Detriten. Xachdein sie bei Eröffnung der Kammer einen Antrag aufAmnestie aller politischenBergehen und damit zusammen-gienben sogenannten gemeinen Verbrechen eingebracht und die sofor-Begnadigung der vier Decazevtller Kohlengräber gefordert, welcherzeit ohne jeden Beweis als des an Watrin verübten Mordes mitschul-verurtheilt worden, hat fie neuerdings durch BaSly einen Antrag«uf Verschärfung deS Gesetze« von 1884, die Gewerkschaften be-treffend, gestellt. Dieses Gesetz gibt nämlich de» Arbeitem da« Rechtund die Freiheit, sich gewerkschastlich zu syndiktren und affoziiren. Da«der jede Affoziation der Arbeiter den Unternehmern em Dorn im Auge,ho haben die französischen Industriellen, genau wie ihre Kollegen ander««ärts, die Bildung von Arbeitersyndikaten nach Kräften zu hintertreibenund so das Gesetz illusorisch zu machen gesucht. Und eS standen ihnenmächtige Mittel zu Gebote: die Entlastung, die„schwarze Liste",—Mittel, die sie schonungilo« ausnutzten. Die meisten großen Aktien-»nternehmungen und Fabriketabliffement» verboten ihren Arbeitern ganzkategorisch, sich in Gewerkschaften zu organifiren; Zuwiderhandelnde wur-den einfach entlasten und in dem ebenfalls gesetzlich verbotenen Arbeit«-buch gekennzeichnet, so daß fie nirgends Brod fanden. Bon S 1 G e-»erkfchaften der Kohlengräber RordfrankreichS haben sich nichtweniger als 23 unter dem Drucke der Kompagnien auflösenmüssen. Neben der Lohnfrage ist das gefährdete, mit Füßen getre-tene Affoziationsrecht der Arbeiter die Ursache der meisten Streiks der- letzten Jahre gewesen.Die sozialistische Gruppe verlangt nun, daß das Gesetz von 1884wenigstens respektirt und daß jede Beschränkung deS gewerkschaftlichenOrganisationsrechts der Arbeiter unnachstchtlich und streng bestraft werde.Die Wahrung dieses Rechte« soll einen Stein zum Aufbau einer solidenOrganisation der französischen Arbetterschaft beitragen, welche ihr dieMacht verleiht, mit Nachdruck für die Beobachtung anderer Gesetze ein-t»tr«t«n, die der Ausbeutung des Menschm durch den Menschen gewiffe,wenn auch vorläufig noch sehr weite Grenzen ziehen. Zu solchen Schutz-Gesetzen, welche seit Jahren bestehen, die aber die Regierung stündlichungestraft übertreten läßt, gehören da» Dekret betreffend dieAbschaffung de« Arbeitsbuches, der Erlaß über die Reg e-lung der Kinderarbeit»c.Weiter fordert Basly Namens seiner Fraktion, daß die Regierungden streikenden Gruben- und Hüttenarbeitern von Befföges, Terrenoireund La Boulte 100,000 Franke« überweise. Dieselben haben die Ar-bett eingestellt, weil die Kompagnie seit 3, resp. 4 Monaten mit Aus-zahlung des Lohnes im Rückstand ist. Beretts im vorigen Jahre war eSau« der nämlichen Ursache zu einem Streik gekommen, und diesmalscheint es, daß die Arbeiter nicht nur das Warten, sondern überhauptdas leere Nachsehen haben werden. Die Gesellschaft hat sich in Liqui-dation erklärt, die Passiva sind bedeutend, und die Jntereffen der Ar-beiter werden bekanntlich erst in letzter Linie gewahrt. Unterdeß ist derKredit der Leute bei Bäcker, Krämer und Fleischer erschöpft, und dieRoth ist auf daS Höchste gestiegen. Wenn sich die AuSständischen auchtrotzdem durchaus ruhig verhalten, so hat die Regierung doch schleunigst»ach allgewohnter Weise Sensdarmerie und Soldaten ausgeboten, um«uch nicht den leisesten Zweifel darüber aufkommen zu lasten, daß siedie gehorsame Dienerin der BourgeoiS-Ordnung ist.—Wird irgendwo geattentatet, so ist die reakttonäre Meutestets bei der Hand, die Sozialisten,„das wüste Demagogenthum", dafürverantworttich zu machen. Wenn wir Sozialisten mit dem gleichen MaßeWesten wollten, so könnten wir jetzt die B o u r g e o i S p r« s s« als diemoralische Urheberin des Attentats gegen Louise Michelhinstellen. Louise Michel zählt zu den bestgeschmähten Vorkämpfern derproletarischen Bewegung, und die gutgesinnten Blätter konnten sich niegenug thun, die gemeinsten Verleumdungen und Beschimpfungen überdas großherzige Weib auszugießen, sie als ein Scheusal der schlimmstenArt darzustellen. Und so hat sich schließlich ein Halluzinirter, ein Halb-verrückter gesunden, der es einen Augenblick für verdienstlich hielt, diesesScheusal aus dem Wege zu räumen. Während eines Vortrags, denLouise Michel in Havre hielt, feuert« Luca«, Mitglied eines katholischenArbeitervereins, aus nächster Nähe zwei Revolverschüffe auf die Rednerinab, von denen sie der Eine schwer verwundet- Die Kugel ist in denHinterkopf gedrungen und hat bis jetzt noch nicht aufgefunden werdenkönnen. Louise Michel bewahrte ihre volle Geistesgegenwart und Cha-raklerstärke, sie suchte Ordnung im Saale herzustellen und warf sich zurBeschützerin ihres Attentäter« auf, den die empörte Menge zu lynchendrohte. Wie bestimmt vorauszusehen, hat Louise Michel es entrüstetabgelehnt, Klag« gegen Lucas einzureichen, und nur um schlimmerenFolgen für ihn vorzubeugen, hat sie«ine einfache Zeugnißaussage ab-gelegt und die soforttge Freilassung des Mannes gefordert, indem siesich zugleich bei allen medizinischen Autoritäten dafür verwendete, seineUnzurechnungsfähigkeit zu konstatiren. Ihre schwere Verwundung er-trägt fie mit stoischem Gleichmuth und schenkt ihr nicht die geringsteBeachtung, nur um die Jntereffen der Bewegung und ihrer Freundebesorgt. Ihr Zustand hat bis jetzt einen günstigen Verlauf genommen,und es ist zu hoffen, daß dem Proletariat die uneigennützige und auf-opfernde Kämptn noch lange erhalten bleibt. On.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 7. Februar 1888.— Herr vo« Ehrenberg befindet sich wiederum auf freiemFuß— genau am Tage, nachdem das Schweizerische Bundesblall dieAusweisung de« thatenduistigen und— p e n s i o n s hungrigen Haupt-manns a. D. auS der Schweiz publizirte, vier Tage, nachdem Herr vonPuttkamer von der Tribüne des Reichstags herab erklärte, er werdeauf Grund der«on Bebel im Reichstag mitgetheilten Thatsachen beider badischen Gerichtsverwaltung beantragen, Ehrenberg in Anklage-!ust and zu versetzen.„Uns überrascht die Nachricht nicht, so be-r e m d l i ch fie auch klingt", bemerkt dazu die„Züricher Post", undin der That muß es Jeden, der über das Treiben des Ehrenberg inder Schweiz unterrichtet ist,„befremden", wenn er sieht, wie schnell sichfür diesen Menschen die Pforten zur Freiheit öffnen, der unter demdringenden Verdacht steht, Dinge begangen zu haben, die da«deutsche Strafgesetzbuch mit Zuchthau« nicht«nter fünf Jahre»dedroht.ES ist wahr, der Schweizerische Bundesrath hat die Auslieferung derEhrenberg- Akten an die Bedingung geknüpft, daß Ehrenberg auf Grundderselben kein politischer Prozeß gemacht werde, und wir find in diesemPunkt durchaus mit Herrn Puttkamer einverstanden» der die Gründe, dieden Schweizerischen BundeSrath zu diesem Verhalten bewogen, im Reichs»tage als„sehr human" bezeichnete— in Deutschland würde mangegebenen Falls grade umgekehrt handeln. Von Seiten der Schweizkonnte und durste nicht anders gehandelt werden, ohne ein sehr bedenk-liches Präzedenz für später zu schaffen. Also darüber kein Wort. Aberbedurfte es denn überhaupt der Gerichtsakten, um die Anklagegegen Ehrenberg erheben zu können? Will die R e i ch s p o l i z e i derWelt weiß machen, fie fei in Bezug auf Ehrenbergs Treiben so unwis-send wie ein neugebornes Kind? Kein Mensch glaubt ihr daS, wohlaber glaubt man— und die Freilaffung Ehrenbergs bestätigt es—daß Ehrenberg nach einem bekannten Sprüchwort grade von Seiten derKrüger, Zahn und Konsorten, die ein ganze« Heer von Spitzeln in derSchweiz unterhalten, nicht« zu fürchten hat.„Schon als Ehrenberg nach Deutschland zurückkehrte", schreibt die„Zürcher Post" wester,„vermutheten wir, er habe freies Geleitzugesichert erhalten, auf welche« er bester bauen durfte alseinst Luther und Huß. Wir sprachen dies« Bermuthung deshalb aus,weil es hier in Zürich immer aufgefallen ist, daß ein Mann, der«» anBeschimpfungen de» deutschen Kaiser« und de« Reichs-kanzler«, an Lobpreisungen Boulangers, anArtireln über varri-kadenbau u. s. w. nicht fehle« ließ, feine Militärpenfionfortbeziehe. Da« deutsche Spitzelthum müßte nicht so ausgebildet»nd gut bezahlt sein, wie e« die« ist, wenn man in Deutschland davonkeine Kenntniß gehabt hätte, und zum Uebersiuffe war Ehrenberg»Treiben beiAnlaßvon Prozesse» durch die Zeitung öffent»sich bekannt geworden."Und an anderer Stelle:„EhrenbergS Handlungen find notorisch genug und die deutschenBehörden hätten allen Grund,«ine Untersuchung gegen den eine Penstonbeziehenden, in der Oeffmtlichkeit so sehr kompromttttrten und wegenanarchistischer Umtriebe von einer StaatSregterung aus ihrem Gebieteausgewiesenen Offizier einzuleiten. Fraktisch wird eS zwar aufEinS herauskommen, ob sie dies« Untersuchung anstellen oder nicht undEhrenberg verurtheilen oder nicht; die Strafe würde gewiß nicht grau«sam sein, weniger grausam als etwa bei einem Sozialdemokraten".Die„Züricher Post" pflegt sich, bei aller prinzipiellen Entschiedenhett,in solchen Dingen sehr gemäßigt auszudrücken, da« Mißtrauens-votum, das der deutschen Rechtsprechung in dem Schlußsatz ausgesprochmwird, trifft dieselbe daher nur um so stärker. Die Zeiten sind dahin,da die deutschen Gerichte im Ausland den Ruf der Unparteilichkeit ge-«offen. Man spielt nicht Jahre hindurch den gehorsamen Handlangerder Polizei. Von Ehrenberg ist auf freiem Fuß, man hat gar keineAnstatten gemacht, Zeugen gegen ihn einzuvernehmen, wahrscheinlich hatman ihm aus sein Kavalier«- und OffizierSwort geglaubt, daß Alles,was in der Schweizerischen Preffe über ihn geschrieben, elender Lug undTrug sei. Der Kavalier und Offizier hat zwar sein der schweizerischenBehörde gegebenes Ehrenwort, er wolle nicht entweichen, wenn manihm auszugehen gestatte, gebrochen, aber das schadet weder seiner Offi-ziers-, noch seiner Kavaliers-Ehre, noch seiner Glaubwürdigkeit vor deut-schen Strafkammern. Er, der vor noch gar nicht allzulanger Zeit un»in der gemeinsten Weis« beschimpfte, weil wir auf seine mit raffinirterBrutalität ausgeklügelte Putschtheorie nicht eingingen, weil wir nichtgewaltthätig genug vorgingen, er steht da wie der frischgefalleneSchnee— seine Denunziationen haben Alles gut gemacht. Ob irgendein armer Proletarier, der feine Barrikaden- rc. Rezepte und seine Re-volutionstheorie für baare Münze genommen, vielleicht auf Jahre hin-aus in irgend einem Zuchthause schmachtet, was verschlägts? Der An-stifter ist ein Ehrenmann, ein Olfizier, ein Kavalier. Er ist frei undtheilt Reportern„auf Kavaliersehre" mit, daß die Sonne eine preußischePickelhaube und der Mond ein Husarentschako sei. Auf dieser Höh« un-gefähr bewegen sich seine Erklärungen, zu deren Abdruck die d e m o«kratische„Frankfurter Ztg." und der demokratische„BadischeLandesbote" sich hergaben.Herr von Ehrenberg ist frei— und warum sollte er nicht ftei sein?Jhring- Mahlow ist ja ebenfalls frei und Naporra desgleichen. Sinddiese„pflichtgetreue Beamte", warum nicht auch er ein makelloser Ossi-zier? Wären Haupt und Schröder nicht Schweizerischen Behörden indie Hände gefallen, so wären zweifelsohne auch sie Ehrenmänner, undwir würden Niemand rathen, in Deutschland sie mit dem Wort zu be-nennen, mit dem Herr Puttkamer sie im Reichstage abschüttelte,— der„Schuft" könnte ihm etliche Monat Gefängniß einbringen.Herr von Ehrenberg ist frei— die Berichte der„Reuen ZüricherZeitung", der„Züricher Pest" über seine Prozeffe vor den ZüricherGerichten, in denen das Nähere über seine Offerten an die französischeRegierung rc. zu lesen— sind für die deutschen Staatsanwälte ebensoschwierig zu erlangen, als sie es zweifelsohne für die deutsche Gesandt-schast in der Schweiz waren, die von all den Dingen nichts erfuhr unddem Hauptmann a. D. trotz der gegen ihn erhobenen Anklage deS Lan-desverrathS— die schwerste, die es für einen Offizier gibt— ruhigseine Pension fortbezahlen ließ. Herr von Ehrenberg war eben—keinSpitzel, er war und ist— trotz Ehrenwortbruchs— ein Ehrenmann,ein Kavalier, ein Offizier. Etwas exzentrisch, aber nichts weniger als„verrückt". Im Gegentheil, in einer Lage, wo andre den Kopf verlorenhätten, bewies er eine selten« Um- und Uebersicht. Des LandesverrathSgegen Deutschland überführt, floh er aus der Schweiz nach—Deutsch-land.„Was viele", schließt treffend die„Zürcher Post" ihren schon zitirtenArtikel, und auch wir können damit schließen,„was viele für seinenverrücktesten Entschluß erklärten: daß er nach Deutschland zurückkehrte(Sein Anwalt soll ihm gesagt haben:„Da würden Sie ja erschossen!"),das hat sich als ganz verständige Ueberlegung er»wiesen..."Gönnen wir dem Ehrenberg die Freiheit, er hat fie zweifelsohneverdient.— Puttkamer, der WahrheitSfreuud. Die Mohrenwäsche istein sehr undankbares Geschäft. Man mag alle Seifen, all« Laugen derWelt in Anwendung bringen, man mag putzen und reiben, daß einemder Schweiß stromweise den Körper hinabtriest— Alles umsonst, derMohr bleibt ein Mohr. Aber wenn der Mohr absolut weiß sein soll,wenn von des Mohren Weiße die Existenz eines ganzen Systemsabhängt, was dann?Je nun, dann erklärt man mit erhobener Stirn den Mohr fürweiß und Jeden für einen Lügner, für«inen Verleumder, für einenStrolch, der an der blendenden Weiße des Mohren— nicht doch, deSpflichtgetreuen und wahrheitsliebenden Jhring-Mahlow den ge-ringsten Zweifel äußert.Zu den Zeugen, die seinerzeit gegen Jhring Mahlow ausgesagt, gehörteunser Gencffe JenS Christensen— Grund genug für Herrn Pütt-kamer, Chrifiensen dem Reichttage al» ein durchaus unglaubwürdige»Subjekt erscheinen zu lasten. Aber wie das anstellen? Die Sache istsehr einfach. Christensen ist vom Landgericht Plauen zu drei Mona-ten Gefängniß verurtheilt worden, weil er einem Soldaten e i nExemplar de»„Sozialdemokrat" zum Lesen gegeben. Da« verräth schonan sich, wie es im Liede heißt,„nichts Gutes nicht". Aber e» ist dochnoch nicht genug, dem Reichstag Gruseln vor einem solchen Scheusal zuerwecken— selbst wenn man verschweigt, daß das Landgericht Plauenals strafmildernd anerkannt, daß Christensen bei seiner That„ d a SBewußtsein der Rechtswidrigkeit" gefehlt habe.(In einem früheren Reichsger ichtserkenntniß war nämlich ausgesprochenworden, daß das Mittheilen einer einzelnen Nummer einer verbotenenSchrift keine strafbare Verbreitung im Slnne des Gesetzessei.) Es mußte also noch gezeigt werden, daß grade die betreffende Rum-mer eine ganz besonders scheußliche, die verwerflichsten Grundsätze pro-'pagirende war.Und Puttkamer erhob sich und sprach:„Nun bin ich in der Lage, Ihnen diese heilige Schrift— zufälligist mein Blick darauf gefallen in diesen Tagen— vorzuführen.Diesen sächsischen Soldaten, die zur Vertheidigung nicht bloS desBaterlandes nach Außen, fondern auch unter Umständen nach In-nen berufen find, denen wird ein Schriftstück folgenden Inhalts mitdem Anhalte eingehändigt, es doch ja nachher zu vernichten, eSkönnten sonst Unannehmlichkeiten entstehen— nur zufällig aus denersten Blick begegne ich in der Nr. Ii des„Sozialdemokrat" vomJahre 1888 folgendem Passu». Es wird da von der Pariser Kom-mune gesprochen, und die wird in allen ihren Kundgebungen ver-herrlicht. Die Ermordung des ErzbifchofS, die Er-schießung der Generale, die Brandstiftungenund Mordbrennereien, die javonderKommunebegangenworden, werden glortsizirt alShvchstnachahmenSwerthe Thatsachen."Nun find wir auch„grade in der Lage", in die betreffend« Nummereinen Blick zu werfen, und da können wir konstatiren, daß von all' denDingen, die Puttkamer da anführt, auch nicht ein SterbeuSwört»chen in derselben zu lesen ist! Die Ermordung des ErzbifchofS,die Erschießung, die Brandstiftungen rc. sind nicht nur nicht glorifizirt,nicht als höchst nachahmensw-rth« Thatsachen hingestellt, sie find über-Haupt nicht einmal erwähnt!Wir nehmen den stenographischen Bericht noch einmal zur Hand, lesenihn noch einmal durch— richtig, hier steht«S:„Nr. 11 deS„Sozial-Demokrat" vom Jahr 1888."Aber das kann ja nicht sein, der Minister wird sich geirrt, eine falscheJahreszahl angegeben haben----Rein, der M.nister hat sich nicht geirrt, denn nach der summarischenAnführung deffen, was er in der Nummer gelesen haben will, folgtein Zitat, aus dem hervorgeht, daß er die angegebene Rummer wirklichin der Hand hat.Es heißt da u. A.:„Wir vergeffen nicht, welch' unverzeihliche Schwäche eS war, nachdem fast ohne Kampf errungenen Sieg dem Feinde Zeit zu laffen,Jch zum Gegenschlag zu rüsten. Wir vergeffen nicht, wie schwer dieommune dafür hat büßen müssen» daß sie, statt zum Angriff über-zugehen, fich auf die vertheidigung beschränkte; wir vergeffen nicht,iselche Opfer an Menschenzlück und Menschenleben hätten erspartwerden können, wenn die Kommune, nachdem ihr der Kampf auf-gezwungen worden, ihn mit allen ihr zur Verfügung stehende»Mitteln geführt hätte."Ganz recht, das steht im„Sozialdemokrat" und ist auch unsere An-ficht. Hätte die Kommune gehandelt, als es noch Zeit war, so wäre daispätere Blutvergießen, und damit auch die Erschießung des ErzbischofS,die„Brandstiftungen"»c. wahrscheinlich vermieden worden. So undnicht anders ist der Satz gemeint, und nicht anders ist er auch zu v er-stehen. Exzellenz Puttkamer aber fährt fort:„Di-Mittel, die ich anführte, warenalsonochnicht ausreichend!"Daraus muß Jeder, der die Nummer nicht zur Hand hat und SewerExzellenz auf ihr Gentleman-Gestcht glaubt, schließen, eS feien un» nochnicht genug„Brandstiftungen und Rordbrennereien" ic.«. verübt worden, und nach einem weiteren Zitat, wo von Rothschild und der Bankvon Frankreich die Rede ist, kann daher Puttkamer mit erhöhtemPathos schließen:„Run, meine Herren, diese« heillose Frevel— denn anders kannich eS doch nicht bezeichnen, der darin liegt, einem Soldaten, de«feinem Kriegsherrn den Fahneneid geleistet hat, solch' ei» nieder»trächtiges Machwerk, um feine Treue zu untergraben,(sehr richtig! rechts)in die Hände zu spielen, ein solch' heilloser Frevel kann gar nichtstreng genug aufgefaßt, geahndet und bestraft werden. Christensengehört gerade zu denjenigen Leuten, von denen ich Ihnen nachhernachweisen werde, daß es nöthig ist, sie bei ihren verbrecherischenAgitationen sehr ernst zu fassen und aus der Gemeinschaft derNation auszuscheiden, deren sie fich durch solche Machinationen wwürdig gemacht haben.(Sehr richtig! rechts.)Nun, das war Christensen, und ich glaube, feine Glaubwürdigkeitist durch die Rittheilung dieser Thatsache einigermaßen erschüttert."So Herr Puttkamer, der Sittenstrenge. Selbst wenn seineAusführungen auf Wahrheit beruhten, so bewiesen sie absolut nicht»gegen die Glaubwürdigkeit Christensens. Es fällt un» daher auch garnicht ein, unfern Genoffen gegen die Ausfälle des Ministers in Schutzzu nehmen. Im Gegentheil, wir betrachten sie al« die Q u i t t u n gSemer Exzellenz für die Entlarvung Jhring Mahlow's— wo dieserEhrenmann als glaubwürdig gilt, wird Christensen auf da? gleichePrädikat gern verzichten. Also kein Wort zu seiner Vertheidigung.Aber festgestellt sei, daß Seine Exzellenz, der PreußischeStaatsminister vonPuttkamer, Vizepräsident des preußischenStaatsministeriumS, und Bevollmächtigter Preußens im Bundesrath, fichnicht davor scheut, um einem politischen Gegner die Ehre ab--zuschneiden, aus einem Artikel Sätze zu zitiren, von denenin Wirklichkeit kei« Wort in demselben steht.Im gewöhnlichen Leben nennt man das-- doch nein, mag dieRedaktion der„Neuen Züricher Zeitung", welche uns unserer unver»blümten Ausdrucksweise wegen„Fischweiberjargon" vorwarf, selbst da»Wort hinzufügen, das ihr für eine solche Handlungsweise angemessenscheint.— Der Eindruck der Enthüllungen der sozialdemokrattfche»Abgeordneten über das Spitzelwesen ist in ganz Deutschland—schreibt man uns—„ein ganz ungeheurer. Selbst Sozialistenfresser fan-gen an zu begreifen, daß der Kampf gegen die Sozialdemo«kratie ein Kampf gegen die Kultur ist, und es fängt ihnman zu grauen vor dem, was werden wird, wenn die preußischen Junkeram Ruder bleiben.Da»„neue" Sozialistengesetz ist unzweifelhaft abgethan, und da» attehat einen Stoß erhalten, von dem e« sich kaum erholen wird. Di« So-ztaldemokratie hat ein« Hauptschlacht gewonnen.Und die Schweiz, welche dem Spitzelunwesen so kräftig zu Leib«ging, hat sich Anspruch auf den Dank jedes Freiheit und Recht liebendenMenschen erworben."— Die faule« Kartellbrüder: Die Nationalliberale Korre-spondenz, also das o f f i z i e l l e Organ der kartellbrüderlichen National-liberalen, schreibt dem kartellbrüderlichen Reichstag in ihre Rummer vom24. Januar folgendes Zeugniß:„Die Bänke des Reichstags sind seit Neujahrwieder außerordentlich dünn besetzt; jede Auszählungwürde Beschlußunfähigkeit ergeben; oft sind kaum fünf«zig Mitglieder anwesend. Die Ctatsberathungen mit ihrerewigen Wiederholung derselben Debatten sind freilich in der Regel nichtgeeignet, eine große Anziehungskraft auszuüben; allein zur Erhöhungdes Ansehens des Reichstags kann es doch unmöglich beitragen, wennman ganze Reihen von Sitzen leer sieht. Dabei werdenschon am Freitag die Verhandlungen über das Sozialistengesetz beginnen,die fich zu einer Entscheidung ersten RangeS zu gestalten scheinen. ESist gewiß kein erfreulicher und gesunder Zustand, wennam Vorabend so wichtiger Verhandlungen die Fraktionen kaum Mit-glieder genug zusammenbringen, um eine erfolgreiche Berathung veran»stalten zu können. Der mangelhafte Besuch der ReichStagSsttzungenweist immer wieder von Neuem auf die Nothwendigkeit hin, die Sessionendurch möglichste Konzentration der Thätigkeit und Fernhalten vonpraktisch nutzlosen Debatten abzukürzen. ES muß doch alSder normale Zustand erstrebt werden, daß die Abgeordneten, wenn sienicht ganz besondere Abhaltungen haben, die ganze Dauer der Sessionüber an den Berathungen theilnehmen, was bei der Ausdehnung,welche in den letzten Jahren die Sessionen genommen haben, allerdingsfür die meisten kaum mehr möglich ist."Dem Zeugniß ist nichts hinzuzufügen. ES ist das uneingeschränktesteZeugniß der Faulheit, das überhaupt ausgestellt werden kann.Interessant und charakteristisch ist das Kurmittel, welche» die„National«liberale Korrespondenz" vorschlägt. Durch Konzentration der Thätigkeitund Fernhalten von praktisch nutzlosen Debatten, sollen die Sesstonenabgekürzt werden. Da nach nationalliberalen Anschauungen alles„un-staatsmännisch" ist, was von der Regierung bekämpft wird, und daselbstverständlich alle»„unstaatsmännische" auch„prakttsch nutzlos" ist,so darf der Regierung überhaupt keine Opposition gemacht werden unddie„Konzentration der Thätigkeit" wird also in der konzentrirtmZungenthätigkeit des Jasagens bestehen— beiläufig auch dieeinzig«„parlamentarische" Thätigkeit, für die diese kartellbrüderlichenNullen und Hurrahbrüder sich eignen.— WaS mag da» für ei« g-eist fein! Wir lesen irgendwo:„Aus der Pariser Gesellschaft.... Di« Leser der........... wiffen, daß der G-meinderath von Pari« zu zweiDrittel au» Anarchisten zusammengesetzt ist. Man denke sich nun80 Anarchisten in Frack und weißer Halsbinde, sich in glänzende«prunkvoll ausgestatteten Räumen bewegen(die Rede ist vom Gemeinde-rathSball), sich den Regeln der Etiquette der Gesellschaft fügen, die siebekämpfen, mit fteundlichem Lächeln die hervorragendsten Vertreter die«fer Gesellschaft begrüßen, und man hat ein Bild, das durch die Kon-traft« zwischen seiner äußern Erscheinung und seine» SedankeninhaltS(welcher Etil!) einen komischen Eindruck machen muß."Stünde dergleichen dummes Zeug in dem Organ, auS dem BerlinerIardelieutenants und pommer'sche Landpfarrer ihre polttische Weisheitbeziehen, in der braven„Kreuzzeitung", man würde darüber kein Wortverlieren. Auch der frommen„Germania", für die der Pariser Gemeinde-rath der leibhastige Antichrist ist. würde man e» hingehen laffen. Alleinweder diesen, noch gleichgesinnten Blättern ist der zitirt« Satz entnommen.sondern— der demokratischen„Frankfurter Ztg."(Feuilletonder Nr. 31, zweite« Morgenblatt). Also zwei Drittel de« Pariser Ge-meinderathS find— Anarchisten! Mit demselben Recht darf HerrStöcker sagen, zwei Drittel de» Berliner StadtverordnetenkollegiumSfind Anarchisten. Denn die autonomistisch-radikal« Mehrheit des PariserGemeinderaths haben mit dem Anarchismus geradezu so viel zu thun,als die Fortschrittler im rothen Hause zu Berlin. ES find Republikaner,zum Theil sogar sozialistisch gefärbt« Republikaner, aber ihr Sozialismusgeht durchaus nicht über den im politischen Theil der„FrankfurterZtg." oft recht geschickt vertretenen hinau». Sollte das der Redaktionder„Frankfurter Ztg." so ganz unbekannt sein? Schwerlich, insbesondereihr neuestes Mitglied dürfte darüber so gut unterrichtet sem al» irgend