ungen nSet« mS zu w-iß, Mar- i vom König« Elfer
Zticht-r niemals das höchste Strafmaß, und zwar auch nicht in wieder- ! holten Fällen der Verbreitung, überschritten oder nicht überschreiten iiönnten auf Grund des§ lg. eine gan, und gar unrichtige, sie ist auf Erund der Thatsachen direkt unwahr. Ich bin in der Lag«, diese» direkt zu beweisen. Wenn ich nur zwei Fälle anführe, so genügt das sicher vollauf, um die vollständige Unrichtigkeit der Behauptung des Bundesraths, daß die Richter in der That über das angedrohte höchste Maß auch bei vielfachen Uebertretungsfällen, wie sie vorgekommen seien, nicht hinausgehen könnten, darzulegen. Meine Herren, eS sind noch nicht zwei Jahre, da kam in Altona ein Prozeß vor wider einen meiner Parteigenosien, einen gewissen Zigarren- «beiter Kükelhahn. Dem wurde nachgewiesen, daß er in 26 Fällen den »Sozialdemokrat" und zwar jedesmal in ziemlichen Masten, verbreitet Sie. Nach der Meinung des Bundesraths und der Motivirung hier in Borlage hätte also der Mann über sechs Monate nicht bestraft wer- den können. Wie hat nun der Alionaer Staatsanwalt deduzirt und wie hat das Altonaer Gericht entschieden? Der Staatsanwalt deduzirte: der Angeklagte hat nachgewiesenermaßen 26 Male den„Sozialdemokrat", und zwar in Masten verbreitet. Für jede dieser Mastenverbreitung verdient der Angeklagte mit dem höchsten Strafmaß von sechs Monaten belegt >u werden; 26 hat er begangen, ergo gebührt ihm ein Strafmaß von lS Jahren; aber ich will mit dem armen Sünder gnädig sein, ich will dicht 13 Jahre, ich will nur sechs Jahre beantragen. (Hört! hört! links.) Sa» Altonaer Gericht hat nun zwar nicht auf 6 Jahre, aber auf 3'/, Jahre Gefäugniß wegen einfacher Verbreitung des„Sozialdemokrat" dl 26 Fällen erkannt. (Hört! link».) Hier ist also der schlagende Beweis gegeben, auf wie hohlem Boden die zanze Darstellung des Bundesraths in dieser Beziehung ruht.... Und nun eine weitere Ungeheuerlichkeit in der Borlage. Diejenigen, welche sich die Förderung der Bestrebungen, die das Sozialistengesetz als verbotene kennzeichnet, zum Geschäft machen, sollen im Fall einer Zu« widerHandlung gegen die ߧ 17 bis 20 mit Gefängniß von mindestens Zwei Jahren bestraft«erden. Wenn ich also eine ganz harmlose Bro- schüre, m der nichts Gesetzwidriges enthalten ist, über die nur irgend eine Polizeibehörde entschieden hat: sie ist zu verbieten, weiterverbreite, so werde ich al» einer derjenigen, die nach Austastung des Richters sich dies zum Geschäft machen, mit mindestens zwei Jahren bestraft, und der Richter wird, da er nicht darunter gehen kann, diese Strafe als Minimum erkennen, auch wenn er sich selbst sagt, daß in der Broschüre eigentlich >ar nichts Schlimmes enthalten sei;— aber das Gesetz droht wenigstens zwei Jahre an. Also eine einfache Polizeiübertretung, die in jedem anderen Falle nach dem Strafgesetzbuch bis höchstens mit sechs Wochen Hast bestraft werden kann, wird in einem solchen Falle mit einem Minimum von zwei Jahren belegt, und in solchem Falle wird auch die Jnternirung oder die Expatriirung ausgesprochen. Das klingt Sanz mittelalterlich; da ist wahrhastig die peinliche Halsgerichtsordnung loifet Karls Y. ein Muster von Milde gegen das, was j-tzt der Bun- desrath beantragt. Man sagt auch nicht gleich: wir wollen diesen Ren- schen ausweisen, wir wollen ihn im deutschen Baterlande nicht mehr daben; nein, erst steckt man ihn miudesteuS zwei Jahre ins Gefäng- niß, ruinirt feine Existenz, seine Familie, ruinirt ihn vielleicht körperlich und geistig, und wenn er so recht »uinirt und in jeder Richtung auf den Hund gekommen ist, dann schickt Man ihn ins Ausland, und überläßt es dem Ausland, weuschlich zu sein und den um ein Nichts auS seinem Vaterlande vertriebenen aufzunehmen. (Schluß folgt.)
Sozialpolittsche Rundschau.
Zürich , 14. Februar 1888. — Die Verlängerung der Legislaturperioden von drei auf fünf Jahre ist im Reichstag wie im preußischen Landtage mit Hurrah durchgepeitscht worden— um das„Ansehen der Volksvertretung zu heben." Nicht etwa der Regierung gegenüber, wie das naive Ge- Müther in einer Zeit sür nothwendig halten könnten, wo die Regierung alle Beschlüsie der Volksvertretung, die ihr nicht konveniren, einfach in den Papierkorb wirft, sondern dem Volk gegenüber. Vor der Regierung auf dem Bauche zu kriechen und ihr das. was sie wünscht und braucht, freiwillig zu apportiren, das ist ja, wie F'gura zeigt, die höchste Ehre sür eine rechte Bolksvertretung. Aber alle drei Jahre den Wählern Rechenschast ablegen zu müssen für sein parlamentarisches Wirken, alle 1 drei Jahre die öffentliche Kritik über sich ergehen laffen zu müffen, das ist eine Zumuthung, der sich kein„Ehrenmann" gerne unterzieht. Und darum verlängert man die Legislaturperiode und thut noch ein gutes Werk dabei, denn der arme vielgeplagte Staatsbürger braucht jetzt statt alle drei Jahre nur alle fünf Jahre seinen Kopf mit den verhängniß- «ollen Fragen abzuplagen: wem gebe ich meine Stimme. Er hat jetzt lünf Jahre lang seine Ruhe, dieses köstliche Gut des deutschen Normal- Philisters. Rein, die Sache ist zu schändlich, um mit schlechten Witzen darüber j hinwexzutänzeln. Wenn ein Reichstag nicht befugt war, in einer so umschneidenden Frage des BolksrechtS Beschlüsie zu fasien, so war eS dieser, unter dem falschen Kriegsgeschrei nur für die Bewilligung des Septennats gewählte. Aber was fragen die Herren nach Moralischem Recht oder Unrecht! Sie haben die Macht, und sie benutzen sie in ihrem Sinne oder vielmehr im Sinne deffen, dem sie diese Macht verdanken. Und wenn es noch ein Beschluß wäre, den ein späterer Reichstag, den das Volk durch die Wahl anderer Vertreter Mieder umstoßen könnte. Aber das ist nicht der Fall. Sind die fünf- jährigen Legislaturperioden Gesetz, so kann kein späterer Reichstag sie in dreijährige zurückverwandeln, wenn die Regierungen, d. h. Preußen, Nicht Ja und Amen dazu sagen. Daran ist aber natürlich gar nicht zu denken, denn gerade die Reichsregierung hat ein großes Jntereffe an mngen Legislaturperioden. Sie stärken ihre Macht in jeder Beziehung. mekommt sie einmal einen Reichstag, der ihr nicht auf Kommando ge- horcht, nun, so löst sie ihn bei passender Gelegenheit, wenn sich eine zugkräftige Wahlparole darbietet, auf, und dann hat sie wieder auf fünf Jahre„ihre Ruhe". Ein Abgeordneter, der auf fünf Jahre gewählt ist, kann natürlich auch während dieser Frist viel leichter be— lehrt wer- ben, als einer, der schon nach drei Jahren seinen Wählern Rechenschaft schuldet. Mit einem Wort, alle Bortheile der Verlängerung liegen auf Seiten der Regierung, alle R a ch t h e i l e auf Seiten de» Volkes, derjenigen VolkSklaffe, die außer in den Parlamenten ihre Forderungen nirgends zur Gellung bringen kann, der Arbeiter. «iese„Korrektur" des allgemeinen Wahlrechts ist eine Waffe mehr zur politischen und ökonomischen Knebelung des Volkes, und wenn me Herren Nationalliberalen, Dank denen dieselbe geschmiedet werden konnte, sich etwa, um ihren Liberalismus in ein glänzendes Licht zu stellen, sich darauf berufen sollten, daß sie ja die Puttkamer'schen Ber- schärfungen des Ausnahmegesetzes abgelehnt, so wird man ihnen ant- Marten: Ihr habt mit der Annahme dieses Gesetzes dem Volksrecht eine Mindestens ebenso tiefe Wunde geschlagen als eS PutlkamerS brutale AechtungSparagraphen gethan hätten. Hingestellt, des Volkes Rechte zu schützen, habt Ihr de» Volkes Recht verrathen und verkauft— Mir danken für einen solchen Liberalismus! Die Annahme der Verlängerung der Legislaturperioden erklärt die Seelenruhe, mit der der Todfeind der Arbeiterbewegung die Ablehnung »er Verschärfungen des Sozialistengesetzes hinnahm— hier hatte er Er- satz dafür. Es ist der erste Schritt zur Einführung der Bestre- «ungen de» gemeingesährlichen Gesetzes ins gemeine Recht.
n Mo-— Jhring- Mahlow und Raporra haben richtig«inen Orden be- >aß die kommen— daS„allgemeine Ehrenzeichen", wie das Ding heißt.— Herr
Puttkamer hat Wort gehalten. Die Arbeiter aber, welche die Schufte Schröder und Haupt entlarvt, sind„Strolche", nach den Worten und Begriffen deffelben Herrn von Puttkamer . Das ist wieder einmal ein glänzendes Beispiel der umgestülpten Moral, die heute herrscht. Das Recht wird unterdrückt, das Unrecht wacht die Gesetze und erklärt die Niedertracht für Tugend, die Strolche für Männer, hochverdient um das Vaterland. Die Orden, welche die Herren Jhring-Mahlow und Naporra erhalten haben, find für uns agitatorisch werthvoller als tausende von sozialdemo- kratischen Flugschriften, die jede in taufenden von Exemplaren verbreitet worden. Der Puttkamer hat zum Glück„dreifaches Erz" um die schmale Junkerstirn— sonst würde er un« nicht so werthvolle Dienste leisten.— Uebrigens hat der Puttkamer den Trost, einen Bewunderer gefunden zu haben. Natürlich ist's ein deutscher Professor. Es gibt ja, wie schon der alte Ernst August von Hannover meinte, keine Infamie, für die nicht ein deutscher Proseffor zu haben wäre. In diesem Fall heißt er Thudichum, lehrt an der Universität Tübingen , und hat in die„Tübinger Ehronik" einen Artikel geschrieben, in welchem er daS Spitzelthum als fine fleur— feinste Blüthe— des Patriotismus und den Puttkamer als ritterlichen Staats- und GesellschaftSretter verherrlicht. Sehr treffend schreibt in Bezug auf die Ordensverleihung die Wiener „Gleichheit": „Die beiden Herren werden gewiß in den Reihen der bereits„Aus- gezeichneten" und„Dekorirten" mit Jubel aufgenommen werden und wir zweifeln nicht, daß sie da in eine würdige Gesellschaft hineinkommen, welche vollständig zu ihnen paßt.-- Vielleicht aber wird irgendwo ein alter, invalider Beamter, der, nach- dem er sich vierzig Jahre um einen Hungerlohn geschunden, endlich mit einer Bettelpenston und diesem„Ehrenzeichen" entlassen wurde— viel- leicht werden hie und da so einem harmlosen und loyalen dummen Teufel die Augen aufgehen und er reißt sich das„Ehrenzeichen" von der Brust und tritt es mit Füßen vor Scham und Wuth— das ist dann allerdings Einer, der in die Gesellschaft der„Pflichtgetteuen" nicht mehr paßt! O, Puttkamer versteht sich auch aus Agitation! — Aus Deutschland , 10. Februar, schreibt man uns: „Die Galavorstellung im deutscheu Reichstag", wie ein Kor- respondent der„Frankfurter Zeitung " das politische Schaustück des vorigen Montags(6. ds. Mts.) genannt hat, war zu dem doppelten Zweck inszenirt: 1) die furchtbare Niederlage der deutschen Regierung in der Sozialistengesetz-Debatte vergessen zu machen, und: 2) diePersonBismarck's wieder populär zu machen und in den Vordergrund zu schieben. Einen kläglicheren Anblick, als die deutsche Regierung in der Person des Puttkamer in der letzten Sozialistenges-tzdebatte, hat niemals eine Regierung dargeboten. Ertappt bei den niedrigsten Praktiken in flagranti — mit der Hand auf dem Lockspitzel Dynamit— stand sie gebrandmarkt vor der zivilisirten Welt, und der fast lächerliche Mißerfolg, den sie im Kampf mit der Sozialdemokratie davon ietragen, konnte vor ihrer Stärke und Macht wahrhastig keinen Respekt einflößen. Bismarck sah, daß hier nichts zu retten war— er ließ seinen„herein- gefallenen" Vetter in der Patsche(aber auch im Amt) und— ordnete die„Galavorstellung" an, xour donner le change, um der öffentlichen Meinung„den Wechsel zu geben", d. h. um die Aufmerksamkeit von den Herren Naporra, Jhring Mahlow, Haupt, Schröder, Puttkamer u. s. w. abzulenken. Bor noch nicht ganz Jahresfrist— an der gourvöo des dupes— dem Tag der Geprellten— am denkwürdigen 21. Februar hatte das KriegSgespenst seine Lebenskraft bei den Wahlen zum Reichstag be> wiesen— warum sollte es nicht nochmals wirksam verwendet werden können? Natürlich nicht mehr in der alten Weise, denn Michel ist nach dem Riesenbetrug des 21. Februar doch etwas mißtrauisch geworden. Also keine rothbeklecksten Kriegskarten— keine geschändeten Weiber— keine „letzte Kuh auS dem Stall". Umgekehrt— nicht zu erschrecken galt es, sondern, wenig- stens scheinbar, zu beruhigen, bedingungsweise zu beruhigen. In neuer Rolle zeigte der geniale Hexenmeister von Staatsmann sich dem staunenden Volk— in der Rolle des F r i e d e n s e n g e l s, der daS grauenhafte, haarsträubende Kriegsgespenst vor versammeltem Publi- kum zähmt, wie«in Zirkuskünstler seine Löwen und Tiger— der dann am Schlüsse der Vorstellung sich stolz vor seinem Publikum ver- neigt, mit einer Miene, welche da sagt: „Macht eS mir nach! Wer es versucht, dem wird es allerdings schlecht ergehen! Daskannnurich! DaS kau« nur ich! Nur Ich kann das Kriegsgespenst bannen! Wehe Dem, der mir das Kunststück nachmachen wollte! Wehe aber auch, wenn ich— von meinem Posten entfernt und da» Kriegs. gespenst, das ich allein bannen kann, Fleisch und Blut gewin- nen würde!-- Vor jeder derartigen Vorstellung müssen die Bestien gut gesüitert werden, einmal damit sie sich leichter behandeln laffen, und zweitens damit sie hübsch laut brüllen können. Das Kriegsgespenst wurde hübsch gesüttert. Schon vor Weih- nachten war die neue Heeresvorlage gekommen, die Deutschlands Heer um 800.000 Soldaten, das heißt fast eine Million, vermehrt. Ein solider Bissen für die hungerige Bestie von Gespenst. Und wer da noch nicht an die Körperlichkeit und Echtheit des Ge- spensteS glauben wollte, dem wurden seine Zweifel beseitigt durch die 2 81 Millionen, die vor 3 Wochen gefordert wurden. Jndeß das reichte noch nicht. An neue Soldaten, neue Steuern und neue Schulden ist der deutsche Michel so gewöhnt, wie der Aal an das Geschundenwerden— Michel merkt's kaum. Und so bedurfte es noch eines ganz besonderen Stachels der Reklame für die„Exlra-Vorstellung": der deutsch-österrei- ch i s ch e Bündnißvertrag wurde am vorigen Sonnabend(den 4. Februar) veröffentlicht und gleichzeitig angekündigt, daß der unver- gleichliche— Friedensspender am darauffolgenden Montag seine„Gala- Vorstellung" zu geben beschlossen habe. Daß ein Bündnißverttag, der neunthalb Jahre geheim gehalten wor- den, plötzlich, ohne-jede erkennbare Veranlassung, der Oeffentlichkeit über- geben wird, ist ein so ungewöhnliches Versahren, daß nothwendig die Neugierde gereizt und dunkle Befürchtungen erregt wer- der müssen. Wozu das? Welchen Zweck hat die Veröffentlichung? Bedeutet sie Krieg, bedeutet sie Frieden? Das waren die Fragen, die in jedem Munde lagen.— Natürlich hüllt« der Künstler sich in geheimnißvolles, undurchdring- liches Schweigen. Nächsten Montag ist ja Galavorstellung, da wird die Sphinx reden, von deren Zunge Krieg oder Frieden auf die Erde herabträufeln wird. Und— das Publikum war in der richtigen Stimmung. Sonnabend und Sonntag vergingen in scharssinnigen Spekulationen über die Veröffentlichung de» mystisch mythischen Vertrages; und daS Resultat aller dieser Spekulationen war:ein vernünftiger Grund kann nicht entdeckt werden. Und die Leute hatten— Unrecht. Am Montag fand die Extra. Lorstellung statt, und daS war doch ein genügender Grund. Zu einer solchen Vorstellung muß die Neu- gier de gehörig angestachelt werden. Der Montag kam. Die Galavorstellung kam. Der Künstler trat vor — zufriedenen Blicks, denn er sah, daß sein Publikum in der richtigen Stimmung war.— Den Rest weiß der Leser. Krieg, Krieg— Fried«, Friede. Wenn— aber— gefährliche Lage—vortreffliche A b si ch t en— N ie- mand will Krieg— wir find unser ganzes Leben lang grimmige Friedensfreunde gewesen und haben durch drei Kriege bereit« unsere Friedensliebe bewährt. Wie kann da noch Jemand an unserer Friedens- ttebe zweifeln? Auch Frankreich will den Frieden. Und Rußland erst recht. Also braucht Niemand sich zu ängstigen. Allein, aber, indessen, die Bestie ist doch eine ganz gefährliche Bestie. Da» Kriegsgespenst ist zwar augenblicklich so zahm wie ein Nationalliberaler — hat aber den Schalk hinter ihm und den Teufel im Leibe. Man muß es zu behandeln wissen und— mit einer stolzen Verbeugung—
Ich bin der Man n y— der einzig wahre— Retter und Friedens- bringer. Und— das war nach San Remo gesprochen. -- DaS Publikum klatschte Beifall. Es war entzückt. Nie hat die Welt einen grandioseren Triumph erlebt. Und erst als die Beisallssalve verklungen war, fragten die Entzückten sich: WaS hat ER aber eigentlich gesagt? Und Keiner weiß es bis aus den heutigen Tag, und Keiner wird'S wissen, es sei denn bei der nächsten— Galavorstellung. — Selbst einem so gemäßigten Blatte wie die„Neue Zürcher Ztg." entlockte das neue, mit Hurrah durchgepeitschte Wehrgesetz seinerzeit folgenden Stoßseufzer: „Sind einmal diese Ausgaben(die nahezu 300 Millionen für die Ausrüstung rc. der zweiten Landwehr) gemacht, dann werden die Fachleute bald genug ihre Erörterungen darüber beginnen, ob eS angeht, den dritten Theil der Armee lediglich auf dem Papier zu führen und zu keinerlei Uebungen heranzuziehen. In Deutschland und namentlich in Preußen existirt eine entschiedene Abneigung, sich auf militärische Einrichtungen zu verlassen, deren Zuverlässigkeit nicht unzweifelhaft fest- steht, und diese Zuverlässigkeit kann eben im vorliegenden Falle nur bei Uebungen festgestellt werden. Die Schweiz hat in dieser Beziehung mit der Landwehreinrichtung bereits ihre Erfahrungen gemacht, und wenn wir auch gerne glauben, daß Deutschland der zweiten Landwehr nur das Nothwendigste zumuthen will, so werden die ältern Landwehrleute schließlich doch alle paar Jahre für ettiche Tage in de» Königs Rock schlüpfen müssen. Darum ist die Errichtung der zweiten Landwehr jedenfalls der wich- tigste Theil der neuen deutschen Militärvorlage. Die Umgestaltung der Ersatzreserve, welche die Vorlage anregt, die Ausdehnung der Landsturm- pflicht bis zum 45. Altersjahr(sie reicht jetzt bis zum 42. Altersjahr), die Eintheilung des Landsturmes in zwei Ausgebote sind Dinge von weniger Belang. So wachsen die Heere der großen Staaten ins Ungeheuerliche, si« werden zu Riesenungethümen, wie die Welt sie nie zuvor gesehen hat. Und wenn diese Kolosse aufeinanderstoßen, werden sie in kurzen Wochen die Früchte langjähriger Kulturarbeit zerstören und zertreten, und de» Blutvergießens, der Thränen und des Jammers wird kein Ende sein. Unter solchen Umständen treiben wir dem letzten Jahrzehnt deS Jahr- Hunderts entgegen, dessen anderthalb erste Dezennien dem Welteroberer fluchtm." Welch eine Verurtheilung des Systems und derjenigen, die es in'S Leben gerufen und mit allen Mitteln aufrechthalten! Welch eine Recht- ferttgung Derjenigen, die es grundsätzlich bekämpfen und durch Pro- klamirung des SelbstbefiimmungsrechtS der Völker ein friedliches Neben- einanderleben derselben ermöglichen wollen! — Die Kraftphrase„Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt", mit der Bismarck seine grrroße Rede über daS Wehrgesetz und verschiedenes andere schloß, wird vom Berner„Bund" wie folgt glossirt: „Es ist nicht Marcel in den„Hugenotten ", der sich dies« Opernphrase leistet, sondern Fürst Bismarck wagte so etwaS dem Reichstage zu bie« ten. Er wird doch alt, der große Mann! Und, wenn auch die Schach- züge seiner Politik noch die richtigen sein mögen, wie wir einstweilm glauben wollen, in solchen einzelnen Wendungen der Rede tritt ein merklicher Mangel an Geist zu Tage. Denn was kann eine solche Phrase bedeuten? Kann nicht der Engländer sie mit demselben Recht« ausspre- chen? Gibt es überhaupt ein Volk Europas , deffen Selbstgefühl nicht in ähnlichen Worten der Verherrlichung seines Manneemuthes auf- flammte— wohlgemerkt auf der Tribüne eines Volksfestes, aber doch nicht im ernsten Berathungssaale?!„Wenn wir angegriffen werden, dann wird der kuror toutouious entflammen, mit dem eS Niemand auf« nehmen kann". Das ist auch so eine Opernphrase derselben Rede BiS- marcks. Ost genug haben e» andere Nationen mit dem»kuror ton- tonicus" aufgenommen und sind Sieger geblieben. Wenn übrigen« die Deutschen „Gott und sonst nichts auf der Welt fürchten", so mögen sie das Lockspitzelthum abschaffen, daS sehr nach Menschenfurcht, d. h. Anar- chistensurcht und keinesfalls nach Gottesfurcht schmeckt." Der„Bund" ist durchaus kein radikales oder gar sozialdemokrattscheS, sondern ein gemäßigt- liberales Blatt, von dem es heißt, daß es Fühlung mit höchststehenden Beamten der Eidgenossenschaft habe. Man kann dar- nach bemessen, welche Stimmung Puttkamers Auftreten selbst in diesen Kreisen des Schweizervolks hervorgerufen. — Die Kommisfio« zur Berathung des Sozialistengesetze« hat all« Verschärfungen mit großer Majorität abgelehnt; Prinz Karolath, von der„deutschen Reichspartei" meinte, wer mit Gewalt Parteien und Meinungen unterdrücken wolle, habe aus der Geschichte nichts gelernt, wozu Hr. Puttkamer ein etwas verdutztes Gesicht machte. Für die Ver- schärfungen stimmten blos die Stockkonservativen. Puttkamer, von dem nationalliberale Grünlinge erwartet hatten, er werde mit dem„Material" kommen, welches er in den ihm so verhängnißvoll gewordenen Reichs« tagSsitzungen nicht gehabt, hatte natürlich wieder nichts. Woher nehmen und nicht stehlen, nachdem daS„Material" so schnöde in die Brüche gegangen? Also vorläufig ist eS nichts mit den„Verschärfungen". Falls sich aber die schlechten Nachrichten aus St. Nemo bestätigen und der Stöcker und fem„lieber Freund" wieder obenauskommen sollten, dann werden auch die Verschärfungen gelegenttich wieder emportauchen. Auf- geschoben ist nicht aufgehoben! Die einstimmige Annahme der neuen Riesenanleihe für Militärzwecke hat Verwunderung erregt, well doch wenigstens Seitens der sozialdemokratischen Vertreter Widerspruch zu erwarten gewesen wäre. Wie uns mitgetheüt wird, fand am Montag, wo Bismarck das Kunst- stück fertig brachte, anderthalb Stunden zu sprechen, ohne ein Wort zu sagen, eine geschickt inszenirt« Ueb errump el ung statt. Die Herren Kartellbrüder behielten es ganz unter sich, daß sie die oodloo-A n n a h m e der betreffenden Gesetzesvorlage beantragen würden und— als unsere Genossen von dem Plane erfuhren, war es leider zu spät. Jedenfalls wäre es sehr thöricht, aus der Thatsache, daß kein sozial« demokratischer Abgeordneter gegen diese» volksfeindliche Gesetz und System seine Stimme erhoben, auf eine veränderte Haltung der deut- schen Sozialdemokratie zu schließen. — Aus der Zeit des„paradiesische« ZustandcS politischer Unschuld". Als Genosse Smger im deutschen Reichstage Herrn Putt- kamer das berühmte Reskript des preußischen Ministers Kirch eisen aus dem Jahre 1822 gegen das Spitzelthum unter die Nase rieb, da antwortete ihm die„Tugend-Exzellenz: „Ja, meine Herren, sehr richtig; das waren andere Zeiten, das waren die Zeiten, in denen wir die Hydra der Sozialdemokratte, die uns die Waffen in die Hand zwingt, noch nicht kannten. Wir leben jetzt in ganz anderen Verhältnissen und nicht in jenem para- diesischen Zustande politischer Unschuld wie damals. Da konnte sich ein preußischer Minister gestatten, zu sagen: ich werde mich nur der« jenigen Mittel bedienen, die nur auf der großen Heerstraße deS öffentlichen Rechts offen und breit liegen. Heute sind wir dazu nicht mehr in der Lage, und ich nehme gern die Verantwortlichkeit dafür auf mich, wenn Herr Singer eine unliebsame Parallele zwi« schen dem verewigten Minister Kircheisen und mir zieht. Die Rechte im Reichstage fand das»sehr richttg", und auch Herr von Marquardsen wandte sich später dagegen, die arme deutsche Jugend, deren „Bestrebungen in den sogenannten demagogischen Verfolgungen(dema- gogische Verfolgungen statt Demagogenverfolgungen ist kein übler Lapsu«) allerdings in tyrannischer und hartherziger Weise ihre Bestrafung finden sollten, auf eine Linie zu stellen mtt der Sozialdemokratie"(S. 184 de» stenographischen Berichts). Es fällt uns natürlich nicht ein, die— wenn der Ausdruck gestattet ist— geschichtliche Harmlosigkeit der Burschenschafllerei zu leugnen, ihrem Gibahren nach war dieselbe aber sür ihre Zett in keiner Weis« friedlicher und gesetzlicher, als es heute die Sozialdemokratie ist. Im Gegentheil, die Krastgenies der Burschenschaftsbewegung ließen es, waS aufreizende Sprache, Verherrlichung von Gewaltthättgkeiten anbetrifft, an nichts fehlen. Zieht man von ihren„Freiheits"gedichten die religiösen Verschwommenheiten ab, so befriedigen sie jeden— Anarchisten.� Die Gebrüder F o l l e n werden von fast allen Historikern als die eigentlichen Vertreter des Geistes der deutschen Burschenschast hingestellt. Nun, von dem einen dieser Fallen»