»Die Nutzanwendung ist denn auch die nämliche wie damals: wenn die Republikaner eine wirkliche Gefahr für die Republik fern halten »ollen, so muffen sie den vernünftigen Theil des konservativen Pro« »rammS ausführen; sie müssen eine friedliche, sparsame und versöhnlich« Politik verfolgen, praktisch« Berbefferungen auf allen Gebieten einführen und die radikalen Reformen, für die ohnehin weder in der Kammer »och im Lande eine Majorität vorhanden ist und die nur dazu gut sind, die Wähler den Monarchisten in die Arme zu treiben, auf die lang« Lank schieben, zum Theil sogar energisch zurückweisen." Die B-rwirklichung dieses Programms heißt: Kartell mit den Monarchisten, um die Radikalen, die in der Kammer über gegen 200 Stimmen verfügen, an die Wand zu drücken. Und wie der Herr, so der Knecht. DaS Lied, das die Redaktion so »ett vorspielt, pfeift ihr Korrespondent in Paris munter nach. Herr Mühling schreibt in Nr. 8(Abendblatt), nachdem er vorher einen Aus- spruch desJournal deS DebatS " ganz richtig so charakteristrt:Damit spricht eines der hervorragendsten Journale des Opportunismus eS offen aus, daß die Gemäßigten mehrBerührungSpunkte mit de« Reaktionären als mit den Radikalen haben," «it wunderbarer Logik: »Wie im Parlament, so stehen die Republikaner im Lande der ge- ßhiofienen Schaar der Reaktionär« nach wie vor gespalten gegenüber. Sin Theil von ihnen aber fühlt sich noch mehr von den republikanischen Gesinnungsgenossen als von den Gegnern der Republik abgestoßen, »nd daS ist natürlich. Das Boll will vor allen Dingen zufrieden, frei»nd glücklich leben, und diese Wünsche kann es noch leichter unter dem Regiments einer demokratischen Monarchie wie sie z. B. in Italien verwirklicht ist erfüllt sehen, als unter derHerrschaft der Kommune." Also die Radikalen ä la Elemenceau bedeuten ihm schon die K o m- « u n e. Das könnte ebensogut in der K r e u z z e i t u n g" oder im Stöcker'schenReichs boten" stehen. Nach deren Darstellung sehnt sich ja auch daS französische Volk nach den Fleischtöpfen der Monarchie. Nur daß sie mitVolt" Pfaffen und Junker meinen und Herr Mühling pardon, dasJournal de» Debats" die B ö r s e n w e l t. Einem Bortrag, den der österreichische Abgeordnete K r o n a- «etter jüngst vor Brünner Arbeitern überdie Nationalitäten' frage und der Sozialismus" gehalten, und den unser Brünner LruoerorganVolkSsreund" ausführlich wiedergibt, entnehmen wir fol- gend« recht zutreffende Bemerkungen: Die Konkurrenz, die Ausbeutung deS einen Menschen durch den an- dern, der Kampf deS wirihschafllich Starken gegen den wirthschaftlich Schwachen werde heute mit einer Hartherzigkeit geführt, daß die Entwick- lung der Menschheit gewaltig darunter leide. Diese Bestrebungen, alles dem persönlichen Interesse Einiger unterzuordnen, machen sich selbstver- sitndlich auch unter den Angehörigen einer und derselben Nation gel- tend, und sobald daS persönliche Interesse in Frage komme, trete sofort daS Rationale in den Hintergrund und die eisrigsten Vertreter der Rationalität vertrügen sich sofort mit dem nationalen Gegner. Von diesem Gesichtspunkte aus beurtheilt könne man sagen, es sei Schade »m die Druckerschwärze und um daS Papier, welche verwendet würden bei Herstellung der stenographischen Protokolle des Abgeordnetenhauses. ES würde genügen, bei den alljährlich ganz regelmäßig wiederkehrenden »ationalen Debatten im Abgeordnetenhause in dem stenographischen Pro- tokolle auf das Protokoll der so und so vielten Sitzung in diesem und diesem Jahre hinzuweisen; denn die Reden seien immer dieselben und die Redner desgleichen. Als Beispiel, daß die N a t i o n a l i t ä t bei den Abgeordneten sofort aufhör«, wo das wirthschaftlich« Interesse be- ginne, führte Dr. Kronawetter die Haltung der deutschböhmischen Abgeordneten bei der Grundsteuer-Regulirungsfrage an. Da daZ fruchtbare Böhmen um 3 Millionen Gulden e n t l a st e t und die unfruchtbaren Alpenländer um denselben Betrag mehr belastet wor- den feien, so hätten sich die deutschböhmischen Abgeordneten durchaus »icht auf Seite der Alpenländer gestellt, wie sie es als Deutschs hätten thun müssen, wenn ihnen die Nationalität in der That über alles Andre ginge, sondern ste hätten mit ihren nationalen Gegnern gestimmt. Ein weiterer Beweis, daß die Nationalität sofort ein Ende nehme, wo daS Interesse beginne, sei die Haltung der national gesinnten Fabrikanten gegenüber ihren Arbeitern. Wer die Arbeit am billigsten verrichte, der werde von dem Fabrikanten aufgenommen, unbekümmert darum, welcher Nation er angehöre. Der deutsche Fabrikant nehme sich tschechische Arbeiter und entlasse die deutschen , wenn die Tschechen mit «inem geringeren Lohn- zufrieden seien und umgekehrt, ja, sie würden chinesische KuliS beschäftigen, wenn sie nur billiger zu bekommen wären als alle übrigen Arbeiter. Ein ähnliches Preisgeben der Nationalität « Rücksicht auf daS wirthschaftlich« Interesse wie zur Zeit der Grund- sieuer-Regulirung stehe bevor bei der Regulirung der Zuckersteuer..... Da die Zuckerfabrikanten gar mächtige Herren seien, und da überdies an der Zucke, sabrikation sowohl die Großgrundbesitzer, welche die Rüben liefern, wie die Maschinenfabrikanten interessirt seien, so dürfte eS sich zeigen, daß sie bei der bevorstehenden Berathung des Zuckersteuergesetzes alle einig fein werden, daß in Wirklichkeit kein Gegensatz besteh« zwischen dem(deutschnationalen) Herrn A u s p i tz und dem(Tschechen » führer) M e z n i k.(Ganz wie im deutschen Reichstage bei der Zucker- steuer-Reform dieRömlinge" dei Zentrum mit den deutschdümme- klchsten aller Nationalliberalen ein Her, und eine Seele waren, bei allen agrarischen Zöllen die Polen , dei allen Jndustriezöllen die Elsässer mit den fanatischsten Bismärckern Hand in Hand marschiren. Red. d. S.-D.) ... Die soziale Idee stehe über der nationalen; ein Sieg deS Sozia­lismus sei nur durch das engste Aneinanderschiießen der Arbeiter mög- lich. Sofern es gelänge, die Arbeiter in Nationalitäten zu spalten, sei der Sieg des Sozialismus weit hinausgerückt. Ein Siez der nationalen Idee sei gleichbedeutend mit einem Siege der Reaktion. Wenn die Ar- bester national würden, so vergäßen sie ihre eigenen Vortheile; daS wissen die Herren, darum bemühen sie sich so eifrig, die Arbeiter durch die nationale Idee zu spalten. Unsere heutigen Einrichtungen und Zu- stände gewähren ihnen ungeheure Vortheile, sie müssen verlieren, wenn die sozial« Idee siegt, deshalb fördern sie alles, was die Menschen trennt. Gelingt eS ihnen, die Menschen zu spalten, dann sei ihr Sieg sicher. Für die großen Herren selbst gebe es keine nationale Frag«, sie seien international, das beweise der amerikanische Petroleumring, der Kupfer- ring und andere kapitalistische Verbindungen, die sich über die ganz« Erde erstrecken." Herr Kronawetter schloß seinen Bortrag mit dem Mahnruf dei Kom- munistischen Manifests: Proletarier aller Länder, ver« einigt Euch! Wir können unS dem lauten Beifall, den er nach demVolkSsreund" geerntet, nur anschließen. Um Stimmung für das verschärfte Schandgesetz zu machen, lügt die Berliner Kreuzzeitung ", Anarchisten und Sozialisten hätten jetzteine Art Waffenstillstand" geschlossen. Etwas zu voreilig, liebe Betschwester. Hättest du dich bei deinem Gönner Putty erkundigt, so würdest du erfahren haben, daß just in diesem Moment die Lieblinge Sr. Exzellenz wieder ein Brandflugblatt losgelassen haben, daS von Beschimpfungen der Sozialdemokratie und ihrer Führer strotzt. Aber dieKreuzzeitung " mag sich trösten. Das ganze Flugblatt richtet sich hauptsächlich gegen dieWahlthätigkeit der Sozialdemo- kratieNieder mit Staat und Parlament" heißt es u. A. darin. Und dieKreuzzeitung " weiß ja wohl, wem diese Parole einzig und allein zu Gute kommt notabene wenn sie befolgt würde. Ei« Schandfleck an«userer Partei mit dieser Ueber« schritt schreibt man uns: Die Sozialdemokratie hat schon Großes geleistet; sie hat mit ihren humanen und menschenliebenden Grundsätzen sämmtliche klassenbewußten Arbeiter der Erde solidarisch verbrüdert; sie hat die gekrönten Herrscher von Europa zuPaa en getrieben und diese Mächtigen der Erde gezwungen, alle ihre Eifersüchteleien ruhen zu lassen und ge- meinsam zu handeln, um ihren wackligen Thron vor dem Zusammen- bruch zu schützen. Nur Eines hat die sozialdemokratische Partei noch nicht vermocht, oder besser ausgedrückt: sie hat sich noch nicht dazu bequemt. Diese eine große That ist in Wirklichkeit«ine ganz kleine, aber von der größten Wichtigkeit für die Partei. Wir meinen: die Wirthe, welche ihre Säle zu Arbeiterver« sammlungen nicht hergeben, zu Paaren zu treiben. DieS muß eine der Hauptaufgaben der Partei in nächster Zeit sein, damit schon bei der nächsten Reichstagswahl der Erfolg wahrzu- nehmen ist. Es ist doch wirklich eine Schande wir wählen da» richtige Wort~ für die Arbeiter, wenn sich die Wirthe, ohne Scha- den zu erleiden, erlauben dürfen, den Arbeitern, von denen ste leben denn reiche Gegner gehen in diese Lokale in der Regel nicht den Saal zur Versammlung verweigern. Es ist eine Schande für die Arbeiter, daß Wirthe, welche zu den Arbeitern sagen:Euer Geld ist mir sehr lieb, aber im Uebrigen seid ihr nichtswürdiges Gesindel, das man mit Fußtritten regaliren muß", nicht ihr Bier selbst austrinken müssm. In einer großen sächsischen Industriestadt ist z. B. das Angeführte der Fall, dort bekommen die Ardeiter keine Säle zu Versammlungen, aber trotzdem machen die Wuthe sehr gute Geschäfte durch den Berkehr der Arbeiter. Den Namen dieser Stadt wollen wir vorläufig verschweigen, mögen die Arbeiter sich dieses zu Herzen nehmen und dafür sorgen, daß diese Arbeiterfreunde ausgehungert werden und bis zur nächsten Wahl zu Kreuze gekrochen sind. Jeder bekannte Parteigenosse wird von unseren Widersachern sofort entlassen und brodlos gemacht; lernen wir also von unseren Gegnern und thun wir d a S G l e i ch e. Wer öffentlich gegen uns a g i t i r t oder uns den Saal verweigert, wird b r o d l o« g« m a ch t I Führen wir diese Kamvfesregel konsequent durch, dann und erst dann haben wir Säle zur Verfügung, dann haben wir nicht mehr über Saalmanzel zu klagen. Nicht die gegnerische Gesinnung deS Mannes soll uns veranlassen, zu boykotten, sondern die b e- l« t d i g e n d e und schofle Handlungsweise des B-treffenden gegen die Arbeiter, von denen er lebt. Also an'« Werk: in jeder Stadt, in jedem Dorf müssen solche Gegner durch Plakate nnd Flugblätter bekannt gegeben werden, damit kein Ar- beiter mehr in ihre Wirthschasten gehe; wer trotzdem hingeht, ist kein Genosse, sondern ein charakterloser Mensch, und dieser muß verachtet werden; man muß ihn bei jeder Gelegenheit fühlen lassen, daß er ein JudaS ist. Der Boykott ist in Amerika die stärkste Waffe der Ar- beiter gegen ihr« Gegner; die Genossen müsse« dafür sorg», daß sie es auch in Deutschland wird. Der Boykott muß in ganz Deutschland systematisch durchgeführt werden, bei jeder Gelegenheit, bei jeder Empfehlung solcher Lokale muß ein« Warnung der Arbeiter er, scheinen:DieS Lokal ist zu meiden!" Da die Gegner selbstverständlich in ihren Wurstblättern gegen diese infame Kampfsweise" schimpfen und losdonnern werden, so muß diese« Geschimpfe im Voraus die Spitze abgebrochen werden, und zwar aus folgende Weise: Da den unten angeführten Herren Geschäfts- und WirthschaftS-J», habern die Sozialdemokratie vaterlandsloses Gesindel und nur Auswurf der Menschheit ist, den jeder ehrliche Mensch per, pflichtet ist, zu meiden, so wollen wir freiwillig den Herren den «erger und Verdruß, der durch unser Erscheinen in ihren Lokalen erregt wird, ersparen und ihr Lokal nicht mehr besuchen. Alle gegnerischen Blätter werden um weitere Bekanntmachung dieses Entschlusses ersucht." Diese» Motto muß auf alle derartigen Flugblätter gesetzt werde«; wollen die Segner ei widerlegen, so können ste sich die Zähne ausbeißen, wenn ste Lust haben. Also an'S Werk! Ueberall muß der Boykott unsere stärkste Waffe werden." Dies die Zuschrift eines bewährten Genossen. Wa» sie verlangt, ist schon wiederholt befürwortet worden, jedoch bisher ohne genügenden Erfolg. Unsere Genoffen find in der That viel zu gutmüthig und ge« duldig; die politischen Gegensätze sind in Deutschland so schroff gewor« den und unsere Feinde befolgen namentlich seit der vorigen Reichstags--' wähl eine so infame Kampfweise gegen die Arbeiter, sie haben die ökonomische und soziale Acht so offen und allge« mein gegen die Sozialdemokratie verkündet, daß wir zu Repres, salien gezwungen sind. Hier und da haben die Genossen bereit? Tüchtiges in der Nothwehr geleistet aber es ist noch lange nicht genug? geschehen. Und so hoffen wir, daß obige Zuschrift nicht ohne Wirkungk bleiben wird. Wie man uns au» London schreibt, soll Herr Th. Renk von der Redaktion desCommonweal" Zurücknahme der Bezeichnung als Spitzel verlangt haben, widrigenfalls er ste verklagen und 1000 Pfund' Sterling Schadenersatz verlangen werde. War das Geschäft, das ihnr durch die öffentliche Kennzeichnung als Polizeiagent verdorben worda» ist, so einträglich? Oder klagt Herr Reuß in höherem Interesse? Aber unser Gewährsmann wird sich wohl verhört haben. Herr Reust weiß sehr gut, daß englische Richter keine Berliner Richter sind» Und die preußischen Spitz-lmeister haben keine Ursache, auch die Augen deS englischen Publikums auf ihr nichtsnutzige« Treiben zu lenke». Goldeue Siegel«. Unter dieser Ueberschrist lesen wir in der Gleichheit": DieLandwirthschaftliche Zeitschrift für Westfalen" schreibt:Arbeit und Ruhe des werden nicht immer gehörig geregelt. Um die gesund und leistungsfähig zu erhalten, sind folgende Regeln zu beobach� ten: 1. Die jungen gewöhne man allmälig an die Arbeit, so daß st«: dieselbe gleichsam spielend erlernen. 2. Es ist dem sehr nützlich, bet jeder Arbeit langsam anzufangen und nur allmälig zu steigern; jedoch' vermeide man gänzliche Ermüdung deS. 3. Nach der Mahlzeit dürfen die niemals gleich wieder zur Arbeit verwendet werden, da die«,. wie die Erfahrung lehrt, ihre Verdauung und Ernährung stört; man gewähre ihnen nach derselben eine Stunde Ruhe. 4. Zur angestrengten Arbeit bestimmte dürfen nicht überhungern und auch nicht verdurste»«. Deshalb ist ihnen bei fortgesetzter Thäligkeit öftere Erquickung und' Magenstärkung nothwendig. S. Nach jeder Anstrengung müssen die ihre gehörige Ruhe und Pflege haben." DaS sind ganz ausgezeichnete' Borsch» rsten, die verdienen mit goldenen Buchstaben an dem Thore jeder Fabrik, jeder Werkstatt zu prangen. So ist doch einmal ein Junkerblatt, das die Interessen der geldhungrigsten Agrarier vertritt, zur Einsicht: g kommen, was den ausgebeuteten, geschundenen, abgerackerten Prole- tariern noth thut. Denn eS ist doch klar, daß die Gedankenstriche aus« gefüllt werden müssen mit den Worten: Des Arbeiter«, der Arbeiter. Wirklich, ist das so klar, leichtgläubiger Optimist? Die preußisch-deutsche» Gesinnungsgenossen desBaterland" schrieben in ihrer Zeitung de« Pferdes, der Pferde! Die menschliche Kanaille, bah! liegtauf der Straße und ist so billig wie Brombeeren, aber der Gaul ist werth« voll. Roßfleisch , lebendiges Roßfleisch ist den Feudalen kostbarer als Menschenfleisch." Zwei neue Kampfgeuoffe« haben mit Antritt des neuen Jahres das Licht der Weit erblickt. In Bern erscheint unter der Ree daktion des bewährten Genossen Fürsprech A. S t e ck derSchweiz «» rtsche Sozialdeinokrat", und in Pradl bei Innsbruck unter der R-daktion des Genossen Michael Zelger dieVolkSstimUto". Agitationefchrift für da« arbeitende Volk. Wir rufen beiden ein herzliches Glückauf! zu. Die guten Freunde. Keine zärtlicheren Freunde als Papst Leo und Kaiser Wilhelm , das hat sich beim Jubiläumssest des Letzteren beiläufig«in wahrer Hohn auf da», was man dem Boll als Ehrl ste»v thum lehrt wieder deutlich gezeigt. Es ist wahr, nur wenige Tage vorher hatte Leo noch in einer Enzyklika an die bayerischen Bischöfe die Freimaurerei als der Abgrund aller Verworfenheit Auch die Deutschen bleiben nicht zurück: ...Doch der Stoff wächst mir unter der Hand, und ich will daher blo« noch erwähnen, daß sich in unseren eigenen große» Schriststeller» und Dichtern nicht minder zahlreiche Stellen für die Berechtigung des. Tyrannenmordes finden. Herder nennt in seinenIdeen zur Geschicht» der Menschheit" den Dolch dietraurige, aber nothwendig« Zuflucht: aller Unglücklichen." Jean Paul'« schwärmerische Milde schrickt nicht vor der Lehre zurück; er erhebt die entschlossen« That der altrömischen: Verschworenen als preiswürdiz, des Nacheifern« werth. Er zieht dabei: eine Grenzlinie zwischen den politischen Tödtungen, die von der Hand eines Freiheiisfreundes geschehen, und denen, die einer despotischen Ab« ficht ihren Ursprung verdanken. Zwischen ihnen, sagt er, sei»in Unter« schied wie zwischen Tugend und verbrechen." Auch Schiller wird in« Feld geführt, ebenso Plate« mit seine« schon zitirten:Ihr wißt, Tyrannen find vogelsrei." Ferner wird aus die vielen Gelehrten hingewiesen, die Sand'« Attentat auf Kotzebus billigten. Dann zitirt Blind noch den Schluß de» Gedichte«Am Meeresstrand" aus Viktor Hugo'«Züchtigungen", wo daS Gewissen dem Haw modius zuruft:Du kannst diesen Menschen d. h. Napoleon HI. in Rahe tobten", und sagt schließlich:,,._, Daß über daS Recht, die Tyrannen zu tödten, auch einige der Frei« heitepartei nicht angehörige oder feindliche Männer geschrieben haben wa« ficht das unS an? Auch unsere Widersacher schreiben sich daS Recht der Kriegführung und der Insurrektion zu, und ihre Kriege und Auf» stände sind oft nichts als ungeheure Verbrechen. Weil dem aber so ist, wird dadurch das Recht eine« LolkeS, da« Recht eines Einzelnen, sich durch Krieg, Erhebung oder muthig» AngrissSthat gegen die Gewaltherrschaft zu wehren. irgend wie gemindert? Oder darf e« gestattet fein, ein zwslfelhastes Licht auf solche freiheitliche Handlungen zu werfen? Ich meinerseits werde fortfahren, auch in der Politik zwischen Recht und Unrecht u unterscheiden." So schrieb, so dachte da« Bürgerthum, als es noch radikal war. Und nicht nur e«. alle Parteien der herrschenden Klassen dachten so. wenn ste in der Opposition waren, und denken noch so, sobald sie ernst» hast in der Opposition sind, und das Proletariat nicht im Rücken fürchten. Wo aber das Proletariat auf die Bühne tritt, da werde« plötzlich andre Saiten aufgezogen. Da ist willenlose Unterwerfung unter den schlimmsten Druck absolute Bürgerpflicht. Und ob ste früher noch so sreiheitSglühend sich geberdet, wenn eS gilt, im Interesse der Arbeiterklasse Recht und Unrecht zu unterscheiden, da find, mit seltenen«usaahmen, dies» liberale» Worthelden zu allen Zeiten b li ad. demonstrirt, wird man die That von Ferdinand Blind recht zu wür« digen wissen." Der Kampf ist nicht ausgeblieben, dieDiktate" ergießen sich in uner- ichöpsiichsr Fülle über Deutschland , und Herr Blind liegt vor BiS» marck im Staube. Wir hatten erst dre Absicht hier zu schließen, denn daS Borstehende dietet de» Guten eigentlich genug. Aber e« wäre doch wohl Unrecht, wenn wir, einmal bei dem Thema, nicht auch noch eines Artikels ge- dächten, den Herr Blind speziell der Bertheidigung seines Sohnes ge- widmet er ist Pro filio(für den Sohn) überschrieben und der als eine wahr« Apologie des Tyrannenmordes bezeichnet werden kann. So mögen denn zu Nutz und Frommen derer, die uns Hödel und Nobiling an die Rockschöße hingen, um daraufhin ihre Zustimmung zu dem schandbaren Ausnahmegesetz zu rechtfertigen, noch einige Auszüge aus dieser Arbeit thres heutigen Gesinnungsgenossen folgen einer Abhandlung, dt« geradezu zu Attentaten pro» »ozirt. Man hör« nur: Wie in der klassisch-römischen, so findet sich auch in der italienischen Literatur dei Mittelalters bis auf die neuest« Z-it herab ein reichhalti- ge» Material zu Gunsten der Lehre von der Berechtigung de« Tyrann« nm orde».»u« Petrarca und Macchiavell, auS dem ge- kehrten Ruratori, au» Monti, Alfieri, Ugo Foscolo u. f. w. könnten Stellen zitirt«erden. Unter den Deutschen der Neuzeit seien Herder , Lessing, Schiller, Jean Paul und Platen genannt. Unter den Fran- zosen Rontesquieu, Rousseau , Viktor Hugo. Unter den Engländern: Müton, Algernon Eidney, Stdmouth, Cobbet, Byron und Disraeli , da« heißt zur Zell, al« der Letztere noch radikal war. Damals fang dieser, später zum Tory umgewandelte Mann ein prächtiges Loblied auf den Dolch deS Römer« und den Pfeil de« Schweizer Landmannes. Ja. aus alle Zeiten hinaus sprach DiSraeli den Segen über die Tapferen, die mit entschlossenem Stoß ihr Baterland von Unterdrückern defreien: Blessock de ihe hand that darea to wield Tho Regicidal eteel that ehalt redeern A Nation'« suffering with a tjrant's hloodl" (Gesegnet sei die Hand, die muthig schwingt Den königsmörderischen Stahl, der rächen soll Eines Lölkes Leiden mit Tyrannenblut!) Seitdem Benjamin Disraeli von dieser alten, tugendhaften An- fchauung abgefallen ist, hat er sich freilich zum Schatzkanzler Ihrer Majestät in Tory-Kabineten und zum Lertheidiger aller Mißbräuche qualifizirt.".... Jetzt ist freUich auch Herr Blind von dieseratten tugendhaften An-' schauung" abgefallen, merkwürdigerweise aber trotzdem Staatsmann in parüdus infideliurn geblieben, Doch hören wir rhn weiter: Die englische Literatur ist außerordentlich reich an«eußerungen zu Gunsten der Rechtmäßigkeit des Tyrannenmorde«. Drei Schriften Mil- ton'«(Iconoclastos; The Defence of the Peoplo of England; und The Tenure of Kings and Magistrates) entHallen eine Fundgrube von kräftigen Stellen. In der letzgenannten Schrift beweist Milton,daß es gesetzlich ist und in allen Zeilen für gesetzlich gehalten wurde, daß Jeder, der die Macht dazu hat, einen Tyrannen oder schlechten König zur Rechenschaft ziehen", ja.ihn vom L-b-n zum Tod bringen dürfe, wenn die gewöhnliche Magistratur ihre Pfl cht zu thun oersäumt hat oder ste zu thun sich weigert."DaS". sagt Milton,bekenne ich frei als wesent- lichen Theil meines GlaubenSbelenntnisseS. daß, wenn e« irgend«inen Fürsten gibt, auf dessen Befehl namhafte Metzeleien gegen feine getreuen Unterthanen ausgeführt wurden- mag er König, Tyrann oder«aiser sein: da« Schwert der Gerechtigkeit ist über ihm; und in wessen Hand genüq-nde Macht gefunden wird, um diese Bergießung schuldlosen Blute« zu rächen: der hat das Recht, das Schwert der Gerechligteit zu ge- brauchen."<» Ferner:_,_,, In unfern Tagen finden wir den unlängst verstorbenen Walter ©aoag« Landor al« einen Prediger deS Tyrannenmords, den er als gerechtfertigte und preiswürdige Tödtung" von assassination unterscheidet. Er erklärte sogar die Tödtung Bomba'S und anderer fürstlichen Ungeheuer, mit Namensnennung, al««tn verdienst» l i ch e« W e r k, und bot zu dessen Förderung einen Thett der nöthigen Geldmittel........, E« wäre ein Leichtes, au« der neueren Geschichte und Literatur England« noch-ine Menge Beispiele anzusühren. die darauf hinweisen, daß die Rechtfertigung der Tyrannentödtung von den gebildetsten Klassen dieses, dem gesetzlichen Forlschritt huldigenden Landes alS ein lobenS- werther poliliicher Grundsatz angenommen worden ist was auch tn einzelnen Fällen heutzutage von den Führern der öffentlichen Meinung in England gesagt werden mag."... Nach den Engländern die Franzofen: .., In französischen Schriftstellern der revolutionären Richtung findet sich natürlich Material genug für den vorliegenden Zweck. Aber selbst Battel, die anerlannte Autorität im Bölker- rechte, schrieb:Wenn ein Fürst zur Geißel d-S Staate« wird, so entwürdigt er sich selbst; er ist dann nicht besser als ein öffentlicher Feind, gegen den die Ration sich vertheidigen darf und s o l l; und wenn er seine Tyrannei auf den höchsten Gipfel erhoben hat. warum sollte da» Leben eines so grausamen und treulosen FerndeS der Gefell - fchast geschont werden?" An einer anderen Stelle bezeichnet Battel «inen Usurpator als einenFeind deS Gemeinwesens und eine Pest der . Menschheit" eine Pest, die man ihrem Eharakter gemäß behandeln \«afle."