schen Volksv-rdummungsorganen keinWunder— wahre Humanilät kann in einem nach russischem Musterregi rien Lande nicht gedeihen. Da kommen ganz andeie Dinge zu ihrem„R cht", und wenn die P.äne der Deutich'and jetzt regierenden EchnapS-janker>n Eisüllung gehen, so wird der„echte Bürger und Bauer" imReiwe der �Koltesfurcht und frommen Sitte wohl auch bald wieder sürHex-np ozesse und Ketzerverbrennungen ichwärmen.UedrigeilS, was den Unglauben an„Kleptomanie" und„Pyromanie"anbetrifft, so würde derselbe sicher weniger verbreitet sei», wenn dies«Krankheiten nicht fast immer und fast ausschließlich da gellend gemachtwürden, wo es fich um Diebe und Brandstifter— pardon» Kleptomane«und Pyromanen aus der guten Gesellschaft handelt. ES ist hier wenbger die Krankheit, die das Volk bezweifelt, sondern die Gerechtigkeit,Diesen, oft nur zu gerechtfertigten Zweifel aber als Beweis für die alttbrutale Vergeltungstheorie in's Feld zu führen, dazu gehört die ganzisittliche Verkommenheit eines neudeutschen Reichsgerichtsraths. Nichtwahr, Herr von Mittelstädt?— Iii»« ftmi-nös— ein Backofen voll nannte man zur Zeitder Schreckensherrschast in der großen Revolution eine Engros-Lieferuvtsür die Guillotine, wenn gleich Dutzende auf einmal ans Messer geliefeowurden. Unsere biederen deutschen Richter sind jetzt in die Fußstapfen der franzöfischen Richter von damals getreten— nur daß ß<im Vergleich mit jenen Borbildern ebenso ruppig erscheinen, wie dßSchreckensherrschaft unserer borussischen Krautjunker im Vergleich mdder Schreckensherrschaft jener Revolutionstitanen. Freilich— damalihandelte es fich um„eine I d e e", und heute handelt es sich um D i ebst a h l und Raub. Doch lassen wir das. Genug— unsere Richtetsind jetzt an den Lieserungen imGroßen— und wenn sie Nlsfnicht auf die nasse Guillotine schicken, so doch wenigstens auf ddtrockene: ins Gefängniß und Zuchthaus. In Leipzig neulich ein hallDutzend, in Magdeburg zweiunddreißig, in C h e m n i tz drei— dalgenügt für eine Woche. Die nächste wird eine ebenso gute Ausbeubgeben: in Stettin, Breslau, und wer weiß wo noch sonst, sind Dutzendund Dutzende von Angeklagten für die fourness bereit; und kein Taßan dem nicht die Polizei neue Opfer heranschleppte. Nun— nur hübs«vorwärts. Jeder Gefangene, jeder Angeklagte, jede>Verurtheilte erhält die Feuertaufe; mit Ausnahaschwachnerviger Bursche, die in unserer Partei glücklicherweise sehr seit«sind— der Chemnitzer G ö tz e(s. u.) hat wenig Vorgänger gehabt, und wowenig Nachfolger finden— wird jeder Gefangene, jeder Angeklagfjeder Verurtheilte zu einem kampsfrohen Veteran, und so sorgt tPolizei mitsammt den Richtern denn in ihrer tollen Reaktionswuth wldasür, unsere Kerntruppen zu vermehren. Die Herren mögen«lnoch toller treiben als bisher und als jetzt— wir halten es aukUnd je fleißiger und eifriger sie den Berg ihrer Schmach erhöhen, destrascher werden auch den Gleichgültigsten die Augen geöffnet, desto eh«kommt die Nemesis. Also nur drauslos vsrurtheilt. Nur immer d«Statistik„der Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung" vermehrt �die Statistik der„Verbrechen gegen die öffentlich'Ordnung" ist die Statistik der Infamie unsere«Feinde.— Der Magdeburger Geheimbundsproze« hat mit der Verurtheilung von 31 der Angeklagten zu inszesammt 164 MonateGefängniß geendet. Der Staatsanwalt hatte für die Betreffenden 1 1Monate 14 Tage beanttagt. Die Herren Richter haben wahrscher"den Beweis liefern wollen, daß auch bei Berufsjuristen das Klaff,Interesse nicht verloren geht, was allerdings kein Mensch angenomihat. Es ist uns absolut unmöglich gewesen, auf Grundlage dervorliegenden ausführlichen Berichte zu ermitteln, nach welchen Grunksätzen die Herren etwa bei der Strafabmessung verfahren sein könnte»Von der Frage nach dem Gewicht des gegen die Einzelnen vorliegend»Beweismaterials konnte gar nicht die Rede sein, denn das niäüberall gleich dürstig: Aussagen des Lumpen Speck und ähnlich»Patrone. Wo sie nicht wegen Wangels jeden Thatbestandes freisprech»mußten, da verurtheillen sie ohne Rücksicht auf die Erklärungen der A»geklagten vor Gericht zu fast ganz gleich hohen Strafen. Sehen wir vo>den wegen einfacher Uebertretung des Vereinsgesetze'Verurtheilte» ab, so ist der D u r ch s ch n i t t sechs M o n a t e—gleich, ob Einer zugab, Leser des„Sozialdemokrat" zu sein oder ni»Der Angeklagte Julius Bremer, der an die Nachsicht des Sfrichtshofes appellirt und— laut dem Bericht des„Neuen Magdeburg»"'Tageblatt"— hervorgehoben hatte, daß sür ihn, als einen alten, krank»Mann bei einer eventuellen Strafe ein großer Rest seines Lebens, vi»leicht dieses selbst auf dem Spiele steh-, und so iveit ging, zu erklär»er„habe nicht gewußt, daß der„Sozialdemokrat" vertrieben wurde,gegen er durchaus gew-sen sein würde, denn dieser Vertrieb des„Sozi«,demokrat" habe schon Hunderte von Familien in's Elend gestürzt", u»wörtlich:„Speck und Krieter hätten auch für unseren schweren Kanwwider die extremen Elemente zeugen müssen. Ich habe daS Gege»theil gethan von dem, was mir die Anklage vorwirffIch habe gewirkt für Ausrechterhaltung der Ordnung, s�die Unterdrückung und Schadlosmachung der Eitremen zur Ehre der Sozialdemokratie"— dieser Ma»wurde zu sieben Monaten Gefängniß verurtheilt, währe»der Staatsanwalt nur sechs Monate verlangt hatte. Aber freil»Bremer ist Hausbesitzer und muß geschäftlich geschädigt w»den. Aus demselben Grunde wurde wahrscheinlich auch Klees statt fsechs, wie der Staatsanwalt beanttagt, zu neun Monaten ver»theilt. Mit einem Wort, das Urtheil ist der Ausfluß der offenkundigst»Partei- und Klassenjustiz, und ein Tribunal, das 81 Mann»von denen der Staatsanwalt selbst konstatiren mußt«, daß fich„b<keinem von ihnen Neigung zu Ausschreitungen g«zeigt", noch über den Anttag des Staatsanwalts hinaus verurthei»ein Tribunal, das im Bewußtsein der Ungerechtigkeit sein«'„Rechtsspruchs" die noch auf freiem Fuß befindlichen Opfer fein»Justiz sofort hinter Schloß und Riegel bringen läßt, ein solch»Kollegium von Rechtsverttetern gehört an den Pranger der Recht»Verbrecher. Ihre Namen sind:Landgerichtsdirektor Jlberg, Vorsitzender,Landgerichtsrath FabianGerichts-Assessor Forell'„Nicht für noch so viel Geld," schreibt uns ein Augenzeuge der 0«richtsverhandlungen,„möchte ich den Augenblick der Verurtheilung Hl»einmal erleben. Dort die aufrecht stehenden Männer, die, ohne mit d»Mienen zu zucken, daS Urtheil entgegennahmen, drüben die Richter, de»»man das Bewußtsein der Schlechtigkeit an den Mienen ablas, und>»mich herum, auf der Zuschauerttibüne, die weinenden Frauen--ruffische Zustände!"Ferner schreibt man uns a«S Magdeburg:„Was Speck für die angebliche Organisation X, war Schtvennhagt»der Exfreigemeindeprediger, für die angebliche Organisation II. Be»Hallunken verkehrten miteinander.Keine„Sitzung" ist der Polizei bekannt geworden, wo nicht entwed«Speck oder Schwennhagen dabei gewesen. Roch mehr.<rchwennhag»kannte die Genossen nur von Ansehen, jedenfalls wußte er ihre W»nungen nicht. Was that er? Er bat um Unterstützung seiner Exist»dadurch, daß die Genossen ihre Kinder zu ihm in die Unterrichtsstund«schicken möchten, welche er erst noch einrichten wollte. Bei dieser 0legenheit schrieb er nun genau Vor- und Zunamen und Wohnung d«'jenigen aus, die ihre Kinder sür die— natürlich nie zustandegekommen'Unterrichtsstunden angemeldet. Dies war sein„Material". Andelals die, welche dem Lump S chwennhagen ihre Adresigegeben, um ihn von ihrem sauren Schweiß zu unt»'stützen, sind der Polizei nicht bekannt geworden.Ist eine solche Schlechtigkeit erhört?"Run, das Schandgesetz und die polizeiliche Sch and wirs ch a f t haben eben das Verdienst, alle nur denlbare Niedertraozu züchten und zu pflegen.Uebrigens hatte der Bursche es auch nur dem Schandgesetz zu v»danken, daß er in gewissem Sinne eine Rolle im öffentlichen Le»spielen konnte. Da man in Deutschland von der Tribüne herab üßpolitische und religiöse Fragen nur verblümt reden dars, war eS ißdort» möglich, feine grauenhaste Ignoranz hinter radikal schillernd»Phrasen zu verbergen. In Zürich aber, wo man frei aussprechen da'veriieß ihn nach zwei Vorträgen fem«„Wissenschaft" so total, daß'trotz einer gehörigen DostS Unverfrorenheit den brüten kaum herunt»stammeln konnte. Der handelte freilich nicht von den„Pfaffen", sond«»— vom Sozialismus.— Johann Most hat, seitdem er das Gefängniß verlassen, wied«»holt er lart, er»erbe sich in Zukanft gegenüber den nichtanarchistisch»proletarischen Parteien in der Kritik jeder Gehässigkeit»c. enthalten.jjbäivt>