— ES wird fsrtgesosse«! Verziihung, lieber Leser— daS WortM nicht für recht anständig, aber leider ist eS das einzige, welchespaßt, denn daS anständige fort g e t r u n k« n I würde nicht passen,weil ei sich um«in unanständiges Trinken handelt, und daS un-anständige heißt Saufen.Also:„ES wird fortgesosfenl" war daS Thema eine« vor-träges, den Sonntag den 12. September d. I- Herr v. Puttkamervor einer Gesellschaft von Studenten w Känigiberg hielt, undder als Segenvortrag gegen die bekannten Ausführungen desHerrn v. Bosse betrachtet«erden muß.Welcher Herr v. Puttkamer? fragt der Leser— welcher derfünfhundert Puttkamer, die den preußischen Staatsdienst unsicher machen,hat über daS Thema:„ES wird fortgesoffen!" einen Bortrag gehalten?Welcher Puttkamer? Welche Frag«!Natürlich unser Puttkamer, unser P utty, der kaiserlich-deutscheStaatssekretär und königlich-preußische Polizeiminister von Puttkamer,der Protektor und Lobredner des„pflichttreuen" Jhring-Mahlow undeiniger hundert oder auch tausend— je nachdem— ähnlicher Bieder-/Männer. Es war anläßlich der famosen„Kaisermanöver", und die HerrenKorps- und Saufbrüder der Universität Königsberg hatten„die hohenHerrschasten" zu einem Kommers, was auf Deutsch Sauferei heißt«ingeladen.Unser Putty kam, sah, soff(nochmals Verzeihung!) und redete. Wirwissen ja, wie er redet. Die unnachahmliche Pos«, die faunisch glitzerndeRase, der selbstbewußte Blick, welcher uns zurust:„Bin ich nicht dergescheidte Putty? Bin ich nicht der geistreiche Putty? Bin ich nicht derelegante Putty? Bin ich nicht der Gentleman Putty?" Und die meckerndeLieutenantsstimme l Sin Schauspiel, an welchem der Liebhaber deSHumors und der Freund von Kuriositäten sich nicht satt sehen kann!Und nun erst die Perlen und Redeblüthen, die dem(leider von denfinsteren Mächten deS Umsturzes arg heimgesuchten) Zaune der Zähne»ntstiegen. Entfliegen? Nein, entt räufeln! Jedes Wort langsam,bedächtig vorgelräufelt, jedeS Wort unserer Bewunderung emp'ohlen,jedes Wort uns zurufend:„Bin ich nicht der gescheidte Putty? Bin ichNicht der geistreiche Putty? Bin ich nicht der elegante Putty? Bin ichNicht der Gentleman Putty? Kurz: Bin ich nicht ein Hauptkerl? D e rHauptkerl? Bin ich nicht der gescheidteste, geistreichste, eleganteste, gentle-männlichste Tausendsasa auf der ganzen zivUistrten und unzimlisirtenUnd dieser Putty hält die Rede über daS Thema:„SS wird fort-oesoffen!"Die deutschen Studenten sollen sich nicht irre machen lassen. WennvaS Kolleg auch einmal geschwänzt wird, Gesinnung ist das A unddaS O. Wir brauchen stramme, pflichttreue Beamte. Und wie die Stu-dsnten jetzt sind, so sollen sie bleiben!Das war die Red«.Wie sie find, so sollen fie bleiben: Bint, ut Bunt, aut non aint IUnd wie find fie? Herr v. Bosse hat«S un» gesagt: sie saufen undfaullenzen. Außer dem Saufen treiben sie auch noch andere Allotria,>> B. botokudenhastes Aufeinanderlospauken und noch Schlimmeres,was wir mit dem Mantel chnstlicher Liebe bedecken wollen. In jedemKall ist aber das Sausen die Hauptsache.Also, es wird fortgesoffen! DaS war, kurz zusammengefaßt,der Inhalt, der Zweck und die Moral der Puttkamer'schen Rede.Und ohne weiteren Kommentar wollen wir die Putty'sche Leistungllnserem kulturhistorischen Raritätenkabinet einverleiben.Wir haben eS in der That weit gebracht. Und Herr Puttkamer hattn dieser seiner letzten Red« sich selbst übertroffen. Sein Jhring-Mahlowkann aus ihn stolz sein.Ja,„es wird sortgesoffen!", ihr deutschen Studenten—«in Ministerhat e» euch gesagt, eine der Säulen des herrschenden Systems, eine derkt ästigsten Stützen unserer Staats- und Gesellschaftsordnung— mstftnem Wort: der große Putty, des großen Bismarcks(senior) r-chteHand, hat es euch gesagt. Ihr deutschen Studenten, laßt euch nicht be-irren durch die mäkelnden Ausstellungen deS Philisters von Bosse, derda s» naiv ist, von einem Studenten zu verlangen, daß er studire; voneinem Beamten, daß er etwas gelernt habe. Bah, das Lernen ist vomUebel, bestenfalls überflüssig. Was der Staat braucht, daS ist guteGesinnung, Gehorchen auf's Wort, und dazu nützt dasLernen nicht«; im Gegentheil, es bringt nur unsinnig«, ungehörige Ideenin die Köpfe.Drum bleibt, wie ihr wäret, und wie ihr seid, ihr deutschen Swdenten!Sauft fort I Paukt fort! Aber bewahrt und pflegt gute Gesinnung IUnd je mehr ihr sauft und je mehr ihr paukt, je trüber da» Hirn, jehohler der Kopf, je roher der Sinn, desto brauchbarere Werkzeuge wer-det ihr einst werden.---- So hat Putty zwar nicht geredet» aber er hat«s g e»lagt.rische Auffassung verräth. Die Geschichte vollzieht sich als„ehernes Muß"und unsere Aufgabe ist, diesem„ehernen Muß" auf die Spur zu kommenUnd ihm nach Kräften die Bahn frei zu machen. Schriften wie die vor-liegend« haben den weiteren Bortheil, eiaescheils daß sie Symptome derZersetzung stnd, in der die herrschenden Klassen sich befinden, das Mei-Nungschaos, die vollständige Rath- und Kopflosigkeit darthun, die unterihnen herrscht, anderntheils daß sie selbst Helsen in dem bisher neutralenoder blind voreingenommenen Theil des Publikums die Zersetzung be-fördern dadurch, daß sie den Glauben und das Vertrauen in die Rich-tigkeit, Gerechtigkeit und Haltbarkeit des bestehenden Systems erschüttern.Das ist eine wichtige Aufgabe, die dieser Art literarischer Erzeugnissezufällt, und die wir keineswegs unterschätzen.t«• genügt nicht, daß ein« mächttge, auf die Massen gestützte und durchdie je stetig stärker werdende Partei existirt, welche die Winirungsarbeitunternimmt und nach dem Ausbau einer neuen Gesellschaftsordnungfirebt,«i müssen auch all« Stützen der alten Gesellschaft in's WankenGebracht,«S muß der Glaube und daS Selbstvertrauen dieser alten Ge-fellichaft erschüttert, die Hoffnung auf Erhaltung ihr genommen werden.Diese letztere Arbett vollziehen und zwar meist wider Willen alle Jene,Kche sozialen Reformen das Wort reden und um jene Reformen zucünden, zur Kritik an und gegen die bestehende Ordnung, die fichfedern immer mehr als Unordnung fühlbar macht, genöthigt werden.Christenthum wäre unmöglich gewesen, wenn nicht die alten Philo-hen seit Plato den Glauben an die überlieferten Götter in den höhernäffen erschüttert und die soziale Misere deS Römerreichs den Massenalten Glauben gewattsam genommen hätten. Der Reformation gingenHumanisten voran, die sozial-religiösen Sektirer in Böhmen, inmken, in Stetermark und Oesterreich, der Bundschuh in SchwabenUnd im Elsaß. Die große französische Revolution läuteten die Enzyklo-piidisten ein, die alle Grundlagen der feudalen Gesellschaft untergruben,«i« Rebellionen des aufstrebenden BürgerthumS gegen die alte Zunft-vrganisation, die Massenunzufriedenheit der Bauern gegen die Feudal-kästen de» Adels und der Geistlichkett.Di« vorbereitende moderne proletarische Bewegung ist nicht ganz dreibahrzehnte in Fluß, und bereits hat fie die ganze«ulturwelt ergriffen:p« hat selbstbewußte Massen in Bewegung gesetzt, wie sie bis dato keineJwalmuwen...lind immer stärker wird ihre Macht. Wie der Riese Antäus auS seinerBerührung mtt der Mutter Erde immer neue Kraft schöpfte, so schöpftsie stets wachsende Kraft auS der fich immer rapider entwickelnden, sichnnmer mehr überstürzenden kapitalistischen Produktion. Die Gegner, überihr eigenes System und seine Folgen erschreckt, suchen hier mit Güte,dort mtt Gewalt diesem von ihnen selbst erzeugten Todfeind entgegen-»Utreten. Vergebens. W-» immer ste gegen die Bewegung in's Werksetzen, in letzter Instanz nützt es nur dieser und schlägt zum eigenenSchaden ihrer Gegner um. Daher die Unruhe, daher die Angst, d,e sichihrer immer mehr bemächtigt und sie zu neuen Th-rheiten treibt. DreDinge gehen unabwendbar ihren Gang. Di« sozial- Bewegung d-S neun-zehnten Jahrhunderts ist ihrem Ziele näher al, die Weiften- FreundUnd Feind— sich träumen lassen. DaS Proletariat verkauft das Rechtder Erstgeburt nicht um ein Linsengericht, mag ihr dies auch in noch soverführerischer Form servirt werden.-g-Putty ist ein großer Man«— er hat seine Zeit durchaus begriffe»«-es wird fortgesoffen!— DieRichtSwürdigkelt de« neudeutsche« zoll»«nd Sitener-Politik kommt einem so recht zum Bewußtsein, wenn man von denHungerlöhnen liest, zu welchen weit« Kreis« der deutschen Arbeiter-schaft verdammt sind. Man lese z. B. folgende, von der Berliner„Volkszeitung" dem jüngsten Jahresbericht der Plauener Han«delskammer entnommene Mittheilungen über die Lohnverhält«»isseim sächsischen Loigtlande:„Der Bericht pro 1835." schreibt die„Volkszeitung",„gibt auf Seite 8»den W o ch e n v« r d i« n st der Handwerker in der Weißbaumwollwebereiauf„höchstens S'/,— 5 M." an. Bei dem Arttkel Sireichgarnwaarsnwird auf Seite S9 bemerkt, daß,„wenn ein Arbetter auf breitem Swhle18—20 M. wöchentlich verdiene, hierzu noch zwei Personen, welchegut spulen können, erforderlich seien und alle die Arbeitszeitweit ausdehnen müßte n." Bon dem Verdienst der Streichgarn-Handweber, speziell im oberen Boigtlande(OelSnitz und BoigtSberg biszur böhmischen und bayerischen Grenze), heißt eS auf Seite 102, daß„bei vierzehnstündiger täglicher Arbeitszeit ein Weberfür sich und Spuler zusammen 12 Mark, für sich allein etwa 8 Marktäglich verdien t". Wohlverstanden bei vierzehnstündiger Arbeits-zeit! Für obervoigtländische Handweber in halbwollenen Waaren betrug„der unsichere Wochenverdienst höchsten» S— 7 M a r k", wie aufSeite 108 zu lesen ist. Bei der Maschinenstickerei in Weiß hatte derWochenverdienst in 1834 7— S M. in 1885 6-7 M. betrage«. Für1836 heißt es auf Seite 128:„Die Löhne der erwachsenen Aufpasserund Fädler find an den größeren Orten um'/# M., an den kleinerenbis um 2 M. zurückgegangen. Jedenfalls hat fich der Arbeits-verdienst im Durchschnitt ungünstiger gestaltet." Ueber daS Spitzen-geschäft heißt eS(Seite 186):„Der Arbeitsverdienst eines guten Ar-b-iters wird von Breitenbrunn aus auf 50— 70 Pf. täglich, alsoauf 5—10 Pf. weniger als im Vorjahre, angegeben; im Durchschnittdürfte er sich nicht höher als auf SO— 40Pf. gestellthabe n."(!) Bei Artikel Gorl- und Perlnäheret wird berichtet:„Dertägliche Arbeitsverdienst wird von Schönheid« aus auf 60— 70 Pf., fürTüllartikel aus zirka 150 Pf. angegeben." Die Klöpplerinnen in einigenTheilen des Handelskammerbezirks hatten„lohnende" Beschäftigung, wiees heißt, bei 70— 100 Pf. Tagesverdienst. Endlich wird beidem Artikel gemusterte Tüllgewebe bemerkt, für Bandeinfassen würdenur noch 2 Pf. pro Meter gegen 2'/, Pf. im Vorjahr bezahlt."Und statt wenigstens darauf hinzuarbeiten, diesen Proletariern dieLebens- und Genußmittel so billig alS möglich zukommen zu lassen— was beiläufig auch noch keine Lösung wäre— ist da« Streben derdeutschen Wirthschaftipolitik ausschließlich darauf gerichtet, fie ihnen imInteresse einer bevorzugten Minderheit— der sogenannten„noth-leidenden Landwirthschaft"— nach Möglichkeit zu»ertheuern, jedemBilligerwerden mit allen Mitteln entgegenzuarbeiten.Das hat man bei der famosen Branntweinsteuer gelhan, da» war dieAufgabe der nicht minder famosen„Reform" der Zuckersteuer, das istder Zweck der geplanten weiteren Erhöhung der Getreidezölle, und daSist endlich da» edle Ziel derer, die jetzt zu Gunsten einer Handvoll Rhedereinen Zoll auf Seefische verlangen. Kein Bolksnahrungimittel, selbstder die einzige Würze der Aermsten der Armen ausmachende Häringnicht, ist vor der Habgier der schmutzigen VolkSauShunaerer sicher. Aucher soll besteuert werden, im Interesse der reichen HäringSrheder. Aberdie koalirten VolkSschinder haben eigentlich ganz Recht. Warum sollensie daraus verzichten, auS der Haut deS BolkeS Riemen zu schneiden, solange diese» es sich ruhig gefallen läßt? DaS sächsische Voigtland istim Reichstage durch stramme Kartellanhänger vertreten, die allen Zoll-erhöhungen, allen indirekten Steuern zustimmen!Proletarier, wollt ihr ewig die geduldigen Lastthier« sein?— Die„Norddeutsche Alllgemeine Zeitung" hat fich unterden Reptilienblättern nach langen Anstrengungen wirklich den erstenPlatz gesichert. Der Ruf, das verlogenste und niederträch-t i g st e Blatt Deutschland«, ja der Welt zu sein, kann ihr selbstvon der„Kölnischen Zeitung" nicht mehr streitig gemacht werden. Frei-lich— sie hat auch Glück gehabt. Solche Mitarbeiter findet man nichtjeden Tag. Wie allgemein die Verdienste der„Norddeutschen" gewürdigtwerden«nd wie fest an ihre Verlogenheit geglaubt wird, erhellt durchein klassisches Beispiel aus neuester Zeit.Wie man sich erinnern wird, ging in den letzten Wochen allgemeindas Gerücht um, der Zar werde mit dem Heldengreli bei dessen Besuchin Stettin zusammenkommen. DaS Gerücht erhielt sich hartnäckig, ob-gleich sich die gesammt« Reptilpresse abquälte, ei als unbegründet hinzu«stellen.Und wie entstand jene» Gerücht und wie wurde e» genährt?Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" brachte einen langen Leitartikel, in welchem dem Publikum pathetisch versichert ward, es liegeabsolut keine Veranlassung und keine Abficht zueiner Kaiser-Entrevue vor.Wohlan, bei der grundsätzlichen Verlogenheit der„Norddeutschen" undihrer Leute nahm daS Publikum da» Gegentheil für wahr an, undließ sich auch von dieser Annahme nicht abbringen.Nun— zufällig hat die„Norddeutsche" einmal nicht gelogen. Aller-dingS ist sie daran ganz unschuldig. Denn die Leute der„NorddeutschenAllgemeinen" haben eS an den hundsgemeinsten Kriechereien vor Ruß-land nicht fehlen lassen, um den Zar zu einer Visite in Stettin zu de-wegen. Der arme Tropf von Zar hatte aber an der KopenhagenerRevolverkugel genug und wollte sein kostbares Leben nicht der problematischen Geschicklichkeit der Puttkämerlinge anvertrauen. Und so blieber weg— zum großen Leidwesen seiner christlich-germanischen Anbeter,die, seit er sie in Skierniewice mit seiner Gegenwart begnadet hat, nochbedeutendere Fortschritte im Bauchrutschen und Schweiswedeln gemachthaben.— Die fächfische Regierung hat den 18. Oktober als Termin fürdie Landtagswahlen festgesetzt. Der 18. Okiober ist bekanntlichein„patriotischer Tag", der Jahrestag der„Völkerschlacht bei Leipzig",in welcher die Völker freilich blos aus die Schlachtdank geführt würben,um ihren angestammten Fürsten von GotteS Gnaden„Ruhe" zu ver-schaffen in Europa.Der Plan der sächsischen Regierung ist durchsichtig. Der„patriotischeTag" soll„patriotisch" begangen werden, und in dem„patriotischen"Bier- und Schnapsdusel will man die Wählermasse„patriotisch" be-lämmern.Wir können auS sicherster, ja aus authentischer Quelle hinzufügen,daß der famose S p a r i g, der bekanntlich im Auftrag der sächsischmRegierung— die Sache wurde durch den Leipziger Kreishauptmannvermittelt— die letzten Reichstagswahlen im ganzen„gemüthlichen"Königreich leitete, auch diesmal zum Wahlleiter der gesamm-ten Ordnungsparteien des LandeS ernannt worden ist,und zwar mit Billigung der obersten Behörden und ihrer ausdrücklichenVersicherung, Alles, was gethan werden könne, zu thun.Als Signatur der Zeit und zur Charakteristrung unserer Wahlen seihier noch bemerkt, daß bei den letzten Reichstagswahlen die sächsischeRegierung, natürlich nicht amtlich, sondern vtrictissimo„privat" an alle Staats- und Gemeindebeamten die Ordre ausgegebenhatte:1) Kein Gesetz darf formell verletzt werden; also namentlich keineVersammlungsverbvte u. s. w.2) Alles, was ohne formelle Verletzung de» Gesetzes gethanwerden kann, um ordnunzsparteiliche(reaktionäre) Wahlen zu sichern,muß von jedem Beamten gethan werden, dem an demWohlwollen seiner Vorgesetzten etwas gelegen ist.Dieser Ordre waren genaue Detailvorschriften beigegeben.Ganz ähnlich wird auch jetzt wieder verfahren werden. Ob aber mitdem gleichen Erfolge?Wir werden ja sehen.— In Bresla» ist die Untersuchung nun endziltig geschlossen,K r ä ck e r und Genossen bleiben aber trotzoem in Hast. Der brave HerrUntersuchungsrichter will sicher gehen, so daß die bösen Sozialdemokratenin jedem Fall ihre Strafe abhaben— auch wenn eine Frenprechungerfolgen muß. Anklage— natürlich auf„Geyeimdündelei"— ist gegen38 Genossen erhoben und 60 Zeugen sollen geladen welden, so daß esalso«wen richtigen«onstreprozeß gibt. Die Quantität muß tfafdie Qualität ersetzen.Di« Verhandlungen werden etwa Mitte de» nächsten Monats statt-finden und unter den geladenen Zeugen befinden fich Bebel, Hasen»c l« v ar und Singer.Nachschrift. So wett war die vorstehende Nottz gesetzt, als nrtfdie Nachricht erhielten, daß am Freitag den 16. d'ei, 6 Uhr früh, plötz-elich die 24 vorläufig auf freien Fuß gelassenen Angeklagten überfalle»und ins Befängniß abgeführt wurden, so daß jetzt'inSgesammt 34 Angeklagt»fich hinter Schloß und Riegel befinden.Dieses Hin- und Herdiöponiren de« Untersuchungsrichters verräth nursein schlecht«? Gewissen. Nicht um„Verdunkelungen", sonder»um der gehörigen Beleuchtung seines nichtswürdigen Verfahren»vorzubeugen, wirst er jetzt wieder 26, beraubt er 34 ehrenhafte Männer— die meisten Familienväter— ihrer Freiheit, schädigt er ste an ihre»Existenz, ruinirt er die Einzelnen unter ihnen auf lange Zeit, vielleichtfür ihr ganz-S Leben.Und dafür gibt es keine gesetzlich« Sühne, der Rechts- und Kultur-staat Deutschland kennt keine Entschädigung für willkürliche Freiheit»«beraubungen, wenn ste von Richtern und Polizeibehörden in FormRechtens verübt worden. Schutzlos ist der mißliebige Bürger den Chi,kanen de» ersten besten Rechts schürten preisgegeben, des ersten beste»gewissenlosen Sirebers, der Winke von oben zu deuten versteht. Ist ihmabsolut keine Schuld nachzuweisen, nun, so mag er fich noch dafür be«danken, daß man ihn endlich frei laufen läßt, den Richter, den Polt-zisten zur Verantwortung zu ziehen, fällt Niemand ein.Im Organ der englischen sozialistischen Liga,„Commonweal", gabneulich ein Ritarbeiter seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß diedeutschen Arbeiter all die Unbill, die ihnen polizeilicherseit» zugefügtwird, so geduldig ertragen. Es muß in der That manchem Ausländersonderbar vorkommen, daß die deutschen Arbeiter, die es doch an Be«weisen von Muth und Opferfreudigkeit nicht haben fehlen lassen, aufdas natürliche Recht der Nothwehr zu verzichten scheinen. Un»sind von Schweizern, und darunter auch von Nichtsozialisten, edenfall»in dieser Richtung schon Bemerkungen zu Ohren gekommen, die nmchenergischer lauteten als die des„Commonweal". Wir konstatiren da»hier— zur Warnung für diejenigen, die eS angeht. Auch die Geduld"der Geduldigsten hat ein Ende.Jm Uebrigen konstatiren wir noch, daß Manches besser wäre in Deutsch-land, manche Schandthat nicht verübt würde, wenn die bürgerlichePrsse, die Presse des liberalen Bürgerthums, sich nicht der Polizeigegenüber so bodenlos feig benähme. Ran vergleiche die Sorache derenglischen liberalen Blätter gegenüber dem Austreten der englischen Po-lizei in Richelstown mit der geschäftsmäßig kühlen Art, mit der t»Deutschland die brutalsten Infamien der Polizei gegen Sozialisten rub«rizirt werden, und man wird das scheinbar Unbegreifliche begreiflichfinden.— AuS Leizig wieder Ausweisungen, und gleich„siebenauf einen Schlag". Die„gemüthltche" Seestadt an der Pleißewird immer„gemüthlicher". Von den Ausgewiesenen befinden fich fünfMann augenblicklich im Gefängniß, und zwar wegen eines der stereotype»„Vergehen gegen das Sozialistengesetz". Nun— daß wegen solcher„Ver-gehen" Bestraste der Ausweisung verfallen, ist alte Praxis und wir ver-lieren deshalb kein Wort— sondern registriren die Thatsache blos indem großen Schuldbuch. Die zwei anderen Ausgewiesenen sind abernicht im Gefängniß, ste sind nicht bestrast, fie stnd keine«„Ver»gehenS gegen das Sozialistengesetz" schuldig befunden worden. Ihr Ver-brechen ist ganz besonderer Art, und verdient ganz besondere Erwäh»nung. Die Leser erinnern fich wohl, daß vor einigen Wochen eine Rott»durch die Zeitungen ging, die Leipziger Polizei habe«ine geheime Sozia-listeaversammlung„aufgehoben". In Wahrheit hatte die Polizei dlo»eine ruhig« Gesellschaft, in der sich auch Sozialdemokraten befanden, inder landesüblichen Weise belästigt und gestört. Hintennach fiel r»einem findigen Polizeigenie ein, die Gesellschaft könne eine geheim«Versammlung gewesen sein. Es fehlte aber an jedem Anhaltspunkt. ESwar eine ganz willkürliche Vermuthung. Zwei oder drei Haussuchungen,ausS Blaue hinein gemacht, blieben ohne Ergebniß. Und weil die Polizeikeine Beweise entdecken konnte, sind dies« beiden Genossen, die sich injener Gesellschaft befunden hatten, ausgewiesen worden. B l o»deshalb! Die Polizei, gleich dem See des DramaS, will ihr Opferhaben, und sich von ihr nicht erwischen lassen, ist ein Verbrechen, da»sie mit Ausweisung bestraft. Schöne Zustände das! J-denfalls dürft«Deutschland das einzige Land sein, in welchem eS strafbar ist,keines Verbrechens oder Vergehen» überführt wer-d e n z u k ö n n e n. O, wir haben eS herrlich weit gebracht l— Vortreffliche Grundsätze findet man in der„Norddeutsch««Allgemeinen" entwickelt, Grundsätze, denen sich Jeder nur anschließe»kann. So lasen wir in einer der letzten Nummern de» Bismarck'sche»Leibblattes:„Daß eine abweichenden Ansichten huldigende Richtung von d«rgerade an der Gewalt befindlichen Partei rücksichtslos ter»rorisirt wird, ist zwar schön öfter« dagewesen; daß aberdie Anstifter öffentlicher Unordnungen noch oben-drein aus dem Munde der höchsten Autorität als gute Patrio-ten belobigt werden, das dürfte immer doch eine ganz neu»Leistung sein, deren Priorität den gegenwärtigen....... Macht-habern wohl von Niemandem streitig gemacht werden wird. Freilichkönnen sie kaum erwarten, daß eine Situation, die zu solchen AuS-Hülfemitteln greift, in Europa noch irgend welches Ver-trauen genießt und nicht vielmehr den Verdacht erweckt, daßman es hier mit dem Ansang vom Ende zu thun habe."Bravo, bravo, bravissimo l ruft hier der Leser aus, der sich des wüste»Wahlterrorismus erinnert, den die Kartellbrüder unter dem Schutz der„gegenwärtigen Machthaber" im Februar d. I. verübt, und des Lobe»,das sie dafür aus allerhöchstem Munde geerntet. Vortrefflich lDieser Pindter ist ein Ehrenmann, der hat das Herz auf dem rechte»Flecke. Redakteur eines offizlösen Blattes, und so der Regierung undden Regierungsparteien den Standpunkt klar zu machen, dazu gehörtMuth.Ja, lieber Leser, dazu gehört Muth, viel Muth, dazu gehört die U n»Verschämtheit einer„eisernen Stirn". Denn was dagesagt wird, bezieht sich auf— B u l g a r i e n, bezieht sich darauf, daß inSofia dem elenden Karawelow die Fenster eingeworfen wurden. De«Bulgaren, denen man, um Väterchen gefällig zu sein, auf Schritt undTritt Knüppel in den Weg wirft, denen man jetzt drei Kriegsschiffe aufden Hal« schicken wollte, um für den zehntausendsten Theil dessen Sühn«zu verlangen, was man sich tagtäglich von Väterchen» Preßkosaken ruhiggefallen läßt, den Bulgaren, deren Freiheit man an Rußland verschachernwill, wird diese Moral gepredigt. Sie sollen gegen Verräther am eigenenVolke hübsch fein und anständig sein, gedungene Subjekte als«ine„abweichenden Ansichten hulhigende Richtung" betrachten. Vielleicht, weildieselben aus der nämlichen Schüssel fressen, wie so mancher preußisch«Kommissionsrath?Aber freilich, hinter dieser geheuchelten Entrüstung verbirgt sich dieVerlegenheit einer vergeblich nach Gründen für ihr allseitig verdammtesVorgehen suchenden Politik. Wenn der Zyniker nicht ein noch auS weiß,wird er von jeher„moralisch". Wenn er nur Jemand fände, der sein«Moral für«cht hielte!— Glücklicher Schäffl«! Run ist seine schwerbereute Jugendsünd«— die schwäbische Exzellenz war erst 43 Jahre alt, als die„Quintessenzdes Sozialismus" das Licht der Welt erbuckte— doch von ihm genom«men worden. Im„Amtsblatt zum Tiroler Boten" vom 5. Septembermacht der k. k. Präsident des Landesgerichts Innsbruck bekannt, daßdiekes„über Einschreiten der k. k. Staatsanwaltschaft vom 18. August1337 Nr. 3175 zu Recht erkannt" hat:„Der Inhalt der Druckschrift:„Die Quintessen» de»S o z i a l i s m u S" von Dr. A. Schäffle. Chiongo, Charles Petersen,Clybourne Ave.(I.Bd.) begründet den Thatbestand des Vergehensim Sinne deS§ 305 des Strafgesetzbuches und wird deshalb ge-mäh Z 493 der Straf-Proz-ß-Ordnung das Verbot derWetlerverbreitungdervorerwähntenDruckschristausgesprochen."Schade, bah wir kein Exemplar des„Großen Buches" zur Hand haben,nach welchem die Weisheit österreichischer Richter über Gerechte undUngerechte befindet, es wäre doch sehr interessant, zu wissen, welch«»