auf ein Canoffa mehr oder weniger kommt ei Leuten solchen Schlages ja nicht an. Do» neue Schandgesetz— die Schande in verstärkter Auflage— erhöht die Strafe für Verbreitung verbotener Druckschriften nm das Doppelte, und bestraft die„g e s ch ä s t s m ä tz i g e" Agitation für die Siele der Sozialdemokratie mit Gefängniß nicht unter zwei ahren l l Da ei vollständig im Belieben dei Richters steht, was er Sc„gefchäftSmäßia" erklären will oder nicht, so ist in diesem Kautschuck- nagraph die MSglichkeit gegeben, jeden unbequemen Sozialisten erst auf Jahre ins Gesängniß ,u werfen und dann außer Lande» zu traniportiren. Denn gegen die nach ihm Berurtheilten, sowie gegen alle wegen„geheimer Verbindung" Berurtheilten kann die Zu« lässigkeit der Entziehung derStaatSangehbrigkett ausgesprochen werden. Ebenso gegen die, welche im Ausland an Ver> sammlungen zur„Förderung der Bestrebungen der Sozialdemokratie" theilnehmen. Auch dieses Verbrechen ist außerdem mit Sefängniß zu bestrafen. Dies das Machwerk, auf deflen Einzelnheiten wir heute nicht näher eingehen können. Dagegen fei aus der sehr kurzen Begründung— wozu auch viele Worte machen, dadurch würde man nur den Eindruck ab- schwächen!— ein Satz herausgegriffen:„Wer berufsmäßig die StaatSgrundlagen untergrab e," heißt e« nach dem un» vorliegenden Telegramm der„Frankfurter Zeitung ",„habe keinen Anspruch, weiter dem Staate anzugehören." Ein wun- dervoller Grundsatz, nach dem man jede Opposttion nach Belieben ächten kann. Denn welche Opposition„untergräbt" in den Augen eineS Bismarck nicht die„StaatSgrundlagen"? Welche Opposition, und sei sie die harmloser Freihändler, ist nicht von ihm für staatsfeindlich erklärt worden? Warum nicht lieber gleich erklären: Wer nicht will, wie der AeichSkanzler, hat keinen Anspruch, weiter dem Reiche anzugehören." Da wäre doch endlich Ruhe geschaffen. Wir wollen hier nicht noch einmal die Frag« nach den AuSflchten der vorgeschlagenen Verschärfungen aufnehmen, sie wird sich ja bereit» in den nächsten Tagen entscheiden. Für heute nur so viel: Nach den Er- fahrungen, die mit dem Schandgesetz Nr. 1 gemacht worden, ist Jedem, der jetzt für die Verschärfungen stimmt, die Möglichkeit benommen, späterhin zu erklären, das oder jenes haben wir nicht gewollt, wir haben un« getäuscht. Hier ist jeder Zweifel daran, welch nichtswürdiges Atten- tat geplant ist, auSgeschloffen. Mögen sich die Herren daher dessen de- wüßt sein, daß j e d« r E i n z e l n e von i h n e n für alle Konsequenzen, die da» Gesetz zeitigen wird, verantwortlich ist— moralisch und materiell. — Der Umfall der nationalliberaleu GesinnungSmänner, schreibt man uns, ist bereits eine vollendete Thatsache— noch ehe sie den Feind nur gesehen, d. h. noch ehe da»„verschärfte" Sozialistengesetz dem Reichstage vorgelegt worden ist. Die„f Ü n f I a b r e" ließen sich «ans fagon hinunlerschlucken, denn sie paffen ja vortrefflich zu den fünf- jährigen Legislaturperioden. Und die„Expatriirung"— je nun, geht st« nicht direkt, so geht sie indirekt— auf dem Umweg« des„Jnter- natS". Werden die Umstürzler auf irgend eine Insel der Rord- und Ost- See, oder nach irgend einem Dorf an der ruffischen Grenze„internirt", so werden sie sich von selbst„expatriiren". Und sie können sich dann nicht Über Gewaltthätigkeit beklagen— denn es ist ja ihr eigener Wille. Diese„Lösung", welche dem staatsmännischen Genie des Exkommu- nisten und(nicht Sx-)TheilerS Miquel zu verdanken ist, hat vor den Augen der Konservativen allerdings bis jetzt keine Gnade gesunden. Mit schneidendem Hohn bemerkt die„Konservative Korrespondenz": „Die„Rationalliberale Korrespondenz"(in welcher der sinnreiche Vor- schlag zuerst auftauchte) scheint der gesetzlichen Ermöglichunz der Ausweisung aus dem Reichsgebiete gern aueweichen zu wollen; sie möchte «m Stell« dieser„exorbitanten" Maßregel lieber das Auskunstsmittel der Jnternirung in bestimmte Bezirke empfehlen. Diesen Gedanken halten wir indessen für wenig glücklich. Abgesehen davon, daß man wohl von keinem deutschen Ort wird sagen können, womit er«S verdient hat, der Wühlarbeit der Sozialdemokratie rito preisgegeben zu werden, würde man auch durch eine solche Einrichtung eine neue Ar! von sozialdemo- kratischem Unfug in Gestalt von Wallsahiten zu den„Märtyrern" der Partei förmlich herausfordern. Auch wurden einem Sozialdemokraten durch die Verweisung in einen bestimmten Aufenthaltsort vielfach größere Schwierigkeiten für sein wirthschastliches Fortkommen bereitet werden, al» wenn man es ihm überläßt, sich die ihm zusagenden Existenzbedin- gungen im Auslände selbst zu suchen. Was aber die„Härte" der AuS- Weisung aus dem Reichsgebiete betrifft, so müssen wir immer wieder ein Doppeltes betonen. Einmal scheint es unS viel humaner, durch einige scharfe, gegen die H S u p t e r der Bewegung geführte Schläge dem Umsturztreiben entgegenzuarbeiten, als durch die bisher Üblichen «affenhaften Ausweisungen von kleinen Tölpeln, Betrogenen und Helfers- Helfern der niederen Grade, d. h. durch Maßnahmen, durch die nur viel Aufregung und Erbitterung hervorgerufen wurde, ohne daß man eine gleichwerthige durchschlagende Wirkung zum B.sten der Sache der Ordnung erzielt«. Und zweitens sollte man doch endlich aufhören, etwa» Unge- heuerliches darin zu finden, wenn Leute, die an den bestehenden Staats- und Ges-llschastszustSnden auch nicht einen gesunden Faden zu finden »erwögen, höflichst ersucht werden, sich nach anderen Ländern umzusehen, in denen sie ihnen besser Zusagendes vorfinden oder sich schaffen mögen." So das freche Junkerblatt. Den Nationalltberalen wird sein« Logik einleuchten, und was die von ihm gepredigte„Humanität" betrifft, Feuilleton. Als das Aürgerthum noch radikal war. Sine zeitgemäße Reminiszenz. (Schluß.) Aus Heft VI haben wir noch ein„R e k r u t e n l i e d" von Geor Fein(derselbe lebte zur Zeit in Diessenhofen in der Schweiz zu erwähnen, worin«in Rekrut seine Eltern darüber, daß er unter die Fahnen muß, mit folgendem Hinweis tröstet: Laßt ,ieh'n mich nur, mich Wache steh'n, Mich schießen lernen nur, Mich i'.cch B-fehl des Junkers dreh'n! Da« Ding soll bald vortrefflich geh'n. Doch hört jetzt meinen Schwur! Wenn in des Aufruhrs Lärm bei Nacht Einst Rach'geschrei sich mischt, Bor gleicher TbÜr dann halt' ich Wacht, Daß unS der Fucht nicht leiS und facht AuS seinem Loch entwischt. Ob auch der Junker ganze» Heer Ihm stolz zu Hilfe zieh', Der wackern Bürger find noch mehr; Die müffen dann mir in's Gewehr, Ich führ' und ordne st«. Ich zeig«, wie man schießt und flicht, Und wa» da Brauch im Krieg. Schmäht d'rum der Knechtschaft Schule nicht! Sie wird dem Thron zum Hochgericht, Und lehrtder FreiheitSieg. „Aufruhr",„Rachegeschrei",„schießen und stechen"— wie wäre es, wenn Sie da» vorlesen wollten? Aber hören Sie nur, es fotnmt noch bcffcr* Kode« I., auch Jakob Venedey genannt, hatte in einem Vorwort zu feinem Buche:„John Hampden und die Lehre vom gesetzlichen Wider- fcmd" gegen den in Heft I de»„Eldgenoffen" gebrachten Satz polemi- s»t:„Ein TellSschuß oder«in Ausstand im Mittelpunkt der Despotie muß dann die Entscheidung bringen"»") und wird dafür von Herrn v lind wie folgt abgefertigt: ») Dt« betreffend« Stelle lautet in ihre« Zusammenhang: Denn«er so erinnert ste uns an daS nützliche Sprichwort der alten Römer: h» est ab hoste doceri— man muß vom Feinde lernen. Die Feinde der Arbeiter werden hoffentlich recht bald erfahren» daß die Arbeiter von ihnen gelernt haben. — Bitte recht sehr, Exzellenz» Im sächsischen Landtag« rügte neulich Genoffe Bebel bei Gelegenheit der EtatS-Berathung die unanständige Kampfesweise der sächsischen Regierungspreffe. Darauf erwiderte ihm, wie die Zeitungen berichten, der Minister von N o st i z- W a l l w i tz. es sei ihm unverständlich, wie grade Bebel dazu käme, sich über gehäffigen Ton in der Preffe zu beklagen, denn«in größeres Maß von Gehässigkeit, wie im„Sozialdemokrat", fei nirgends zu finden". Ganz abgesehen davon, daß der Vergleich ganz gewaltig hinkt— denn der„Sozialdemokrat" steht zu Bebel in einem durchaus andern Verhältniß, als z. B. die„Leipziger Zeitung" zu Seiner Gentlemänlichkeit dem säch- fischen Minister, und der„Soziokdemokrat" erhält keine Subventton aus den Taschen der Steuerzahler— ist die Behauptung auch obendrein eine grobe Unwahrheit. Gewiß, der„Sozialdemokrat" faßt seine Gegner nicht mit Glacehandschuhen an, als Organ der Unterdrückten, als Mund- stück einer geächteten, maßlo« verfolgten Partei hält er daS Süßholz- raspeln für außer seinem Beruf liegend, aber w allen seinen Angriffen weiß er zwischen seinen Gegnern zu unterscheide«; waS er grundsätzlich bekämpft, find fehlerhast« Einrichtungen, gegen Personen richtet er seine Angriffe nur soweit, alS sie die bewußten Träger und Vertreter dieser Einrichtungen sind, und auch hier unterscheidet er zwischen Über- zeugten Männern, die mit anständigen Waffen kämpfen, und gestnnungs« losen Strebern, die berufsmäßig Hetzen, verleumden und ihre Macht- flellung zur Unterdrückung Anderer mißbrauchen. Gegen diese„gehäffig" vorzugehen, rechnet er sich allerdings zur Ehre an. Hier folgt er dem Grundsatz„contre eorsaire eorsaire et aemi"— auf«inen Schelmen anderthalb«. Nun nehme man aber unser Blatt, und zwar die am polemischsten gehaltene Nummer, vergleiche damit z. B die in nächster Nähe de» Herrn von Nostiz-Wallwitz erscheinenden Antisemtten-Blätter, dann wird man sehen, wie bescheiden das Miß unsrer„Gehäffigkeiten" ist gegenüber der Fülle von Gemeinheit und Niedertracht, die in diesen, sehr wohl gelittenen Blättern tagtäglich verzapft wird. Wir kämpfen gegm Ungerechtigkeiten, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, um sie ganz aus der Welt zu schaffen, dort aber wird die„jüdische Ausbeutung" nur bekämpft, um die christliche Ausbeutung zu mono p olisiren. Und zu diesem niedrigen Zweck« wird in niedrigster Weise verleumdet und gehetzt,«ine ganz« Kategorie von Menschen unterschiedslos als Lumpen und Betrüger hingestellt. Da ist uns gerade dieser Tage ein Pack Flugblätter an» der Fabrik de» Herrn Frttsch in Leipzig , begleitet von einem„vertraulichen" Zirkular an„alle christlich-deutschen Geschäftsleute", zugesandt worden. In diesem Zirkular wird mit dürren Worten die Antisemtterei als ein lohnendes Geschäft empfohlen. Wie irgend«in beliebiger Hirsch Levy seine Röcke und Holen, so empfiehlt Herr Frttsch seine Flugblätter,„um damit zu machen'n Geschäft".„Im vorigen Jahre wurde erst kurz vor Weihnachten," schreibt er»„mit dieser Agitation begonnen und doch ein bemerkenSwerther Erfolg erzielt, indem binnen 14 Tagen 120,000 Flugblätter im Lande verbreitet wurden, die zum Theil von Hand zu Hand wanderten und viele taufend Käufer veranlaßten, sich bei ihren Bedllrfniffen an d e u t f ch e(d. h. nichtjüdische) Geschäfte ,n wenden. Wird in diesem Jahre schon früher mit der Propaganda begonnen, so wird sich der Erfolg noch viel evidenter erweisen." Also kauft Hirsch Levy's— nicht doch, Th. Fritlch'S Flugblätter. Gegen den Inhalt der Flugblätter zu polemifiren, fällt unS selbstverständlich nicht ein. Wir sind ebenso weit davon entfernt, die Juden zu idealisiren, alS Herrn Jhring-Mahlow für«inen Ehrenmann zu erklären, bloS weil er christlich- germanischer Abstammung ist, betrachten eS daher auch nicht alS unfre Aufgabe, die Ersteren gegen die demagogischen Lügen, wie sie in diesen Blättern unermüdlich wiedergekaut werden, zu»ertheidigen. Das mögen sie in ihrer eigenen Presse tbun. Aber wenn ein Rostiz-Wallwitz unS als den Ausbund aller Gehässigkeit hinstellen will, dann rulen wir ihm zu: Bitte recht sehr, Exzellenz! Sehen Sie sich doch gefälligst die Blätter Ihrer guten Freund« an, denn die Herren Fritfch und Konsorten hängen an den Rockschößen Ihrer Partei, Ihrer Ordnung, Herr Mnister! — In Pose« ist seit Anfang des Jahres ein Svitzelkongreß versammelt. Freilich sieht man viele, die nicht da sind, von wegen de» jüngsten„Reinfalls"— indeß es ist immerhin eine stattliche Schaar, die Herr Puttkamer dort mustern kann.' Sein Jhring-Mahlow. der Johannes unseres gesellschaftsretterischen Jesus, strahlt im vollsten Glanz der Tugendhaftigkeit und Pflichttreue, N a p o r r a fehlt nicht, und— wer nennt sie alle, die lieblichen Namen, die so„geheim" stnd, daß die sozialdemokratischen Sperlinge sie von den Dächern her- unterzwitschern? Auch der alte Döbler au» Leipzig ist da. Sinte- malen eimge der Jungen und Besten verunglückt stnd, muß auch der Landsturm heran. Und warum diese» Aufgebot in Masse? Di« Posener Polizei hat 17 Sozialisten auf die Anklagebank gesetzt, ohne „Material" gegen sie zu haben. Und da sollte der national« Spitzelkongreß aushelfen— er soll au« Berlin , Leipzig , B-eSlau, Paris , London und anderen Orten da» Material beschaffen, welche» in Posen nicht zu finden ist. Sintemalen aber das fraglich«„Material" das Tage«- licht nicht verträgt, muß es unter Ausschluß der Oefsent- lichkeit geliefert werden— vor dem Häuflein auserlesener Richter, „Den„Tellschuß" halten wir, auf die Arbeiten gründlicher GeschichtS- forscher unS stützend, in der Hauptsache für«in historisches Faktum und wollen dabei gestehen, daß wir dies ebenso gern thun, wie auf Seiten unserer Feinde man es ungern thut. Daß der Tellschuß je«in „Meuchelmord" hätte sein können, haben wir noch zu lernen, und hoffen eS n i e zu lernen." Und: „UebrigenS können wir auch die sogenannte„Lehre vom Tyrannenmord" nicht„den Jesuiten überlassen". Rein! unser ganze» G-lühl empört sich dagegen, Harmodius und»ristogiton, Brutus und Caffius, und wie all« die hochherzigen Feind« de» Tyrannenthums heißen, zu Vorläufern de» Jesuttismu» zu machen." Ferner: „Und ist e» klug, im Angesicht der Zerrissenheit und Unfreiheit Deutsch- landS immer„Ruhig, ruhig I" z» rufen, wie Jakob Venedey es will? Sind die Deutschen so heißblütig, daß ste der Ermahnung zur Ruhe de- dürsten?„Rührt euch, rührt euch! Seid Männer und setzt euch zur Wehr ,"— Das ist's, was den Deutschen tagauS tagein zuzurufen wäre."..... ,Jst bloßer„gesetzlicher" Widerstand ausreichend, wo der gegen Ladendorf gebrauchte Prügelstock, wo die Zuchthau»« peitsche von W a l d h« i m da» Sinnbild der Regierungsart unserer Dränger ist?" Da» war im Januar 18SK geschrieben, am 7. Mai schob Ferdi» nand Eohen-Blind auf Bismarck . Wenn Herr Karl Blind seinen Stiefsohn nicht nur nicht desavouirte, fondern rückhaltlos für ihn und feine That eintrat, so ist da» weniger al»«in Zeichen besonderen MutheS, besonderer Charakterfestigkeit zu betrachten— waS Herr Blind von diesen Eigenschaften besaß, hat er später bewiesen—, fondern vielmehr als ein Beweis dafür, daß überhaupt die„öffentliche Meinung", d. h. das B ü r g e r t h u m, entweder mit der That«inverstanden war oder ste doch nur auS ZweckmäßigkeitigrÜnden verwarf. Von der„Entrüstung", die heute zur Schau getragen würde, wenn ein Sozialdemokrat ein Attentat auf den Urheber des Ausnahmegesetze» versuchten würde, war keine Spur zu merken. Wie harmlo» waren aber» im Verhältniß zu den Verfolgungen, denen heute die Sozialdemokratie aus- gesetzt ist, die alS die Partei der Armen dem Bürgerthum gegenüber ohnehin im Rachthett ist, die damaligen politischen Maßregelungen! Der„Eidgenosse" erschien im Ausland, aber auch in Deutschland selbst genirte man sich durchaus nicht, der Sympathie mit dem Attentäter und in einem despotisch regierten Staat mit dem Sturz der Willkür warten will, bis die überwiegende Mehrheit damit einverstanden ist, der wird ewig warten können, da im Tyrannenstaat die Menge weder die genügen- den Mittel zur Aufklärung, noch die gesetzliche Freiheit zur Orzanisalion des Widerstandes gegen die Unterdrückung besitzt, und zudem eine große Anzahl ihre wahre Gesinnung gar nicht kundzugeben sich getraut. Ein TellSschuß oder ein Aufstand im Mittelpunkt der Despotte muß dann die Entscheidung bringen." Wenn w i r da« schreiben wollten l die in der Schule de»(„erzieherischen") Sozialistengesetzes gelernt habe«, die Qualität nach der Quantität zu beurtheilen, und sich die Personen der Zeugen und der Angeklagten genau anzusehen. Mit dem Posener Sozialistenprozeß selbst wollen wir uns heute noch nicht beschäfttgen. Nur auf«in Moment sei aufmerksam gemacht, welches nebe» der frappanten Aehnlichkeit mit dem Breslauer Prozeß in die Augen springt— nämlich auf die Liebedienerei gegen Rußland und auf die Intimität der deutschen mit de» russischen Polizei. Der Kniefall Bismarck '» vor dem Zaren erhätt hier«inen praktischen Kommentar und wird so hell be- leuchtet, daß dem deutschen Reichsphilister, falls er überhaupt empfind- lich wäre für solch« Dinge, die Augen schier übergehen müßten. — Wen« die deutschen Nationalliberaleu um«ine Vertheb digung ihrer elenden politischen Haltung verlegen stnd, so finden sie nirgends geeigneteres Material zu einer solchen alS in der d e m o k r a» tischen „Frankfurter Zeitung ", Sbtheilung Frankreich . Dort wird — sowohl von dem betreffenden Redakteur selbst als namentlich von dem Pariser Korrespondenten deS demokratischen Blattes— alle» beschö- nigt, was die Rationalliberalen Frankreichs , die Opportunisten rechter Schattirung, thun, und alles in stärksten Ausdrücken verurtheilt, was die französischen Radikalen thun, selbst wenn es im Grunde genau auf daS hinausläuft, was die Fortschrittler und namentlich die Volks« partetter bisher in Deutschland vertreten haben. Da haben vor einigen Tagen in Frankreich die Ergänzungswahlen zum Senat stattgefunden und den Republikanern eine Einbuße von drei Sitzen gebracht. Obwohl nun feststeht, daß diese Verlust« dadurch herbeigeführt wurden, daß ein Theil der gemäßigt republikanischen Wähler umfielen und entweder direkt für die Kandidaten der Ron«» chisten stimmten oder durch Festhalten an Sonderkandidaten diesen den Sieg sicherten, d. h. die sonst Überall gepredigte republikanische Disziplin verletzten, findet doch die„Frankfurter Zeitung " an dem Verhalten der» selben nicht« zu tadeln, sondern macht für ihren Umfall die— Radikalen verantwortlich.„Es ist im Kleinen der nämliche Vorgang." schreibt st« in ihrer Nummer vom 6. Januar(Abendblatt),„wie er im Oktober ISS » bei den Kammerwahlen sich abgespielt hat: die Wähler wollen nicht gegen die Republik , sondern nur gegen die Radikalen stimmen. Die monar» chistische Gefahr scheint ihnen eben geringer zu sein alS die radikale." Dies« Phrase ist fast«örtlich dem„Journal deS DebatS " entnommen, da» alS Organ der Börsenwelt lüstern nach der Monarchie schielt. Sie hätte unter gegebenen Umständen ebensogut in der„Berliner National« zeitung", dem„Frankfurter Journal" oder sonst einem nationalliberal» Kartellblatt stehen können, um das Zusammengehen der nationalliberal« ManneSseelen mit den Reaktionären gegen die Freisinnigen und die Volkspartei zu rechtfertigen. Zum offnen Kartell hat man'S in Frank» reich freilich noch nicht gebracht, doch ist der Umfall keineswegs so von ungefähr, auS der Mitte der Wählerschaft, gekommen— eS war Herr JuleS Ferry , der Miquel Frankreichs , der zuerst die Parole ausgab: Die Gefahr ist auf der Linken! Eine Anzahl ge» mäßigt republikanischer Blätter schreiben seit damals unausgesetzt in diesem Sinne. Vor allem das„Journal des DebatS ", daS Über d» Umfall ins monarchische Lager ganz entzückt ist. Diesen gemäßigten Blättern ist auch die Phrase nachgeschrieben, daß die Wahlen von 18SS«ine Demonstration gegen die Radikalen gewesen seien. Damit soll nur die kolossale Niederlage auS der Welt geflunkert werden, welche die O p p o r t unisten ISSS erlitten haben. Ihre Zahl ging damals erheblich zurück, während die Radikalen eine ganze Anzahl Sitze gewannen. Aber man mußt« doch die Abgab« von mehreren hunderttausend republikanischen Stimmen an die Monar- chisten bemänteln, und was lag da näher, al» die Schuld daran den Radikalen in die Schuhe zu schieben. Mit obiger Rabulistik aber kann man natürlich jede Gesinnungslumperei vertheidigen. Mit den französischen Nationalliberalen theilt die„Frankfurter Ztg." auch die Vorliebe für den Senat gegenüber der Deputirtenkammer. Mit ihnen empfahl sie während der letzten Ministerkrisis, dem Senat größem Einfluß auf die Bestimmung der leitenden Polittk einzuräumen. Run wird der Senat nach einem WahlmoduS gewählt, der extra dazu au»- getiftelt wurde, der Republik ein Bein zu stellen, d. h. eine Körperschaft zustande zu bringen, die mit jeder Regierung geht, also auch mit einer SlaatsstreichregieruNg, natürlich nach gelungenem Staatsstreich. DaS Senatsmitglied wird von einem Wahlkollegium gewählt, da« aus Dele» girten der Kommunalvertretungen gebildet wird. Nun wetß doch Jeder, wie namentlich in den kleineren Ortschaften die Gemeinde« wählen zustandekommen, wie da alle? andere eher entscheidet, al» die großen, prinzipiellen Gesichtspunkte. Danach kann man auf den Eha« rakter der Senatswählerkollegien schließen. Di« gesättigten Existenz», die„vor Allem ihre Ruhe Hab» wollen", werden in ihnen fast immer die Mehrheit haben. Sie sind aber außerdem wegen ihrer relativ» Kleinheit daS günstigste Feld für allerhand Jntriguen und Beeinflussungen. Der Geldsack spielt da die entjcheid»de Rolle. Und dieser Senat wird der auf Grund des allgemeinen Stimmrechts gewählten Deputirtenkammer als maßgebend gegenübergestellt von der demokratischen„Frankfurter Zeitung "! Aus den Wahl» auf Grund dieses Wahlrechts leitet sie ein Recht her, die vorgefchritt»» Republikaner aufzufordern, ihr Programm in die Tasche zu stecken und nicht eher herauszuziehen alS bis— nun wahrscheinlich bis der S»at eine radikale Mehrheit hat, d. h. so ziemlich am Nimmerleinstag. Mm höre nur: dem Attentat offenen Ausdruck zu geben. Der württembergische Landtagsabgeordnete Hopf erinnerte in den von ihm redigirt» „GradauS" in Stuttgart an den Ausspruch de« von den Katholik» so hoch verehrten G ö r r e S, daß„Sott bisweilen eine heidnische Tugend wecke, um jene christlich« Heuchelei zu straf», die, während ste mit Leichtsinn ungerechte Kriege beschließt, worin Hunderttausende von Menschen fall», nur dann de« Christenthums ge» denken will, wenn die Flamme, der st« von Feme zugesehm, endlich da« eigene Dach ergreist", und schrieb, gleich bei dem ersten Eintreffm der Nachricht: „Es ist wieder in Deutschland eine That geschehen, welche, wenn ste gelungen wäre, wie ein Blitz in» Volk geschlagen hätte, aber auch«iß » lungen die voll« Aufmerksamkeit der Nation in Anspruch nimmt, nicht allein weg» deS tragischen Endes d«S Thäters, sondern auch, und mehr noch, wegen de» allgemeinen Bedauern«, daß sie miß« lang. Bismarck ist unstreitig ein Charakter mit dem Mathe eine» Räuberhauptmanns, freilich nicht jenes abstrakt» Karl Moor, welcher der gesellschaftlich» Konvenienz den Fehdehandschuh hinwirst, soade» eineS sehr praktisch» RäuberS , der die Welt für sich ausbeutet und be« stiehlt, so daß er am Ende fast mehr der Kehrseite dieser verunglückt» edleren Natur, dem heuchlerisch», diebischen und frechen Bub» Franz Moor gleicht."... ...„Wenn ein Volk, auf's Aeußerste gebracht, als«inen unwillkür« lichen Sendling seines Zornes und Hasses gegen seine Vergewaltiger ein» Jüngling ausschickt, um in kühner That einen Tyrannen auf die Seite zu schaffen, da schreit dann Alles Zeter und weiß nicht genug Worte dafür zu find», wenn so«in Herr der Gewalt unschädlich ge» macht wird. Wenn aber so ein Herr der Gewalt den besten, edelsten Mann im Kerker elend verschmachten, wenn er einem H Iben de» Rechts und der Freiheit d» Kops abschlägen läßt, und dem Volke das Haupt seines Liebling» vor die Füße wirft, wenn er zur Förderung seine» Ehrgeizes Hunderttausende auf Schlachtfeldern hinmorden läßt, da» wird in der Regel ganz natürlich gesund»." Da» war keineswegs«ine vereinzelte Stimme. In einer Zuschrift a» die Berliner „Voffische Zeitung" hieß es, in Stuttgart fei da« Bild Fer» dinand Blind'» an allen Läden bekränzt zu sehen. Wie mancher von de» biederen Schwaben, die sich heut« noch bismärckischer als Bismarck selbst geberden und Jeden am liebsten„glei todtfchlage mechtet", der es wagt, die Unfehlbarkeit de» KanossagängerS in Zweifel zu ziehen, hat damal« ein„Herrgottsakerm»t" Über da» andere geflucht, weil die Kugel de» jung»„Tell-SchÜtzen" an dem„Panzerhemd" abgeprallt! Ja, damal», da» war eben auch etwa» ganz Andere». Damals waren eb» w i r noch in der Opposttion! Blind, der Vater, schrieb tn Heft VUl de»„Eidgenossen": „Wenn erst auf Deutschland » Schlachtfelde» und Fluren die Leich» von vielen Tausend» nach Beendigung de» Kampfe» mode», und«an die Einheit und Freiheit w der Form BiSmarck'scher Diktate dem Volk«
Ausgabe
10 (22.1.1888) 4
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