ttnb mit der Entwickiuttg der Pattei selbst, äUi immerhin M Programm, worüber die Partei in jedem gegebenen Augenblick einig ist. Solange dieses Programm noch nicht herausgearbeitet ist, solange wird auch die Partei nur noch als Keim existiren; sie mag lokale Existenz haben, aber keine nationale; sie mag eine Partei sein ihrer Bestimmung nach» aber Noch nicht in der Wirklichkeit. Welches aber auch die ursprüngliche Gestalt dieseS Programms sei» Mag, so muß es sich stets fortentwickeln in einer Richtung, die im Bor« aus bestimmt werden kann. Die Ursachen, die zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse eine abgrundtiefe Kluft gerissen haben» sind dieselben in Amerika wie in Europa ; die Mittel, diese Kluft auszufüllen, find gleichfalls überall dieselben. Und daher muß das Programm des amerikanischen Proletariats, je weiter die Bewegung sich entwickelt, um so mehr zusammenfallen mit dem, welches nach sechzig Jahren des Zwistes und der Debatten das allgemein angenommene Programm des europäischen streitbaren Proletariats geworden ist. Es wird, wie dieses, alS schließliches Ziel proklamiren die Eroberung der politische» Herrschaft durch die Arbeiterklasse als Mittel zur direkten Aneignung aller ProduktionSmiitel Boden, Eisenbahnen, Bergwerke, Maschinen u. s. w. durch die Gesellschaft und zur gemeinsamen Benutzung dieser Produktionsmittel durch und für die Gesammtheit. Nun erstrebt in der That die neue amerikanische Partei, wie alle und jede politische Partei, kraft der bloßen Thatsache ihrer Bildung, die Er- oberunz der politischen Herrschaft. Aber sie ist weit entfernt davon, mit fich einig zu sein über das, wozu diese politische Herrschaft gebraucht werden soll. Ja Newyork und den andern Großstädten des Ostens hat die Arbeiterklasse sich nach Gewerkschaften organistrt und in jeder Stadt eine mächtige Central Labor Union gebildet. In Newyork speziell erkor die Central Labor Union vorigen November Henry George zu ihrem Bannerträger; infolgedessen war ihr damaliges Wahlprogramm stark von Henry George's Ansichten durchtränkt. In den großen Städten des Nordwestens wurde die Wahlschlacht auf Grundlage eines ziemlich un« destimmten Arbeiterprogramms ausgekämpft, worin der Einfluß der George'schen Ideen kaum, wenn überhaupt, sichtbar war. Und während in diesen großen Mittelpunkten der Bevölkerung und der Industrie die Bewegung eine entschieden politische Form erhielt, finden wir daneben, über das ganze Land zerstreut, zwei weit verbreitete Arbeiterorganisationen: die Arbeitsritter und die Sozialistische Arbeiterpartei , von denen nur die letztere ein mit dem oben skizzirten, modernen europäischen Stand« punkt übereinstimmendes Programm besitzt. Von diesen drei mehr oder weniger bestimmten Formen, in denen die amerikanische Arbeiterbewegung uns gegenübertritt, ist die erste die »on Henry George geführte Bewegung in New-Dork sür den Augenblick von vorwiegend nur lokaler Bedeutung. Unzweifelhaft ist New-Dork bei weitem die wichtigste Stadt des Landes; aber New-Dork ist nicht Paris , und die Vereinigten Staaten sind nicht Frankreich . Und es scheint mir, daß das Programm Henry Georges, in seiner jetzigen Gestalt, zu knapp ist, um die Grundlage zu bilden für mehr als eine lokale Bewegung, oder, im besten Fall, sür mehr als eine kurzlebige Uebergangsstufe der allgemeinen Bewegung. Für Henry George ist die Enteignung der Volksmasse vom Grundbesitz die große, allgemeine Ur- fache der Spaltung des Volks in Reiche und Arme. Das ist aber ge- schichtlich nicht ganz richtig. Im asiatischen und klassischen Alterthum war die herrschende Form der Klassen-Unterdrückunz die Sklaverei, d. h. Nicht sowohl die Enteignung der Massen von Grund und Boden, als vielmehr die Aneignung ihrer Personen durch Dritte. Als beim Verfall der römischen Republik die freien italischen Bauern von ihren Heim« pätten«xpropriirt wurden, verwandelten sie sich in«ine Klasse von »verlumpten Weißen"(poor whites",white trash"), wie sie in den südlichen Sklavenstaaten der Union vor l8K1 bestand; und zwischen Sklaven und verlumpten Freien, zwei zur Selbstbefreiung gleich untüch- ttgen Klassen, ging die alte Welt in die Brüche. Im Mittelalter war keineswegs die Enteignung der Volksmassen vom Boden, sondern viel« mehr ihre Aneignung an den Boden die Grundlage des feudalen Drucks. Der Bauer behielt seine Heimstätte, wurde aber als Leib- eigner oder Höriger an sie gefesselt und hatte dem Grundherrn Tribut in Arbeit oder in Produkten zu leisten. Erst bei Anbruch der neuen Zeit, gegen End- de« 15. J> rhv.derts. wurde die Expropriation der Bauern auf großer«wfiKfeU d-it.'�esithrl; und zwar diesmal unter geschichtlichen Bedingungen, welche die besitzlos gewordenen Bauern all- mälig in die moderne Klasse der Lohnarbeiter hinüberführten, in Leute, welche nichts besitzen außer ihrer Arbeitskrast, und nur leben können von dem Verkauf dieser Arbeitskraft an Andere. Wenn aber die Eni- «ignung von Grund und Boden diese Klasse ins Leben rief, so gehörte die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, die moderne Groß- indufirie und die moderne Großackerwirthschaft dazu, sie zu verewigen, p» vermehren, und sie in eine besondere Klasse mit besonderen Jnter- essen und einer besonderen geschichtlichen Aufgabe zu verwandeln. Alles dies ist ausführlich dargestellt von Marx.(Kapital", I. Bd., Abschn. VIII: »Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation.") Nach Marx liegt die vr fache des gegenwärtigen Klassengegensatzes und der gegenwärtigen Er- niedrigung der Arbeiterklaffe in ihrer Enteignung von allen Produk- Aonsmitteln, worin der Boden natürlich einbegriffen ist. Nachdem Henry George einmal die Monopolistrung deS Bodens zur einzigen Ursache der Armuth und deS Elends gemacht hat, findet er begreiflicherweise daS Heilmittel darin, daß die Gesellschaft als solche den Boden wieder in Besitz nimmt. Nun verlangen die Sozialisten der Marx'schen Schule ebenfalls, daß die Gesellschaft den Boden wieder in Besitz nimmt, und nicht nur den Boden, sondern alle andern Produk- tionsmittel ebenfalls. Aber selbst wenn wir hiervon absehen, so bleibt noch ein anderer Unterschied. Was soll mit dem Boden gemacht werden? Die heutigen Sozialisten, soweit Marx sie repräsentirt, verlangen, daß er gemeinsam besessen und gemeinsam für gemeinsame Rechnung bear- bettet werde, und daß dasselbe mit allen andern gesellschaftlichen Pro- duktionSmitteln, Bergwerken, Eisenbahnen, Fabriken u. f.«. geschehen soll. Henry George dagegen ist damit zufrieden, daß der Boden, ganz wie jetzt, an Einzelne stückweise verpachtet wird, sobald nur die Ver- vachtung geregelt und die Bodenrente, statt wie jetzt in Privattaschen, in die öffentliche Kasse fließt. Die Forderung der Sozialisten schließt »ine vollständige Umwälzung des gesammten heutigen Systems der ge« fellschaftlichen Produktion ein. Die Forderung Henry George's dagegen läßt die heutige gesellschaftliche Produktionsweise unberührt und ist auch in der That schon vor Jahren von der extremsten Richtung der Ricar- dianischen bürgerlichen Oekonomen aufgestellt worden. Auch sie ver- langten die Konfiskation der Bodenrente durch den Staat. Natürlich wäre es unbillig, anzunehmen, daß Henry Georg « schon ein für alle Mal sein letztes Wort gesagt hat. Aber ich muh seine Theorie «dm nehmen� wie ich sie finde. (Schluß folgt.)

Aus England. London , 30. Mai. K. K. Gestern, am Pfingstsonntag, fand die Jahreskonferenz der Sozialistischen Liga(Looialietio l-eague) statt. ES handelte sich diesmal um eine Angelegenheit von ganz besonderem Interesse, um die Eni- fcheidung darüber, welches der Charakter der Liga sein soll. Die Frage, um die eS sich drehte, deweist, daß der Sozialismus w England seit der Gründung der Sozialistischen Liga(1885) erheblich an Boden gewonnen hat. Damals mußte die Hauptaufgabe der sozialistisch.« Propaganda dahingehen, den englischen Arbeitern nachzuweisen, daß sie keine Ursache hätten, sich als vom Schicksal besonders bevorzugte Wesen zu betrachten, die viel zu frei und selbständig seien, um den Sozialis- mus nöthig zu Haien, der, wie die englischen Arbeiter glaubten, für Politisch zurückgebliebene Länder ganz gut sein möge, nicht aber für England nothwendig sei, mit seiner Arbeiterschutzgesetzgebung, seinen Traves-Unions und seiner politisch mächtigen Arbeiterklasse. Es handette sich darum, den Arbeitern nachzuweisen, daß ihr« gegenwärtigen Leiden nicht einer vorübergehenden schlechten Konjunktur entspringen, sondern die naturnothwendige Folge der modernen Produktionsweise sind. Es galt vor Allem, sie dahinzubringen, daß sie ein Interesse für den So- zialismus gewannen und ,hm näher traten, anstatt ihn als Hirngespinnst zu verlachen. Solange diese Seite der Propaganda im Vordergrunde stund und fast

einzig und allein betont wurde, konnten Leute ganz gut zusammenarbeiten, die die verschiedensten Ansichten über den Werth der polttischm Thätigkeit hatten. Settdem ist aber die Situation eine andere geworden. Der chronische schlechte Geschäftsgang, der verhältnißmäßige industrielle Rückgang Englands gegenüber Deutschland und den Vereinigten Staaten , endlich daS mächtige Anwachsen der Arbeiterbewegung in dem letzteren Lande seit einem Jahre haben nicht verfehlt, in der englischen Arbeiter- klaffe daS Interesse für den Sozialismus zu wecken. Die Frag- unter den Arbeitern hier ist heute nicht mehr so sehr die, ob der Sozialismus erstrebenswerth, als vielmehr die, ob er erreichbar sei, und durch welche Mittel er erreicht werden könne. Natürlich hat die Antwort zu lauten, daß die Eroberung der polttischen Macht das Mittel sein muß, um die Nationalisation der ProduktwnS- mittel und die Organisation der Arbeit der Nation durchzuführen. Der erste politische Faktor in England ist aber daS Parlament, und eine Partei, die hier einen politischen Kampf führen will, muß sich als parlamentarische Partei konstituiren, nicht in dem Sinne einer Partei die parlamentirt, die schwätzt, sondern im Sinn einer Partei, die das Parlament erobern will. Das versteht auch der englische Arbeiter, und die Nothwendigkeit der Gründung einer sozialistischen politischen Arbeiterpartei leuchtet ihm ein und wird von ihm freudig bewillkommnet. In der Sozialistischen Liga hat sich jedoch eine Richtung gebildet, die von einer politischen Thätigkeit nichts wissen will, die dem alten Spieß« bürgergrundsatz huldigt, daß die Politik den Charakter verdirbt, und die, um ihre politische Jungfräulichkeit zu bewahren, sich am liebsten in ein Schneckenhaus verkriechen möchte. Diese Richtung wurde gefördert durch das Eindringen festländischer anarchistischer Elemente in die Liga. London ist bekanntlich der Sammel- platz der anarchistischen Emigration und der Polize.spitzelei, die hier viel ungestörter ihr Wesen treiben können als in Zürich , wo ihnen die ge« schulten Genossen zu sehr auf die Finger sehen. Die deutsche Polizei hat in der Sozialistischen Liga ein gutes Feld der Kultivirung von Anarchismus zu finden geglaubt, was schon daraus hervorgeht, daß der deutsche Spion und Busenfteund Peukert'S» Reuß, ein eifriges Mit- glied der Liga war, in den Council(Parteivorstand) gewählt wurde und fast die Sekretärstelle erlangt hätte. Jndeß hat die deutsche Polizei hier wie anderswo ihr Geld großen- theilS umsonst hinausgeworfen. DiePropaganda der That" hat in der Liga keinen Anklang gefunden. Der Anarchismus, der in ihr vertreten ist, fordert eher eine Propaganda der Thatlosigkeit, Enthaltung von jeder politischen Thätigkeit, um nicht iorrumpirt zu werden. Diese Art Anarchisten sind ganz gute Leute, mit denen man sehr wohl verkehren kann. Aber sie sind spottschlechte Musikanten und sie hindern die sozialistische Propaganda. Der englische Arbeiter ist sich seiner poli- tischen Macht wohlbewußt, er kennt die Wirkung seines Stimmzettels; die englische Arbeiterklasse hat schon manches Ministerium gestürzt, und nun kommen Leute zu ihr und rathen ihr im Namen des Sozialismus, nicht ihre Macht besser zu verwenden, alS sie bisher gethan, sondern sie wegzwerfen und thatlos zu warten, bis dieErziehung" des Volkes zum Sozialismus vollendet ist nicht die Erziehung durch den Kampf, den ökonomischen und politischen Kampf, sondern durch sentimentale Reden und schöngeistige Literatur. Daß der politisch geschulte Engländer solcheSozialisten" einfach aus- lachen wird, ist natürlich, und wenn er dann wieder hört, daß andere Sozialisten für den politischen Kamps eintreten, wird die Sache dadurch nicht besser; er denkt sich: die Leute wissen selbst nicht, was sie wollen. Es wurde daher in letzter Zeit immer nothwendiger, die Propaganda der Liga zu einer einheituchen zu gestalten, sollte sie nicht, anstatt die Massen zu führen, zu ihrem Gespött werden. Am Sonntag sollte die Enlscheidung fallen: sie fiel zu Gunsten derjenigen Richtung aus, welche die Liga hindern will, der Kern einer politischen Partei zu werden, und ihr den Charakter einer Sekte wahren will. Mit 17 gegen 11 Stimmen wurde ein Antrag von W. Moris angenommen, der folgendermaßen lautet: Da«S die erste Pflicht der Sozialistischen Partei ist, das Volk in d-n Prinzipien des Sozialismus zu eruehen und es»um Umsturz te« rupitalistischen System« zu orzanifirem-Zz billigt die Konferenz di> her von der Liga befolgte Enthaltung von der parlamentarischen Aktion und sieht keinen genügenden Grund, von derselben abzugehen." Damit wäre eigentlich für die sozialdemokratischen Mttglieder der Liga die Nothwendigkeit ihres Austrittes aus dieser Organisation ausge- sprachen, ohne daß damit eine Gegnerschaft gegen sie nothwendig verbunden wäre. Ihr Anarchismus ist dazu zu harmlos. Aber ein län- geres Verweilen in der Liga wäre zwecklos, da der Beschluß vom Pfingst - sonntag alle propagandistische Arbeit, die im Rahmen derselben geschieht, zur Unfruchtbarkeit verurtheilt. Trotzdem bleiben unsere Freunde in der Liga, wenn man ihnen den Aufenthalt darin nicht unmöglich macht. Sie haben nämlich sehr triftige Gründe zur Annahme, daß die Majorität der Konferenz vom Pfingst - Sonntag nicht der Majorität der Mitglieder entspricht, und daß die Mehrheit der Mitglieder der Liga»n Wirklichkeit auf sozial- demokratischem Boden steht. Unsere Genossen erwarten daher, daß die nächste Konserenz den Beschluß der letzten umstoßen und eine ent- schieden sozialdemokratische Taktik inauguriren wird. Wir wünschen ihnen den besten Erfolg dazu, wenn wir auch ihre Er« Wartungen etwas sanguinisch finden, da ein Thett der Einflüsse, welche die Vertreter der Minorität zur Majorität machten, fortbestehen werden. Immerhin werden fie, selbst wenn sie das nächste Mal wieder unter« liegen sollten, fich sagen können, daß sie Alles gethan haben, um eine Spaltung zu vermeiden.

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 1. Juni 1887. Giue Bestätigung alles dessen, was wir über den gegenwärttg in Deutschland herrschenden Byzantinismus geschrie- den, liefert folgender, der bürgerlich-konservativenIllinois Staats- Zeitung" von einemhochbetagten deutsch -amerikanischen Staatsmann" der, wie fie schreibt, für die Einheit und Freiheit des deutschen Baterlandes schon zu einer Zeitgestrttten" undgelitten" hat, als die Mehrzahl der heutigen Kaiser- und Bismarck -Anbeter noch gar nicht auf der Welt waren zur Verfügung gestellter»rief, der an letzterenvon einem der bedeutendsten und hervorragendsten Männer Norddeutschlands", der weder Sozialist,»och Demokrat ist, sondern ein auftichtiger Anhänger der konstitutionellen Monarchie", gerichtet worden. Dieser ganz unverdächtige Mann schreibt: Man wird sich in Amerika kaum eine Vorstellung davon machen können, wie d e m o r a l i s i r e n d das Bismarck 'sche Regiment nicht nur auf den Charakter, sondern auch auf das Verständniß des deutschen Volkes einwirkt. Das knechtische Wesen den herrschenden Gewalten gegenüber wird gradezu unheimlich. Was ge« schehen wird, wenn diese Wirthschast einmal zur Liquidation kommt, das wagt Niemand auszudenken. Hoffentlich steckt im deutschen Volke mehr Kraft, als augenblicklich sichtbar wird. Die offene Opposition beruht zur Zett nur auf einer Handvoll Menschen. DaS System der Erregung von Schrecken hat seine Schuldigkett gecha». Bismarck -Beleidigungen, Älaje- stäts-Beleidigungen und ähnliche Verfolgungen regnen besonders auf die Presse herab. In vielen Orten sehen sich die Menschen um, bevor fie ein kräftig Wörtlein sagen, ob auch kein Denunziant in der Nähe ist. Der Redakteur deS liberalen Blattes in unserm Wahlkreise hat den ganzen letzten Sommer im Gefängniß gesessen, weil er der hohen Obrigkeit einige Vorwürfe gemacht hat, über derenHarmlosigkeit man in Ihrem Lande lachen würde. Natürlich werden die Miß- liebigen auch gesellschaftlich vereinsamt und so«irthschaftlich geschädigt. Zum neunzigsten Geburtstage des Kaisers, bei welcher G-legenhett ein unermeßliches Quantum Loyalität verbraucht wurde, erwartete man eine Amnestw für politische Verbrechen; aber sie kam nicht, denn sie liegt nicht im System, sondern da heißt eS:Mögen sie uns hassen wenn sie unS nur fürchten!" Der ganze nationalt Entwicklungsprozeß ist von

hohem, geschichtlichem Interesse nur daß man selbst zu dem Körpet gehört, an welchem daS Experiment vollzogen wird, ist eiwaS unbehag- lich. Natürlich harrt man trotzdem aus, so lange das Schiff zusammenhält." Rtt demAusharren" allein ist's nicht gethan, wenn man nicht ge- willt ist, energisch gegen daS Uebel anzukämpfen. Und daß der Brief- fchreiber dazu schwerlich den nöthizen Muth hat, obwohl er sich in mate- riell günstiger Stellung befinden dürfte, geht aus dem ganzen Ton seines Briefes hervor indeß dies nur nebenbei. In der Sache hat der Mann, wie gesagt, nur zu Recht. Haben wir doch seit einiger Zeit fast nichts mehr zu registriren als Auswüchse der von ihm geschilderten Korrupttow Leute, denen der Anstand über Alle» geht, und die wahr» scheinlich in jedem Betrug nur einen Jrrt hum erblicken, d. h. wen» der Betrug von Leuten in Frack und weißer Weste verübt worden haben daran Anstoß genommen, daß wir gelegentlich das Reichs- g e r i ch t eine Reichsrechtsgauner- Akademie getaust. Mit gestehen, der Titel klingt nicht schon, aber solange in Deutschland Rechtä» gauneret betrieben wird und im Reichsger icht ihren Hauptrückhatt findet so lange im Reichsgericht die Rechts-Jnterpretationen" ausgebrütei werden, nach denen streberhafte Richter aus Recht Unrecht und aus Unk recht Recht zu machen im Stande sind, ziehen wir es vor, uns lieber an guten Ton als an der W a h r h e i t zu versündigen. Die Herren in Leipzig sind keine Richter es sind die feilen Dien er der herrschenden Gewalt jeder Tag bringt neue Beweise dafür. Ueber ihr jüngstes Rechtsgaunerstllck lesen wir in derFrankfurts Zeitung": Hinsichtlich der Auslegung des Z 19 des Sozialistengesetzes, naih welchem auch die Einziehung beschla gnahmter verbotener Druckschriften, sofern diese! ben vermuthlich zu weitere« Verbreitung bestimmt sind, gestattet wird, ist kürzlich seitens des II. Strafsenats des R e i ch s g e r i ch t s ein recht beachtenswertheS llk> theil gefällt worden. Gelegentlich einer bei dem Cigarrenarbeiter Hefsi in Potsdam vorgenommenen Haussuchung waren bei demselben 24 vev schiedene Druckschriften, die sich aber sämmtlich nur in je einenl Exemplar vorfanden, beschlagnahmt worden; diese Beschlagnahme wurd aber durch ein Urtheil des Landgerichts zu Potsdam wieder aufgehobe» weil man dem Hess« die Absicht weiterer Verbreitun nicht nachzuweisen vermochte. Dieses Urtheil wurde nun feiten der Staatsanwaltschaft angefochten, und obwohl selbst der Reichs anwalt Gal li die Revision sür unbegrsirndet erachtet«, ha das Reichsgericht das Urtheil des Potsdamer Landgerichts aufgehobe« und die Sache zu nochmaliger Verhandlung an das Landgericht Berlin i zurückverwiesen. Nach der Ansicht des Reichtsgerichts ist der Besitz ver» botener Druckschriften nur dann unantastbar und straflos, wenn die be treffenden Drucksachen dem Besitzer ohne Bestellung zugeschick würden, die Bestellung ist als eine Be ihilfe zur Veröreü tun g zu betrachten. Demnach würde eS künftighin nicht allein Volks wirthschafllern und Politikern, sondern auch Staatsanwälten und Post zeibehörden verboten sein, derartige Druckschriften zu bestellen." Kann man allen Begriffen des Rechts und der Logik schamloser&* walt anthun als eS in diesemRechts- Erkenn tniß" geschehen? Ein elendere Rabulistik wird man bei den berüchtigsten Kasuisten vergebest suchen. Wie unschuldig waren doch dagegen die Zustände, als Frav Ziegler im preußischen Abgeordnetenhau se beim Justiz-Etat den bekannt« Ausspruch that: Ich gehe zum Kadi! Wir werden nächstens die Peti» tion um Rückberufung der Jesuiten unterschreiben«M Interesse einer Besserung der öffentlichen Moral. Natürlich ist auch das vorstehendeErkeuntniß" von Berits aus bestellte Arbeit! DieBestellung" von Rechts- und Gesetzest Verletzungen ist alsBeihilfe" zu Umfiurzbestrebungen nur dann st ras' bar, wenn dieselbe nicht vom Reichskanzler und seinen mitver� pfründeten Blutsverwandten ausgeht. Wir gratuliren dem Rechts k g e f ü h l des deutschen Volkes zu diesen Hebungsversuchen deröffeist lichen Moral" und bleiben auch femer bemüht, im Wege unsrer Press* und Literatur zur modernen Rechtskenntniß kräftigst beizuiragdH Um also nicht blos Staatsanwälten, Polizeibehörden, Volkswirthichast ( lern, Politikern ic. die ungrstrait« Lestü« �insexer sMaldeinckra!:!�� �drua'erzcugnisse' zu sicherst, sondern di.ü.'.v' auch In bisher ungc'chwächj ter Weise den breitesten Schichten dco Volkes zuzuführen, dürste aui Grund der neugewonnenen ReichsgerichtsbaftS für G es etzesumge Hunt und Rechtsbeugung Folgendes zu empfehlen sein. Jeder uns bekannt« und durch Gottes gnädige Fügung unS bekanw! werdende Interessent erhält von uns schenkungsweise alle ist Nichtbestellungs falle unantastbare und straflose Drucksachen, ins Haus. Wir werden zugleich ebenso wie bisher, alle uns nichts bestellt zugehenden Geldbeiträge zu erlaubten rem menschlich' Zwecken entgegennehmen und öffentlich quittiren, ohne der Mildchätt;' Schranken zu setzen und bauen auf die tr-ue BcihUse aller Gleichgefinn Sich an Geschenke zu machen, schüfe doch ein gar zu bedenklich Präjudiz. Man denkt da leicht an Möbelfpeicher. Wie'» gemacht wird. In den deutschen Reptilblättem, na» lich in sämmtlichen sächsischen Amtsblättern, steht zu lesen, daß in Woche vor Pfingsten Liebknecht zu Plauen im Voigtland Versammlung abgehalten habe und daß es anläßlich dieser Versammli zuWidersetzlichkeiten" gegen die Polizei gekommen sei, daß mehrere Verhaftungen vorgenommen werden mutzten." Wer das liest, ohne unsere Polizei und ohne unser« Reptilien>< kennen, muß natürlich denken, Liebknecht habe soaufreizend" g' sprachen, daß ein Tumult erfolgt sei und ein Straßenkamps in' rem Maßstabe gewüthet habe. Und die Moral ist natürlich: dm Sozialdemokraten muß das sammlungsrecht entzogen werden. In Wirklichkeit verhielt fich die Sache so: Liebknecht hatte, einer sehr alten Einladung folgmd, sich bereit einen Vortrag in Plauen zu halten. Für diesen Vortrag war ein.. sprechend geräumiger Saal gemiethet worden. Die Polizei, welch» f gemüthlich" war, die Versammlung direkt zu oerbieten, probirte es dem modischen Auskun stsmittel der S a a l a b t r e i b u n g. Der Wim ließ sich einschüchtern und entzog den Sozialdemokraten am Tage der Versammlung den Saal. Die Polizei triumphirte: fie hatte die sammlung erlaubt, und doch konnte die Versammlung nicht statt finden. So d achten die Herrm Gesetzeswächter. Aber eS geht nicht immer,& die Polizei denkt. Diesmal kam eS etwas ander». Ein Wirth, der üb« Beeinflussungen dieser Art erhabm ist, stellte seinen Saal für>w Liebknecht'jchen Vortrag zur Verfügung. i. Und so kam die Versammlung doch zu Stande. Di« Polizei knirscht» sie mußte ihre Revanche haben. Der Saal, in welchem die Versammlung tagen konnte, war leid* nicht so groß, als der ursprüglich gemieth ete Saal obgleich kein wegS klein, vermochte er doch auch nicht annähernd die Menge zu fass und vor dem Lokale entstand ein Gedränge. That die Polizei ihre digkett, so hätte die Menge sich zerstreut, ohne daß nur einläute»! geredet worden wäre. ES brauchte nur mitgethettt zu werden, daß Saal bereits gefüllt fei. I Aber die Polizei wollte einen Krawall haben. Sieg« in brutalster Weise gegen die aufgestaut: Menge los und hätte auß* ordentlich gerne eine Frankfurter Kirchhof-Affaire* Szene gesetzt. Die Leute ließen sich jedoch von den Ordnungshüter« l1 keiner Unordnung verleiten, und so blieb denn den letzteren nichts deres übrig, als die Personen zu verhasten, die sich des Gedräng" wegen nicht rasch genug, d. h. nicht so rasch, wie es nach Ansicht d- Ordnungshüter erforderlich war, von dem umflurzlerischen Saale e* fernten, den ein umflürzlerischer Wirth den umstürzlerischen Sozialde« traten zu einem umstürzlerischen Vortrag überlassen hatte. Dich ist die Wahrheit.-�7 Und wer nicht sofort einsieht, daß Methode in diesem provokatorisch� Borgehen war, dem braucht blos die Thatsache ins Gedächtniß zurü» gerufen zu werden, daß schon im vorigen Februar, kurz vor der W<ch lU,- von derselben Polizei ein ganz ähnliches Manöver versucht wurde.<«b-n Plauen hauset nämlich der famose Sozialreformer, Staatsanwalt& N,* Agrarier H a r t m a n n, eine der Hauptsäulm der Reaktion in Eachis° aass ein Streber, wie er im Buche steht, listig, berechnend, etwas gescheit"" als Ackermann, aber ebenso ölig und heuchlerisch und diesem H«? in i n galt und gilt es, den Plauen 'schea Wahlkreis zu erhalten. lW'»' wenn's nicht anders geht, auch um

mann zwar um jeden Prei»